Umwege [Werkkommentar]

1 Werk: Formale Beschreibung

1.1 Leittext

[1] Mollenhauer, Klaus. Umwege. Über Bildung, Kunst und Interaktion (Monografie 1986; KMG 091-A). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqj8&edition=A.
[2] Basierend auf:
  • [3] Mollenhauer, Klaus (1986). Umwege. Über Bildung, Kunst und Interaktion. Weinheim [u. a.]: Juventa.
[4] Der Band Umwege. Über Bildung, Kunst und Interaktion umfasst 182 Seiten. Darin enthalten sind zwei Tabellen sowie zehn Abbildungen, die in Schwarzweiß-Druck auf Hochglanzpapier im Mittelteil des Bandes abgedruckt sind. Abbildung 2 (Titelholzschnitt aus Andreas Vesalius, De humani corporis fabrica septem libri wurde zudem für die Umschlaggestaltung verwendet. Neben den sieben Beiträgen enthält das Werk ein Vorwort sowie ein Literaturverzeichnis und Quellenhinweise zu den in diesen Band aufgenommenen Aufsätzen. Anmerkungen und Zitatnachweise sind als Endnoten jedem Kapitel einzeln angehängt.

1.2 Weitere Fassungen

[5] Eine nahezu unveränderte Neuausgabe der Monografie erschien 2014 im Klaus Münstermann Verlag, ergänzt um eine Einführung von Hans-Rüdiger Müller. Die Bilddokumente sind in dieser Ausgabe in Farbe abgedruckt.
  • [6] Mollenhauer, Klaus. Umwege. Über Bildung, Kunst und Interaktion (Monografie 2014; KMG 091-B). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqj8&edition=B.
[7] Der Beitrag Der Körper im Augenschein wurde 1989 und 2002 in inhaltlich identischer Fassung in zwei verschiedenen Sammelbänden veröffentlicht. Siehe dazu die Werke KMG A11-a und KMG A16-b.

1.3 Übersetzungen

[8] 2012 erschien eine japanische Übersetzung des Werks, ergänzt um eine ebenfalls ins Japanische übersetzte Einführung von Hans-Rüdiger Müller. Die Übersetzung erfolgte durch Yasuo Imai, Hiromoto Makabe und Shinji Nobira.
  • [9] Mollenhauer, Klaus (2012). Mawarimichi. Bunka to kyoiku no toyaronteki kosatsu. Machida-Tokyo: Tamagawa-daigaku-shuppanbu.

1.4 Unveröffentlichte Quellen

[10] SUB Göttingen, Cod. Ms. K. Mollenhauer
  • [11] Uni-Lehre 80 11-001: Vorlesung: Stationen neuzeitlicher Bildungstheorie. Interpretationen von Bildern aus fünf Jahrhunderten. (Literaturhinweise, 4 Seiten; Synopse der Bildbeispiele, 1 Seite; Zitate-Sammlung, 2 Seiten)
  • [12] Uni-Lehre 80 11-002: Vorlesung: Stationen neuzeitlicher Bildungstheorie. Interpretationen von Bildern aus fünf Jahrhunderten. Eine Problemskizze. Sommersemester 1986. (Ausformuliertes Vorlesungsskript mit zahlreichen Abbildungen. 78 Seiten + Kopie verkleinert auf 39 Seiten)
  • [13] Manu. pub. 80 28: Mollenhauer, Klaus (o. D.). Der Körper im Augenschein – Rembrandts Anatomie-Bilder und einige Folgeprobleme. Typoskript. (Möglicherweise Vortragsfassung, mit handschriftlicher Korrektur auf Seite 1, 17 Seiten)
  • [14] Manu. pub. 80 29: Mollenhauer, Klaus (o. D.). Der Körper im Augenschein – Rembrandts Anatomie-Bilder und einige Folgeprobleme. (Handschriftlich korrigiertes und ergänztes Typoskript, 18 Seiten)
  • [15] Manu. pub. 80 30: Mollenhauer, Klaus, o. D.: Literaturverzeichnis
    Umwege
    . (Korrigiertes Typoskript mit handschriftlicher Notiz
    Aufsatz-Sammelband
    (gemeint ist der Band
    Umwege
    ), 8 Seiten)
  • [16] Manu. pub. 80 31: Bildersammlung
    Umwege
    (10 Abbildungen (Kopien), mit Bildunterschriften und nummeriert entsprechend dem Abbildungsteil in
    Umwege
    , 10 Blätter Bildkopien, 6 Einzelfotos, 7 aufgeklebte Fotos mit Bildunterschrift, 11 weitere Fotokopien. Handschriftliche Notiz
    Abbildungen zum Juventa-Sammelband
    auf Blatt 1. Außerdem diverse Schwarz-weiß-Fotografien (hochglanz) der abgedruckten Werke sowie weitere Abbildungen als Kopien)
  • [17] Manu. pub. 80 63 (001-031): Material/Arbeitsunterlagen
    Umwege
    und
    Vergessene Zusammenhänge
    . (Umfangreiches Konvolut von Bild- und Textmaterial zu den Bänden
    Vergessene Zusammenhänge
    (1983, KMG 081-A und
    Umwege
    (1986, KMG 091-A) sowie ein Blatt mit handschriftlichen Notizen (Stichwörter zum Problem der
    Identität
    als Thema der Moderne))
  • [18] Manu. pub. 80 64: Mollenhauer, Klaus (o. D.). Klappentext der Juventa-Ausgabe und Liste der bibliographischen Nachweise. (Wortgleich mit publizierter Fassung, Typoskript, 2 Seiten)
  • [19] Korr. All. Hill 02: Brief Mollenhauers an Gotthilf Gerhard Hiller vom 23.12.1987. (Darin weist Mollenhauer auf schlechte Verkaufszahlen des Bandes
    Umwege
    hin und auch darauf, dass
    der Verlag darüber wohl etwas verstimmt
    sei.)
  • [20] Korr. All. Lenz 19: Brief an Dieter Lenzen vom 2.3.1985. (Hinweise auf (1) Arbeit an den
    Umwegen
    im Freisemester Sommer 1985, (2) die Vorbereitung des
    Anatomie
    -Vortrags für ein von Dietmar Kamper und Christoph Wulf geleitetes Symposium in Venedig, (3) die widersprüchlichen Eindrücke aus einer Tagung in Utrecht mit
    den jungen, nachrückenden Phänomeno[log]en
    . Briefkopie mit handschriftlichen Korrekturen und Ergänzungen. 4 Seiten)
  • [21] Korr. All. Wilh: Begleitbrief an Theodor Wilhelm vom 10.06.1986 (zur Übersendung der
    Umwege
    . Hinweis auf ein Vorhaben
    Bildungsgeschichte als Bildergeschichte
    . 1 Seite)
  • [22] Korr. All. Kiep: Begleitbrief an Marianne Kieper-Wellmer vom 11.7.1986. (Zur Übersendung der
    Umwege
    , darin Bemerkung, in Die
    Zeit
    sei ein
    Verriß
    erschienen. 1 Seite)
  • [23] Rez. über KM 11: Fotokopie der Rezension der
    Umwege
    durch Dörte Schubert in
    Die Zeit
    vom 27.6.1986

2 Inhalt und Kontexte

[24] Im Vorwort erläutert Mollenhauer den Titel Umwege dahingehend, dass aktuell (u. a. unter dem Eindruck postmoderner Argumentationen in der Erziehungswissenschaft)
plausible Zweifel an der Fortsetzungsfähigkeit des pädagogischen Projekts
(KMG 091-A, S. 8)
der Moderne bestünden und daher - radikaler noch als in den historisch-systematischen Skizzen der Vergessenen Zusammenhänge (KMG 081-A) – nach anderen Wegen zum Verständnis historischer und gegenwärtiger pädagogischer Problemstellungen gesucht werden müsse, als es ein theoretisch-systematischer Zugang erlaube. Daher würden die hier vorgestellten Analysen eine Art
Suchbewegung
repräsentieren,
die keiner bestimmten
Theorie
verpflichtet
(KMG 091-A, S. 11)
sei, sondern in der Analyse unterschiedlicher kulturgeschichtlicher Materialien (
Bilder Piero della Francescas und Rembrandts, die frühen und noch ganz
unpädagogischen
Aphorismen und Schriften Schleiermachers, Briefe Dürers usw.
,
KMG 091-A, Abs. 091:19–20
) deren Bildungssinn zu entschlüsseln suche.
Durch die Verknüpfung des pädagogischen Interesses mit diesen Materialien unserer Kultur erhoffe ich mir eine allmähliche Erweiterung der Problemstellung unseres Fachs
(
KMG 091-A, Abs. 091:19–20
, Herv. i. O.). Als grober theoretischer Leitfaden gelte dabei nach wie vor (d. h. auch in einer gewissen Kontinuität mit den eher sozialwissenschaftlich geprägten Werken Mollenhauers) das im ersten Kapitel theoretisch differenzierte Konzept der Interaktion,
da mir immer noch scheint, daß interaktionstheoretische Fragestellungen in das Zentrum jeder Pädagogik weisen
(KMG 091-A, S. 11)
, im Rahmen der hier eingeschlagenen
Umwege
meist allerdings indirekt und im Hinblick auf sehr verschiedene Materialien
(KMG 091-A, S. 11)
. Die besondere Aufmerksamkeit auf ästhetische Produkte als eigenständige (nicht nur illustrative) Quelle pädagogischer Erkenntnis leitet (zusammen mit den entsprechenden Analysen in den Vergessenen Zusammenhängen von 1983) gewissermaßen auch die anschließende Werkphase mit dem Schwerpunkt auf Forschungen zum Bildungssinn ästhetischer Produkte und ästhetischer Tätigkeit ein.
[25] Direkte Bezüge zum Krisendiskurs der Erziehungswissenschaft stellt Mollenhauer im Vorwort zu der ein Jahr zuvor von Dieter Lenzen (1985) verfassten Monografie Mythologie der Kindheit her. Mit dem Hinweis auf Thesen zu einem Verschwinden der Kindheit und einem vermeintlichen Ende der Erziehung referiert er indirekt auch auf damals aktuelle Diskussionsbeiträge von Neil Postman (1983) und Hermann Giesecke (1985). Es sind im Wesentlichen drei Motive, mit denen Mollenhauer sein Interesse an dieser Auseinandersetzung begründet: Erstens die Vermutung, dass die Wirkungen der sozialkulturellen Umwelt, in der Kinder aufwachsen, auf deren Bildungsprozess allemal höher einzuschätzen seien, als
die planvoll absichtlichen Einwirkungen
(KMG 091-A, Abs. 091:17)
, die gemeinhin unter dem Begriff der
Erziehung
verhandelt werden; zweitens die Hypothese, dass Erziehung nicht
in Ordnung bringen
(KMG 091-A, Abs. 091:18)
könne, was sich in der Lebensform der Erwachsenen als brüchig oder
zerrüttet
(KMG 091-A, Abs. 091:18)
zeige und deshalb Bildung nur gelingen könne, wenn die Erwachsenen trotz der Paradoxien moderner Lebensformen
ein Leben [...] führen
, das von ihnen auch den ihnen anvertrauten Kindern gegenüber
verantwortet werden kann
(KMG 091-A, Abs. 091:18)
; drittens die Überzeugung, dass vorzugsweise ästhetische Produkte der Kultur (im Unterschied zu den theoretischen Diskursen) dazu geeignet seien,
eine kritische Sicht dessen
zu erlangen,
was das
Bildende
an unseren Lebensformen ist oder sein könnte
(KMG 091-A, Abs. 091:19)
.
[26] Die in dem Band enthaltenen Texte Mollenhauers sind – bis auf den Text über Interaktion und Organisation in pädagogischen Feldern von 1976 – parallel zum oder nach Erscheinen des Werks Vergessene Zusammenhänge aus unterschiedlichen Anlässen entstanden. Fünf der sieben Beiträge wurden bereits zuvor an anderem Ort und zum Teil unter anderem Titel veröffentlicht (die entsprechenden Werkkommentare sind unter der Erstfassung abrufbar). Der dritte Beitrag (Zur Entstehung des modernen Konzepts von Bildungszeit) wurde für den Band als Originalbeitrag verfasst. Bei dem vierten Beitrag (Der Körper im Augenschein. Rembrandts Anatomie-Bilder und einige Folgeprobleme) handelt es sich um die Erstveröffentlichung eines im Jahr zuvor gehaltenen Vortrags auf dem Symposion Der Schein des Schönen in Venedig. In dem 1989 publizierten Tagungsband erschien der Text Mollenhauers zusammen mit anderen Vorträgen als Wiederabdruck (KMG A11-a) aus den Umwegen.
[27] Die einzelnen Beiträge:
  • [28] Interaktion und Organisation in pädagogischen Feldern (Erstveröffentlichung 1977, KMG 056-a): Der Aufsatz beruht auf einem Vortrag Mollenhauers auf dem 5. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) in Duisburg zum Thema Interaktion und Organisation in pädagogischen Feldern. Nach einer kritischen Reflexion der damals in der erziehungstheoretischen Diskussion vorfindbaren, teils unterschiedlichen, teils gegensätzlichen Positionen zum Verhältnis von Erziehung, Interaktion und Gesellschaft fordert er programmatisch dazu auf, Interaktionsdimensionen zu ermitteln, die die Analyseebenen der konkreten Interaktion, der in pädagogischen Feldern institutionalisierten Interaktionsstruktur und der gesellschaftlichen
    Verkehrsformen
    (im marxschen Verständnis) miteinander verbinden (siehe hierzu den Werkkommentar zu KMG 056-a).
  • [29] Streifzug durch fremdes Terrain. Interpretation eines Bildes aus dem Quattrocento in bildungstheoretischer Absicht (Erstveröffentlichung 1983, KMG 080-a): Es handelt sich um eine Interpretation des Bildes La Flagellazione (Die Geißelung) des italienischen Renaissance-Malers Piero della Francesca. Mollenhauer versucht dabei, die kunstwissenschaftliche Analyse und eine kulturhistorische Einordnung des Gemäldes mit einer bildungstheoretischen Deutung zu verbinden, um so den historischen
    Diskurs
    der Bilder als eine eigenständige Quelle bildungstheoretischer und -historischer Forschung neben dem Diskurs der Texte über Bildung und Erziehung im engeren Sinne sichtbar werden zu lassen (s. hierzu den Werkkommentar zu KMG 080-a).
  • [30] Zur Entstehung des modernen Konzepts von Bildungszeit (Originalbeitrag): Der eigens für den Band geschriebene Beitrag verfolgt die dem Autor zufolge mit der Renaissance einsetzende historisch-kulturell schrittweise erfolgende Entwicklung von miteinander konfligierenden Zeitschemata in den europäischen Wissenschaften und Gesellschaften. Anhand von Briefen Albrecht Dürers und eines Textes von Erasmus von Rotterdam wird die zunehmende gesellschaftliche Bedeutung einer ökonomisch-rationalen Zeitrechnung nach der Formel
    Zeit ist Geld
    aufgezeigt, die mit der physikalischen Zeitmessung (im Unterschied zu kosmischen oder natürlichen Zeitschemata) korrespondiert. Deren Einfluss auf pädagogische und soziale Prozesse könne den städtischen Schulordnungen und Armenordnungen entnommen werden, die im Sinne der Etablierung einer
    Bildungszeit
    bzw. eines auf Produktivität hin ausgerichteten,
    unnütze Zeit
    vermeidenden Lebensführungskonzepts ausgelegt werden. In beiden Interaktionsbereichen konkurrieren seitdem das objektivierende, physikalische bzw. ökonomische Zeitkonzept einerseits und die subjektiv erlebte, der Lebendigkeit und Spontaneität des Leibes Rechnung tragende Zeit andererseits miteinander. Die Relevanz dieser historischen Einsichten für die gegenwärtige Erziehungswirklichkeit besteht nach Mollenhauer darin, dass fortan als ein pädagogisch-systematisches Problem praktisch zu bearbeiten sei, wie
    die auseinandergetretenen Zeitkonzepte, ihre heterogene Thematik, ihre als Opposition erscheinenden Komponenten, in einem Begriff von
    Bildungsstruktur
    zu integrieren
    seien (
    KMG 091-A, Abs. 091:117
    ; zur systematischen Diskussion der Zeitstruktur von Bildungsprozessen vgl. auch KMG 073-a und KMG 119-A1).
  • [31] Der Körper im Augenschein - Rembrandts Anatomie-Bilder und einige Folgeprobleme (Originalbeitrag): Eine vergleichbare Opposition von leibgebundener Subjektivität und szientifischer bzw. kultureller Objektivität bzw.
    zwischen wissenschaftlicher Analyse und synthetisierenden Sinn-Projekten
    (KMG 091-A, Abs. 091:137)
    als Problemstellung moderner Pädagogik ist auch Gegenstand des in diesem Band erstmals abgedruckten Beitrags Der Körper im Augenschein. Im Mittelpunkt des Beitrags stehen zwei Bildwerke Rembrandts: Die Anatomie des Dr. Tulp von 1632 und Die Anatomie des Dr. Deyman von 1656, wobei die Interpretation dieser Bilder vergleichend noch weitere Anatomie-Bilder aus der Kunstgeschichte mit einbezieht. Damit setzt Mollenhauer eine Reihe von Studien fort, die er mit der ebenfalls in diesen Band aufgenommenen Bild-Interpretation von Pierro della Francescas Geißelung Christi (KMG 080-a) und den Vergessenen Zusammenhängen (KMG 081-A) begonnen hatte und die auf der Überzeugung beruhen, dass vieles für die Pädagogik-Geschichte und die Reflexion pädagogisch-systematischer Problemstellungen Bedeutsame
    im Feld ästhetischer Produktion früher und gelegentlich auch prägnanter
    sagbar
    wird als in den Argumentationen der Kommentatoren aus Philosophie und Wissenschaft
    (KMG 091-A, S. 93)
    . Thema der beiden Anatomie-Bilder Rembrandts sei das aus der Differenzerfahrung zwischen wissenschaftlicher Sicht auf den Körper und Leibhaftigkeit der körperlichen Existenz zur Selbst-Reflexion angeregte Ich, das vor dem Problem stehe,
    die Gegebenheit des Denkens (in der Operation des Zergliederns) und die Gegebenheit des Körpers (in der Operation des Imaginierens und Empfindens)
    (
    KMG 091-A, Abs. 091:144
    , Herv. i. O.) in seinem Selbstbezug miteinander zu verbinden.
  • [32] Anmerkungen zu einer pädagogischen Hermeneutik (Erstveröffentlichung 1985, KMG 086-a): Der Aufsatz beruht auf einem Vortrag Mollenhauers auf einem Symposion zum Thema Hermeneutische Psychodiagnostik an der Universität Utrecht im Januar 1985. Mollenhauer versteht unter Hermeneutik eine philosophisch begründete Form des Fremdverstehens, die auf das Verhältnis zwischen gesellschaftlichen Typisierungen und dem
    Subjekt
    -Charakter des Menschen abziele und dabei stets auch ein Selbstverstehen des Beobachters impliziere. Insofern stehe sie dem szientistisch-erklärenden Blick der mit Erziehung und Bildung befassten Einzelwissenschaften gegenüber (siehe hierzu auch den Werkkommentar zu KMG 086-a).
  • [33] Der frühromantische Pädagoge F. D. Schleiermacher (Erstveröffentlichung unter dem Titel Zwischen Geselligkeit, Scham und Zweifel: bildungstheoretische Notizen zum frühromantischen Schleiermacher 1985, KMG 088-a): Friedrich Schleiermacher gehört zu den pädagogischen Autoren aus der Ideengeschichte der Pädagogik, auf die Mollenhauer am häufigsten und, was die Chronologie seines Gesamtwerks betrifft, auch durchgängig Bezug nimmt. Während im pädagogischen Diskurs jedoch zumeist auf Schleiermachers Vorlesungen zur Erziehung von 1826 (Schleiermacher, 1957) Bezug genommen wurde, interessieren ihn hier die Briefe und Fragmente Schleiermachers aus der Zeit der Frühromantik. Dabei wird der historische Diskurs der Frühromantik mit dem Interaktions- und Individualitäts-Diskurs der Gegenwart in Verbindung gebracht, insbesondere auch im Hinblick auf das Verhältnis von Geist und Leib im zwischenmenschlichen Umgang (siehe hierzu auch den Werkkommentar zu KMG 088-a).
  • [34] Stationen der europäischen Pädagogik (Erstveröffentlichung unter dem Titel Historische Umbrüche und ihre Folgen für die Pädagogik 1984, KMG 082-a): Der Text skizziert die Entstehung der Pädagogik als Profession und wissenschaftliche Disziplin im Kontext der europäischen Gesellschafts- und Kulturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart. Die Entwicklung der Pädagogik wird als Reaktion auf historische Krisen und Umbrüche in Kultur und Gesellschaft dargestellt, in der die praktischen Folgeprobleme in Erziehung und Bildung und im Generationenverhältnis bearbeitet werden. Mit Blick auf die gesellschaftlich-kulturelle Krise der Gegenwart arbeitet Mollenhauer abschließend ein Problemprofil heraus, das zu bearbeiten Aufgabe der Pädagogik wie der Gesellschaft sei (siehe hierzu auch den Werkkommentar zu KMG 082-a)
[35] Insgesamt bietet der Sammelband einen Querschnitt durch die kulturwissenschaftlich und kulturhistorisch orientierten Problemstellungen, die Mollenhauer besonders seit Ende der 1970er Jahre mit Fragen der Erziehung und Bildung wie auch mit der Frage nach einer dem Gegenstand angemessenen Theoriebildung und Forschungsmethodik verband.

3 Rezeption

[36] Eine Rezension von Dörte Schubert ist in der ZEIT vom 27.6.1986 unter dem Titel Mit dem Latein am Ende. Was Erziehungswissenschaftler über die Bildsamkeit junger Menschen denken erschienen (Sammelrezension zusammen mit dem von Dieter Baacke u. a. 1985 herausgegebenen Band Am Ende – postmodern? Next Wave in der Pädagogik). Mollenhauer gerate, so die Rezensentin, in seinem neuen Buch auf
Umwege
, deren Bedeutung
für die Praxis der Bildung
fraglich sei, und deren methodischer Rückgriff auf kunstwissenschaftliche Verfahren der Bildinterpretation die Frage aufwerfe, ob
die Methoden der Pädagogik als wissenschaftliche(r) Disziplin [...] mithin beliebig
(Schubert 1986, S. 38)
seien. In einem Brief an seine frühere Mitarbeiterin Marianne Kieper-Wellmer vom 11.7.1986 bezeichnet Mollenhauer die Rezension als einen
Verriß
(Korr. All. Kiep)
.

4 Literatur

4.1 Andere hier verwendete Werke von Klaus Mollenhauer

    [37] Mollenhauer, Klaus. Interaktion und Organisation in pädagogischen Feldern (Beitrag 1977; KMG 056-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqp0&edition=a.
    [38] Mollenhauer, Klaus. Die Zeit in Erziehungs- und Bildungsprozessen. Annäherungen an eine bildungstheoretische Fragestellung (Beitrag 1981; KMG 073-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqm2&edition=a.
    [39] Mollenhauer, Klaus. Streifzug durch fremdes Terrain: Interpretation eines Bildes aus dem Quattrocento in bildungstheoretischer Absicht (Beitrag 1983; KMG 080-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqkf&edition=a.
    [40] Mollenhauer, Klaus. Vergessene Zusammenhänge. Über Kultur und Erziehung (Monografie 1983; KMG 081-A). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqkc&edition=A.
    [41] Mollenhauer, Klaus. Historische Umbrüche und ihre Folgen für die Pädagogik (Beitrag 1984; KMG 082-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqjz&edition=a.
    [42] Mollenhauer, Klaus. Anmerkungen zu einer pädagogischen Hermeneutik (Beitrag 1985; KMG 086-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqjp&edition=a.
    [43] Mollenhauer, Klaus. Zwischen Geselligkeit, Scham und Zweifel: bildungstheoretische Notizen zum frühromantischen Schleiermacher (Beitrag 1985; KMG 088-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqjj&edition=a.
    [44] Mollenhauer, Klaus. Der Körper im Augenschein. Rembrandts Anatomie-Bilder und einige Folgeprobleme (Beitrag 1989; KMG A11-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=41710&edition=a.
    [45] Mollenhauer, Klaus & Uhlendorff, Uwe. Sozialpädagogische Diagnosen. Über Jugendliche in schwierigen Lebenslagen (Monografie 1992; KMG 119-A1). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqf3&edition=A1.
    [46] Mollenhauer, Klaus. Der Körper im Augenschein. Rembrandts Anatomie-Bilder und einige Folgeprobleme (Beitrag 2002; KMG A16-b). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=4177q-b.

4.2 Weitere Literatur

    [47] Baacke, Dieter, Frank, Andrea, Frese, Jürgen, & Nonne, Friedhelm (1985). Am Ende — postmodern? Next Wave in der Pädagogik. Weinheim, München: Juventa.
    [48] Giesecke, Hermann (1985). Das Ende der Erziehung. Neue Chancen für Familie und Schule. Stuttgart: Klett-Cotta.
    [49] Lenzen, Dieter (1985). Mythologie der Kindheit. Die Verewigung des Kindlichen in der Erwachsenenkultur. Versteckte Bilder und vergessene Geschichten. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.
    [50] Postman, Neil (1983). Das Verschwinden der Kindheit (3. Auflage). Frankfurt am Main: Fischer.
    [51] Schleiermacher, Friedrich (1957). Die Vorlesungen aus dem Jahre 1826. [Nachschriften]. Angefangen den 17. April, geschlossen den 1. September 1826. In Erich Weniger (Hrsg.), Friedrich Schleiermacher: Pädagogische Schriften. Erster Band: Die Vorlesungen aus dem Jahre 1826 (S. 1–369). Düsseldorf: Küpper.
    [52] Schubert, Dörte (27.6.1986). Postmoderne Pädagogik. Mit dem Latein am Ende. Was Erziehungswissenschaftler über die Bildsamkeit junger Menschen denken. https://www.zeit.de/1986/27/mit-dem-latein-am-ende
[53] [Hans-Rüdiger Müller]