Sozialpädagogik [Werkkommentar]

1 Werk: Formale Beschreibung

1.1 Leittext

[1] Mollenhauer, Klaus. Sozialpädagogik (Beitrag 1968; KMG 033-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqr5&edition=a.
[2] Basierend auf:
  • [3] Mollenhauer, Klaus (1968). Sozialpädagogik. Ilse Dahmer & Wolfgang Klafki (Hrsg.), Geisteswissenschaftliche Pädagogik am Ausgang ihrer Epoche – Erich Weniger (S. 223–230). Weinheim [u. a.]: Beltz.
[4] Das Sammelwerk Geisteswissenschaftliche Pädagogik am Ausgang ihrer Epoche, die
Gedenkschrift
(Dahmer & Klafki, 1968, S. VI)
für Erich Weniger, enthält zwei bio-bibliografische Beiträge zu Erich Weniger sowie 13 Abhandlungen zu
den miteinander verzahnten Grundbegriffen
Theorie und Praxis
,
Verantwortung
,
Erziehungswirklichkeit
, dem bildungstheoretischen Komplex und dem Zusammenhang Erziehung und Gesellschaft; sie bilden […] die konvergierenden Grundlinien der Wenigerschen Theorie
(Dahmer & Klafki, 1968, S. V)
. Mit den Beiträgen in dem Band
soll gezeigt werden, was geisteswissenschaftliche Pädagogik […] zu leisten vermochte, wo weiterzuverfolgende Möglichkeiten und wo die Grenzen liegen. Deshalb steht kritische Interpretation im Vordergrund.
(Dahmer & Klafki, 1968, S. V)
[5] Klaus Mollenhauer war an dem Band mit zwei Beiträgen beteiligt (s. KMG 034-a). Sein Aufsatz Sozialpädagogik umfasst inklusive Anmerkungen ca. acht Druckseiten und gehört zu den fünf Beiträgen, die
dem Zusammenhang Erziehung und Gesellschaft
gewidmet sind. Hier werden außerdem die pädagogische Theorie, die Schule, die Lehrerbildung sowie die Erwachsenenbildung in einzelnen Beiträgen thematisiert.

1.2 Weitere Fassungen

[6] Weitere Fassungen liegen unserem Kenntnisstand nach nicht vor.

1.3 Übersetzungen

[7] Übersetzungen liegen unserem Kenntnisstand nach nicht vor.

1.4 Unveröffentlichte Quellen

[8] Diesem Werk konnten keine unveröffentlichten Quellen zugeordnet werden.

2 Inhalt und Kontexte

[9] Mollenhauer skizziert in seinem Beitrag Wenigers
Versuche einer theoretischen Durchdringung
(KMG 033-a, Abs. 033:1)
der Sozialpädagogik als eines Bereichs der
Erziehungswirklichkeit
(KMG 033-a, Abs. 033:1)
. Dabei konzentriert er sich auf drei einschlägige Abhandlungen Wenigers aus den Jahren 1926 bis 1930. Zwei weitere Texte Wenigers aus der unmittelbaren Nachkriegszeit nach 1945 werden lediglich einmal in einer Fußnote als Kurzbelege angeführt.
[10] Wenigers Verständnis von Sozialpädagogik sei eng verbunden mit dem
Auftauchen eines Komplexes neuer pädagogischer Tatbestände, deren institutionellen Niederschlag das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz darstellte
(KMG 033-a, Abs. 033:2)
. Vor diesem Hintergrund habe er den
Bereich pädagogischer Praxis [, der] sich selbst als
Sozialpädagogik
bezeichnete [und] um den Begriff der Jugendwohlfahrt sich gruppierte
(KMG 033-a, Abs. 033:4)
in einer
historische[n] Analyse […] im Lichte einer Deutung der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung
(KMG 033-a, Abs. 033:5)
in den Blick genommen. Dabei hätte er sich nicht an sozialwissenschaftlichen Konzepten orientiert, sondern an Begriffen wie
Volkszerstörung
und
erneuerte Volksordnung
(KMG 033-a, Abs. 033:6)
, die zwar normativ aufgeladen und
ideologisch-faschistisch[]
(KMG 033-a, Abs. 033:6)
belastet, aber doch keineswegs
der unkritische Ausdruck eines romantisch-irrationalistischen Gesellschaftsbildes
(KMG 033-a, Abs. 033:6)
gewesen seien. Weniger habe sie vielmehr im Kontext der gesellschaftlichen Veränderungen im 19. und 20. Jahrhundert – Pluralisierung und Demokratisierung – gesehen und damit das Problem markiert, dass die Neuordnung
noch nicht erreicht
(KMG 033-a, Abs. 033:6)
sei. In seiner Analyse der Zusammenhänge von Weltanschauung und pädagogischen Konzepten, insbesondere hinsichtlich der konfessionellen, der proletarischen und der staatlichen Fürsorgeerziehung, habe er keine Verknüpfung zu einer
soziologischen Analyse der wirklichen Lage der Gesamtgesellschaft
(KMG 033-a, Abs. 033:9)
hergestellt, sondern es
bei dem summarischen Hinweis auf den Tatbestand der
Volkszerstörung
bewenden
(KMG 033-a, Abs. 033:9)
lassen.
[11] Hinter Wenigers Überlegungen habe, so Mollenhauer abschließend, die Absicht gestanden, das Gemeinsame, die Einheit der Jugendhilfe herauszuarbeiten. Dadurch habe er dazu beigetragen,
die Sozialpädagogik als legitimen und unbestrittenen Bestandteil
(KMG 033-a, Abs. 033:13)
des Erziehungssystems zu begründen,
als einen Bestandteil überdies, in dem die politische Aufgabe einer wahrhaft humanen sozialen Ordnung radikaler gesehen werden konnte als in anderen pädagogischen Bereichen, weil sie der inhumanen Seiten unserer Gesellschaft im Schicksal der vielen Einzelnen nachdrücklicher ansichtig wurde
(KMG 033-a, Abs. 033:13)
.
[12] Wie der Band insgesamt (s. Hoffmann & Neumann, 1993, S. 8–9; Hoffmann, 1993, S. 198–199; Aßmann, 2015, S. 126), ist auch Mollenhauers Beitrag irgendwann in den Jahren nach 1961 entstanden. In seinen anderen Schriften zur Sozialpädagogik in jener Zeit wie auch später hat Mollenhauer auf Erich Weniger an keiner Stelle Bezug genommen. Seine Art der Darstellung der Gedanken Wenigers ist mithin wohl vor allem der Aufgabe der Interpretation und des Aufweises von
bleibend bedeutsame[n] Fragestellungen und Methoden
(Klappentext) geschuldet. Dennoch sind an einigen Stellen Anklänge an Mollenhauers eigene Überlegungen und Argumente bzw. Übersetzungsleistungen zu entdecken, z. B. wenn er von
politisch mündigen Bürgern
(KMG 033-a, Abs. 033:11)
spricht, wo bei Weniger vom
sittlich freien, seinem Gewissen verantwortlichen Menschen
(Weniger 1927/28, S. 269)
die Rede war, oder in der Formulierung der
defiziente[n] Modi des individuellen und sozialen Daseins
(KMG 033-a, Abs. 033:7)
.

3 Rezeption

[13] Der Band Geisteswissenschaftliche Pädagogik am Ende ihrer Epoche wird aufgrund seines Titels in der Regel als Abgesang auf die Geisteswissenschaftliche Pädagogik interpretiert, und unter dieser Deutung werden die Beiträge daraufhin gelesen, ob und inwieweit sie sich kritisch mit Wenigers Pädagogik auseinandersetzen. Vor diesem Hintergrund ist die Feststellung, Mollenhauer habe in
dem Band […] in seinem schönen und prägnanten Beitrag Wenigers Sozialpädagogik zusammengefaßt
(Thiersch, 1993, S. 37)
möglicherweise als ein vergiftetes Lob zu interpretieren. Zumindest hat Christian Niemeyer dies getan, für den der Beitrag Mollenhauers
kaum als ein kritischer Beitrag zu lesen ist
(Niemeyer, 1998, S. 466)
bzw. Mollenhauers Beiträge
am deutlichsten noch die Zeichen der Pietät wahren oder jedenfalls doch der vorkritischen Phase seines Denkens entstammen
(Niemeyer, 2010, S. 224)
.

4 Literatur

4.1 Andere hier verwendete Werke von Klaus Mollenhauer

[14] –––

4.2 Weitere Literatur

    [15] Aßmann, Alex (2015). Klaus Mollenhauer. Vordenker der 68er – Begründer der emanzipatorischen Pädagogik. Eine Biografie. Paderborn: Schöningh.
    [16] Dahmer, Ilse & Klafki, Wolfgang (1968). Vorwort. In Ilse Dahmer & Wolfgang Klafki (Hrsg.), Geisteswissenschaftliche Pädagogik am Ausgang ihrer Epoche – Erich Weniger (S. V–VI). Weinheim [u. a.]: Beltz.
    [17] Hoffmann, Dietrich (1993). Das
    Erbe
    der Weniger-Schule. Paradigmatische Wenden und exemplarische Integrationsversuche. In Dietrich Hoffmann & Karl Neumann (Hrsg.), Tradition und Transformation der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik. Zur Re-Vision der Weniger Gedenkschrift (S. 197–215). Weinheim: Deutscher Studien Verlag.
    [18] Hoffmann, Dietrich & Neumann, Karl (1993). Einleitung. In Dietrich Hoffmann & Karl Neumann (Hrsg.), Tradition und Transformation der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik. Zur Re-Vision der Weniger Gedenkschrift (S. 7–12). Weinheim: Deutscher Studien Verlag.
    [19] Niemeyer, Christian (1998). Klaus Mollenhauer und sein Verhältnis zur geisteswissenschaftlichen (Sozial-)Pädagogik. Neue Praxis, 28(5), 465–472.
    [20] Niemeyer, Christian (2010). Klaus Mollenhauer (1928–1998): Der eine Enkel geisteswissenschaftlicher Sozialpädagogik. In Christian Niemeyer, Klassiker der Sozialpädagogik: Einführung in die Theoriegeschichte einer Wissenschaft (3., aktualisierte Auflage, S. 212–251). Weinheim [u. a.]: Juventa.
    [21] Thiersch, Hans (1993). Zum sozialpädagogischen Konzept Erich Wenigers. In Dietrich Hoffmann & Karl Neumann (Hrsg.), Tradition und Transformation der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik. Zur Re-Vision der Weniger Gedenkschrift (S. 35–52). Weinheim: Deutscher Studien Verlag.
    [22] Weniger, Erich (1927). Die Gegensätze in der modernen Fürsorgeerziehung. Die Erziehung, 2(5 und 6), 261–276 und 342–353.
[23] [Klaus-Peter Horn]