Die Funktion des Symbols in der Erziehung [Werkkommentar]

1 Werk: Formale Beschreibung

1.1 Leittext

[1] Mollenhauer, Klaus. Die Funktion des Symbols in der Erziehung (Beitrag 1991; KMG 115-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqff&edition=a.
[2] Basierend auf:
  • [3] Mollenhauer, Klaus (1991). Die Funktion des Symbols in der Erziehung. In Jürgen Oelkers & Klaus Wegenast (Hrsg.), Das Symbol – Brücke des Verstehens (S. 98–110). Stuttgart [u. a.]: Kohlhammer.
[4] Das Werk erschien als Beitrag in einem Tagungsband und umfasst 12,5 Druckseiten inklusive einer Seite Anmerkungen (28 Endnoten).

1.2 Weitere Fassungen

[5] Weitere Fassungen liegen unserem Kenntnisstand nach nicht vor.

1.3 Übersetzungen

[6] 1991 erschien in der Zeitschrift Phenomenology + Pedagogy eine englische Übersetzung (14 Druckseiten, ohne Endnoten, dafür mit einem Literaturverzeichnis). In derselben Ausgabe erschien die Übersetzung von Mollenhauers Artikel Fingererzählungen – eine pädagogische Spekulation (KMG 090-a).
[7] Basierend auf:
  • [8] Mollenhauer, Klaus (1991). The Function of the Symbol in Education. Phenomenology + Pedagogy, 9, 356–369.

1.4 Unveröffentlichte Quellen

[9] SUB Göttingen, Cod. Ms. K. Mollenhauer
  • [10] Korr. All. Mane: Korrespondenz zwischen Klaus Mollenhauer und Max von Manen (über Verwendung und Übersetzung des Artikels für die Zeitschrift Phenomology + Pedagogy (Nr. 9, 1991), Umfang: 16 Briefe)
  • [11] Korr. All. Wege: Korrespondenz zwischen Klaus Mollenhauer und Klaus Wegenast, 11.4.1989-14.1.1991 (Umfang: 7 Briefe)
  • [12] Manu. pub. 90 09: Klaus Mollenhauer (o. D.). Die Funktion des Symbols in der Erziehung (4 Manuskripte mit handschriftlichen Anmerkungen zu Fußnoten, Einzügen und Absätzen, wobei Dokument 2 bis 4 Kopien sind, Umfang: je 22 Seiten bzw. 11 Doppelseiten)

2 Inhalt und Kontexte

[13] Das Werk basiert auf einem Vortrag, den Mollenhauer auf dem interdisziplinären Symposium Das Symbol als Brücke des Verstehens in Theologie, Erziehungswissenschaft, Psychoanalyse, Soziologie und Literaturwissenschaft hielt. Es fand vom 28. bis 30. September 1989 im Haus der Universität in Bern statt (Oelkers & Wegenast, 1991, S. 7). Die beiden Veranstalter, Jürgen Oelkers als Allgemeinpädagoge wie Mollenhauer, und Klaus Wegenast als Theologe und Religionspädagoge, waren aufmerksam geworden auf eine vermehrt auftretende Verwendung des Symbolbegriffs. Das Symbol gelte in ihren wie auch anderen Disziplinen offenbar als das Andere gegenüber einer
ungebrochenen Herrschaft eines instrumentellen Sprachgebrauchs […], gepaart mit einer immer mehr Menschen auffallenden Erfahrungsarmut […] und von aller Leiblichkeit abgekoppelten Sprache
(Wegenast, 1991, S. 9)
. In Theologie und Religionspädagogik, so Wegenast in seinem einleitenden Artikel, fungiere das Symbol – etwa das Kreuz – als Mittler zwischen Bild und Wort; es stehe symbolisch-bildhaft für geschehene Ereignisse, ohne jedoch deren historische Wahrheit verbürgen zu können. Es entstehe so die Frage nach dem Zusammenhang von Symbol und Wirklichkeit, in der auch derjenige zwischen mythologischem Denken und kritisch-aufgeklärtem Vernunftgebrauch enthalten sei. Das Symposion lässt sich damit kontextualisieren in dem Diskurs jener Zeit der 80er und 90er Jahre des 20. Jahrhunderts, in der die Orientierung an der Aufklärung erneut brüchig wurde und
Das Andere der Vernunft
(Böhme & Böhme, 1985)
als das zwar Unverfügbare, aber doch in eine Theorie vom Menschen zu Integrierende in vielen Disziplinen vermehrt untersucht wurde. Ziel des Symposions war es, zunächst im interdisziplinären Dialog der beteiligten Wissenschaften die verschiedenen Verwendungsweisen des Symbolbegriffs zu ermitteln, um sie dann miteinander vergleichen zu können. (Wegenast, 1991, S. 9)
[14] Mollenhauer, dessen Vortrag bildete zusammen mit einem weiteren von Oelkers die erziehungswissenschaftlichen Beiträge auf dem Symposion. Er konstatiert zu Beginn seines Textes, dass die
neuere Pädagogik […] keine Theorie der Bedeutsamkeit von Symbolen in Erziehungs- und Bildungszusammenhängen entwickelt
(KMG 115-a, Abs. 115:3)
habe. Er nähert sich diesem Problem durch eine Skizze der Herkunftsgeschichte eines pädagogischen Symbolbegriffs in der deutschen Romantik, vor allem bei Friedrich Fröbel. Dessen mythologisierende Beschreibungen von Symbolen und ihrer Wirkung auf die Bildung des Kindes, die er etwa in der Spielgabentheorie oder auch seiner Naturlehre formuliert hat, werden, so Mollenhauer, im 20. Jahrhundert z. B. bei Sigmund Freud durch die Symboltheorie der Traumdeutung sowie bei Jean Piaget in dessen Theorie des Symbolspiels entmythologisiert, und es werde die Bedeutung des Symbols für die Psychogenese bzw. die Theorie der kognitiven Entwicklung wissenschaftlich anschlussfähig gemacht. Dem gegenüber steht allerdings der Verlust einer bildungstheoretischen Argumentation, die Mollenhauer anschließend in vier Schritten zu erneuern sich vornimmt.
[15] Beginnend mit der Feststellung, dass Symbole als Bilder oder Sprachbilder ähnlich der Metapher ermöglichen, etwas in einem Modus des als-ob zu sehen, wird durch sie der Raum zwischen Wirklichkeit und deren Bezeichnung erweitert. Durch ihre auf den Organismus wirkenden, ihn mitunter in Bewegung versetzende Bildlichkeit entstehe zweitens ein Spiel zwischen den begrifflichen und vorbegrifflichen Artikulations- und Verstehensweisen des Kindes. Drittens würden, verstehe man Symbole mit Donald Winnicott (Winnicott, 1985) als Übergangsobjekte zwischen der Innen- und Außenwelt, in ihrer Bildung und in ihrem Ausdruck auch
reflexive Begriffsfindungsbewegungen
(KMG 115-a, Abs. 115:23, Herv. i. Orig.)
möglich. Als viertes Merkmal einer bildungstheoretisch relevanten Symboltheorie erläutert Mollenhauer die besondere Bedeutung ästhetischer Symbole und schließt damit unmittelbar an seine Forschungen zur Ästhetischen Bildung an. Er bezieht sich auf die Trias von ästhetischen, praktischen und theoretischen Urteilen, wenn er schreibt, dass sich das Kind in der Auseinandersetzung mit ästhetischen Symbolen
als Ich anders hervorbringt als im alltäglich-praktischen oder im theoretisch-epistemischen
(KMG 115-a, Abs. 115:23)
Kontext. Ab 1988 befasste er sich intensiv in der Ästhetischen Bildung mit Symbolen. Bei der Betrachtung von Bildern könne
Lesen lernen
[…] nur heißen:
ästhetische Symbole
verstehen.
(KMG V69-A, Abs. V69:45)

3 Rezeption

[16] Ein Jahr nach Erscheinen des Textes verantwortet Oelkers einen Themenschwerpunkt in der Zeitschrift für Pädagogik, in dem, wie im Berner Symposion begonnen, die Beziehung zwischen Religion und Pädagogik mit fünf Beiträgen vertiefend bearbeitet wird (ZfPäd 38. Jg., Heft 2). Einer der Beiträge stammt von dem Göttinger Religionspädagogen Peter Biehl (Biehl 1992), der aufbauend auf KMG 115-a die Funktion des Symbols zwischen Bildung und Religion thematisiert. Er argumentiert mit Mollenhauer, dass eine pädagogische Symboltheorie helfen könne
den klassischen Bildungsbegriff zu erweitern, indem sie erkennbar macht, daß der Mensch in der Bildung dem Leib, der Natur und dem Kosmos verbunden bleibt.
(Biehl, 1992, S. 206, Herv. i. Orig.)
Er rezipiert dazu Mollenhauers Gedanken eines In-Beziehung-setzens von pädagogischen, ästhetischen und religiösen Symboltheorien in der Bildungstheorie.
Hat die pädagogische Symboltheorie Elemente der anderen Symboltheorien integriert, kann sie Theorie der ästhetischen und religiösen Dimension der Bildung sein
(Biehl, 1992, S. 206)
.
[17] Johannes Bilstein nutzt Mollenhauers Aufsatz im Abschlusskapitel seines Handbuchartikels über das Symbol als Quelle zur Erläuterung der Symboltheorie in pädagogischer Absicht. Er stimmt Mollenhauer darin zu, dass
[e]ine Symboltheorie aus der Sicht der Pädagogischen Anthropologie […] bis heute ein Feld,
das zu bearbeiten wäre
(Bilstein, 2014, S. 460)
, bleibe.

4 Literatur

4.1 Andere hier verwendete Werke von Klaus Mollenhauer

    [18] Mollenhauer, Klaus. Pädagogik der
    kritischen Theorie
    . Kurseinheit 3: Die Rezeption der kritischen Theorie durch die Erziehungswissenschaft (Monografie 1978; KMG V48-A). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqnf&edition=A.
    [19] Mollenhauer, Klaus. Fingererzählungen – eine pädagogische Spekulation (Beitrag 1986; KMG 090-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqjd&edition=a.
    [20] Mollenhauer, Klaus. Ästhetische Bildung und Kultur – Begriffe, Unterscheidungen, Perspektiven (Monografie 1988; KMG V69-A). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqhc&edition=A.

4.2 Weitere Literatur

    [21] Biehl, Peter (1992). Symbole — ihre Bedeutung für menschliche Bildung. Überlegungen zu einer pädagogischen Symboltheorie im Anschluss an Paul Ricœur. Zeitschrift für Pädagogik, 38(2), 193–214.
    [22] Bilstein, Johannes (2014). Symbol. In Christoph Wulf & Jörg Zirfas (Hrsg.), Handbuch Pädagogische Anthropologie (S. 453–463). Wiesbaden: Springer VS.
    [23] Böhme, Hartmut & Böhme, Gernot (1985). Das Andere der Vernunft. Zur Entwicklung von Rationalitätsstrukturen am Beispiel Kants. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
    [24] Wegenast, Klaus (1991). Das Symbol – Brücke des Verstehens. Einleitung. In Jürgen Oelkers & Klaus Wegenast (Hrsg.), Das Symbol – Brücke des Verstehens (S. 9–20). Stuttgart [u. a.]: Kohlhammer.
    [25] Oelkers, Jürgen & Wegenast, Klaus (1991). Vorwort. In Jürgen Oelkers & Klaus Wegenast (Hrsg.), Das Symbol – Brücke des Verstehens (S. 7). Stuttgart [u. a.]: Kohlhammer.
    [26] Winnicott, Donald Woods (1985). Vom Spiel zur Kreativität (3. Auflage). Stuttgart: Klett-Cotta.
[27] [Lisa-Katharina Heyhusen & Cornelie Dietrich]