Die Ursprünge der Sozialpädagogik in der industriellen Gesellschaft [Textkritische interaktive Ansicht mit a als Leittext]
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Die Ursprünge der Sozialpädagogik in der industriellen Gesellschaft

..... Probleme einer Theorie der Sozialpädagogik

ABDie ideologischen Momente der Sozialpädagogik

[005:317] In der Einleitung stellten wir fest, daß der Begriff von Sozialpädagogik, dem diese Untersuchung sich zunächst anschloß, durch eine dreifache geschichtliche Abhängigkeit gekennzeichnet ist: durch die Deutung der jüngeren Sozialgeschichte als Vorgang des Kulturverfalls, durch den Hintergrund einer neu entwickelten pädagogischen Praxis und durch den Impuls zu einer umfassenden sozialen Regeneration. Die Haltbarkeit der in diesem Begriff enthaltenen Theorie, ihre Gültigkeit über die geschichtliche Ursprungssituation hinaus muß noch nachgeprüft werden, um so einen Begriff zu gewinnen, der sich lediglich an der Sache, nicht aber an wechselnden Ideologien orientiert.
[005:318] Das aber – diese ideologische Position – war der entscheidende Antrieb in den Anfängen der Sozialpädagogik, wie wir sie im Vorangegangenen darzustellen versuchten. Aus der Tatsache, daß die Sozialnormen jener Generation und die soziale Wirklichkeit divergierten, erwuchs eine, speziell auf diese soziale Wirklichkeit gerichtete pädagogische Intention. Die Abwertung eigener Gegenwart, ihre Interpretation vom Standpunkt einer
unangepaßten
Theorie her, weckte die Energien zu deren Überwindung. Im Begriff
Verwahrlosung
kam dieser Sachverhalt anschaulich zur Geltung. Er ist das Symptom einer Bewußtseinshaltung, die auf Grund feststehender Vorstellungen eines intakten Sozialorganismus alle Abweichungen negativ akzentuiert und daher Anstalten zu deren Beseitigung trifft, bzw. deren Ursache in einer Fehlentwicklung der Gesamtgesellschaft aufsucht und die pädagogische Aufgabe entsprechend formuliert. In diesem Zusammenhang erhält jede einzelne sozialpädagogische Maßnahme ihren Stellenwert606
|AB 167||a 112| 606Diese These vom ideologischen Ursprung der Sozialpädagogik wird noch gestützt durch die Tatsache, daß gerade die fortschrittlichen, der industriellen Entwicklung schnell sich anpassenden Kreise pädagogisch unproduktiv waren und optimistisch auf die Entwicklung und |AB 168|die Wirksamkeit der traditionellen Erziehungswege und -Institutionen vertrauten. Zur positiven Funktion der Ideologien als
geistiger Energien
vergl. auch H. Nohl, Jugendwohlfahrt, S. 1 ff. und E. Weniger, Die Gegensätze in der modernen Fürsorgeerziehung.
. Für die Entstehung der Sozialpädagogik also erwies sich der Hiatus zwischen gesellschaftlicher Realität und nachhinkendem Bewußtsein als außerordentlich fruchtbar.
[005:319] Damit waren prinzipiell alle diejenigen Ansätze entwickelt, deren institutionelle Durchführung und Ausgestaltung wir in der Sozialpädagogik der Gegenwart antreffen. Sie haben ihren Ursprung in der eigentümlichen Verbindung sozialgeschichtlicher Tatsachen und geistesgeschichtlicher Strömungen, aus denen sich die Grundprobleme dieser Sozialpädagogik als einem pädagogischen Bereich, der der Gesellschaft neu dazu gewonnen war, |A B 122|entwickelten. Dieser Bereich, seine Theorie und seine Praxis, ist mit der Struktur dieser Gesellschaft untrennbar verknüpft. In der kritischen Übergangszeit, die keineswegs auf jene hier dargestellten Jahrzehnte beschränkt blieb, trat sie zunächst und überwiegend in der Form reiner Nothilfe auf, als Korrektur sozialer Entwicklungsschäden, die die Gesellschaft während ihres Umwandlungsprozesses mit den vorhandenen Mitteln selbst nicht mehr bewältigen konnte. Wie weit aber dieser Sachverhalt auch für die Gegenwart noch zutrifft, und wie das durch die soziale Situation gestellte sozialpädagogische Probleme heute möglicherweise zu fassen bzw. eine sozialpädagogische Theorie anzusetzen sei, bleibt uns noch abschließend anzudeuten.
[005:320] Diese besondere Form sozialpädagogischer Haltung fand eine spezifische Ausprägung auch in der umfassenden Intention der Volkser|a 106|ziehung. Indem man von der Symptom- zur Ursachenbekämpfung fortschritt, wurde das Volksganze zum Gegenstand der Erziehung. Die Erneuerung des Volkslebens und seiner gesellschaftlichen Ausdrucksformen und Organe war die leitende Idee aller sozialpädagogischen Maßnahmen; in ihr erfuhren diese ihren einheitlichen Zusammenhang. Die besonderen Schwierigkeiten, die mit dem Entstehen der Industrie-Gesellschaft auftauchten, wurden als soziale Organminderwertigkeiten interpretiert, zurückzuführen auf eine Schrumpfung der sittlich-religiösen Potenz; die Aufgabe einer ethisch-sozialen Regeneration wurde daher als eine pädagogische Aufgabe angesehen; das Problem der modernen Gesellschaft galt als ein pädagogisches Problem, die soziale Frage war unter diesem Gesichtspunkt eine Erziehungsfrage. Gleichgültig, ob es sich um die Bekämpfung von Verwahrlosung und Kriminalität, um die Humanisierung der Industrie-Arbeit, die soziale Befriedung des Proletariats, die Überwindung der Standes- und Klassengegensätze, die Erhaltung gesunden Familienlebens, die Aufgabe neuer Gemeindeordnungen handelte: immer wurden diese Einzelaufgaben aus einer primär pädagogischen Verantwortung und Intention abgeleitet, die sich nicht nur auf den einzelnen Notstand, sondern auf das gesellschaftliche Ganze richtete.
[005:321] Die Einheit aller sozialpädagogischen Maßnahmen bestand somit in dieser Aufgabe gesellschaftlicher Regeneration. Die gemeinsamen Ursachen aller sozialen Notstände wurden in der Verwahrlosung, dem Abweichen von den Normen sozialethischen Verhaltens gesehen; die gemeinsame Verantwortung ging angesichts einer solchen Bewertung der Gegenwart als die Verpflichtung zu umfassender Erziehungshilfe, zu einer humanen Lebensordnung auf; diese, eine wieder gewonnene organische Volks- und Gesellschaftsordnung, war das gemeinsame Ziel. Die Träger dieser Sozialpädagogik waren im wesentlichen Gemeinden, Vereine und |A B 123|einzelne Erzieher. Unter ihrer Obhut wurde die Vielfalt sozialer Hilfsmaßnahmen, Fürsorge, Unterstützung, Bewahrung, Erziehung, als eine einheitliche volkspädagogische Aufgabe verstanden. Was sich heute als spezialisierte Maßnahmen unter verschiedenen Bezeichnungen institutionalisiert hat, etwas als Sozial-, Jugend oder Gesundheitsamt, das galt, durch die mit der Erziehungsabsicht verbundene umfassende Sozialkritik, als die eine Erziehungspflicht zu sozialer Erneuerung und Gesundung.
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ABDie Aufgabe einer Entideologisierung des sozialpädagogischen Ansatzes

[005:322] Es ist nun zu fragen, ob dieser strukturelle geschichtliche Zusammenhang von sozialpädagogischer Maßnahme und ideologischer Position der Sache nach notwendig und infolgedessen für die Bestimmung der Sozialpädagogik unerläßlich ist. Ein bestimmtes Verhältnis zur eigenen Gegenwart, eine bestimmte Interpretation der gegenwärtigen sozialen Zustände wäre in jenem Falle die Voraussetzung für das Vorhandensein von Sozialpädagogik. Mit der Lösung der
sozialen Fragen
im weitesten Sinne des Wortes auf Grund einer gesamtgesellschaftlichen Neugestaltung wäre jene Diskrepanz von Bewußtsein und Wirklichkeit aufgehoben, die wir die ideologische nannten; die Sozialpädagogik hätte sich selbst überflüssig gemacht.
[005:323] Eine Entscheidung in dieser Frage wäre schneller zu finden, hätte sich die aufgewiesene ideologische Struktur auf die Ursprungssituation beschränkt. Im Zusammenhang mit Kulturkritik und Jugendbewegung tauchte sie aber in neuer Gestalt in der Sozialpädagogik wieder auf als ein zentrales Motiv sozialpädagogischer Arbeit; nun zwar nicht mehr als Behauptung ständisch-patriarchaler Leitbilder, sondern in der allgemeineren Form sozialreformerischer Ideen607
|AB 168||a 112| 607Die Darstellung dieser Ideen, soweit sie in der sozialpädagogischen Literatur unseres Jahrhunderts enthalten sind, überschreitet den Rahmen dieser Arbeit. Sie lassen sich aber besonders in den von der Jugendbewegung und vom Sozialismus beeinflußten Kreisen der Sozialpädagogen nachweisen, so etwa bei C. Mennicke; ferner bei den Theoretikern der sozialen Berufsausbildung G. Bäumer, M. Offenberg, A. Salomon; schließlich in den Äußerungen aus d. sozialpäd. Praxis (Vergl. Hermann, Die sozp. Bewegung).
und organologischen Gemeinschaftsdenkens608
|AB 168||a 112| 608Vergl. Fußn. 607AB. Den deutlichsten Ausdruck fand dieses Denken in der von Tönnies eingeführten Entgegensetzung von Gemeinschaft und Gesellschaft. Es handelt sich dabei im Grunde um eine Wiederaufnahme romantischer Gedankengänge, um die Formalisierung und Systematisierung von Ideen, die ursprünglich durch den konkreten Hintergrund der ständischen Gesellschaft oder aus ihr abgeleiteter inhaltlicher Vorstellungen bestimmt waren. Dieser Vorgang der Formalisierung begann in der Romantik und setzte sich über Jugendbewegung und Kulturkritik im Sinne Tönnies’ in die Sozialpädagogik hinein fort. Vergl. dazu auch G. Lukacs, Die Zerstörung d. Vernunft, S. 466ff.
. Die soziale Entwicklung wurde auch von diesen Positionen her als ein Prozeß der Wertauflösung, die sozialpädagogische Aufgabe im weitesten Sinne als eine erneute Hinführung zu den vorgestellten Sozialnormen verstanden. Der letzte Sinn jeder einzelnen sozialpädagogischen Maßnahme erschloß sich – wie hundert Jahre zuvor – aus der Diskrepanz von Sozial-Theorie und Sozial-Realität als pädagogischer Auftrag zur Gestaltung einer neuen Volksordnung.
[005:324] Das Selbstverständnis der drei in der Einleitung genannten Typen
sozialpädagogischer
Theoriebildung koinzidiert in diesem ideologischen Sachverhalt; die Abwertung sozialer Gegenwart und die Ideen zur sozialen Erneuerung scheinen in der Tat für das Vorhandensein wie für eine Theorie der Sozialpädagogik konstitu|A B 124|tiv zu sein. Sozialpädagogik wäre demnach immer abhängig von dieser speziellen Interpretation der sozialen Wirklichkeit; der Begriff wäre somit nicht bestimmt durch eine sachliche pädagogische Notwendigkeit, sondern durch spezifische ideologische Voraussetzungen der erziehenden Generation.
[005:325] Indessen setzen wir mit dem Hinweis auf den ideologischen Charakter solcher Position schon voraus, daß in ihr die soziale Entwicklung, bzw. die Situation der Gegenwartsgesellschaft mit unangemessenen Mitteln, in unangemessener Weise zu erfassen versucht wird609
|AB 168||a 112| 609Zur Problematik des Ideologie-Begriffs vergl. H. Pleßner, Abwandlungen des Ideologiegedankens, in Zwischen Philosophie und Gesellschaft, S. 218 ff.
. Die jüngere Sozialgeschichte als eine Dekadenzentwicklung zu betrachten, bedeutet zunächst die Anwendung eines Aspektes, der nicht aus dieser Gesellschaft selbst, sondern aus einem nachhinkenden oder vorgreifenden Bewußtsein gewonnen wird. Es ist aber sehr die Frage, ob die sozialpädagogische Praxis eine Sinngebung durch ein derartig interpretierendes Bewußtsein nötig hat. Zumindest kann dieses ideologische Selbstverständnis nicht zu einem systematischen Begriff führen und keine Begründung einer entsprechenden Theorie liefern. Eine solche Theorie bliebe immer an spezifische Voraussetzungen, an diese besondere Interpretation der sozialen Phänomene gebunden.
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[005:326] Eine Analyse der modernen Gesellschaft ergibt denn auch, daß es sich um einen neuen Typus gesellschaftlicher Organisation handelt, dem – wenigstens hypothetisch als Bedingung einer sachgerechten Erkenntnis – zunächst eine Eigenwertigkeit zugesprochen werden muß, ohne von vornherein seine Minderwertigkeit, gemessen an einer ehemals anderen oder für die Zukunft erhofften Sozialordnung, zu konstatieren. Daß diese Gesellschaft besondere Schwierigkeiten zu bewältigen hat, ist damit nicht geleugnet. Da diese Schwierigkeiten ihr aber wesensmäßig zugehören, kann der Antrieb zu ihrer Bewältigung, soweit er wissenschaftlich begründet werden soll, nicht aus einer romantischen Negation der industriellen Gesellschaft, sondern nur aus der Besinnung auf die in ihr enthaltenen Möglichkeiten gewonnen werden. Die sozialpädagogische Aufgabe besteht mithin in jedem Falle darin, ein akutes, mit der Struktur der modernen Gesellschaft wesensmäßig gegebenes und im Vergleich zur alten Gesellschaft neues Erziehungsbedürfnis zu befriedigen, das nicht ohne weiteres auf eine Minderwertigkeit, sondern auf eine Andersartigkeit dieser Gesellschaft zurückzuführen ist 610
|AB 168||a 112| 610Über einer solchen
Entideologisierung
darf allerdings nicht vergessen werden, daß mit der These, es gehe in der Sozialpädagogik um eine neue Volksordnung, ein entscheidender Sachverhalt getroffen ist: mit dem Beginn der industriellen Gesellschaft setzte für die Erziehung eine neue Epoche ein (vergl. dazu neuerdings R. Dahrendorf, Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft, Stuttgart 1957, S. 63 ff.), nicht nur im Hinblick auf die zentrale Stellung der Bildungseinrichtungen, sondern – was auch von Dahrendorf unberücksichtigt blieb – vor allem durch die Ausweitung ihres Wirkungskreises und ihrer institutionellen Formen. Diese neuen Maßnahmen sozialer Eingliederung als Erziehungsaufgabe im weitesten Sinne erkannt zu haben, ist der positiv pädagogische und bleibende Sinn der These von der Erziehung des Volkes zu einer neuen Volksordnung. Die
Entideologisierung
indessen ist notwendig, da durch jene Orientierung pädagogischer Maßnahmen an romantischen Leitideen das beabsichtigte Ziel, gesellschaftliche Eingliederung, gerade nicht erreicht, sondern verfehlt wird.
. Dieser Verzicht auf Ideologien ergibt sich aber auch als Konsequenz aus dem Selbstverständnis der Pädagogik. Die Formulierung der konkreten gesellschaftlichen Erziehungsaufgabe und ihre Bewältigung nämlich erfordern das Vermögen,
sich im Alltag dieser Erziehung notfalls zunächst einmal unabhängig zu halten von seinen eigenen religiösen, weltanschaulichen und politischen Voraussetzungen ..., ob man sie nun als |A B 125|Missionierung und Bekehrung des heillosen Volkes zum Heil oder als Überwindung der bürgerlichen durch die proletarische und dahinter die klassenlose Gesellschaft oder durch andere neue Lebensordnungen
versteht611
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E. Weniger, Erziehung im Zusammenhang unserer Lebensordnung, | 113|in Die Eigenständigkeit der Erziehung ..., S. 363
.
.
[005:327] Noch eine weitere Zurücknahme der in den Anfängen der Sozialpädagogik enthaltenen Voraussetzungen erscheint heute notwendig. In jenen Anfängen konnten – durch die Überschaubarkeit der sozialen Gebilde, den institutionellen Zusammenhang und die Undifferenziertheit der Maßnahmen bedingt – die verschiedensten sozialen Hilfeleistungen unter dem gemeinsamen Aspekt einer Erziehung des ganzen Volkes angegangen werden. Inzwischen hat sich aber nicht nur in dem Prozeß beständiger Differenzierung die Struktur der industriellen Gesellschaft immer deutlicher herausgebildet; auch der Komplex
Soziale Arbeit
612
|AB 168||a 113| 612Was heute als in sich sehr differenzierte
Soziale Arbeit
bezeichnet wird, war für den in unserer Untersuchung dargestellten Zeitraum ein eindeutig pädagogisch verstandener Komplex von Maßnahmen.
hat sich aufgegliedert, sodaß die ursprünglich pädagogisch verstandene Einheit aller dieser Einzelleistungen nicht mehr der Realität zu entsprechen scheint. Der Versuch der sozialpädagogischen Bewegung der zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts, im Prinzip der
persönlichen Hilfe
613
|AB 168||a 113| 613Die These, Fürsorge sei
persönliche Hilfe
, entsprang der Praxis der Fürsorgetätigkeit und deren Tradition als Maßnahme der christlichen Caritas. Sie bekam einen polemischen Gehalt dadurch, daß das fürsorgerische Grundanliegen gegen den Trend zur Bürokratisierung |AB 169|verteidigt werden mußte. Die Problematik des
Sozialbeamten
wurde daher geradezu auf diesen zu bewältigenden Gegensatz zurückgeführt: Notwendigkeit einer persönlichen Beziehung zwischen Fürsorger und
Klient
einerseits, Fürsorge als Verwaltungstätigkeit mit einem entsprechenden Beamtenapparat andererseits.
Vergl. dazu: Fürsorge als persönliche Hilfe, Festgabe f. Prof. Dr. Chr. J. Klumker
; ferner: C. J. Klumker, Fürsorgewesen; E. Wex, Vom Wesen der sozialen Fürsorge; Polligkeit, Die Bedeutung der Persönlichkeit in der Wohlfahrtspflege, in Die Stellung der Wohlfahrtspflege ...; A. Fischer hat das Problem auf die Formel gebracht;
Beamtentum hat einen unpersönlichen Charakter, soziale Hilfe beruht auf persönlichem Vertrauen
(Die Problematik d. Sozialbeamtentums (1925), in Leben und Werk III/IV, S. 320)
. Vergl. auch
H. Nohl, Jugendwohlfahrt, S. 11
:
Es bleibt gewiß immer eine eigentümliche Schwierigkeit: daß diese Jugendwohlfahrtsarbeit an den Einzelnen sich in Wahrheit vor der Masse sieht, der gegenüber allein Gesetz, Organisation und beamtenmäßige Ordnung durchkommen
. – Diese persönliche Beziehung in der Fürsorgearbeit legt es nahe, in ihr eine Analogie zu dem von H. Nohl als
Pädagogischer Bezug
bezeichneten und für die Erziehung konstitutiven Sachverhalt zu sehen und schließlich die fürsorgerische Beziehung als einen päd. Bezug zu verstehen. So bei
Nitzsche, Die erzieherischen Aufgaben der Wohlfahrtsschule
: Die Beziehung der
Fürsorgerin zum
Hilfsbedürftigen
müsse als
Erziehungswirklichkeit
anerkannt werden
(S. 97)
.
diese Einheit in einem pädagogischen Zentrum wiederzugewinnen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine theoretische Bewältigung dieses Problems noch nicht geleistet ist614
|AB 169||a 113| 614Auch in dieser Untersuchung können wir nichts anderes, als die entscheidenden Probleme aufzeigen, die eine Theorie der sozialen Arbeit und Sozialpädagogik zu bewältigen hätte.
.
[005:328] Neben dem
sozialpädagogischen
Selbstverständnis der sozialen Arbeit sind andere Entwicklungsrichtungen immer klarer hervorgetreten, deren Verhältnis zueinander zu bestimmen ist. Die Fürsorge, auf eine lange Tradition zurückgreifend615
|AB 169||a 113| 615Vergl. dazu Liese, Geschichte der Caritas; Uhlhorn, Gesch. d. christlichen Liebestätigkeit; Klumker, Vom Werden deutscher Jugendfürsorge.
, hat Ansätze zu einer eigenen Theorie entwickelt; ähnlich hat auch der Gedanke der sozialen Einzelhilfe, durch die Aufnahme psychologischer Theorien und Methoden, im
Casework
eine spezielle Praxis und Theorie gefunden616
|AB 169||a 113| 616Vergl. vor allem H. Kraus, Casework in USA, Frankfurt 1950; H. Lattke, Soziale Arbeit und Erziehung, Freiburg 1955; A. Salomon, Soziale Diagnose, 1925; S. Wronsky, Methoden der Fürsorge, Berlin 1930.
; und schließlich spielt auch die Sozial|a 109|politik als wesentliches Moment in der sozialen Arbeit eine immer größere Rolle. So steht die soziale Arbeit heute, will sie ihren einheitlichen Zusammenhang bestimmen, vor dem Problem, mit den in solchen Teilbereichen wirksamen und miteinander konkurrierenden Leitbildern sozialer Hilfeleistung fertig zu werden. Eine unreflektierte Okkupation durch die Pädagogik ist ebensowenig mehr möglich, wie die Abdrängung der Pädagogik auf die eng umgrenzten Aufgaben der Jugendfürsorge und Jugendpflege.
AB AB

ABDie Theorie der Sozialpädagogik als Grundlagentheorie für die soziale Berufsausbildung

[005:338] Zweifellos ist das Entstehen eines institutionellen Komplexes wie die soziale Arbeit von dem Vorhandensein realer Notstände im Dasein des Einzelnen oder von Gruppen gar nicht zu trennen; die entscheidenden Antriebe dieser Arbeit liegen in dem Willen, den Einzelnen aus seiner Gebundenheit in solche Notstände – seien sie nun gesellschaftlicher oder individueller Natur – zu befreien, um ihm so erst die volle Teilhabe am kulturell-sozialen Leben zu ermöglichen. Obwohl nun aber das Ziel – als Selbstbestimmung des Einzelnen, als soziale Mündigkeit – in positiven Formulie|A B 130|rungen erscheint, bleiben der Ansatz und besonders eine Theorie der Not und Nothilfe als Grundlage der sozialen Arbeit doch immer dadurch charakterisiert, daß sie sich an dem Vorgang einer Reparatur orientieren, daß sie sich beziehen auf eine eingetretene Schädigung des jeweiligen Lebensraumes. Es erhebt sich die Frage, ob ein dieserart negativer theoretischer Ansatz für das Selbstverständnis der sozialen Arbeit zuträglich, ob er überhaupt notwendig ist. Insbesondere ergibt sich diese Frage für den speziellen und eindeutig pädagogischen Bereich der Jugendhilfe. Wenn schon die Motivierung sozialer Arbeit durch eine negative Bewertung der Gegenwart keine Allgemeingültigkeit beanspruchen kann, und wenn darüber hinaus der neue Aufgabenbereich lediglich einen mit dem modernen Gesellschaftstypus wesensmäßig gegebenen institutionellen Zuwachs darstellt, ist es zumindest fraglich, ob eine entsprechende Theorie auf Grundbegriffen basieren darf, in denen eine solche Abwertung der gegenwärtigen Sozialordnungen vorausgesetzt wird.
[005:339] Vor allem die neuen sozialpädagogischen Einrichtungen können ihre theoretische Begründung und Einheit nur in der positiven, durch die Gesellschaft neu gestellten Erziehungsaufgabe erfahren638
|AB 172||a 114| 638
Vergl. G. Bäumer, Die sozialpädagogische Aufgabe in der Jugendwohlfahrt, in Die Stellung der Wohlfahrtspflege ... S. 83
:
Jugendwohlfahrtspflege ist ihrem Sinne nach nicht wesentlich Nothilfe. Sie |AB 173|ist es in einem doppelten Sinne nicht. Erstens nicht insofern, als das, was auf diesem Gebiet geschieht, nicht negativ, finster und moros einfach als Verhütung eines Chaos von sozialen Gefahren aufgefaßt werden darf, sondern daß es sich um Positives, um die Pflege noch reifender, in ihren Möglichkeiten noch garnicht festgelegter und entschiedener Kräfte handelt. Zweitens aber darf sie auch in dem Sinne nicht Nothilfe sein, daß sie ihre Färbung nicht aus dem ganzen Begriffskomplex
Fürsorge
im alten Sinne bekommen darf. Und zwar deshalb nicht ... weil die gesellschaftliche Hilfe, die kollektive Leistung für den Nachwuchs heute nicht einfach nur in einem Negativen gegründet werden kann, nämlich im Versagen der Familie und nicht nur an früheren Gesellschaftsformen gemessen werden kann, indem man etwa sagt: früher leistete das die Familie, heute ... bedauerlicherweise nicht mehr.
Vergl. auch dies., Die sozialpädagogische Erzieherschaft ..., in Handbuch d. Päd., hrsg. von H. Nohl und L. Pallat, Bd. V, S. 216 f.; ferner
A. Fischer a. a. O., S. 346
: Die Institution des Sozialbeamtentums gipfele darin, daß sie
Schrittmacher
einer werdenden Gesellschaft sei;
der Staat selbst gewinnt die Struktur der Erziehung im großen, damit schließlich seinen fruchtbarsten Sinn
. Über die sozialgeschichtliche Argumentation Bäumers hinaus hat H. Nohl von Systematisch-Pädagogischen her eine positive Begründung gegeben: Der Fürsorger habe neben dem juristischen, medizinischen oder sozialpolitischen einen eigenen Gesichtspunkt.
Diesen eigenen Gesichtspunkt scheint mir nun das Wort
Wohlfahrtspflege
genau zu bezeichnen: das Ziel ist nicht das Recht oder die Gesundheit oder die wirtschaftliche Leistung oder das Seelenheit – das sind alles nur Teilmomente – sondern eben das Error: java:org.exist.xquery.XPathException . exerr:ERROR XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0. [at line 1044, column 47, source: /db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] In function: kmg-util:quote-marks(xs:string, xs:string, xs:string) [1044:25:/db/apps/sade/modules/kmg/kmg-util.xqm] transformKMG:make-quote(node(), xs:string, item()*, xs:string, xs:string*) [733:17:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] local:main(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [76:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm]. XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0.
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.
(Jugendwohlfahrt, S. 19)
.
. So handelt es sich beispielsweise in Jugendpflege, Betriebspädagogik, Elternberatung nicht primär um die Behebung von Mißständen, sondern je um einen neuen Komplex der Gesamtaufgabe gesellschaftlicher Eingliederung. Soziale Arbeit ist, im Ganzen gesehen, so wenig und so viel Behebung einer menschlichen Not, wie es jede andere Maßnahme ist, die getroffen wird, um den Einzelnen in ein positives Verhältnis zur Gesellschaft zu setzenError: java:org.exist.xquery.XPathException . exerr:ERROR XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: transformKMG:duplicate-apparatus($node as node(), $filename as xs:string, $mode as xs:string, $witLeittext as xs:string, $listWit as xs:string*) node()*. Expected cardinality: exactly one, got 0. [at line 620, column 59, source: /db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] In function: transformKMG:duplicate-apparatus(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [619:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] local:main(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [76:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm]. XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: transformKMG:duplicate-apparatus($node as node(), $filename as xs:string, $mode as xs:string, $witLeittext as xs:string, $listWit as xs:string*) node()*. Expected cardinality: exactly one, got 0.
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. Wenn andererseits aber der Begriff Error: java:org.exist.xquery.XPathException . exerr:ERROR XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0. [at line 1044, column 47, source: /db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] In function: kmg-util:quote-marks(xs:string, xs:string, xs:string) [1044:25:/db/apps/sade/modules/kmg/kmg-util.xqm] transformKMG:make-quote(node(), xs:string, item()*, xs:string, xs:string*) [733:17:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] local:main(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [76:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm]. XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0.
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anthropologisch gedeutet würde, dergestalt, daß mit ihm auf ein Grundphänomen alles – von geschichtlichen Besonderungen unabhängigen – menschlichen Daseins gewiesen werden soll, dann würde die Allgemeinheit dieses Begriffes alle kulturell-sozialen Erscheinungen betreffen und wiederum eine besondere Theorie der sozialen Arbeit erst erforderlich machen. Das Problem wäre nicht gelöst, sondern lediglich verschobenError: java:org.exist.xquery.XPathException . exerr:ERROR XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: transformKMG:duplicate-apparatus($node as node(), $filename as xs:string, $mode as xs:string, $witLeittext as xs:string, $listWit as xs:string*) node()*. Expected cardinality: exactly one, got 0. [at line 620, column 59, source: /db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] In function: transformKMG:duplicate-apparatus(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [619:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] local:main(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [76:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm]. XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: transformKMG:duplicate-apparatus($node as node(), $filename as xs:string, $mode as xs:string, $witLeittext as xs:string, $listWit as xs:string*) node()*. Expected cardinality: exactly one, got 0.
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.
So scheint uns der Sache nach eine positive Begründung der sozialen Arbeit notwendig und einzig angemessen zu sein. Eine solche Theorie aber, auch als grundlegende theoretische Besinnung in der sozialen Ausbildung, wäre mit der Pädagogik in der spezifischen Form einer Sozialpädagogik gegebenError: java:org.exist.xquery.XPathException . exerr:ERROR XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: transformKMG:duplicate-apparatus($node as node(), $filename as xs:string, $mode as xs:string, $witLeittext as xs:string, $listWit as xs:string*) node()*. Expected cardinality: exactly one, got 0. [at line 620, column 59, source: /db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] In function: transformKMG:duplicate-apparatus(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [619:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] local:main(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [76:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm]. XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: transformKMG:duplicate-apparatus($node as node(), $filename as xs:string, $mode as xs:string, $witLeittext as xs:string, $listWit as xs:string*) node()*. Expected cardinality: exactly one, got 0.
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. Dabei wäre von folgenden Problemen auszugehen:
    1.
    Die Soziale Arbeit ist an die Entwicklung der industriellen Gesellschaft gebunden; mit dieser erst ist ihr Ursprung und ihre Notwendigkeit gegeben.
    2.
    Durch die mit dem Übergang in eine neue Gesellschaftsstruktur entstandenen sozialen und individuellen Notstände hervorgerufen, war sie zunächst reine Nothilfe als unmittelbare Gegenwirkung.
    3.
    Der Versuch, den Zusammenhang der vielfältigen Maßnahmen zu verstehen und zugleich die Ursachen der Not zu bekämpfen, implizierte eine Deutung der sozialen Situation.
    4.
    Diese Deutung darf nicht dahin führen, in romantischer oder utopischer Verkennung der konkreten Situation die soziale Gegenwartsaufgabe zu verfehlen.
    5.
    Diese Aufgabe besteht in der Eingliederung des Einzelnen in den sozialen Zusammenhang. Sie ist mithin eine Aufgabe, die vor Entstehung der Sozialen Arbeit von anderen sozialen Gebilden erfüllt wurde, in der differenzierten modernen Gesellschaft aber von besonderen Einrichtungen übernommen werden muß.
    6.
    Die Aufgabe einer planmäßigen Eingliederung des Einzelnen in die soziale Welt ist in ihrem letzten Sinn eine pädagogische Aufgabe. Die Institutionen sozialer Arbeit, die durch die veränderte Sozialstruktur über die traditionellen Erziehungseinrichtungen hinaus notwendig geworden sind, sind daher sozialpädagogische Institutionen.
    7.
    Die Gemeinsamkeit dieser Institutionen besteht, abgesehen von der gemeinsamen geschichtlichen Erfahrung, darin, daß sie sich nicht nur der Erziehungseinwirkungen in personaler Begegnung (in Jugendhilfe, Heimerziehung, Kriminalpädagogik etc.) bedienen, sondern wesentlich erziehungsplanende Funktionen übernehmen, um die Voraussetzungen für eine gelingende Erziehung zu schaffen. Darin liegt der pädagogische Sinn der Fürsorge-These von der Error: java:org.exist.xquery.XPathException . exerr:ERROR XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0. [at line 1044, column 47, source: /db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] In function: kmg-util:quote-marks(xs:string, xs:string, xs:string) [1044:25:/db/apps/sade/modules/kmg/kmg-util.xqm] transformKMG:make-quote(node(), xs:string, item()*, xs:string, xs:string*) [733:17:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] local:main(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [76:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm]. XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0.
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    , der sozialpolitischen Sicherung eines die soziale Eingliederung sichernden Lebensraumes, besonders aber des Jugendamtes.
    8.
    Eine Theorie der Sozialpädagogik als Grundlagendisziplin für die Soziale Arbeit kann daher weder – infolge der beständigen Gefährdung des sozialen Eingliederungsprozesses, durch die Kompliziertheit der industriellen Gesellschaft bedingt – ihren faktischen Nothilfe-Charakter verleugnen, noch darf sie ihre systematische Begründung aus solchen situationsbedingten Handlungsimpulsen ableiten. Diese Begründung darf sich nur positiv auf die durch die Differenzierung der Gesellschaft notwendig gewordene institutionelle Differenzierung der sozialen Eingliederungsmittel beziehen.
Der entscheidende Einwand gegen die Pädagogik als Grundlagentheorie der Sozialen Arbeit enthält die Behauptung ihrer Unzulänglichkeit im Hinblick auf die institutionellen Aufgaben von Fürsorge und Versorgung und im Hinblick auf die sozialpolitischen Anforderungen. Daraus nun ableiten zu wollen, daß die Sozialwissenschaft diejenige Disziplin sei, die als Grundlagentheorie fungieren könne, ist deshalb nicht angängig, weil der Sinn der zu lösenden Aufgaben nur durch einen alle Einzelmaßnahmen umgreifenden Aspekt erschlossen werden kann. Dieser Aspekt aber ergibt sich aus den genannten Aufgaben sozialer Eingliederung, die eine gesellschaftliche Erziehungsaufgabe darstellen. Dieser, bereits in den Ursprüngen der Sozialen Arbeit vertretene Ansatz ist ein bleibender Bestandteil auch des weit differenzierteren und arbeitsteiligeren Komplexes moderner Sozialer Arbeit.
Überdies wird der Gegensatz der pädagogischen und sozialwissenschaftlichen, sozialpolitischen Gesichtspunkte, die in der Diskussion meist als ergänzendes Nebeneinander dargestellt werden, in der besonderen Struktur sozialpädagogischen Denkens schon aufgehoben. Dieses Denken nämlich zeichnet sich, wie aus unserer geschichtlichen Untersuchung hervorgeht, durch das Fortschreiten von der individuellen Situation des Einzelnenø über den Rückgang auf die Ursachenø zur Situation der Gesamtgesellschaft aus. Mit der Hilfe für das notleidende Individuum war immer auch das Nachdenken über die Reform der Voraussetzungen, der Gesellschaft verbunden. In den sozialpädagogischen Institutionen war der Gegensatz gebunden in der Form neuer sozialer Ordnungsgefüge, mit ø Sinn erfüllt und nach gesellschaftlicher Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit gestaltet. Die sozialtheoretischen Leitideen, die allgemeine sozialpädagogische Aufgabe auf ein begrenztes Bildungsideal einengend, können so neu verstanden werden: sie sind der inhaltliche Ausdruck dieser wesenhaften Struktur sozialpädagogischen Denkens; in ihnen sollte das dialektische Verhältnis von sozialer Eingliederung des Einzelnen und Gestaltung der gesellschaftlichen Ordnung in einem Idealbilde überwunden werden, damit aber freilich, als inhaltlich-konkrete Vereinseitigung, eine systematische Grundlegung unmöglich machend. Diese kann nur von dem Wesen sozialpädagogischer Institutionen und sozialpädagogischen Denkens ausgehen und von der Tatsache, daß in dem Phänomen Error: java:org.exist.xquery.XPathException . exerr:ERROR XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0. [at line 1044, column 47, source: /db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] In function: kmg-util:quote-marks(xs:string, xs:string, xs:string) [1044:25:/db/apps/sade/modules/kmg/kmg-util.xqm] transformKMG:make-quote(node(), xs:string, item()*, xs:string, xs:string*) [733:17:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] local:main(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [76:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm]. XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0.
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ein mit der Eigenart der industriellen Gesellschaft notwendig verbundenes System neuer Maßnahmen gesellschaftlicher Integration gegeben ist, das seine innere Einheit durch die pädagogische Sinngebung erfährt.
AB
Schluß: Probleme einer Theorie der Sozialpädagogik
AB
ø
AB
1.
AB
2.
AB
)
AB
sosialen
AB

3. Das Problem der konkurrierenden Leitbilder sozialer Hilfeleistung

[005:329] Wir stellten fest, daß die soziale Arbeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, da sie sich selbst als umfassende Erziehungs|A B 126|aufgabe verstand, durchgehend vom pädagogischen Gedanken her bestimmt war und daher mit Sozialpädagogik gleichzusetzen ist. Mit dem Anwachsen der Aufgaben und der notwendigen Differenzierung der Hilfeleistungen machten sich aber Divergenzen innerhalb dieser Arbeit bemerkbar, deren Tatbestand auch die theoretischen Bemühungen nach dem ersten Weltkrieg nicht beseitigen konnten; so vor allem im Bereich der Fürsorge. Obwohl im Prinzip der persönlichen Hilfe in der Fürsorgearbeit ein scheinbares, auch zur Pädagogik hinweisendes Zentrum gefunden war, wurde doch mehr und mehr deutlich, daß die Fürsorge in einer eigenen Tradition wurzelte und ein Leitbild menschlicher Hilfeleistung enthielt, das mit Erziehung nicht ohne weiteres gleichzusetzen war.
[005:330] Klumker definierte:
»Fürsorge ist Erziehung Unwirtschaftlicher, Versorgung Unwirtschaftlicher, Verwertung Unwirtschaftlicher. Ihr Ziel ist rein wirtschaftlich bestimmt; darin liegt ihre Selbständigkeit und Unabhängigkeit, darin auch ihre sichere Umgrenzung«
617
617C. J. Klumker, Fürsorgewesen, S. 73.
. Erziehung ist hier als eine Funktion der Fürsorge genannt neben anderen; sie kann also, nach dieser Bestimmung, nicht mehr das zentrale Motiv aller Fürsorgearbeit sein. Das darin enthaltene Problem wird nur verdeckt, wenn die persönliche Beziehung des
»Pflegers«
zum Fürsorgebedürftigen als eine erzieherische bezeichnet wird und als unabdingbare Voraussetzung, als
»Kern der Armenpflege«
618
618a. a. O., S. 75.
.
[005:331] Achinger, um zu einer eigenständigen Theorie der Fürsorge zu gelangen, und ein angemessenes Selbstverständnis zu gewinnen, versuchte die Bedingungen einer Fürsorgetheorie und deren Ansätze gerade dadurch zu erhellen, daß er jenes persönliche Fürsorge-Verhältnis ausdrücklich vom pädagogischen absetzte und unterschied. Die Aufgaben von Erziehung und Fürsorge seien zwar häufig die gleichen,
»so daß es nur der Ausbreitung zur Sozialpädagogik’ zu bedürfen scheint, um große Teile des fürsorgerischen Verhaltens mit zu beschreiben und zu bestimmen«
619
619
H. Achinger, Zur Theorie der Fürsorge, in Fürsorge als persönliche Hilfe, S. 4
ø
. Aber
»nicht in ihrer sozialen Aufgabe, sondern aus ihrer besonderen Einstellung, die aus der sozialen Intention allein nicht deduziert werden kann, scheint uns der Ansatzpunkt der Theorie (der Fürsorge) zu liegen«
620
620
a. a. O., S. 11
.
. Das fürsorgerische Verhalten als ein
»seelisches Grundverhältnis«
eigener Art621
621
a. a. O., S. 12
.
und dessen Phänomenologie erst könne die Grundlage für eine Theorie der Fürsorge liefern und diese gegen die
»Okkupationen«
der Nachbardisziplinen Pädagogik, Soziologie, Volkswirtschaft und Rechtswissenschaft sichern622
622a. a. O., S. 3 ff.
. Dieser Ansatz Achingers hob die These, Fürsorge sei persönliche Hilfe, keineswegs auf, vielmehr sollte sie gerade in ihrem Eigenrecht erkannt und begründet werden. Ihre eindeutige Bestimmung als pädagogische These aber |A B 127|sollte damit zurückgewiesen sein; Fürsorge konnte nicht mehr als primär pädagogische Aufgabe betrachtet, ihr Selbstverständnis nicht aus der Pädagogik abgeleitet werden.
[005:332] Daneben und aus den Bedürfnissen und Erfordernissen der Praxis entwickelte sich ein spezieller Typus der sozialen Hilfe, in dem der Gedanke persönlicher Einzelhilfe, heute unter dem Terminus
»Casework«
, in besonderer, methodisch detaillierter Ausprägung erscheint. Diese Art fürsorgerischer Einzelhilfe623
623Bei H. Lattke, Soziale Arbeit und Erziehung, findet sich folgende-Definition des Caseworks, das dort mit Fürsorge identifiziert wird
(S. 40)
:
»Social Casework ist eine Kunst, bei der Erkenntnisse der Wissenschaft von den menschlichen Beziehungen und die Fertigkeit in der Pflege dieser Beziehungen dazu benutzt werden, Kräfte im Einzelmenschen und Hilfsquellen in der Gemeinschaft zu mobilisieren, die geeignet sind, eine bessere Einordnung des Klienten in seine ganze Umwelt oder in Teile seiner Umwelt herbeizuführen«
.
hat inzwischen soweit an Verbreitung und Bedeutung gewonnen, daß das in ihr enthaltene Leitbild sozialer Arbeit, so wie es von deren Vertretern dargestellt wird, als eine Konkurrenz des ursprünglichen sozialpädagogischen Ansatzes bezeichnet werden muß. Die schlichte Behauptung nämlich, es handele sich im Casework um Erziehungsprozesse624
624Wie wenig Einsicht in und Bemühungen um die damit verbundenen pädagogischen Fragen in solchen Arbeiten vorhanden ist, dafür ist die genannte Schrift von H. Lattke ein anschauliches Beispiel. Lattke schreibt:
»Es ist nicht schwer anzuerkennen, daß Fürsorgearbeit eine Kunst ist (vergl. Definition Fußnote 623), wenn man anerkennt, daß sie eine Erziehungsarbeit ist«
(Soziale Arbeit und Erziehung, S. 41)
. Darin erschöpft sich Lattkes Aussage über das Verhältnis von Fürsorge bzw. Casework und Erziehung. Der Charakter der Fürsorge als pädagogische Maßnahme wird ohne jede weitere Überlegung vorausgesetzt, womit weder einer Theorie der Fürsorge noch der Pädagogik ein guter Dienst geleistet sein kann.
, kann nichts daran ändern, daß das pädagogische Problem dieser Arbeitsmethoden und dieses Arbeitsbereiches noch keineswegs erfaßt ist.
[005:333] Schon die Anfänge unter dem Begriff
»Soziale Therapie«
führten – wenn ein pädagogischer Sachverhalt intendiert gewesen sein sollte – wenigstens terminologisch in die Irre625
625Vergl. die Verwendung der Begriffe
»Soziale Therapie«
und
»Soziale Diagnose«
bei
A. Salomon, Soziale Diagnose
; ferner
S. Wronsky, Methoden der Fürsorge
– und die von ihr verwandten Termini wie
»Sozialer Heilprozeß«
,
»Soziale Anamnese«
,
»soziale Untersuchung«
,
»soziale Prognose«
,
»soziale Therapie«
. Die Methode der Fürsorge sei
»die Bekämpfung der vorhandenen Energiemängel und die Beeinflussung der sozialen Widerstände der Umwelt«
(S. 25)
.
»Die Begriffe ihrer (d. Fürsorge) neuen Methoden sind aus der Medizin (wir ergänzen: und aus der Psychologie) entnommen worden«
(S. 11f.)
. Selbst wenn es sich nur um terminologische Mißgriffe handeln sollte, ist solchen Darstellungen mit Skepsis zu begegnen, da sie die Klärung der Sachverhalte durch schon in ihrem Bedeutungsfeld festgelegte Begriffe zumindest erschweren.
. Die entsprechende Theorie weicht denn auch nicht nur von dem Selbstverständnis der Pädagogik, sondern auch von den Ansätzen einer Fürsorgetheorie ab, die sich das zitierte fürsorgerische Verhalten zur Grundlage machte:
»So wie die scheinbar größere Evidenz naturwissenschaftlicher Urteile in der westlichen Soziologie dazu geführt hat, mit dem Gedankenkreis der physique sociale den kulturwissenschaftlichen Gehalt gesellschaftlicher Erscheinungen zuzudecken, so fürchten wir, daß in einem viel bescheideneren Kreis des Nachdenkens Ausdrücke wie soziale Diagnose und soziale Therapie einem Versuch Vorschub leisten könnten, Begründung und Durchführung fürsorgerischer Arbeit auf einfache, aber mechanistische Formeln zu bringen, die nicht mehr erkennen lassen, worum es sich im Grunde handelt«
626
626H. Achinger, a. a. O., S. 3 f.
. Das unter dem Begriff Casework heute zusammengefaßte System von Methoden praktischer Fürsorgearbeit hat ohne Zweifel seine Bedeutung und Berechtigung. Das in ihm prinzipiell vertretene Leitbild sozialer Arbeit aber bleibt zu prüfen und in einer Theorie der sozialen Arbeit auch in seinem Verhältnis zur Erziehung zu bestimmen.
AB

4. Das Problem einer theoretischen Grundlegung der Einheit sozialer Arbeit

[005:334] Mit der Erwähnung der Fürsorgetheorie und der Theorie sozialer Therapie oder des Caseworks sollte verdeutlicht werden, daß der Begriff Sozialpädagogik, auf die Gesamtheit sozialer Arbeit in ihren Ursprüngen mit Recht angewandt, heute in einem neuen |A B 128|Zusammenhang gesehen werden muß, mindestens die Theorien und Leitbilder einer fürsorgerischen, sozialpädagogischen und sozialtherapeutischen Hilfeleistung stehen nebeneinander. Indessen stehen sie doch nach wie vor in einem Zusammenhang
»Sozialer Arbeit«
. Vor der Aufgabe, die Einheitlichkeit dieses Zusammenhanges zu erkennen und ihn darzustellen, sahen und sehen sich aber vor allem die Ausbildungsstätten für die soziale Berufsarbeit. Daß es sich dabei nicht um ein lediglich abstrakt-theoretisches, sondern durchaus praktisch-theoretisches Problem handelt, erhellt aus den Diskussionen um die Ausbildungsrichtlinien und Lehrpläne627
627
Vergl. G. Bäumer, Die sozialpädagogische Erzieherschaft und ihre Ausbildung, in Handbuch der Pädagogik, hersg. v. H. Nohl und L. Pallat, Bd. V, S. 209
:
»Der innere Ertrag der pädagogischen Entwicklung fixiert sich in der Ausbildung für den pädagogischen Beruf. So läuft auch für die Sozialpädagogik die ganze geistige Arbeit an Aufbau, Methoden und Zielen schließlich zusammen in der Frage, wie nun die Kräfte beschaffen und ausgerüstet sein müssen, denen man dieses Werk anvertraut«
. Vergl. ferner: E. Magnus, Zur Ausbildung der deutschen Sozialarbeiter, Frankfurt 1953; A. Salomon, Die Ausbildung zum sozialen Beruf, Berlin 1927; Ch. Dietrich, Zur Gestaltung der Wohlfahrtsschulen, in: Die Erziehung V 1930; F. v. Gonthard, Grundforderungen zur sozialen Ausbildung, Hamburg 1953; H. Francke, Die Ausbildung der Jugendrichter, in: Zeitschr. f. Kinder., 29. Bd. 1924; C. Mennicke, Das Seminar f. Jugendwohlfahrt in Berlin, in: Zentralbl. f. Jugendrecht u. Jugendwohlf. XVI/4, 1924, S. 84 ff.; H. Nohl, Die Ausbildg. d. Sozialpädagogen, in: Zeitschr. f. Kinderforschg., Bd.29, 1924; H. Scherpner, Das Gemeinsame in d. Arbeit d. sozialpäd. Berufe, in: Unsere Jugend, II/4 1952, S. 121 ff.; F. Siegmund-Schultze, Ausbildungsfragen der Jugendwohlf., in: Zeitschr. f. Kinderforschg., Bd.29, 1924, S. 1 ff.; E. Spranger, Über die Gestaltung d. Lehrplans in Psych. u. Päd. an den Wohlfahrtssch., in: Kindergarten, 63. Jg. 1922.
.
[005:335] In zweierlei Hinsicht versuchte man der Aufgabe gerecht zu werden: im Auffinden einer grundlegenden wissenschaftlichen Disziplin und in der Besinnung auf das Wesen sozialer Berufstätigkeit628
628G. Bäumer in Internat. Konf., S. 1.
. Besonders in diesem letzteren Bemühen versuchte man am nachdrücklichsten, die Vielfalt sozialer Arbeit in einem ethisch begründeten beruflichen Leitbild zusammenzufassen. Die Ausbildung des Sozialarbeiters müsse, so sagte man,
»auf die Gewinnung und Gestaltung einer großen und sozialen Bildungsidee gerichtet sein«
629
629Richtlinien, S. 4.
. Das
»soziale Ethos«
sei die
»Wertidee«
, der Mittelpunkt jeder sozialen Arbeit630
630
Ch. Dietrich, Zur Gestaltung ... S. 686
.
. Der Formalismus solcher Aussagen konnte für die konkrete Begründung der Ausbildung – trotz der heftigen Diskussionen – wenig leisten. Im einzelnen Falle wurde und wird denn auch die
»soziale Bildung«
631
631Richtlinien, S. 12.
, das Ziel des
»sozialen Menschen«
632
632a. a. O., S. 13.
, mit konkreten, aus der sozialen Arbeit selbst nicht abgeleiteten und ableitbaren Inhalten erfüllt, die sich in Formulierungen ankündigen wie:
»Dienst an der Volkskultur«
633
633A. Salomon, in Richtlinien, S. 4.
oder:
»Es darf nicht nur um die Fakten, es muß um den Sinnzusammenhang dieses menschlichen Lebens gehen, einen Sinnzusammenhang, der sich nur vom Religiösen her erschließt«
634
634F. v. Gonthard, Grundforderungen d. soz. Ausbildg., S. 10, S. 11.
. So wenig von solchen weltanschaulichen Antrieben völlig abzusehen ist, so vergeblich muß andererseits jeder Versuch bleiben, eine allgemeinverbindliche und zugleich formale Aussagen überwindende Grundlegung der sozialen Arbeit auf diese Weise zu finden.
[005:336] Wichtiger und in der Tat auch folgenreicher ist das sachliche Problem einer Grundwissenschaft der sozialen Arbeit, von der her die Vielfalt heterogener Aufgaben begründet und verstanden werden kann. Bei derartigen Versuchen wird immer wieder auf die Sozialwissenschaften zurückgegriffen635
635In solchem Rückgriff auf die Sozialwissenschaften als Grunddisziplin für die Ausbildung zur sozialen Arbeit drückt sich zum Teil die ganze Unsicherheit in der theoretischen Begründung dieser Arbeit aus. Sie sind der scheinbare Ausweg aus dem Dilemma, das sich aus dem Fehlen einer echten Theorie der sozialen Arbeit ergibt. Da die Probleme, vor die die soziale Arbeit gestellt ist, wesentlich mit dem Verhältnis von Mensch und Gesellschaft zusammenhängen, glaubt man in den Sozialwissenschaften die grundlegende Theorie gefunden zu haben, läßt dabei aber gerade den gewonnenen und einzig positiven Ansatz bei dem Problem der fürsorgerischen Beziehung wieder außer acht. Somit bleibt als Sinn solcher Forderungen nur, daß man die gesellschaftliche Umwelt zur Beurteilung und Behandlung des Hilfsbedürftigen beachten müsse;
»dieser Gedanke ist für die praktische Arbeit gewiß von bleibendem Wert und verdient immer wieder Beachtung. Aber er ist nicht neu und noch weniger eine Inhaltsangabe dessen, was die Soziologie für die Fürsorge bedeuten könnte«
(Achinger, Fürsorge und Soziologie, in Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt, XIX/8, 1927, S. 211)
. Zur Forderung sozialwissenschaftlicher Grundausbildung vergl. besonders A. Salomon, Die Ausbildung zum sozialen Beruf, Berlin 1927; ferner Richtlinien für die Lehrpläne der Wohlfahrtsschulen, hersg. vom Preußischen Ministerium für Volkswohlfahrt, Berlin 1930; E. Magnus, Zur Ausbildung der deutschen Sozialarbeiter, Frankfurt 1953. – Eine echte Schwierigkeit bedeutet die Vielfältigkeit zu berücksichtigender Ausbildungsziele, durch die Differenziertheit des sozialen Berufs bedingt. Sozialwissenschaftlicher Ekklektizismus ist daher eine Gefahr, die durch die Ausbildungsaufgabe und die Bemühung um eine gemeinsame Ausbildung für alle sozialen Berufszweige selbst hervorgerufen wird. Diese Gefahr – auch wenn man ihr eben nicht immer entging – wurde deutlich gesehen. Die Forderung eines
»Berufsbildes«
, der Erziehung zu einer, aller sozialen Arbeit gemeinsamen
»Haltung«
fungierte daher im Grunde auch als Korrektiv zu solchem Ekklektizismus. – Einen besonderen Fall stellt die Position Felds dar (W. Feld, Die akademische Ausbildung für die soziale Arbeit, Deutsche Zeitschrift für Wohlfahrtspflege, 1925 I/8, S. 357 – 362). Die Forderung der Sozialwissenschaft als Grunddisziplin ergibt sich für ihn, vom Sozialismus herkommend, aus dem Primat gesellschaftlicher Umgestaltung vor der persönlichen Einzelhilfe. In diesem Sinne polemisierte er gegen die pädagogischen Thesen Sprangers:
»In Wahrheit kommt es erheblich mehr auf die Höherbildung der Umwelt an«
(S. 357)
.
»In den Gesellschaftswissenschaften muß demnach das wissenschaftliche Zentrum für die Ausbildung der Sozialbeamten liegen«
(S. 359)
. Vergl. dazu die Kritik H. Nohls in Jugendwohlfahrt, Leipzig 1927, S. 10; in demselben Sinne auch
H. Achinger, Zur Theorie der Fürsorge, S. 6
:
»So sehr einer ernsthaften wissenschaftlichen Überlegung in dieser Richtung das Wort zu reden wäre, so gewiß ist es ... daß damit nicht das geleistet werden kann, was Dilthey ... nennt
aus einem Teilinhalt der Wirklichkeit von ihm aus bewiesene und fruchtbare Sätze zu entwickeln
. Eben die leichte und so naheliegende Anwendbarkeit auch auf fürsorgerisches
Verhalten
wie auf so viele gesellschaftliche Erscheinungen, weist auf den formalen Charakter hin, den alle soziologischen Untersuchungen letztlich an sich tragen«
.
. Es zeigt sich aber, daß das Ergebnis einer solchen Bemühung nichts anderes sein kann, als das Nebeneinander der verschiedenen sozialwissenschaftlichen Forschungsrichtungen, die hier nur im Hinblick auf ihre Relevanz für die soziale Arbeit herangezogen werden. Von ihnen ist die theoretische Begründung einer auf ein bestimmtes |A B 129|soziales Handeln gerichteten Intention nicht zu erwarten, es sei denn, die soziologische Analyse der sozialen Phänomene würde mit konkreten sozialen Leitideen im Sinne einer normativen Soziallehre erfüllt. Das aber läßt der Wissenschaftscharakter der Sozialwissenschaften nicht zu. Zudem wären die rein pädagogischen Bereiche innerhalb der sozialen Arbeit in diesem Falle von vornherein ihres eigenständigen Ansatzes beraubt.
[005:337] Die Frage könnte – im Anschluß an die Ausführungen Achingers – eine Antwort erfahren durch eine Theorie, die sich an die der sozialen Arbeit zugrunde liegenden Phänomene anschließt, an den besonderen Typus menschlicher Beziehung, in dem sie sich realisiert ø und an diejenigen Erscheinungen, die diese menschliche Beziehung als Hilfeleistung erforderlich machen. Es besteht Einigkeit darin, daß alle soziale Arbeit letztlich auf das Vorhandensein sozialer Not und Notstände zurückzuführen ist. Eine Theorie, die sich die Erhellung dieses Sachverhalts zur Aufgabe macht, würde somit eine theoretische Grundlegung leisten können, zumal sich aus ihr – als Lehre entsprechenden Handelns – eine Theorie der Nothilfe ableiten ließe, nicht an sozialethischen Leitbildern oder religiösen, weltanschaulichen oder politischen Inhalten orientiert, sondern lediglich an dem gesellschaftlichen und personalen, durch die jüngere Sozialgeschichte gleichsam freigesetzten Phänomen der Not.636
636Im Phänomen der Not, und zwar in seiner konkreten gesellschaftlich-geschichtlichen Gestalt, liegt der faktische Ansatz jeder sozialen Arbeit. Jede dieser Maßnahmen ist zunächst als eine unmittelbare Gegenwirkung zu verstehen. Auf diesen Sachverhalt, der auch in den Ursprüngen der Sozialpädagogik deutlich hervortritt, ist in aller sozialpädagogischen Literatur immer wieder hingewiesen worden. Vergl. dazu besonders die theoretische Erhellung dieses strukturellen Zusammenhanges von E. Weniger, Sozialpädagogik, in Enzyklopädisches Handbuch des Kinderschutzes und der Jugendfürsorge; ferner
C. J. Klumker, Fürsorgewesen, S. 21
:
»Bei dem Wandel der Wirtschaftsformen wird stets ein Teil derer, die vorher ihren festen Platz hatten, den Halt verlieren und verarmen ... Ändert sich der wirtschaftliche Aufbau einer Klasse, eines Standes, eines Berufes, so können nicht mehr alle, die bisher darin waren, sich der neuen Wirtschaftlichkeit anpassen, sie sich aneignen.«
Daraus folgt die sozialpädagogische Gegenwirkung:
»Alle Fürsorge will die Schäden und Schwierigkeiten dieser Übergänge mildern, sie ist im weitesten Maße darauf angewiesen, die Kräfte dieser (der sozialen) Gebilde«
... zu wecken und
»ihren Schützlingen ... den rechten Platz zu verschaffen«
(Ders., in Die Stellung der Wohlfahrtspflege ..., S. 102)
. Vergl. auch A. Salomon, Leitfaden der Wohlfahrtspflege, S. 1;
W. Flitner, Pestalozzis sozialpäd. Gedanken .... S. 399
.
»An allen Punkten, wo auf heile Volksordnung nicht mehr gerechnet werden kann, entsteht die Aufgabe einer solchen Notstandspädagogik, entsteht das sozialpädagogische Problem«
.
H. Nohl, Jugendwohlfahrt, S. 1
:
»Eine geistige Bewegung wie die Jugendwohlfahrtsarbeit ... ist das Schicksal einer Not. Diese Not diktiert auch die Züge der geistigen Gegenwirkung, die sie überwinden soll.«
Vergl. schließlich
A. Fischer, Leben und Werk, III/IV, S. 330
: Fischer setzt
»die Notstände selbst als gegebenen Anlaß und Angriffspunkt der organisierten, schließlich der öffentlichen Fürsorge voraus«
.
Eine solche Grundlagentheorie hätte sozial-anthropologischen Charakter.637
637Ansätze dieses Gedankens, die Historizität des Phänomens überschreitend, finden sich bei
A. Fischer, a. a. O., S. 345
: Er müsse
»doch mit aller Entschiedenheit darauf aufmerksam machen, daß keine Gesellschaftsordnung an sich die volle Garantie gegen Entstehung oder Wiederkehr von Nöten einschließt ... Die Wurzel dieser meiner Überzeugung ist die Anschauung von der Natur des Menschen. Der Mensch ist ein Versuch, der einzelne, die Völker, die Gattung. Diese Versuchsmäßigkeit ... schließt mit Notwendigkeit nicht nur den möglichen ... Fortschritt ein, sondern ebenso auch das unvermeidliche Versagen und Absinken von einzelnen oder Gruppen von solchen«
.
S. 346
:
»Die ganze Institution des Sozialbeamtentums ... erhält in dieser Einstellung einen neuen und tieferen Sinn: Es ist nicht Vollzugsorgan einer bestehenden Ordnung, sondern der Schrittmacher einer stetig darunter werdenden.«
(Vergl. auch F. Trost, Erz. im Wandel, Darmstadt 1955).
Das so theoretisch erhellte Grundproblem sozialer Arbeit würde dann in seinen jeweiligen Variationen in den verschiedenen institutionellen Bereichen (Jugendhilfe, Fürsorge, Erziehungsberatung etc.) darzustellen sein; das in ihnen realisierte soziale Verhalten müßte in den je besonderen theoretischen Zusammenhängen von Pädagogik, Fürsorge-Theorie, Psychologie, Volkswirtschaftslehre behandelt werden. Ein solcher Versuch liegt noch nicht vor. Indessen wären gegen ihn auch wesentliche Bedenken vorzubringen.
AB
5.