|a1 a2 296|
Sozialpädagogische Einrichtungen.
[014:1]
Geschichte und allgemeine Problematik. Die ersten
sozialpädagogischen Einrichtungen ent|a1 a2 297|standen, als
sich die Formen der christlich-karitativen Fürsorge mit den
Erziehungsintentionen der ausgehenden Aufklärung verbanden. Diese vom
Merkantilismus des absolutistischen Staates stark beeinflußten Institutionen –
der Erziehung der Armen zur Arbeitsamkeit, der Erziehung von Waisenkindern, der
›Besserung‹
von Verwahrlosten und Kriminellen, vor allem
von vagabundierenden Kindern und Jugendlichen – sind als die Vorläufer der im
19. Jh. einsetzenden differenzierten sozialpädagogischen Praxis anzusprechen.
Zwischen den napoleonischen Kriegen und der Ausbreitung der sozialen Bewegung in
Deutschland entwickelte sich dann ein schon weit verzweigtes System von
Erziehungseinrichtungen.
[014:2] Die institutionellen Formen und die Modi der Trägerschaften waren
vielfältig und von Land zu Land verschieden. In der Regel handelte es sich um
private Einrichtungen. Die größte Aktivität
entfaltete die Innere
Mission und der württembergische Pietismus. Daneben existierte eine
große Zahl katholischer Erziehungsvereine, bürgerlicher Wohltätigkeitsvereine
und Einrichtungen, die durch einzelne Erzieher oder sich erzieherisch
verantwortlich fühlende Bürger, vor allem Adlige, ins Leben gerufen und erhalten
wurden. Die Aktivität der Gemeinden richtete sich vornehmlich auf das
traditionelle Feld der Waisenerziehung und Armenpflege. Die karitativen Orden
und Kongregationen erweiterten ihre Tätigkeit in Richtung auf eine pädagogische
Intensivierung. So entstand in kurzer Zeit ein relativ weitverzweigtes System
von Heimen und Anstalten bis hin zu familienähnlichen Pflegestellen,
Kinderbewahranstalten, Kindergärten, berufsfördernden Einrichtungen, Jünglings-
und Gesellenvereinen, Sonntagsschulen, Pflegefamilien und Einrichtungen zur
Hilfe in vereinzelten akuten Erziehungsnotständen. In groß angelegten Anstalten
wie der des
J. Falk
in Weimar wurden alle diese Maßnahmen zusammengefaßt. In einer zweiten
Periode, deren entscheidende Figur
J. H. Wichern
war, wurde vor allem die Innere
Mission sozialpädagogisch ausgebaut, drang die pädagogische
Diskussion in den Bereich der Strafrechtspflege ein und wurde die vorbeugende
Arbeit der Jünglingsvereine intensiviert.
[014:3] Die ersten Anfänge einer sozialpädagogischen Theoriebildung lagen in
den Werken Wicherns, Völters (württembergischer
Pietismus), Hirschers
(katholische Erziehungsbewegung) und – wenn auch mehr am Rande dieser
Entwicklung liegend – Friedrich
Fröbels vor. Als in den ersten Jahrzehnten des 20. Jhs. durch die
Frauenbewegung, die Jugendbewegung und die pädagogische Reformbewegung der
entscheidende Ansatz zur Formierung der Sozialpädagogik gelang, auch durch die
Einrichtung eigener Ausbildungsstätten (
A. Salomon
,
G. Bäumer
,
H. Nohl
), |a1 a2 298|war bereits die pädagogische Diskussion
über die wissenschaftlichen Grundlagen der neuen Arbeitsfelder
(Erziehungswissenschaft, Psychologie, Psychopathologie), die Auseinandersetzung
mit den juristischen und kriminalpädagogischen Problemen, mit der pädagogischen
Problematik der Fürsorge, den Fragen der Jugendpflege und der Differenzierung
und Umgestaltung der Heimerziehung in vollem Gange. Die Wiederentdeckung
Pestalozzis
, vor allem als eines Sozialpädagogen, gab dieser sich nun als
sozialpädagogische Bewegung verstehenden pädagogischen Praxis auch die Dignität
einer autorisierten Tradition. Im Jugendwohlfahrtsgesetz und Jugendgerichtsgesetz wurden die
sozialpädagogischen Einrichtungen nun auch gesetzlich fixiert und ihr
Zusammenwirken zum Wohle der Jugend bestimmt.
[014:4] Schon die Gliederung der sozialpädagogischen
Arbeitsfelder ist nicht ohne Schwierigkeiten zu bewerkstelligen. So bestimmt die
Einteilung der sozialpädagogischen Einrichtungen in jene der Jugendpflege (als
vorbeugende Einrichtung), der Jugendfürsorge und der Gefängniserziehung die →
Sozialpädagogik
als Nothilfe und Ersatzerziehung. Die Gliederung in Jugenderziehungshilfe,
Jugendberufshilfe und Jugendkulturhilfe vermeidet zwar diese das abnorme
Verhalten in den Vordergrund rückende Deutung, läßt indessen aber die besondere
Struktur des sozialpädagogischen Feldes in der Allgemeinheit dieser Begriffe
außer acht. Eine auch der starken und veränderlichen Differenzierung der
Sozialpädagogik angemessene Form der Beschreibung scheint daher jene zu sein, in
der jedes in den traditionellen Begriffen ausgedrückte theoretische Präjudiz auf
ein Minimum reduziert, ebenso aber auch das besonders dem Jugendamt immer noch
entgegengebrachte Vorurteil vermieden wird, Sozialpädagogik habe es in erster
Linie mit den Gestrauchelten, den Schwachen und den Abwegigen zu tun.
[014:5] Deshalb unterscheiden wir als
sozialpädagogische Arbeitsfelder mit entsprechenden Institutionen: Einrichtungen
der begleitenden Kinderpflege und ‑erziehung, Einrichtungen der außerschulischen
Jugendbildung, Einrichtungen der geschlossenen Heimerziehung, Einrichtungen
offener Art zur Vorbeugung und Bekämpfung von Jugendverwahrlosung und
-kriminalität, den Jugendstrafvollzug, Einrichtungen der erziehungsbegleitenden
Beratung.
[014:6]
Einrichtungen der begleitenden (halboffenen) Kinderpflege und
-erziehung. Unter allen sozialpädagogischen Einrichtungen und Theorien
sind die der
Kindergartenerziehung
die ältesten und stabilsten. Ausgehend von einer durch die deutsche
Romantik bestimmten →
pädagogischen Anthropologie
des Kindes hat
Fr. Fröbel
mit dem Kindergarten eine |a1 a2 299|Stätte
erneuernder Volkserziehung entwickelt und damit, im Unterschied zu den schon
vorhandenen Einrichtungen fürsorgerisch-bewahrenden Charakters (erste deutsche
Kinderbewahranstalt in Detmold 1802), den eigentlichen Beginn der Geschichte des
deutschen Kindergartens eingeleitet. Während die verwandten Einrichtungen in
anderen Ländern, vor allem den angelsächsischen und Italien (Montessori), stark
schulisch-propädeutischen Charakter haben, ist der deutsche Kindergarten seit
Fröbel eine Pflegestätte
(unschulischer) kindlicher Lebensformen. Als ein pädagogisches Angebot der
öffentlichen und privaten Jugendhilfe steht er allen Kindern vom 3. bis zum 6.
Lebensjahr halbtags offen. Seine Fortsetzung als schulbegleitende Einrichtung
ist der
Kinderhort
, dessen pädagogische Aufgaben schulbezogen sind. Beide haben in ihrer
Konzeption auch die sozialen Motive bewahrt, die zu ihrer Einrichtung führten:
erzieherische Hilfe für die berufstätige Mutter oder die aus anderen Gründen in
ihrer pädagogischen Potenz reduzierte Familie und damit Sicherung des Rechtes
auf Erziehung (§ 1 Jugendwohfahrtsgesetz, →
Schulrecht). Außerdem scheint heute jedes Kind unabhängig vom sozialen Status
der Eltern ein von der Familie unterschiedenes soziales Feld als Lebens- und
Spielraum zu benötigen. In diesem Sinne ist das Jugendamt gehalten, die für die
Pflege und Erziehung von Säuglingen, Kleinkindern und von Kindern im
schulpflichtigen Alter außerhalb der Schule erforderlichen
»Einrichtungen und Veranstaltungen anzuregen, zu fördern
und gegebenenfalls zu schaffen«
(§ 5 JWG)
. Das gilt nicht nur für Kindergärten und -horte, sondern auch für
Kinderkrippen
und
Krabbelstuben
wie für
Kindertagesstätten
, Einrichtungen, die mit Rücksicht auf die besondere Lage bestimmter
Familien deren Kindern ganztägig offenstehen. Gegen Kindergarten und
Kindertagesstätte ist der skeptische Einwand erhoben worden, sie vergrößerten
den Schaden, den zu beheben sie geschaffen wurden. Dieser Einwand trifft nicht
die Sache, da Kindergarten und -hort keine Erziehungslücken schließen, die durch
die Schuld der Eltern entstanden und durch ihre eigene Kraft zu schließen sind.
Auch die → Familie ohne Berufstätigkeit der Mutter und mit hohem erzieherischen
Einsatz kann dem Kinde in der Regel heute, zumal in den Großstädten, nicht den
freien und gesicherten Spielraum, die Altersgruppe, außerfamiliäre
Sozialerfahrungen, die vielfältigen Anschauungen und Spielmöglichkeiten zur
Verfügung stellen, deren wir in unserer Gesellschaft bedürfen. Indessen weist
der Einwand aber auf eine schon von Fröbel in seine Konzeption aufgenommene Funktion des Kindergartens
hin: die Zusammenarbeit mit den Eltern, ihre Beratung, Hilfe und Anregung in den
Fragen der Familienerziehung. Damit wird der Kindergarten nicht nur zu einer die
Fa|a1 a2 300|milienerziehung ergänzende, sondern auch zu einer diese stützende und fördernde Einrichtung.
[014:7] In die Reihe der vorschulischen und schulbegleitenden Einrichtungen der
Kinderpflege und -erziehung gehört auch der
Kinderspielplatz
. Er ist zunächst nur ein ausgesparter Raum innerhalb der Stadt und wird
erst funktionsfähig, wenn seine Anlage zu den entwicklungsbedingten Bedürfnissen
des Kindes paßt, nicht nur Spielmöglichkeiten, sondern Spielanregungen enthält.
Bei seiner Planung wirken städtebauliche, gartenarchitektonische,
psychologisch-medizinische, gemeinde- und familiensoziologische Gesichtspunkte
zu einem pädagogischen Zweck zusammen. Da sich herausgestellt hat, daß 10-15 v.
H. der Kinder im Schuleintrittsalter noch nicht schulreif zu nennen sind, wurden
Einrichtungen notwendig, die deren Nachreife befördern, das Übel der verzögerten
Einschulung im Bewußtsein der Kinder zum Verschwinden bringen und den Übergang
von Familie und Kindergarten zur Schule erleichtern – die Schulkindergärten. Sie liegen auf der Grenze zwischen Sozial- und
Schulpädagogik und unterstehen in der Regel nicht dem Jugendamt, sondern der
Schulverwaltung (erster deutscher Schulkindergarten 1907 in
Berlin-Charlottenburg, sog.
»Vorklassen«
; heute besonders
ausgebaut in Hamburg). Denn das ausgesprochene Ziel der Erziehung in
Schulkindergärten ist die Schulreife, bis zu der die teils
erziehungsschwierigen, teils körperlich, geistig und besonders auch sprachlich
schwach entwickelten Kinder gebracht werden sollen.
[014:8]
Außerschulische Jugendbildung. Im Bereich der
Sozialpädagogik weist die
außerschulische Jugendbildung
(
Jugendpflege
,
Jugendarbeit
) größte Vielfalt auf; sie befindet sich überdies seit ihren Anfängen im
zweiten Drittel des 19. Jhs. ständig im Stadium des Experimentes. Nahezu alle
Formen der außerschulischen Jugendbildung (→ Bildung), die in ihrer Geschichte
einmal aufgetaucht waren, existieren heute nebeneinander: Vereine, Bünde, Klubs,
Verbände, Heime verschiedener Art, volkshochschulähnliche Einrichtungen,
adhoc-Veranstaltungen, intensive Dauerbetreuung; politische und konfessionelle
Jugendarbeit, staatlich organisierte Jugendpflege. Eine Gliederung nach den
institutionellen Formen (Jugendgruppe, Jugendverband, Jugendheim,
Jugendbildungsstätte, Jugendsozialarbeit, Jugendschutz) kann deshalb auch nur
grob verallgemeinernd verfahren. Diese Vielfalt der außerschulischen
Jugendbildung ergibt sich aus der Sache: der freien jugendlichen Aktivität ist
hier der größte Spielraum gelassen. Jedes neu auftauchende Bedürfnis der
Jugendlichen kann daher auch sogleich eine neue Variante der erzieherischen
Formen im Gefolge haben (→ Altersstufen: Jugend).
|a1 a2 301|
[014:9] Die geschichtlich und der Sache nach ursprüngliche Form dieser
Erziehungsarbeit ist die
Jugendgruppe
. Dies gilt jedoch nur, wenn man dem Wort seine wesentlich durch die
Jugendbewegung bestimmte Bedeutung nimmt und mit ihm nur die, wie auch immer
geartete, gruppenhafte Gesellung gleichaltriger Jugendlicher meint. So gibt es
nebeneinander die Jugend-Gruppe des Vereins, von Erwachsenen initiiert und
gelenkt; die bündischen Jugendgruppen, klein und mit engem personalem
Binnenkontakt; die Gruppen der Jugendorganisationen, die sowohl bündischen wie
auch Vereinscharakter tragen oder alle denkbaren Zwischenformen aufweisen
können; befristete Freizeitgruppen der behördlichen Jugendpflege; klubartige
Gruppen in entsprechenden Institutionen; schließlich Gruppen, die sich
zutreffend nur von einem sachlichen, außerhalb der Gesellungsabsicht liegenden
Zweck (Information, musische Betätigung, Hilfsaufgaben, Konfession,
Weltanschauung, politische Konzeptionen usw.) beschreiben lassen. Wo und wie
auch immer außerschulische Jugendbildung stattfindet, spielt die Gruppe eine
konstitutive Rolle. Dabei ist es zweitrangig, ob die Erziehung innerhalb der
Gruppe von einem Erwachsenen gelenkt wird oder nicht. Die Theorie der Gruppe
(auch Gruppenpädagogik) ist daher das Kernstück der Theorie dieses
sozialpädagogischen Arbeitsfeldes.
[014:10] Eine nahezu ausschließlich auf formelle Gruppen bezogene Arbeit wird
von den
Jugendverbänden
geleistet. Eigentlich als Träger der Arbeit anzusprechen, bestimmt ihre
Praxis doch weitgehend die institutionelle Form, in der die moderne
Jugendbildung sich vollzieht. Es gibt z. Z. annähernd 100 dieser Verbände von
wenigstens einiger Bedeutung. 15 von ihnen, wobei einige als Ring-Verband den
Zusammenschluß mehrerer kleiner darstellen (Bund der katholischen Jugend, Ring deutscher Pfadfinderbünde usw.), sind im deutschen
Bundesjugendring vertreten. Ihre Mitgliederzahlen werden zwischen 1 Million
(Sportjugend) und 50 000 (einige bündische Gemeinschaften) schwankend angegeben.
Die meisten haben sich einem Zweck unterstellt und wollen eine deutlich auf
konfessionelle, weltanschauliche, politische oder sachliche Aufgaben gerichtete
Erziehung verwirklichen (so die Evangelische und die Katholische Jugend, die Sozialistische Jugend, die Gewerkschaftsjugend, die Sportjugend, die Deutsche
Jugend des Ostens, die Deutsche
Waldjugend, die Deutsche
Esperantojugend usw.). Es zeigt sich aber – da das Prinzip der Freiwilligkeit gilt –, daß die von den Verbandsideologien
unabhängigen Bedürfnisse der jungen Generation einen nicht zu übersehenden
Faktor darstellen. Infolgedessen tritt die zweckgebundene Aktivität der Verbände
in der alltäglichen Gruppenarbeit zurück hinter der
allgemein-jugendpflegerischen in Geselligkeit, Information, musischer Erziehung,
politischer und gesellschaft|a1 a2 302|licher Bildung und vor
allem Ferienbetreuung. Die Jugendverbände lassen damit mehr und mehr den
prinzipiellen Widerspruch gegen die behördliche Jugendpflege, der zur Zeit der
Jugendbewegung für sie konstitutiv war, fallen und gleichen sich als Träger der
außerschulischen Jugendbildung den anderen Maßnahmen in diesem Felde an.
[014:11] Die Ferienbetreuung, ursprünglich Domäne der Jugendgruppen und – in
mehr erzieherisch-pflegerischer Weise – der
Jugendherbergen
, ist neuerdings auch Gegenstand
jugend-touristischer Institutionen
(Jugendreisedienste usw.). Sind die Jugendherbergen in Stil und Form, wie
auch in ihrer Funktion, relativ festgelegt, so beginnt im Jugend-Tourismus die
pädagogische Problematik sich erst in Anfängen abzuzeichnen.
[014:12] War der Ort für die Zusammenkünfte der Jugendgruppen zunächst eine
Angelegenheit der privaten Initiative dieser Gruppen selbst, so hat solche
Initiative bei der Lage unserer Städte nur noch eine äußerst geringe Chance. Es
entstanden daher die verschiedenen Typen der
Jugendfreizeitheime
, zum Teile als Einrichtungen der Jugendbehörden, zum Teil der großen
Jugendverbände und der privaten (freien) Jugendwohlfahrt. Aus dem intimen
›Nest‹
der bündischen Gruppe wurde das
Jugendheim
(Haus der Jugend), das allen Gruppen für ihre Aktivitäten zur Verfügung
steht. Neben diesen, zum Teil aus ihnen selbst, wurde ein neuer, klubähnlicher
Heimtypus, das
Heim der offenen Tür
, seit etwa 1950 entwickelt, das allen, auch den nicht gruppengebundenen
Jugendlichen, ein Freizeit- und Bildungsangebot bereitstellt. Gerade die
Beweglichkeit der Möglichkeiten charakterisiert diesen für 14–21jährige
Jugendliche vorbehaltenen Typus. Er wird in der Regel von staatlich anerkannten
Jugendpflegern
geleitet, deren wesentliche Aufgabe nicht mehr in der direkten
pädagogischen Führung, sondern in der indirekten Lenkung besteht. Einrichtung
und Ausstattung des Heims, die Atmosphäre, der Stil des Umgangs, die Zahl und
Art der Kommunikationsmöglichkeiten, die Möglichkeit verantwortlicher
Mitbestimmung der Heimbesucher sind die pädagogisch ausschlaggebenden Faktoren.
Das alte jugendpflegerische Ziel, jeden Jugendlichen einer festen Gruppe
zuzuführen und ihn einem festgelegten Kanon
›sinnvoller
Freizeitgestaltung‹
zu verpflichten, ist hier zugunsten einer durchgehend
informellen Struktur des pädagogischen Feldes aufgegeben, die der Spontaneität
des Jugendlichen den größtmöglichen Raum läßt. Seit 1953, mit etwa 100 Heimen in
etwa 60 Gemeinden, hat sich die Zahl der Heime der offenen Tür vervielfacht.
[014:13] Das Wort
›Jugendbildung‹
ist in der Praxis –
entgegen dem hier in Ermangelung einer treffenderen Bezeichnung angewandten
Sprachgebrauch – den sog.
Jugendbildungsstätten
vor|a1 a2 303|behalten. Es sind dies Institutionen mit
deutlich erkennbaren Erziehungsabsichten, die in Lehrgängen oder Freizeiten von
Wochenend- bis zu vierwöchiger Dauer verwirklicht werden und sich sowohl an die
ganze Breite der jungen Generation wie auch an die pädagogischen Berufe wenden,
insbesondere aber an die große Schicht der nebenamtlich tätigen
Jugendgruppenleiter. Die z. Z. etwa 25 Einrichtungen dieser Art in der
Bundesrepublik Deutschland arbeiten mit inhaltlich unterschiedlichen
Schwerpunkten: Allgemeine Jugendgruppenleiterbildung, Landjugendbildung,
politische Bildung, musische Bildung, Arbeit mit Industriejugendlichen,
Gruppenpädagogik, Europäische Bildung. Sie sind nicht nur Stätten der
pädagogischen Lehre, der aktuellen Diskussion und der Begegnung der vielen
unterschiedlichen, an der außerschulischen Jugendbildung beteiligten Gruppen,
sondern auch Experimentierfelder für neue pädagogische Wege, Orte also, an denen
die Praxis der außerschulischen Jugendbildung ständig reflektiert wird.
[014:14] Einen besonderen Charakter hat die Jugendsozialarbeit, die in den ersten Jahren
nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist und bis heute auf der Grenze zwischen
Jugendbildung und Jugendfürsorge steht. Unter ihr werden Maßnahmen für die
soziale und berufliche Eingliederung solcher Jugendlicher zusammengefaßt, die
als Flüchtlinge, aus Gründen der Berufsunreife, der Arbeitsmarktlage oder der
sog. horizontalen Mobilität der Gesellschaft einer zusätzlichen Hilfe bedürfen.
Zu ihren Einrichtungen gehören die Jugendwohnheime und als berufsfördernde bzw.
sozialintegrative Maßnahmen (teils geschlossene Heime, teils offene
Einrichtungen) gemeinnützige Lehrwerkstätten, Grundausbildungslehrgänge,
Förderungslehrgänge, die Jugendgemeinschaftswerke und die Jugenddörfer. Bei
allen diesen Einrichtungen handelte es sich zunächst darum, die Berufsnot und
Heimatlosigkeit, unter der ein großer Teil der deutschen Jugend nach dem Zweiten
Weltkrieg litt, mit erzieherischen Mitteln zu bewältigen. Die Berufshilfe war
zwar der charakteristische Akzent dieser Maßnahmen; sie schlossen aber darüber
hinaus die gesamte Breite der neuen Erziehungsaufgaben ein. Insofern ist ihr
Sinn auch nicht an jene Jahre besonderer Not gebunden, sondern erweist sich –
angesichts der permanenten Schwierigkeit, die in der industriellen Gesellschaft
einem Teil der Jugend beim Hineinleben in die Arbeitswelt erwächst – als immer
noch aktuell. Dabei sind besonders die ländliche Jugendberufshilfe und die Hilfe
für die weibliche Jugend in ihrer Vorbereitung auf den Doppelberuf der Frau
hervorzuheben. Unter den vielen Einrichtungen zeichnen sich die
›Jugenddörfer‹
durch
eine besondere Betonung und Pflege der Formen der Mitverwaltung, die
Jugendgemeinschaftswerke dadurch aus, daß die Selbsthilfe (z. B.|a1 a2 304|Bau eigener Wohnhäuser) in ihnen eine hervorragende
Rolle spielt und sie in Konzeption und Tätigkeit – wie auch die von den
Jugendgemeinschaftsdiensten durchgeführten Ferien-Arbeitslager – eine gewisse
Ähnlichkeit mit dem Freiwilligen Arbeitsdienst aufweisen.
[014:15] Die der Sozialpädagogik im ganzen als Motiv zugrunde liegende Absicht,
den noch unreifen Menschen für die Dauer seines Heranwachsens vor den
Gefährdungen durch die moderne Gesellschaft zu bewahren, ist im
Jugendschutz
institutionell geworden. Die Diskrepanz zwischen den als erzieherisch
gesund geltenden und den faktischen öffentlichen Lebensbedingungen ist offenbar
so groß, daß es eines Gesetzes bedarf, um ein Minimum an Schutz zu garantieren
(Gesetz zum Schutz der Jugend in der
Öffentlichkeit von 1951 und 1957; Gesetz über die Verbreitung
jugendgefährdender Schriften von 1961) und die Orte und kulturellen
Produkte, durch die Kindern und Jugendlichen
»eine sittliche Gefahr oder Verwahrlosung droht«
(§ 1
JSchGÖ)
, für sie unzugänglich zu machen. Es ist ein
Erziehungsgesetz
, weil in ihm Strafmaßnahmen nur gegen Erwachsene vorgesehen sind, also die
Gesellschaft gezwungen werden soll, in detaillierter Weise dem Recht des Kindes
auf
»Erziehung zur leiblichen, seelischen und
gesellschaftlichen Tüchtigkeit«
(§ 1 Jugendwohlfahrtsgesetz)
zu entsprechen. Das Gesetz gibt damit aber nur die gleichsam negative
Bestimmung der Erziehungsaufgabe, die durch den sog.
›positiven Jugendschutz
‹
ergänzt werden soll, wenn anders ein sinnvoller Schutz nicht durch Bewahrung
allein, sondern durch Stärkung und Unterstützung geschieht; dies gilt besonders
deshalb, weil die gefährdenden Erscheinungen der modernen Gesellschaft nie ganz
dem kindlichen und jugendlichen Dasein fernzuhalten sein werden. Infolgedessen
geschieht Jugendschutz nicht nur als Durchführung des Gesetzes, sondern auch als
Beeinflussung und Aufklärung der erziehenden Generation (Eltern, Lehrmeister,
Ausbildungsleiter, Berufsschulen usw.), z. B. in den Jugendschutzwochen wie auch
in besonders gerichteten Veranstaltungen mit der Jugend selbst.
[014:16] In diesem Zusammenhang gewinnen die Kinder- und Jugendabteilungen der
Volksbüchereien
besondere Bedeutung, die Arbeit der Jugendfilmklubs, die Pflege der
Auseinandersetzung mit den Erscheinungen der modernen Vergnügungsindustrie und
den Massenkommunikationsmitteln in der Jugendgruppenarbeit und Heimen der
offenen Tür, schließlich auch die in einigen Städten (Mannheim, Hamburg, Berlin)
eingerichteten Jugendtanzcafés. Der Sprachgebrauch, alle diese Maßnahmen noch
als – wenn auch
»positiven«
– Jugendschutz zu bezeichnen, ist
aber ungenau und sollte unzulässig sein, da sie vom JSchGÖ unabhängig sind und allenfalls im allgemeinen Sinne des Schutz|a1 a2 305|charakters jeder Jugenderziehung als Jugendschutz
bezeichnet werden können. Es wäre daher für eine korrekte Beschreibung der
Sachverhalte besser, wenn das Wort Jugendschutz als Terminus auf die im
Zusammenhang mit dem Gesetz stehenden Maßnahmen beschränkt bliebe.
[014:17]
Geschlossene Heimerziehung. In den
Erziehungsheimen
haben sich die sozialpädagogischen Erziehungsabsichten und ‑aufgaben immer
in besonders nachdrücklicher Weise konzentriert. Längst vor dem Entstehen der
Sozialpädagogik nahm man an, daß in solchen geschlossenen
Erziehungsinstitutionen die größten Wirkungen stattfänden. Daß dies, auch in
Fällen von Schwererziehbarkeit und Verwahrlosung, nur bedingt richtig ist, haben
neuere Untersuchungen gezeigt. Es können aber durch die Konzentration auf den
Erziehungsvorgang, durch Ausschaltung der störenden und der Erziehungsabsicht
entgegenwirkenden Faktoren, durch gleichsinnige Einwirkungen von langer Dauer,
durch beständige Kombination dialogischer (Erzieher – Zögling) und kollektiver
(Gruppen, Heimgemeinde) Erziehungsformen bei zweckentsprechender Einrichtung des
Ganzen die Chancen einer erfolgreichen Wirkung beträchtlich erhöht werden. Wenn
auch für die gesunde und in normalen Verhältnissen aufwachsende Jugend
Heimaufenthalte wichtige Erfahrungen (Gruppenleben, Mitverantwortung, Bewährung
in besonderen Situationen, Modelle für die Lebensgestaltung usw.) vermitteln
können (in Wohnheimen, Internatsschulen, Kurzschulen, Ferienheimen,
Jugenddörfern usw.), so ist es der Sozialpädagogik doch vornehmlich um die
Heimerziehung von solchen Minderjährigen zu tun, die entweder als Waisenkinder
einer
öffentlichen Ergänzungserziehung
bedürfen
(§ 1838 BGB
,
Art. 6 GG
) , von solchen, deren
»leibliche, geistige oder seelische Entwicklung
gefährdet ist«
und denen deshalb die
freiwillige Erziehungshilfe
(FEH) gewährt wird
(§ 62 JWG)
, oder um diejenigen Fälle, in denen
Fürsorgeerziehung
(FE) angeordnet wird,
»weil der Minderjährige zu verwahrlosen droht oder
verwahrlost ist«
(§ 64 JWG)
. Die rechtliche Trennung der drei Gruppen bedingt jedoch nicht die
Unterbringung in drei spezifischen Heimtypen. Es ist im Gegenteil ein
pädagogisch vertretbares Prinzip, die Heimerziehung und ihre Ausgestaltung von
solcher juristischen Differenzierung unabhängig zu halten und nach
allgemeinpädagogischen Gesichtspunkten zu konzipieren.
[014:18] Die Mannigfaltigkeit der vorhandenen Heime macht es unmöglich, einen
sachlich zureichenden statistisch-differenzierten Überblick zu geben.
[014:19] Das Heim ist, gegenüber dem normalen Weg des Heranwachsens, immer eine
Notlösung, wenn es nicht, wie bei Internaten, Kurz|a1 a2 306|schulen u. ä. neben einer im Ganzen ungefährdeten Erziehungssituation auf
besondere, zusätzliche Bildungsmöglichkeiten abgestellt ist. Es ist eine
künstliche Konstruktion, die an die Stelle der Familie tritt und Aufgaben
wahrnehmen soll, die normalerweise von dieser bewältigt werden. Das Grundproblem
der Heimerziehung ist deshalb seine innere Sozialform.
Obwohl die Familiensituation im Heim nicht eigentlich zu kopieren ist und
deshalb, besonders in Rücksicht auf die grundlegende Bedeutung der → Familie für
die Persönlichkeitsentwicklung, die Heimerziehung das letzte Mittel sein sollte,
scheint doch im Normalfall das familienartig strukturierte Heim (alle
Altersstufen wenigstens bis zur Schulentlassung und beide Geschlechter in
kleinen Gruppen bis zu 12 Kindern) das günstigste Erziehungsmilieu zu sein.
Trotzdem sind gegenwärtig (geschätzt) noch über 90 v. H. von etwa 500 aller
Heime, in denen freiwillige Erziehungshilfe oder Fürsorgeerziehung durchgeführt
wird, nicht von dieser Art. Das hat institutionelle, ideologische, politische,
aber auch pädagogische Gründe. So werden Schwersterziehbare und stark
Verwahrloste nur in wenigen Fällen in familienähnlichen Gruppen zu behandeln
sein; für sie gibt es mit gutem Recht besondere Heime. Schwierigkeiten anderer
Art tauchen bei Jugendlichen auf; für sie scheint sich eine altersmäßige
Gruppierung wie auch eine Begrenzung der in familienähnlichen Gruppen üblichen
Koedukation zu empfehlen. Das bedeutet, daß es – wenigstens nach den gegenwärtig
verfügbaren Erfahrungen – neben den nach Familienprinzip strukturierten Heimen
immer auch solche Heime oder Heimabteilungen geben müssen wird, die einerseits
nur für bestimmte Altersgruppen, andererseits für bestimmte Grade von
Schwererziehbarkeit bzw. Verwahrlosung vorbehalten bleiben.
[014:20] Die Aufgabe der Heime ist in der Regel so komplex wie die gesamte
Erziehungsaufgabe. Sie sind deshalb die Stätten der stärksten Konzentration der
Erziehungsmittel und -probleme, gleichviel, ob es sich um ein Pflegenest mit
8–15 Kindern oder um ein mit besonderen Fehlentwicklungen befaßtes
heilpädagogisches Heim handelt. Eine Spezialisierung der Aufgaben findet
lediglich in den – noch wenig zahlreichen – Beobachtungsheimen statt, die
diagnostische Aufgaben erfüllen, um die endgültige Heimunterbringung auf eine
genaue Kenntnis des Zöglings gründen zu können. Die Dauer des Aufenthaltes
beträgt 3 Wochen bis 3 Monate. Der Natur dieser Heime entsprechend, beschränkt
sich ihre Aufgabe auf die Fälle der Freiwilligen Erziehungshilfe und
Fürsorgeerziehung.
[014:21] Eine noch so gute Einrichtung der Erziehungsheime kann jedoch die
Beunruhigung nicht aus der Welt schaffen, die durch die |a1 a2 307|Hospitalisationsschäden begründet wird. Die pädagogische Potenz der
Heime ist offensichtlich prinzipiell begrenzt, da nur der intime Dauerkontakt in
der familiären Situation dem Kinde das zu geben vermag, dessen es zu seiner
Menschwerdung bedarf.
[014:22]
Offene Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung von
Jugendverwahrlosung und Jugendkriminalität. Die Heimunterbringung ist
das äußerste vom Jugendwohlfahrtsgesetz vorgesehene Mittel, eine fehlgelaufene
Entwicklung oder mißglückte Erziehung zu korrigieren. Davor wie auch vor der
Vollstreckung der Jugendstrafe gibt es zunächst zwei gesetzlich festgelegte
Institutionen, die als lockere Formen des Eingreifens den Heranwachsenden im
normalen Lebensmilieu belassen und damit glauben, noch seiner Selbständigkeit
und Eigenkraft vertrauen zu dürfen. Die
Erziehungsbeistandschaft
(früher Schutzaufsicht) kann in Fällen drohender Verwahrlosung (
§§ 55ff.
JWG;
§§ 9 und
12
JGG) vom Jugendgericht oder Jugendamt bestellt werden. Der
Erziehungsbeistand, in der Regel ein Fürsorger bzw. eine Fürsorgerin, beraten den Jugendlichen und helfen ihm in der Form persönlicher Betreuung. Ein erzieherischer Einfluß der
Eltern wird in diesen Fällen noch vorauszusetzen sein, da die dem
Erziehungsbeistand zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen, um allein in
der erforderlichen Weise einwirken zu können (§ 58
JWG).
[014:23] Es ist verständlich, wenn die erzieherischen Möglichkeiten einer
solchen Institution im allgemeinen zurückhaltend beurteilt werden. Und dies
nicht nur wegen der institutionellen Begrenzung, sondern weil der Erfolg dieser
Maßnahme vom intensiven Kontakt zwischen Schützling und Beistand abhängt, d. h.
ganz von der pädagogischen Potenz des bestellten Erziehers einerseits und einer
hinreichenden Anzahl solcher Fachkräfte andererseits; dabei scheint letzteres
das entscheidende Problem zu sein. Um beiden Schwierigkeiten zu begegnen,
besonders aber auch die gruppenpädagogischen Möglichkeiten im Dienste dieser
Einrichtung zur Wirkung kommen zu lassen, hat man mancherorts sog. Schutzaufsichtsgruppen gebildet,
die in mehr oder minder starker Anlehnung an die Verfahrensweisen der
Jugendpflege arbeiten und die erfolgreichste Form der Erziehungsbeistandschaft
zu sein scheinen.
[014:24] Methodisch ähnliche Probleme stellt die
Bewährungshilfe
, obwohl sie als Rechtsinstitution ausschließlich im Jugendgerichtsgesetz
formuliert ist und eigentlich als kriminalpädagogische Maßnahme anzusprechen
ist. Infolgedessen ist es auch strittig, ob ihre Durchführung den Justiz- oder
den Jugendbehörden unterstehen soll (die Länder der Bundesrepublik Deutschland
verfahren darin unterschiedlich). Sie tritt ein bei der Aussetzung der
Vollstreckung der Jugendstrafe, bei der Aussetzung der Ver|a1 a2 308|hängung der Jugendstrafe und bei der Entlassung zur Bewährung (§§
20ff., 27ff. und 88 JGG). Es handelt sich also nicht, wie bei der
Erziehungsbeistandschaft, nur um Fälle drohender Verwahrlosung oder
Entwicklungsschädigung, sondern um eindeutige
Straffälligkeit. Die Aufgabe des
Bewährungshelfers ist entsprechend umfangreich und kompliziert. Da die Probanden
in der Regel nicht solche sind, die einer einmaligen Entgleisung zum Opfer
fielen, sondern solche, deren Lebensumstände nachhaltig gefährdend wirken, ist
es die Aufgabe des Bewährungshelfers, auch in diese Umstände mit einzugreifen.
Zwar ist auch in der Bewährungshilfe das Gespräch als der Kern der
Erziehungstätigkeit anzusehen; es wird aber erst wirksam, wenn Eltern,
Lehrherren, Arbeitsplatz sowie Freizeit in die Erziehungsbemühungen einbezogen
werden; oft wird ein Wechsel der Umwelt nötig sein (Unterbringung in einer
Familie, in einem Wohnheim). Die Bewährungszeit beträgt bei Aussetzung der
Vollstreckung mindestens zwei und höchstens drei Jahre, bei Aussetzung der
Verhängung der Jugendstrafe mindestens ein und höchstens zwei Jahre.
[014:25] Das schwierige Verhältnis von Strafrecht und Erziehung, wie es sich
besonders in der Jugendstrafrechtspflege darstellt, hat schließlich auch die
Jugendgerichtshilfe
hervorgebracht, eine fürsorgerische Institution, die der Rechtssprechung
in Jugendstrafsachen behilflich ist, um dem straffälligen Jugendlichen durch die
getroffene Maßnahme oder verhängte Strafe auch wirklich sein Recht auf Erziehung
zukommen zu lassen. Der Jugendgerichtshelfer setzt mit seiner Tätigkeit ein,
sobald ein Jugendlicher in ein Strafverfahren verwickelt wird. Seine
wesentlichen Funktionen sind frühzeitiger Kontakt mit dem Jugendlichen,
Information über seine Lebensumstände, Betreuung bis zur Hauptverhandlung,
besonders im Falle der Untersuchungshaft, Abfassung eines detaillierten
Berichts, das Zusammenwirken mit dem Richter, Mitwirkung im Strafvollzug und
Mithilfe bei der Wiedereingliederung, der Strafentlassenenfürsorge.
[014:26] Sind Erziehungsbeistandschaft, Bewährungshilfe und Jugendgerichtshilfe
sozialpädagogische Institutionen, die sich im Laufe der Zeit und in einem
Vorgang der Spezialisierung aus der allgemeinen Fürsorge herausdifferenziert
haben (für die Bewährungshilfe ist das nur bedingt richtig, da sie eine
entscheidende Wurzel in der Entwicklung der Strafrechtspflege hat), so gibt es
daneben unerläßliche fürsorgerische Tätigkeiten, die den umfassenden Charakter
der Fürsorge bewahrt haben. Überall dort, wo zwar kein spezialistisches
Eingreifen erforderlich ist, aber doch die Lebenssituation eines einzelnen,
einer Familie, einer Gruppe zusätzlicher Hilfe bedarf, um eine selbständige
Existenz führen zu können, bietet die
Fürsorge
, |a1 a2 309|besonders in der Form der
Familienfürsorge
, ihre Unterstützung an. Jede Fürsorge ist persönliche Hilfe, d. h. immer
auf die Person des Hilfsbedürftigen gerichtet. Sie enthält daher auch alle
Elemente eines persönlich-erzieherischen Verhältnisses.
»Der wesentliche Inhalt der fürsorgerischen Bemühungen
um den Hilfsbedürftigen ist die Erziehung«
(Scherpner)
, auch wo es sich scheinbar um reine Wirtschaftshilfe handelt, da der Sinn
der fürsorgerischen Tätigkeit in diesem Fall darin liegt, die Ursachen der
Unwirtschaftlichkeit des Hilfsbedürftigen aufzudecken und zu beheben. In diesem
Zusammenhang ist die fürsorgerische Methode der Einzelfallhilfe (case-work) entwickelt worden, die, unter Verwendung
tiefenpsychologischer Einsichten, den Intentionen der Fürsorgearbeit in
besonderer Weise entspricht.
[014:27]
Jugendstrafvollzug. Die äußerste pädagogische Maßnahme,
zu der sich die Gesellschaft entschließt, ist der Vollzug der Freiheitsstrafe an
jugendlichen Straffälligen, als
›
Jugendstrafe
‹
im Jugendgerichtsgesetz (JGG von
1953) geregelt.
Im Vergleich zu den anderen sozialpädagogischen Institutionen ist der
Jugendstrafvollzug
einer der jüngsten, obwohl das Problem einer gesonderten Behandlung von
Jugendlichen im Rahmen des Strafvollzuges schon um die Wende zum 19. Jh. ernst
genommen wurde. Erst als die juristische Diskussion der Probleme der
Freiheitsstrafe eine neue Wendung nahm und außerdem die entsprechenden
Einrichtungen in den USA vorbildlich wirkten, setzten institutionelle Reformen
grundsätzlicher Art ein und die Entwicklung zum erzieherischen
Jugendstrafvollzug (1868 Jugendgefängnis Niederschönfeld in Bayern, 1912
Jugendgefängnis Wittlich in Preußen, nach dem Ersten Weltkrieg die
Jugendgefängnisse Hahnöfersand bei Hamburg und Eisenach) begann.
[014:28] Die Jugendstrafe wird – nach den Erziehungsmaßregeln (Weisungen,
Erziehungsbeistandschaft, Fürsorgeerziehung) und Zuchtmitteln (Verwarnung,
Auferlegung besonderer Pflichten, Jugendarrest) – in der Regel dann angewendet,
wenn das Jugendgericht beim Delinquenten
feststellt und alle anderen Maßnahmen als unzureichend angesehen werden.
Auf diese Weise gelangt nur ein sehr geringer Teil der straffällig gewordenen
Jugendlichen in eine Jugendstrafanstalt; 1958 waren es 6,3 v. H. der
straffälligen Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren und 14,7 v. H. der
sog.
›Heranwachsenden‹
im Alter zwischen 18 und 21 Jahren.
Diese Daten zeigen, daß es der Jugendstrafvollzug vorwiegend mit der Gruppe der
Heranwachsenden
, genauer mit den 16- bis 21jährigen zu tun hat (am 1. 3. 1961 befanden
sich unter 6660 Insassen der Jugendstrafanstalten in der Bundesrepublik und
West-Berlin nur 64 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 16 Jahren).
|a1 a2 310|
[014:29] Das Grundproblem des Jugendstrafvollzuges ergibt sich aus der
Differenz zwischen seinem Charakter als echter Kriminalstrafe und dem
Erziehungsauftrag. Im letzteren wie auch in der inneren pädagogischen
Organisation dem Heim vergleichbar, teilt es, als Institution des
Kriminalrechts, alle wesentlichen Merkmale des Freiheitsentzuges unter Zwang mit der Gefängnisstrafe. Der Versuch,
diese beiden Prinzipien in Einklang zu bringen, hat zum sog. progressiven oder
Stufenstrafvollzug
geführt. Der Stufenstrafvollzug – gegenwärtig die Regel – ist die
Institutionalisierung der pädagogischen Absicht dadurch, daß der Strafgefangene
in der Zeit seiner Inhaftierung schrittweise von einem Maximum an Unfreiheit zu
einem Maximum an Freiheit geführt wird, um so den bis dahin mißglückten
Erziehungsprozeß in gedrängter Form noch einmal zu durchlaufen.
[014:30] Der Jugendstrafvollzug ist in besonderer Weise, schon wegen der
spezifischen Schwierigkeiten, die die Jugendlichen haben, auf Möglichkeiten zur
Individualisierung und Differenzierung angewiesen. Der sorgfältig durchgeführte
Aufnahme-Vorgang, eine gründliche Beobachtung und Diagnose sind hier in jedem
Falle unerläßlich. Nirgends kann daher neben den pädagogischen Fachkräften
(Erzieher, Lehrer, Werkmeister) auf den Psychologen verzichtet werden. Aus
demselben Grund hat das Gespräch eine entscheidende Bedeutung; Einsicht und
Bejahung der Strafsituation können als Bedingungen für eine sinnvolle
Gefängniserziehung gelten. Damit bekommt auch die Einzelzelle – zunächst eine
Funktion der Kriminalstrafe – einen pädagogischen Sinn; die erzieherische
Spannung zwischen Isolierung in der Zelle (Besinnung) und Bewährung in der
Gruppe durchzieht den gesamten Strafvollzug. Wenn daher einerseits Formen
individueller Hilfe in den Vordergrund treten, bilden die Möglichkeiten der
Gruppenpädagogik das notwendige Komplement.
[014:31] Alle Maßnahmen des Vollzuges sind auf die
Resozialisierung
des Jugendlichen gerichtet. Das bedeutet, daß der Berufsausbildung in
Grundausbildungslehrgängen, An- und Umlernmöglichkeiten bis zur regelrechten
Lehre mit Gesellen- oder Meisterprüfung große Aufmerksamkeit geschenkt werden
muß. Das bedeutet ferner, daß die Entlassung mit besonderer pädagogischer
Sorgfalt vorbereitet werden muß; der Übergang darf sich nicht unvermittelt
vollziehen. Solche Vermittlung geschieht in der Regel durch Ausgliederung der
Jugendlichen in der letzten Phase der Haftzeit aus der Strafanstalt,
Unterbringung in heimähnlichen Gebäuden, Gewährung größtmöglicher Freizügigkeit
und ausschließlicher Anwendung des Gruppenprinzips.
[014:32] Eine Differenzierung der Jugendstrafanstalten nach den Graden der
Erziehbarkeit findet kaum noch statt. Die übliche Differen|a1 a2 311|zierung, in der schon durchaus kriminologische Gesichtspunkte zur
Geltung kommen, richtet sich nach dem Strafmaß. Vor allem wird die Jugendstrafe
von unbestimmter Dauer (§ 19 JGG) in
gesonderten Anstalten und Abteilungen vollzogen. Der Vollzug an männlichen und
weiblichen Jugendlichen geschieht in getrennten Anstalten. In der Bundesrepublik
einschließlich Berlin gibt es gegenwärtig 19 Jugendstrafanstalten für männliche
Verurteilte; die weiblichen Jugendlichen werden fast ausschließlich noch in
Abteilungen der Frauengefängnisse untergebracht (unter den 6660 jugendlichen und
›heranwachsenden‹
Insassen der Strafanstalten am 1. 3.
1961 befanden sich nur 200 Mädchen, davon 199 über 16 Jahre alt).
[014:33]
Beratungsstellen. Die Einsicht in die Notwendigkeit
vorbeugender Maßnahmen und individualisierender Einzelhilfen hat besonders nach
dem Zweiten Weltkrieg dazu geführt, daß eine große Anzahl verschiedenartiger
Beratungsstellen
eingerichtet wurde, so daß heute schon von ihnen als einem besonderen
sozialpädagogischen Arbeitsfeld gesprochen werden kann. Als unentbehrlich haben
sich die
Erziehungsberatungsstellen
erwiesen. Da einerseits die moderne Gesellschaft dem Kinde neue und große
Belastungen zumutet und da andererseits die Elterngeneration nicht mehr die
naive Sicherheit des pädagogischen Zugriffs hat, bedarf es einer Einrichtung,
die imstande ist, fundierten pädagogisch-psychologischen Rat zu erteilen.
[014:34] Ist das
Beraten in Erziehungsfragen
, der Einmaligkeit jedes Falles wegen, schon unter Nachbarn, Bekannten und
Verwandten schwierig, so erst recht dort, wo es zum Prinzip einer Institution
gemacht wird und wo ein naives, von der Erziehungssitte geleitetes pädagogisches
Verhalten gerade zu Fehlentwicklungen geführt hat. Die Aufgabe der
Erziehungsberatungsstelle ist es, eine Diagnose zu stellen und dem Kinde wie den
Eltern bei der Behebung der Schwierigkeiten behilflich zu sein. Der
Mehrdimensionalität des Gegenstandes entsprechend bilden die
Erziehungsberatungsstellen je ein Team, in der Regel bestehend aus einer
psychologischen, einer sozialpädagogischen (fürsorgerischen) und einer
medizinischen (psychiatrischen) Fachkraft. Die Zahl der von den Jugendämtern
beanspruchten Erziehungsberatungsstellen beträgt gegenwärtig etwa 300. Den Anlaß
der Beratungsfälle bilden in der Regel Verhaltensstörungen (Bettnässen,
Einkoten, Schlafstörungen, Phobien; soziale, sittliche, sexuelle und sprachliche
Verhaltensstörungen; Leistungsschwächen), die noch nicht zu Schwererziehbarkeit
oder Verwahrlosung geführt haben, deren Diagnose und Behandlung aber unter
psychotherapeutische Gesichtspunkte gestellt werden müssen, damit nicht nur die
Symptome vorübergehend zum Verschwinden gebracht, sondern die Ursachen
aufgedeckt werden
|a1 a2 312|
[014:35] Dabei sind Diagnose und Behandlung nur selten
scharf zu trennen. Schon das erste Gespräch mit dem Kinde oder den ratsuchenden
Eltern ist ein pädagogischer Akt. Des weiteren zeigen auch die Mittel des
Spieles, der Spieltests, der Spieltherapie, der Gruppenbehandlung und
Gruppentherapie immer diesen Doppelaspekt.
[014:36] Erziehungsberatung ist schließlich nicht nur unmittelbare Hilfe für
das gestörte Kind oder den Jugendlichen, sondern auch Beratung und Hilfe für die
Eltern, unter Umständen Korrektur der gesamten Erziehungssituation, der
familiären wie der außerfamiliären, und Vorbereitung besserer Bedingungen für
das Heranwachsen im Einzelfall.
[014:37] Neben den institutionell und wissenschaftlich fundierten
Erziehungsberatungsstellen gibt es eine sich laufend vergrößernde Zahl von
Einrichtungen, die ebenfalls, wenn auch in lockererer Form, sozialpädagogisch
relevante beratende Funktionen ausüben, wie
Ehe- und Mütterberatungsstellen
und
Mütterschulen
oder auch die psychologisch-fürsorgerische Sozialberatung großer
Betriebe.
[014:38] Die älteste Tradition hat unter allen solchen Einrichtungen in
Deutschland aber die
Berufsberatung
. Sie ist notwendig geworden in einer Gesellschaft, in der das Berufsziel
des Nachwuchses nicht mehr traditionsbestimmt ist, sondern prinzipiell von der
eigenen Entscheidung abhängt, d. h. von Berufswahl im eigentlichen Sinne des
Wortes erst gesprochen werden kann. Diese Chance der prinzipiellen Wahlfreiheit
wird aber wiederum eingeengt durch die weitgehende Unanschaulichkeit des
modernen Berufslebens und die Unkenntnis, in der die Jugend über ihre
Möglichkeiten bleiben würde, gäbe es nicht Institutionen, die hier informieren
und beraten. Dabei besteht die Aufgabe der
Berufsberatung darin, sowohl Eignung, Neigungen und Interessen festzustellen wie
auch arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte ins Spiel zu bringen. Um partiellen
und nicht am Wohl der Jugend orientierten Interessen der Wirtschaft vorzubeugen
und so einen Mißbrauch der Berufsberatung zu verhindern, liegt sie kraft Gesetz
ausschließlich in der Hand der Arbeitsämter. Privaten Einrichtungen ist die
regelmäßige Berufsberatung untersagt (Kommentar
zum Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung von
1957).
[014:39]
Die Träger der sozialpädagogischen Einrichtungen. Die
Sozialpädagogik hat sich, institutionengeschichtlich gesehen, aus der privaten
und kommunalen Fürsorge entwickelt. Bis heute spielt die Initiative
freier Gruppen
und
Verbände
in ihr eine hervorragende Rolle, und zwar nicht nur aus diesem
geschichtlichen Grunde, sondern weil es der Sache selbst förderlich zu sein
scheint. Die Sozialpädagogik ist in besonderer Weise auf pädagogischen
Erfindungsreichtum, Experimentierfreudigkeit und Man|a1 a2 313|nigfaltigkeit angewiesen; sie muß sich nicht nur den immer neuen individuellen
Schicksalen anpassen, sondern auch den durch den gesellschaftlichen Wandel
bedingten andauernden Veränderungen im pädagogischen Feld. Die Initiative und
pädagogische Verantwortlichkeit möglichst vieler und vielfältiger
Bevölkerungsgruppen ist der Sozialpädagogik daher unentbehrlich. Das
Jugendwohlfahrtsgesetz bestimmt deshalb:
»Insoweit der Anspruch des Kindes auf Erziehung von der
Familie nicht erfüllt wird, tritt, unbeschadet der Mitarbeit
freiwilliger Tätigkeit, öffentliche Jugendhilfe ein«
(§ 1 JWG)
; die Organisation der öffentlichen Sozialpädagogik (Jugendhilfe) darf
also die schon bestehende Erziehungsarbeit der freien Verbände nicht
beeinträchtigen; im Gegenteil: die Förderung dieser Arbeit (§
5 JWG) ist ausdrückliche Pflicht des Jugendamtes.
Die bedeutendsten freien Trägerverbände sind die Arbeiterwohlfahrt, der Deutsche Caritas-Verband, die Innere Mission, der Deutsche
Paritätische Wohlfahrtsverband sowie neuerdings auch das Deutsche Rote Kreuz; ferner die in der
Bundesarbeitsgemeinschaft
Jugendaufbauwerk vertretenen Trägergruppen der Jugendsozialarbeit,
die großen Jugendverbände und die Kirchen. Sie vertreten, dem weltanschaulichen
Pluralismus entsprechend, die verschiedenen in der Gesellschaft wirksamen
›Grundrichtungen der → Erziehung‹
(§ 3 JWG)
. Indessen ist jedoch ein planvolles Zusammenarbeiten der Trägerverbände
miteinander wie vor allem mit dem Jugendamt geboten.
[014:40] Das
Jugendamt
, das im Auftrage der Gemeinden oder Landkreise selbst als Träger
sozialpädagogischer Einrichtungen in Erscheinung tritt, ist eine
»Selbstverwaltungsangelegenheit der Gemeinden und
Gemeindeverbände«
(§ 12 JWG)
. Dadurch ist es ganz an die Reallage der örtlichen pädagogischen
Situation gebunden und wird aus ihr heraus tätig; es ist damit aber auch in
seiner Leistungsfähigkeit von den Zufälligkeiten dieser Bedingungen abhängig,
besonders im Hinblick auf die pädagogische Aktivität, die es entfaltet. Der
Jugendwohlfahrtsausschuß
ist Bestandteil des Jugendamtes und seiner Verwaltung vorgeordnet und
daher kommunalpolitisch – nach der Vertretungskörperschaft – die entscheidende
Instanz für alle sozialpädagogischen Probleme. Ihm gehören Mitglieder der
Vertretungskörperschaft, Vertreter der freien Träger (Vereinigungen und
Jugendverbände, soweit sie in der Gemeinde beziehungsweise im Landkreis tätig
sind), der Leiter der Verwaltung, der Leiter der Verwaltung des Jugendamtes, ein
Arzt des Gesundheitsamtes, Vertreter der Kirchen, ein Vormundschaftsrichter oder
Jugendrichter an. Das Jugendamt ist damit als eine Stelle kommunalpolitischer
Kooperation aller an der sozialpädagogischen Praxis beteiligten Kräfte
konzipiert. |a1 a2 314|Wie schwierig es indessen ist, diese
Konzeption (sie ist Pflichtaufgabe der Gemeinden) gegen die oft widrigen
politischen und sozialen Bedingungen durchzusetzen, zeigt die Tatsache, daß
(1960) von den 688 Jugendämtern der Bundesrepublik etwa 55 v. H. ohne
funktionsfähigen Jugendwohlfahrtsausschuß arbeiten. Das Jugendamt als eine
Stätte der
›Erziehungsleitung‹
(Klumker)
oder Erziehungsplanung steht vor der schwierigen Aufgabe, das Verhältnis
von Verwaltung und Erziehung bestimmen und schon im personellen Bestand diesen
Widerspruch aufheben zu müssen. Außerdem müssen ihm genügend eigene
sozialpädagogische Einrichtungen, insbesondere Kindergärten, Heime der offenen
Tür, Erziehungsberatungsstellen, zur Verfügung stehen.
[014:41] Um die ungleiche finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinden
auszugleichen und an Stellen besonderen sozialpädagogischen Bedarfs eine
wirkungsvolle Erziehungshilfe zu ermöglichen, gibt es seit 1950 den
Bundesjugendplan
, der einen Förderungsfonds (1950: 17,5 Millionen DM, 1962: 83,3 Millionen
DM) darstellt. Die pädagogische Initiative der vorhandenen Träger setzt er
voraus, wendet sich in der Regel an die freien und gemeinnützigen Organisationen
und will die Selbsthilfe im Bereich der Sozialpädagogik fördern. Der Schwerpunkt
der Förderung liegt bei der außerschulischen Jugendbildung (zwei Drittel der
Förderung), hier vornehmlich bei der Unterstützung der Jugendorganisationen, der
Einrichtungen für politische Bildung und für Freizeiterziehung. Damit treten
durch den Bundesjugendplan die freien Träger der sozialpädagogischen Arbeit
nicht nur zu den Gemeinden, sondern auch zum Staat in ein partnerschaftliches
Verhältnis. Das geschieht im Rahmen des dem Bundesministerium für Familien- und Jugendfragen zur Seite stehenden
›Aktionsausschusses für Jugendfragen‹
. Die Schwierigkeit
besteht darin, dieses Verhältnis beweglich zu halten und die Stellen des echten
Bedarfs immer neu zu ermitteln.