Funktionalität und Disfunktionalität der Erziehung [Textkritische interaktive Ansicht mit a als Leittext]
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Erziehung und Emanzipation. Polemische Skizzen

Funktionalität und Disfunktionalität der Erziehung

»Autonome«
Pädagogik

[028:38] Das dominante Thema der deutschen Pädagogik, besonders in ihrer geisteswissenschaftlichen Version, war jahrzehntelang der Versuch, ihre Autonomie zu begründen und zu sichern. Dieser Versuch sollte zwei Funktionen erfüllen. Im Hinblick auf die pädagogische Praxis bedeutete das Autonomie-Postulat, daß die Erziehungsarbeit von den Weltanschauungen und gesellschaftspolitischen Interessen ferngehalten werde und daß die pädagogischen Institutionen, vom politischen und konfessionellen Streit unbeeinträchtigt, den reinen Sacherfordernissen der pädagogischen Aufgabe nachgehen könnten. Die Idee des
»Erziehungsstaates«
und der
»pädagogischen Provinz«
sind dem Autonomie-Postulat adäquat. Andererseits aber sollte der Versuch auch eine theoretische Funktion haben. Er sollte der Pädagogik eine wissenschaftliche Basis sichern, um sie damit über den Status einer Kunstlehre zu erheben und sie zugleich aus der Abhängigkeit anderer wissenschaftlicher Systeme zu befreien. Nachdem Dilthey in seiner Abhandlung
»Über die Möglichkeit einer allgemeingültigen pädagogischen Wissenschaft«
das Thema angeschlagen hatte, wurde es von Frischeisen-Köhler und Litt, von Spranger und Nohl, von Weni|a 136|ger und W. Flitner in immer neuen Versionen aufgenommen und variiert. Nohl hat diese Intentionen und ihr Ergebnis 1933 zusammengefaßt:
[028:39]
»Stand die Pädagogik bis dahin im Dienst objektiver Aufgaben, wo das Individuum nur der an sich unwesentliche Träger solcher objektiven Ziele war, wie Staat, Kirche, Wissenschaft, Stand und |A B 23|Beruf, so nahm sie jetzt zum ersten Mal mit vollem Bewußtsein der Tragweite einen radikalen Wechsel des Blickpunktes vor und stellte sich in das Individuum und sein subjektives Leben. War bis dahin das Kind das willenlose Geschöpf, das sich der ältern Generation und ihren Zwecken anzupassen hatte und dem die objektiven Formen eingeprägt wurden, so wird es jetzt in seinem eigenen spontanen produktiven Leben gesehen, hat seinen Zweck in ihm selber, und der Pädagoge muß seine Aufgabe, ehe er sie im Namen der objektiven Ziele nimmt, im Namen des Kindes verstehen. In dieser eigentümlichen Umdrehung ... liegt das Geheimnis des pädagogischen Verhaltens und sein eigenstes Ethos.«
1
|AB 170||a 170|1H. Nohl, Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie, Frankfurt a. M. ³1949, S. 126 f.
[028:40] Es soll hier nicht geprüft werden, ob solche Formulierungen den Kriterien der Wissenschaftslogik zu genügen vermögen und damit in der Tat das zu leisten imstande sind, was sie intendieren: die Begründung der Autonomie der Pädagogik als Wissenschaft. Hier interessieren die Folgen solcher Position.
[028:41] In dieser Subjektivität des zu erziehenden Subjekts – das sich mit Hilfe des Erziehers und der zu sogenannten Bildungsgütern geschrumpften und instrumentalisierten Inhalte der gesellschaftlich-geschichtlichen Gegenwart nach den Prinzipien seines eigenen Telos bildet – glaubte die geisteswissenschaftliche Pädagogik denjenigen Punkt gefunden zu haben, von dem her Autonomie theoretisch und praktisch möglich sein soll: theoretisch als Emanzipation von meta|a 137|physischen und geschichtlich relativierbaren Systemen, praktisch als Emanzipation von den geschichtlich-konkreten Herrschaftsansprüchen politischer Gegenwart. Durch Interpretationen der historischen Dokumente pädagogischen Denkens wurde diese Vorstellung angereichert und in einem Zirkelschluß scheinbar legitimiert: Die Interpretationen waren darauf aus, in den pädagogischen Schriften von Comenius bis zu Gaudig jenes Wesen des erzieherischen Verhaltens auszumachen – als einen Grundgedanken, der schon immer vorhanden gewesen sei, sich aber erst in der geisteswissenschaftlichen Pädagogik zum Begriff entwickelt habe. Geschichte wurde denaturiert zum Steinbruch theoretischer Rechtfertigungen.
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[028:42] Der vom Problem der wissenschaftlichen Dignität dieses Verfahrens unabhängige Gedanke, der dieses Bemühen leitete, war praktisch: Die Erziehung sollte dem funktionalen Zusammenhang gesellschaftlicher Bedingungen nicht länger kritiklos ausgeliefert, der Erzieher nicht länger Erfüllungsgehilfe partikularer gesellschaftlicher Interessen, die junge Generation nicht länger Rekrutierungsreservoir im Dienste gerade herrschender Gruppen und Klassen sein. Dilthey, der sonst von dieser pädagogischen Theorie auf weiten Strecken in Anspruch genommen wurde, sollte mit seinem Satz, die Erziehung sei eine Funktion der Gesellschaft, nicht mehr recht haben. Und in der Tat: Dieser Satz ist problematisch, sofern die darin angesprochene Funktionalität der Erziehung nicht genauer expliziert ist.
[028:43] Indessen: Es war keine genaue Interpretation, zu sagen, die praktische Absicht jenes Gedankens habe sich kritisch gegen gesellschaftliche Bedingungen, Interessen und Herrschaftsansprüche gerichtet. Eine solche Kritik, deren begründende Voraussetzung ja eine detaillierte Analyse der gesellschaftlichen Implikation des Erziehungssystems hätte sein müssen, lag nicht im wissenschaftlichen Interesse Litts, Nohls, Sprangers, Flitners und Wenigers. Mehr noch: Die Tatsache, daß Erziehungsprozesse bis hin zu dem im Begriff des
»Pädagogischen Bezuges«
von Nohl theoretisch verge|a 138|genwärtigten Grundverhältnis gesellschaftlich vermittelt sind, wurde überhaupt nicht zum Gegenstand der Reflexion. Vielmehr wurde Erziehung in einem vorgesellschaftlichen, herrschaftsfreien, unpolitischen Raum angesiedelt, in dem das Kind zu
»seinem Wohle«
kommen könnte, wenn nur der Erzieher sich entschlösse, das
»Wesen des erzieherischen Verhaltens«
(Nohl) zu realisieren: eine idealistische Konzeption des guten Willens und der reinen pädagogischen Gesinnung. Bei aller konkreten Stellungnahme zu Fragen der Erziehungspraxis und Bildungspolitik, hat sich diese pädagogische Theorie doch mit der empirischen Realität nur soweit eingelassen, wie sie dem dekretierten
»Wesen des erzieherischen Verhaltens«
entsprechen konnte. An ihm wurde die Praxis gemessen, es war der Punkt, von |A B 25|dem her kritisches Urteil möglich schien. Mindestens aber waren pädagogische Werturteile möglich, die zudem den Anspruch auf wissenschaftliche Legitimität erhoben.
[028:44] Wie jede pädagogische Theorie wenigstens mit Minimal-Vorstellungen über den Zusammenhang sozialer Phänomene operieren muß, so auch diese: Die Entfaltung eines Zusammenhangs pädagogischer Sätze ist zugleich die Entfaltung eines Gesellschaftsbildes. Die Kriterien pädagogischer Wertung sind damit zugleich solche, die einem bestimmten Verständnis von Gesellschaft zugehören. Und da ergibt sich nun ein eigentümliches Bild. Aus dem dialogischen Mikrokosmos von Erzieher und Zögling, der
»Erziehungsgemeinschaft«
, entfaltet sich das Ganze der Erziehungswirklichkeit als ein Zusammenhang, der dem organologischen Modell prästabilisierter Sozialharmonie ähnlicher ist als der sozialen Realität industrieller Gesellschaften. So heißt es bei Wilhelm Flitner:
»Das Erzieherische läßt sich bestimmen als der Inbegriff des Geschehens und Tuns, das aus dem Regenerationsstreben der geschichtlichen Gebilde und dem geistigen Eingliederungsstreben des natürlich aufwachsenden Individuums hervorgeht«
2
|AB 170||a 149|2W. Flitner, Allgemeine Pädagogik Stuttgart ²1950, S. 35.
. Es ist die Rede
»von der Sicherheit, mit der jede gesellschaftliche Form und der Geist jeder Gemein|a 139|schaft auf den Nachwuchs weitergeleitet wird«
3
|AB 170||a 149|3Ebd., S. 36.
; es ist weiter die Rede davon, daß dieses pädagogische Problem nicht nur die junge Generation betreffe; ebenso nämlich könne man
»eine neue soziale Schicht, wie die Industriearbeiterschaft als eine Art neu entstandene soziale Gruppe inmitten einer altertümlichen Kultur ansehen, da das, die beiderseitige Angliederung, auch pädagogisch bedacht sein will«
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|AB 171||a 149|4
Ebd., S. 37.
. Es entspricht diesem idyllischen Anblick der Erziehungs- und Sozialgeschichte, wenn es an anderer Stelle heißt: Der gesittete, also erzogene Mensch
»versteht die Arbeitswelt als etwas Sinnvolles, das ihm von hohem Wert ist. Er dient mit seinem Werk, er gestaltet etwas Bedeutsames, Nützliches oder Schönes, er objektiviert seinen tätigen Geist und teilt sich durch sein Werk anderen mit«
5
|AB 171||a 149|5Ebd., S. 42.
. Solche Formulierung, da sie das Maß gelungener Erziehung andeuten will, schließt mindestens die |A B 26|Industriearbeiterschaft aus dem Horizont pädagogischer Theorie aus. Aber nicht das ist hier entscheidend, sondern die korrespondierende Tatsache, daß in der Pädagogik eine Vorstellung manifest wird, in der die Erziehungsphänomene und ihre gesellschaftlichen Bedingungen nach dem Vorbild konfliktfreier intimer Sozialkontakte konstruiert werden. (Es entspricht diesem nicht nur falschen, sondern auch ideologischen Konzept, daß – im Unterschied zu anderen Sozialwissenschaften und den erziehungswissenschaftlichen Arbeiten der angelsächsischen Länder – Marx und Freud mit wenigen Ausnahmen nie nennenswert im Zusammenhang der pädagogischen Theorie rezipiert wurden, vor allem aber, daß diese Pädagogik sich strikt geweigert hat, die wissenschaftliche Empirie als notwendige Prüfinstanz ihrer Sätze in sich aufzunehmen.)
[028:45] Auf der Suche nach den Ursachen dieser Entwicklung trifft man auf ein Kernproblem pädagogischer bzw. erziehungswissenschaftlicher Theoriebildung. Den pädagogischen Autonomie-Tendenzen liegt ein Thema zugrunde, das in seiner neuzeitlichen Fassung seit Rousseau kaum einer pädagogischen Theorie völlig fremd gewesen ist: die Annahme, daß Erziehungs- bzw. Bildungsvorgänge nicht |a 140|zureichend zu beschreiben sind, wenn man sie lediglich als einen Typus von Überlieferungen versteht, so als erschöpfe sich das pädagogische Problem in der Frage, auf welche Weise sich eine gegebene Gesellschaft in ihrem Nachwuchs wirkungsvoll reproduziere. Rousseau stellte die Frage so: Was muß pädagogisch geschehen, damit die gegebene Gesellschaft nicht so bleibt wie sie ist, oder daß doch wenigstens die Veränderung der Gesellschaft durch die stattfindende Erziehung nicht erschwert oder verhindert wird? Schleiermacher, etwas zurückhaltender, formulierte es ähnlich: Wie ist der Erziehungsprozeß einzurichten, damit die junge Generation
»tüchtig werde einzutreten in das, was sie vorfindet, aber auch tüchtig in die sich darbietenden Verbesserungen mit Kraft einzugehen«
6
|AB 171||a 149|6F. D. Schleiermacher , Pädagogische Schriften, hrsg. von E. Weniger, Bd. 1, Düsseldorf/München 1957, S. 31.
? Und Condorcet legte 1792 der französischen Nationalversammlung einen Entwurf zur Neuorganisation des Unterrichtswesens vor, der so beginnt:
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[028:46]
»Meine Herren, allen Angehörigen des Menschengeschlechts die Mittel zugänglich zu machen, daß sie für ihre Bedürfnisse sorgen, ihr Wohlergehen sichern, ihre Rechte erkennen und ausüben, ihre Pflichten begreifen und erfüllen können; jedem die Möglichkeit zu sichern, seine berufliche Geschicklichkeit zu vervollkommnen, sich für gesellschaftliche Funktionen vorzubereiten, zu denen berufen zu werden er berechtigt ist, den ganzen Umfang seiner Talente, die er von der Natur empfangen hat, zu entfalten und dadurch unter den Bürgern eine tatsächliche Gleichheit herzustellen und die politische Gleichheit, die das Gesetz als berechtigt anerkannt hat, zu einer wirklichen zu machen: das muß das erste Ziel eines nationalen Unterrichtswesens sein; und unter diesem Gesichtspunkt ist es für die öffentliche Gewalt ein Gebot der Gerechtigkeit.«
7
|AB 171||a 150|7M. J. A.Condorcet, Bericht und Entwurf einer Verordnung über die allgemeine Organisation des öffentlichen Schulwesens, Weinheim 1966, S. 20.
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[028:49] Damit gewinnt der Erziehungsbegriff die emanzipatorische Dimension hinzu. Die praktischen Erziehungsprobleme sind demnach nicht mehr auf dem Niveau gegebener sozialer Bedingungen allein zu formulieren, sondern unter dem Anspruch fortschreitender Demokratisierung immer auch gegen dieses Niveau. Mit anderen Worten: Ein derart emanzipatorischer Begriff von Erziehung ist nicht mehr funktional, sondern im Sinne des gegebenen sozialen Systems disfunktional. Er markiert einen gesellschaftlichen Konflikt.
[028:50] Es ist kein Zufall, daß der Begriff des Konfliktes in pädagogischen Theorien bis heute keine nennenswerte Rolle spielt. Dazu wäre nötig gewesen, den gesellschaftlichen Charakter von Erziehung grundlegend in die Reflexion mit aufzunehmen. Die autonome geisteswissenschaftliche Pädagogik wählte zwar den emanzipatorischen Ausgangspunkt als Motiv, zog aber eine andere Konsequenz. Sie verharmloste und entpolitisierte das Konflikt-Problem durch jene Konstruktion einer pädagogischen Gegenwelt, die sich zwar kritisch gegen das Gegebene richtete, aber – der Preis der schlechten Utopie – gesellschaftlich nichts ausrichten konnte. Diese Gegenwelt war von Konflikten gereinigt, sie hatte – wie ich mit den wenigen Zitaten andeuten wollte – nichts mehr von den tatsächlichen Gegensätzen der Erziehungswirklichkeit, sie war, der Empirie entrückt, die Kon|A B 28|struktion eines neuen funktionalen Systems, ja – und das ist die ironische Pointe – sie war oder ist noch die pädagogische Umformulierung des mittelständischen Kulturbegriffs.8
|AB 171|8Vgl. dazu H. Marcuse, Über den affirmativen Charakter der Kultur, in: H. Marcuse, Kultur und Gesellschaft, Bd. 1, Frankfurt/Main 1965, S. 56 ff. Diese ideologische Figur setzt sich bis in die Gesellschaftsvorstellungen der Gegenwart bei Schülern, Studenten und Lehrern hinein fort in der vortheoretischen Meinung, daß Konflikte nicht das notwendige Medium der Politik seien, daß sie den gesellschaftlichen Verhältnissen wie z. B. der Arbeits- und Erziehungswelt nicht strukturell zugehörten, sondern als
»egoistische«
Abweichungen vom Wahren zu gelten hätten (dazu u. a. J. Habermas / L. v. Friedeburg / Chr. Oehler / Weltz, Student und Politik, Neuwied 1961; Zur Wirksamkeit politischer Bildung, Tl. 1: Eine soziologische Analyse der Sozialkundeunterrichts an Volks-, Mittel- und Berufsschulen, hrsg. vom Institut für Sozialforschung an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt a. M. 1966; V. Nitzschke, Zur Wirksamkeit politischer Bildung, Tl. 2: Schulbuch-Analyse, Frankfurt a. M. 1966; L. v. Friedeburg / P. Hübner, Das Geschichtsbild der Jugend, München 1964). Die These, daß Pädagogik und Schule – offenbar nicht nur in Deutschland – von jenem mittelständischen Kulturbegriff geprägt seien, hat neuerdings sogar im absurdem Theater, in J. Saunders’ Stück Der Schulmeister, prägnante Darstellung gefunden.

Werte und Konflikte

[028:51] Die Frage nach der Funktionalität oder Disfunktionalität der Erziehung ist indessen weit über diesen Zusammenhang geisteswissenschaftlich-pädagogischer Theorie-Bildung hin|a 142|aus interessant. Sie ist eine Frage nach den begrifflichen Standards sozialwissenschaftlicher Theorien, die bis in die Prozesse der empirischen Forschung hinein bedeutungsvoll sind. Das zeigt sich in der Diskussion, die durch die strukturell-funktionale Soziologie, insbesondere durch deren bedeutendsten Vertreter, Talcott Parsons, ausgelöst wurde. Zum Verständnis mag hier der Hinweis genügen, daß der Ausdruck
»Struktur«
im Rahmen dieser Theorie den statischen, der Ausdruck
»Funktion«
den prozessualen Aspekt sozialer Phänomene meint. In diesem Sinne bezeichnet Parsons alle Prozesse als
»funktional«
, die der Stabilität des sozialen Systems dienen.
»Ein Prozeß oder Komplex von Bedingungen
trägt bei
zur Erhaltung (oder Entwicklung) des Systems oder ist
disfunktional
, indem er der Integration oder Effektivität des Systems entgegenwirkt.«
9
|AB 171||a 150|9T. Parsons,
»The Present Position and Prospects of Systematic Theory in Sociology«
, in: G. Gurvitsch / W. E. Moore (Hrsg.), Twentieth Century Sociology, New York 1945, S. 48.
Das Problem, das Parsons lösen möchte, ließe sich in der Frage formulieren: Wie ist es möglich, daß im sozialen Dasein überhaupt Stabilität ist; das heißt, an welchen Daten entscheidet sich, ob ein gegebenes Phänomen als funktional zu bestimmen ist? Parsons antwortet, daß der Garant der Stabilität in einem gemeinsamen Wertsystem zu suchen sei.
»Treffe ich in der Analyse auf disfunktionale Phänomene oder Prozesse, dann erscheinen sie als Störfaktoren, als etwas, das das analysierte soziale Gebilde eigentlich auszuscheiden habe.«
10
|AB 171||a 150|10Vgl. R. Dahrendorf, Gesellschaft und Freiheit. Zur soziologischen Analyse der Gegenwart, München 1961, S. 49 ff.
[028:52] Der Pädagogik sind solche Vorstellungen nicht fremd. Auch bei ihr handelt es sich in der Regel um eine Verfahrens|A B 29|weise, die zunächst einen sozial-normativen Bezugsrahmen voraussetzt, um dann, in einem zweiten Schritt, die funktionalen Elemente und Prozesse hervorzuheben. In dem zitierten geisteswissenschaftlichen Typus pädagogischer Forschung wird gar der Versuch unternommen, einen solchen Bezugsrahmen eigenständig im Sinne eines autonomen und in sich harmonischen gesellschaftlichen Teilsystems zu konstruieren. In anderen Fällen spielen die abendländische Erziehungstradition, die Erziehungsgemein|a 143|schaft, die Gruppe, die Schule eine solche Rolle. Immer handelt es sich dabei um Modell-Vorstellungen, denen zweierlei gemeinsam ist: die Meinung, daß Gesellschaften durch Übereinstimmung der Werte zusammengehalten werden, und die Meinung, daß Konflikte als disfunktional, als Störungen des Gleichgewichts zu betrachten seien. Die Analyse von Konflikten bekommt damit die Funktion eines wissenschaftlichen Hinweises auf Sachverhalte, die es abzuschaffen oder einzudämmmen gilt. Solche Charakterisierung trifft nicht nur das geisteswissenschaftlich-hermeneutische, sondern es kann ebenso das neuerdings immer mehr an Bedeutung gewinnende empirisch-analytische Verfahren treffen. Forschungspraktisch folgt daraus, daß die nach Maßgabe des Bezugsrahmens als funktional erscheinenden Gegenstände vornehmlich zum Gegenstand der Forschung werden. Disfunktionale Phänomene werden nicht ausdrücklich oder nur unter dem Gesichtspunkt ihres Störcharakters thematisiert. Indessen hat es den Anschein, als könne die Pädagogik, wenn sie sich als Erfahrungswissenschaft und nicht als normative Disziplin versteht, gar nicht anders als den geschilderten Gesichtspunkt wählen. Es scheint, als seien – der Absicht der autonomen Pädagogik entgegen – alle Erziehungsprozesse bezogen auf den im gegebenen sozialen System definierten Status des Erwachsenen. Die Leistungsfähigkeit der Schule wird gemessen an ihrer Fähigkeit, den gesellschaftlich notwendigen Nachwuchsbedarf zu produzieren, die Bildungsanstrengungen des Gymnasiums daran, wieweit die Abiturienten für ein wissenschaftliches Studium vorbereitet werden, die einzelnen Schüler daran, wieweit sie den der |A B 30|Schule immanenten Ansprüchen genügen. Die funktionale Verschränkung geht bis in die Begriffe: Leistung, Reife, Verantwortlichkeit ebenso wie Gemeinschaft, Gruppe, Schulklasse, Beruf sind Markierungen, die auf die funktionale Verknüpfung des Erziehungssystems mit dem übergeordneten System hinweisen. Eine Erziehungswissenschaft, die sich in dieser Weise orientiert und ihr For|a 144|schungsinteresse entsprechend zur Geltung bringt, dient ohne Zweifel dem gegebenen sozialen Funktionszusammenhang.
[028:53] Das pädagogische Denken aber hat genau diesen Sachverhalt seit Rousseau mit Recht als unbefriedigend empfunden, ohne jedoch das Problem als ein wissenschaftliches befriedigend zu lösen. Dabei hätte die Bestimmung der pädagogischen Autonomie, wäre der
disfunktionale
Charakter dieser Bestimmung nur hinreichend reflektiert worden, durchaus einen Ansatz zur Lösung abgeben können. Denn der bei Rousseau, Condorcet und Schleiermacher formulierte und von der deutschen Pädagogik nach dem Ersten Weltkrieg wiederaufgenommene Grundtatbestand ist der gleiche, der auch von den modernen sozialwissenschaftlichen Kritikern gegen die strukturell-funktionale Theorie ins Feld geführt wird: Prozesse des gesellschaftlichen Wandels in einem sich demokratisch interpretierenden Gemeinwesen.
[028:54] C. Wright Mills hat vor allem in ideologiekritischer Absicht die Annahme zurückgewiesen, daß soziale Systeme von gemeinsamen Wertorientierungen zusammengehalten werden und infolgedessen auch pädagogische Prozesse nach ihrem funktionalen Verhältnis zu solchen Werten zu beurteilen seien.
»Die
Werte
einer Gesellschaft sind, so wichtig sie auch in der privaten Sphäre des Individuums sein mögen, historisch und soziologisch irrelevant, sofern sie nicht die Institutionen rechtfertigen und die Menschen zum institutionellen Handeln veranlassen.«
11
|AB 171||a 150|11C. W. Mills, The Sociological Imagination, New York 1959,
dt.: Kritik der soziologischen Denkweise, Neuwied 1963, S. 79 f.
Vgl. dazu auch Fr. Fürstenberg,
»
Sozialstruktur
als Schlüsselbegriff der Gesellschaftsanalyse«
, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie18 (1966) S. 439 ff.
Wertorientiertes Verhalten ist ohne Zweifel häufig, ebenso wie wertorientierte Motivierung im Erziehungszusammenhang. Das rechtfertigt jedoch nicht, diesen Sachverhalt zur Basis der Theorie zu machen. Ähnlich lautet der Einwand Dahren|A B 31|dorfs:
»Daß Gesellschaften durch eine Art Übereinstimmung der Werte zusammengehalten werden, scheint mir entweder eine Definition von Gesellschaften oder eine Aussage, der empirische Zeugnisse klar widersprechen.«
12
|AB 171||a 150|12
ABbDahrendorf (s. Anm. 10) S. 93
; ferner W. J. Goode,
»Mobilität und Revolution«
, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie18 (1966) S. 227 ff.
Also nicht, daß es Erzie|a 145|hungssysteme gebe, die mit Hilfe des funktionalen Modells befriedigend beschrieben und analysiert werden können, wird bestritten, sondern daß das Modell zur Analyse des gegenwärtigen Erziehungssystems taugt. Ebensowenig wird bestritten, daß Forschungen unter funktionalem Gesichtspunkt sinnvolle Ergebnisse zeitigen und dem Erkenntnisfortschritt dienen; behauptet wird nur, daß die Erziehungswissenschaft, wenn sie sich ausschließlich dieses Aspektes bedient, notwendig ideologisch wird. Um die Probleme der Erziehungswissenschaft zu lösen, um die praktischen Fragen, die im Zusammenhang unseres Erziehungswesens entstehen, angemessen zu formulieren, ist es nötig,
»ein Modell der Gesellschaft vorauszusetzen, in dem Konflikt ... als Regel postuliert und die Position der Einzelphänomene nicht nur im Bezug auf das System, sondern auch in dem auf den umfassenden Prozeß der geschichtlichen Entwicklung bestimmt wird. Gemäß diesem Modell sind nicht Konflikt und Wandel, sondern Stabilität und Ordnung der pathologische Sonderfall des Lebens.«
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|AB 172||a 150|13R. Dahrendorf (s. Anm. 10) S. 81.
Es verbietet sich deshalb ein erziehungstheoretischer Ansatz, in dem die von Konflikten durchsetzte gesellschaftliche Realität zu pädagogischen Zwecken auf Stabilität und Ordnung hin stilisiert wird. Auch in den pädagogischen Gebilden reproduzieren sich die sozialen Konflikte. Eine realistische Erziehungswissenschaft wird sie in den Horizont ihrer Interessen mit aufnehmen müssen. Sie wird es gerade deshalb tun müssen, weil die pädagogischen Institutionen, die Familie, die Schulen, Heime, Gruppen, Betriebe dazu neigen – unter häufiger Berufung auf pädagogische Verantwortung –, Konflikte als disfunktional, als unpädagogisch auszuscheiden, zu unterdrücken oder nicht zur Kenntnis zu nehmen. In einer Gesellschaft, die sich nicht nur durch Konfliktreichtum auszeichnet, sondern vor allem dadurch, daß sie die Konflikte rational zu regeln sucht, kann deshalb |A B 32|die Erziehungswissenschaft nicht darauf verzichten, den Konfliktcharakter der pädagogischen Felder und Institutionen zu analysieren.
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Disfunktionale Momente der Erziehungswirklichkeit

[028:55] Die empirische Erforschung der Erziehungswirklichkeit hat schon seit längerer Zeit auf solche Phänomene aufmerksam machen können. Immer ausdrücklicher wendet man sich den Disfunktionen innerhalb des Erziehungswesens zu, weil es sich hier in der Tat um ein Grundproblem der Erziehungs- und Bildungsprozesse zu handeln scheint. Im Vordergrund steht dabei vorerst die Frage, ob und in welcher Weise unsere Erziehungspraktiken und die Organisation des Bildungswesens geeignet sind, den bestehenden Schichtenaufbau unserer Gesellschaft zu stabilisieren und seine Veränderung zu verhindern, jedenfalls soweit er sich in den Bildungsprozessen reproduziert – also die Frage Condorcets, welche Konsequenzen sich aus dem Demokratisierungspostulat für die Pädagogik ergeben.
[028:56] Bis vor wenigen Jahren noch ist man in der deutschen Pädagogik der Meinung gewesen, daß eine Bildungstheorie möglich sei, die sich auf die allgemeine Bildung für alle beziehen könne und die nicht nur prinzipiell denkbar sei, sondern der Realität unserer Schulen entspreche. Ungleichmäßigkeiten im Begabungsniveau und in der Lernfähigkeit wurden als individuelle Faktoren interpretiert, denen indessen mit geeigneten unterrichtsmethodischen Praktiken beizukommen sei. Disfunktionen wurden auf den Begriff des
»schlechten Schülers«
gebracht, wobei man gerne zugab, daß die schwachen schulischen Leistungen ihre Ursache auch in sozialen Faktoren haben könnten, etwa in ungünstigen Familienverhältnissen, die dann ebenfalls in der Rolle disfunktionaler Störfaktoren erschienen.14
|AB 172||a 151|14Wie verbreitet solche ideologische Abwehr von nicht harmonistischen Sozialvorstellungen innerhalb der Schulpraxis ist, zeigt neuerdings auch die Untersuchung von E. Höhn, Der schlechte Schüler, München 1967.
Das heißt, das Bildungssystem im Ganzen wurde als funktionales Bezugssystem akzeptiert; die Entdeckung von Disfunktionen veranlaßte – des vorausgesetzten theoretischen Modells wegen |A B 33|– nicht dazu, das System in Frage zu stellen, es sei denn in der Form innerer Verbesserungen.
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[028:57] Nach neueren Untersuchungen nun werden die dort gemachten Voraussetzungen problematisch. Die beobachteten Disfunktionen lassen sich nämlich als Merkmale kollektiven Bildungsschicksals interpretieren. So hat sich z. B. bei Untersuchungen des kindlichen Sprachniveaus gezeigt, daß es schichtenspezifische Sprachformen gibt, die die schulische Leistungsfähigkeit, also auch das, was wir mit dem Ausdruck
»Begabung«
sinnvoll bezeichnen können, sehr weitgehend bedingen. Andererseits ist kein Zweifel daran, daß unsere Höhere Schule eine Sprachschule insofern ist, als sie ihre Aufgabe vorwiegend in den sprachlichen Fächern betreibt. Konsequenterweise scheitern die meisten Unterschichten-Kinder in eben diesen Fächern. Die Sprachform, deren sich die Lehrerschaft bedient, ist nämlich durchweg die der Mittelschicht.15
|AB 172||a 151|15B. Bernstein,
»Social Structure, Language and Learning«
, in: J. I. Roberts (Hrsg.), School Children in the Urban Slum, New York 1967; P. M. Roeder / A. Padzierny / W. Wolf, Sozialstatus und Schulerfolg. Bericht über empirische Untersuchungen, Heidelberg 1965; H. G. Rolff, Sozialisation und Auslese durch die Schule, Heidelberg 1967.
Natürlich kann man auch diese Phänomene disfunktional nennen, müßte das aber in einem anderen Sinne tun, denn diese Phänomene sind nicht eigentlich störende Abweichungen, sondern resultieren aus dem sozialen System selbst. Betrachten wir nämlich die Schule als eine Stätte, an der sich der gegenwärtige Schichtenaufbau zu reproduzieren hätte, wären diese Phänomene funktional zu nennen. Mit anderen Worten: Sie indizieren eine durch soziale Ungleichheit bestimmte Konfliktsituation, die für unsere Gesellschaft strukturell ist.
[028:58] Ein zweites Beispiel: Die Erziehungstheorie ist bisher auch insofern allgemein gewesen, als sie davon ausging, daß gleiches Erziehungsverhalten mindestens ähnliche Wirkungen bei allen zu Erziehenden habe. Abweichungen wurden in der Regel auch hier auf individuelle Faktoren zurückgeführt (das lag natürlich nicht nur an dem funktionalistischen Ansatz, sondern weitgehend an dem Mangel jeder Empirie). Auch diese Faktoren scheinen schichtenspezifisch zu sein, und zwar in zweierlei Sinn. Bronfenbrenner hat in der amerikanischen Familienforschung der letzten zwei Jahrzehnte gravierende Unterschiede in der Erziehungspraxis der Mittel- und Unterschicht festgestellt. In einigen |A B 34|Untersuchun|a 148|gen hat er die Ergebnisse neuerlich überprüft und die Aussagen im Hinblick auf Unterschiede in der schulischen Leistungsmotivation, der Unabhängigkeit und der Initiative bestätigt gefunden, allerdings mit einer Tendenz in Richtung auf Verringerung der Kluft in der Erziehungspraxis beiden Schichten. Das zweite Ergebnis aber ist, daß die Angleichung der Erziehungspraktiken keine gleichsinnige Angleichung der Erziehungsresultate zur Folge hat.16
|AB 172||a 151|16U. Bronfenbrenner,
»Socialization and Social Class through Time and Space«
, in: E. E.Maccoby [u. a.] (Hrsg.), Readings in Social Psychology, New York 1958; ders.,
»Toward a Theoretical Model for the Analysis of Parent – Child Relationships in a Social Context«
, in: J. C. Glidewell [u. a.] (Hrsg.), Parental Attitudes and Child Behavior, Springfield (Ill.) 1961.
Offenbar sind die für die soziale Schicht je charakteristischen sozio-ökonomischen Bedingungen, das heißt also die Bedingungen eines sozialen Subsystems, von größter Bedeutung für die Probleme der Erziehung. Offenbar können wir also nicht davon ausgehen, daß sich Erziehungswissenschaft sinnvoll mit der Annahme eines funktionalen, von durchgehend gleich wirksamen Werten geordneten Bezugssystems betreiben läßt.
[028:59] Noch differenzierter wird das Problemfeld, wenn man folgende Untersuchungsergebnisse zur Kenntnis nimmt: Die abhängigsten und zuverlässigsten, zugleich aber stark leistungsmotivierten Heranwachsenden stammen aus Familienverhältnissen, in denen ein partnerschaftliches Ehe-Verhältnis vorherrscht; dieser Typus des Ehe-Verhaltens wiederum ist am häufigsten in den bürokratischen Berufsgruppen. Das heißt: Der im Sinne eines landläufigen Begriffs von demokratischem Verhalten funktionale Ehe- und Familientyp bewirkt als Erziehungsergebnis gerade disfunktionale Verhaltensmerkmale; jedenfalls sofern man davon ausgehen kann, daß Abhängigkeit kein Verhalten ist, das sich in Richtung auf Demokratisierung förderlich auswirkt. Oder:
»Die Aussicht auf eine Gesellschaft, in der Methoden der Kinderführung darauf ausgerichtet sind, das Leistungsstreben zu maximieren, ist keinesfalls nur angenehm.«
Solche Kinder sind nämlich häufig auch
»aggressiver, angespannter, herrschsüchtiger und grausamer.«
17
|AB 172||a 151|17U. Bronfenbrenner,
»Wandel der amerikanischen Kindererziehung«
, in: L. v. Friedeburg (Hrsg.), Jugend in der modernen Gesellschaft, Köln/Berlin 1965, S. 331.
[028:60] Es gäbe noch viele Beispiele aus der jüngsten Forschung, besonders der Gruppenpädagogik, der Bezugsgruppenfor|a 149|schung, der Jugendforschung, der Bildungsökonomie, die die Unbrauchbarkeit des funktionalistischen Ansatzes er|A B 35|weisen können; das gilt freilich nicht durchweg. Nach wie vor bietet dieser Ansatz wie kein anderer eine Möglichkeit erziehungswissenschaftlicher Analyse, dort nämlich, wo es sich um Lern- und Erziehungsprozesse in sozialen Feldern handelt, die durch Werte und Normen für alle Beteiligten eindeutig und verbindlich bestimmt sind. Die erziehungswissenschaftlich vorwiegend interessanten Probleme scheinen in solchen Feldern indessen nicht zu entstehen.
[028:61] Wir können also für die Analyse des Erziehungsgeschehens weder die Gesellschaft als einen vorgegebenen Bezugsrahmen annehmen, der von den heranwachsenden Individuen
»durch mehr oder weniger vollständige Anpassung akzeptiert wird«
18
|AB 172||a 151|18ABbFürstenberg (s. Anm. 11) S. 446.
, noch wäre es wissenschaftlich vertretbar, einen gleichsam utopischen Entwurf der Erziehungswirklichkeit zu konstruieren, an dem wir die empirischen Einzeldaten einfach messen und beurteilen. Vielmehr müssen wir davon ausgehen, daß die Erziehung wie die Gesellschaft, in der sie geschieht, einen
»Wirkungszusammenhang multipler Felder«
(Fürstenberg)
darstellt, für den Konflikte und Antagonismen konstitutiv sind. Auf der Basis dieser Binsenweisheit eine erziehungswissenschaftliche Theorie zu entwickeln, ist – wie das Beispiel der gegenwärtigen Soziologie uns zeigt – vielleicht schwieriger als es aussieht.
AB

Funktionalität und Disfunktionalität der Erziehung

ABb
Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie
ABb
Frankfurt/Main
AB
[028:39]
»Stand die Pädagogik bis dahin im Dienst objektiver Aufgaben, wo das Individuum nur der an sich unwesentliche Träger solcher objektiven Ziele war, wie Staat, Kirche, Wissenschaft, Stand und |A B 23||23| Beruf, so nahm sie jetzt zum ersten Mal mit vollem Bewußtsein der Tragweite einen radikalen Wechsel des Blickpunktes vor und stellte sich in das Individuum und sein subjektives Leben. War bis dahin das Kind das willenlose Geschöpf, das sich der älteren Generation und ihren Zwecken anzupassen hatte und dem die objektiven Formen eingeprägt wurden, so wird es jetzt in seinem eigenen spontanen produktiven Leben gesehen, hat seinen Zweck in ihm selber, und der Pädagoge muß seine Aufgabe, ehe er sie im Namen der objektiven Ziele nimmt, im Namen des Kindes verstehen. In dieser eigentümlichen Umdrehung ... liegt das Geheimnis des pädagogischen Verhaltens und sein eigenstes Ethos.«
1
1H. Nohl, Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie, Frankfurt a. M. ³1949, S. 126 f
AB
Flitner
ABb
Allgemeine Pädagogik
ABb
A. a. O.
ABb
A. a. O.
ABb
A. a. O.
AB
zurückahltender
AB
Schleiermacher
ABb
Pädagogische Schriften
ABb
hrsgg.
AB
Weniger
ABb
1762
ABb
ø
AB
Condorcet
ABb
Bericht und Entwurf einer Verordnung über die allgemeine Organisation des öffentlichen Schulwesens
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[028:46] |27|
»Meine Herren, allen Angehörigen des Menschengeschlechts die Mittel zugänglich zu machen, daß sie für ihre Bedürfnisse sorgen, ihr Wohlergehen sichern, ihre Rechte erkennen und ausüben, ihre Pflichten begreifen und erfüllen können; jedem die Möglichkeit zu sichern, seine berufliche Geschicklichkeit zu vervollkommnen, sich für gesellschaftliche Funktionen vorzubereiten, zu denen berufen zu werden er berechtigt ist, den ganzen Umfang seiner Talente, die er von der Natur empfangen hat, zu entfalten und dadurch unter den Bürgern eine tatsächliche Gleichheit herzustellen und die politische Gleichheit, die das Gesetz als berechtigt anerkannt hat, zu einer wirklichen zu machen: das muß das erste Ziel eines nationalen Unterrichtswesens sein; und unter diesem Gesichtspunkt ist es für die öffentliche Gewalt ein Gebot der Gerechtigkeit.«
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7M. J. A.Condorcet, Bericht und Entwurf einer Verordnung über die allgemeine Organisation des öffentlichen Schulwesens, Weinheim 1966, S. 20.
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