[072:1] Der Ausdruck s.I. ist terminologisch nicht festgelegt und wird infolgedessen in
verschiedenen Bedeutungen verwendet. Dem Wortsinne nach bedeutet er ursprünglich
(lat.)
„Wiederherstellung, Erneuerung“
; gegenwärtig wird er
meistens i.S. von Eingliederung, Anpassung, Angleichung usw. verwendet.
Diese Vieldeutigkeit macht ihn – jedenfalls gegenwärtig – als wissenschaftlichen
Begriff untauglich. Wo er verwendet wird, muß seine je besondere Bedeutung
eigens ermittelt werden. Gelegentlich taucht der Ausdruck s.I. als Name für einen begrenzten Sachverhalt auf, so z.B. für die
Integrierte Gesamtschule (Schule) zur Bezeichnung der Aufgabe
gemeinsamer Unterrichtung aller Schüler eines Jahrgangs in einer einzigen
Schulform; in der Jugendarbeit zur Bezeichnung einer bestimmten Konzeptionbc√; in der Interaktionsforschung zur Bezeichnung eines bestimmten Verhaltens-
oder Gruppenstils (sozialintegratives Verhalten). Das gemeinsame Merkmal derart
verschiedenartiger Verwendung verweist indessen auf ein wichtiges Problem: Was
geschieht mit Individuen und Gruppen unterschiedlicher soziokultureller Herkunft
und/oder unterschiedlicher psychosozialer Kompetenz, wenn sie in einem größeren
sozialen Kontext (Schule, Stadtquartier, Region, Heim usw.) zusammentreffen; und
was geschieht mit der sozialen Struktur dieses Kontextes? Soziale
Integrationsprobleme tauchen demnach immer dann auf, wenn überlieferte oder erzwungene Formen sozialer Segregation
aufgegeben werdenbc√.
[072:2] Entscheidungssituationen dieser Art (s.I. vs. soziale Segregation) entstehen dann, wenn die
kulturelle Einheitlichkeit einer Kultur nicht mehr gewiß ist (z.B. Verschiedenartigkeit oder Widersprüchlichkeit
verschiedener Subkulturen), wenn unterschiedliche Kulturen
miteinander in dichten Kontakt kommen
(Gastarbeiter/Ausländer) oder wenn das soziale System
problematische Elemente innerer Segregation enthält
(Randgruppen) bzw. im Ganzen einen problematischen Grad
innerer Segregation erreicht (Psychiatrie, Sonderschulen,
Stadtentwicklung). bc√Da nun einerseits jede soziale Segregation/Integration eine
Machtkomponente, insofern also auch ein Moment gesellschaftlicher
Herrschaft enthält, andererseits aber auch die unterscheidenden
Merkmale der beteiligten Gruppen sehr verschiedene Bedeutung haben
können, erfordert die Entscheidung für oder gegen eine s.I. eine je genaue Prüfung der besonderen Situation und ist
eine allgemeine Option unsinnig. Die s.I. von Gastarbeiterfamilien, die segregierte oder integrierte
Erziehung/ Unterrichtung von Kindern verschiedener sozialer
Herkunft, die homogene oder heterogene Zusammensetzung von
Kindern/Jugendlichen im Heim (Heimerziehung); die Konzeption von Jugendarbeit als spezielles und gezieltes
Bildungsangebot für proletarische Jugendliche usw. werfen jeweils andere und besondere
Probleme auf. – Gleichsam hinter Fragen dieser Art steht die allgemeinere
nach der s.I. als eines Momentes jeden Bildungsprozesses. Insofern
nämlich jede Handlung zwischen Menschen ein Stück gemeinsamer
Bedeutung schafft, findet bc√dort auch immer s.I. statt. Dieser Sachverhalt indessen findet in Begriffen wie
Sozialisation, Interaktion, Kommunikation u.ä.
hinreichend Berücksichtigung. bc√Andererseits
können auch die oben skizzierten Fragestellungen recht gut ohne
Verwendung des Ausdrucks s.I. expliziert werden; er ist deshalb vielleicht entbehrlich;
seine Funktion hat er freilich in der knappen (aber immer ungenauen) Etikettierung vonbc√ Meinungen und Absichten.
[072:3] Literatur:P. Berger/Th. Luckmann: Die gesellschaftliche
Konstruktion der Wirklichkeit, Frankfurt/Mc√ 1970; H. Gerth/C. W. Mills:
Person und Gesellschaft, Frankfurt/Mc√ 1970; bc√H.-G. Rolff (Hrsg.): Strategisches Lernen,
Reinbek 1974.
b
(
»sozial-integrative Jugendarbeit«
|b 228|der sechziger Jahre)
c
(
»sozial-integrative Jugendarbeit«
der
60er Jahre)
bc
,
bc
ø
bc
oder aufgegeben werden sollen
c
Art []
Art.
b
gewiß ist []
gewiß
bc
In diesem Sinne wurde das Problem zum ersten
Mal zu Beginn des 19. JahrhundertsJh. zum Thema, als im Rahmen der preußischen Schulreform
»Allgemeinbildung«
für alle, ohne
Unterschied der sozialen Herkunft, verwirklicht werden
sollte.
bc
,
c
, die
Integration
I. Behinderter in die Einrichtungen allgemeiner
Erziehung und Bildung usw. werfen jeweils andere und
besondere Probleme auf.
bc
theoretisch gesehen
bc
Praktisch gesehen sind indessen die
Sachverhalte der sozialen Ausgrenzung von
Bevölkerungsteilen, die nicht dem kulturell dominanten
Habitus folgen (Ausländer, Behinderte, Deviante,
»Zigeuner«
, Irre usw.) unübersehbar;
deren Eingliederung oder Wiedereingliederung in den
Gesamtkorpus der Sozietät, ohne Diskriminierungen, erscheint
heute als eine schlichte, aus den Menschenrechten sich
ergebende Aufgabe (z.B. die Reduzierung der stationären
Psychiatrie auf ein human rechtfertigungsfähiges Maß; die
Verkleinerung von Sonderschulen; die Zurückhaltung bei der
Kriminalisierung von Jugendlichen; der Verzicht auf frühe
»Begabungs«
-Trennung nach Schularten
usw.).
bc
zumeist
bc
jugendhilfe- und bildungspolitischen
bc
[072:2a] Entscheidungssituationen dieser
Art []
Art. (
soziale Integration
s.I. vs. soziale Segregation) entstehen dann, wenn die
kulturelle Einheitlichkeit einer Kultur nicht mehr
gewiß ist []
gewiß (z.B. Verschiedenartigkeit oder Widersprüchlichkeit
verschiedener Subkulturen), wenn unterschiedliche Kulturen
miteinander in dichten Kontakt kommen
(Gastarbeiter/Ausländer) oder wenn das soziale System
problematische Elemente innerer Segregation enthält
(Randgruppen) bzw. im Ganzen einen problematischen Grad
innerer Segregation erreicht (Psychiatrie, Sonderschulen,
Stadtentwicklung). In diesem Sinne wurde das Problem zum ersten
Mal zu Beginn des 19. JahrhundertsJh. zum Thema, als im Rahmen der preußischen Schulreform
»Allgemeinbildung«
für alle, ohne
Unterschied der sozialen Herkunft, verwirklicht werden
sollte.Da nun einerseits jede soziale Segregation/Integration eine
Machtkomponente, insofern also auch ein Moment gesellschaftlicher
Herrschaft enthält, andererseits aber auch die unterscheidenden
Merkmale der beteiligten Gruppen sehr verschiedene Bedeutung haben
können, erfordert die Entscheidung für oder gegen eine
soziale Integration
s.I. eine je genaue Prüfung der besonderen Situation und ist
eine allgemeine Option unsinnig. Die
soziale Integration
s.I. von Gastarbeiterfamilien, die segregierte oder integrierte
Erziehung/ Unterrichtung von Kindern verschiedener sozialer
Herkunft, die homogene oder heterogene Zusammensetzung von
Kindern/Jugendlichen im Heim (Heimerziehung), die Konzeption von Jugendarbeit als spezielles und gezieltes
Bildungsangebot für proletarische Jugendliche, die
Integration
I. Behinderter in die Einrichtungen allgemeiner
Erziehung und Bildung usw. werfen jeweils andere und
besondere Probleme auf. – Gleichsam hinter Fragen dieser Art steht die allgemeinere
nach der
sozialen Integration
s.I. als eines Momentes jeden Bildungsprozesses. Insofern
nämlich jede Handlung zwischen Menschen ein Stück gemeinsamer
Bedeutung schafft, findet theoretisch gesehen dort auch immer
soziale Integration
s.I. statt. Dieser Sachverhalt indessen findet in Begriffen wie
Sozialisation, Interaktion, Kommunikation u.ä.
hinreichend Berücksichtigung. Praktisch gesehen sind indessen die
Sachverhalte der sozialen Ausgrenzung von
Bevölkerungsteilen, die nicht dem kulturell dominanten
Habitus folgen (Ausländer, Behinderte, Deviante,
»Zigeuner«
, Irre usw.) unübersehbar;
deren Eingliederung oder Wiedereingliederung in den
Gesamtkorpus der Sozietät, ohne Diskriminierungen, erscheint
heute als eine schlichte, aus den Menschenrechten sich
ergebende Aufgabe (z.B. die Reduzierung der stationären
Psychiatrie auf ein human rechtfertigungsfähiges Maß; die
Verkleinerung von Sonderschulen; die Zurückhaltung bei der
Kriminalisierung von Jugendlichen; der Verzicht auf frühe
»Begabungs«
-Trennung nach Schularten
usw.).
[072:2b] Andererseits
können auch die oben skizzierten Fragestellungen recht gut ohne
Verwendung des Ausdrucks
soziale Integration
s.I. expliziert werden; er ist deshalb vielleicht entbehrlich;
seine Funktion hat er freilich in der knappen (aber zumeist ungenauen) Etikettierung von jugendhilfe- und bildungspolitischen Meinungen und Absichten.
c
.
c
.
bc
H. Lessing/M. Liebel:
Jugend in der Klassengesellschaft, München 1974;