Erziehungswissenschaft und Sozialpädagogik/Sozialarbeit oder
„Das Pädagogische“ in der Sozialarbeit/Sozialpädagogik
I.
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1.[099:4] Die Autoren verwenden zur Charakterisierung ihres nun„erweiterten“Begriffs von Pädagogik den Terminus„vernetztes Denken“und erwecken den Eindruck, als sei dies neu. Abgesehen davon, daß sie vermutlich„vernetzendes Denken“meinen (denn schon der Bau des Zentralnervensystems ist vernetzt, nolens volens), also im Objektbereich des Denkens Netzwerke konstruieren oder rekonstruieren wollen – abgesehen von dieser terminologischen Schwierigkeit also gibt es derartige Bemühungen des pädagogischen Denkens nicht nur in der Anfangsform bei , sondern in einer langen modernen„sozialisationstheoretischen“Tradition, die sich, im ersten Drittel unseres Jahrhunderts mit dem Terminus„funktionale Erziehung“, mit den Studien zum proletarischen Kind und zur Interaktion zwischen Siedlungsstrukturen und Heranwachsen verband, und die seit den 50er Jahren in den Arbeiten zur Sozialisations-Ökologie, der klassischen Sozialisationsstudie von („The Home and the School“b√) auf dem Stand moderner empirischer Sozialforschung präzisiert wurde, in der Familientherapie (z.B. b√Minuchin; 1977) seit zwanzig Jahren eine Rolle spielt und seit mindestens zehn Jahren, seit den ersten Rezeptionen von |b 132|in der Pädagogik nämlich, diskutiert wird. Aber nicht nur in der„Allgemeinen Pädagogik“, wo derartige Anstöße naturgemäß zuerst aufgenommen wurden, auch in der wissenschaftlich reflektierten Berichterstattung über Jugendarbeit gibt es lange schon diese„Erweiterung des Pädagogik-Begriffs“(weil bessere Kenner als ich hier im Raume sind, brauche ich das nicht im einzelnen zu zitieren!). Die Etikettierungen der verschiedenen Phasen der Jugendarbeit nach dem letzten Krieg (als„sozialintegrative“,„emanzipatorische“,„antikapitalistische“,„spurensuchende“|a 54|etc.) haben offenbar das theoretische Blickfeld eingeschränkt. Das Dilemma wäre aber auch durch eine Korrektur des Blicks nicht aus der Welt, auch dann nicht, wenn die„Theorie der Jugendarbeit“sich auf der Höhe der derzeit geführten allgemein-pädagogischen Diskussion bewegen würde. Damit komme ich zum zweiten, das mir mißfällt:
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2.[099:5] Derartige Erweiterungen des Begriffs„Pädagogik“konnte ich über lange Zeit, seit der„Einführung in die Sozialpädagogik“b√ oder der„Versuche zu einer Theorie der Jugendarbeit“b√ relativ mühelos integrieren (ich hatte ja gelesen!). Seit einigen Jahren aber wird mir solche Integrationsbemühung fraglich, und zwar deshalb, weil ja immerhin möglich sein könnte, daß das, was wir seit gut 200 Jahren, auch mit allen naheliegenden Erweiterungen,„Pädagogik“nennen, an ein Ende kommt. Da war mir die Hypothese von Böhnisch/Münchmeier, in ihrer ersten Version, höchst willkommen. In der Tat: Das pädagogische Proprium der Jugendarbeit ist nichts als eine Legitimationsstrategie der Professionalisierungsinstanzen und, daran anschließend oder diese ermöglichend, der zur Subsidiarität verpflichtenden Administration: Wenn man„Pädagogik“sagt, bekommt man eher Geld, als wenn man nur von„Unterhaltung“spricht. Ein fast witziges Symptom dafür sind die umfangreichen Legitimationsbemühungen der sogenannten Freizeitpädagogik um einen Ereignistyp herum, der bloß mit„Unterhaltung“und„Animation“nicht schlecht beschrieben wäre. Jedenfalls spätestens vom 16. Lebensjahr ab, ca. 5 % eines Jahrgangs ausgenommen (davon später), brauchen Jugendliche die Pädagogik nicht, brauchen sie keine pädagogische Jugendarbeit. Sie brauchen eine vernünftige Stadtarchitektur, gute und billige Verkehrsverbindungen, leicht erreichbare und wenig kontrollierte Treffs, annehmbare Berufs- und Arbeitschancen. Kurz: Sie brauchen eine vernünftige Sozialpolitik und eine annehmbare Stadtkultur.
II.
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1.[099:7] Was wir zusammenfassend dem Objektbereich von Sozialpädagogik/Sozialarbeit zurechnen, ist ein ziemlich heterogenes Feld von Handlungen, Maßnahmen und Einrichtungen. Nur ein Teil davon läßt sich auf„Pädagogik“beziehen.
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2.[099:8] Was in der Praxis sich abspielt und was in Theorie und Forschung geschieht, muß nicht unbedingt unter einem Namen zusammengeführt werden. Das gilt besonders dann, wenn gesetzliche und sozialpolitische Regelungen, institutionelle Settings, praktizierte Handlungsprozeduren und Professionalisierungswege derart unterschiedlich sind, daß die Suche nach sogenannten einheitlichen oder umfassenden Theorien von vornherein suspekt sein muß.
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3.[099:9] Die erfolgreichste Forschung in unserem Feld ist deshalb immer noch die, die sich auf solche Erscheinungen bezieht, die sich durch einen hohen Grad gesell|a 55|schaftlicher Verallgemeinerung auszeichnen: Professionalisierung, sozialstaatliche Administration, historische Institutionen-Typik. Demgegenüber bleibt die Erforschung von Grundproblemen des klientenbezogenen Handelns, also genau diejenige Thematik, die traditionellerweise der„Pädagogik“am nächsten stünde, stark zurück.
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4.[099:10] Diese Lücke wird nun angefüllt mit einem Typus intellektueller Produkte, die sowohl thematisch als auch methodologisch schwer zu bestimmen ist.„Sozialpädagogik/Sozialarbeit“hat es nämlich seit längerem schon nicht nur mit der Grenze zwischen„pädagogischen“Handlungen und gesellschaftlich-institutionellen Formierungen zu tun (mit der Grenze zwischen Praxis und Habitus in der Terminologie ), sondern innerhalb der Handlungsentwürfe zwischen Pädagogik und Therapie.„Pädagogik“ist, in dieser Hinsicht, zum Inbegriff von Adaptationsbemühungen bzw. appellativen Verteidigungsstrategien geworden: ein beträchtlicher, wenn nicht der größte Teil der auf„pädagogisches“Handeln bezogenen Literatur (in unserem Bereich) besteht aus Transformationsversuchen psychologischer, psychoanalytischer und sonstwie therapeutischer Wissensbestände. Unsere intellektuelle Tätigkeit, als„Erziehungswissenschaftler“, besteht also darin, daß wir kommentieren. Das aber ist der Anfang vom Ende einer Fachdisziplin. (Man braucht sich nur vorzustellen, was mit diesen Wissenschaften geschähe, wenn etwa die Musik- oder die Literaturwissenschaft ihre intellektuelle Haupttätigkeit |b 134|im Feuilleton hätte: zeitweise würde das noch gut gehen; dann aber wären die Kommentare oder„Kritiken“nicht einmal mehr„gebildet“zu nennen.)
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5.[099:11]Derartiges droht der„Pädagogik“im Felde von„Sozialpädagogik/Sozialarbeit“. Wir hätten dann, im Hinblick auf wissenschaftliche Tätigkeit im Bereich„Sozialpädagogik/Sozialarbeit“, die folgende Konstellation:
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–Die sozialstaatliche Komponente und damit die politischen Rahmenbedingungen des Handelns erforschen die Kollegen der Sozialpolitik, der soziologischen Armutstheorie, der Theorie gesamtgesellschaftlicher Reproduktionsstrategien.
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–Die unter solchen Bedingungen möglichen Professionalisierungen samt der daran beteiligten Ideologien, Ausbildungsgänge und berufsstandspezifischen Strategien und deren Darstellung in den beteiligten Einrichtungen (kommunalen Ämtern, Heimen, Beratungsstellen, Kliniken, Jugendgefängnissen etc.) erforschen die Kollegen einer historisch orientierten und juristisch kenntnisreichen Sozialforschung (z.B. etc.).
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–Im Hinblick auf die mikrosozialen Probleme psychischer Dispositionen und ihrer Einfädelung in sozial erweiterte Kontexte versorgt uns die Psychoanalyse, versorgen uns die daran mehr oder weniger anschließenden Meinungen, Vorstellungen, Konzepte – also meinethalben auch„Theorien“– mit einer Fülle von fallorientierter Forschung oder wenigstens doch begründeter Meinungsbildung, b√mit Verallgemeinerungs-Absichten. Gelegentlich gelingen solche Verallgemeinerungsversuche, wie z.B. in den Konzepten„Übertragung und Gegenübertragung“,„Einführungssituation“,„Spiegelstadium“,„Übergangsprojekt“und ähnlichem.
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–Schließlich diejenigen, die nun, als Erziehungswissenschaftler oder Pädagogen, in diesem Dreieck sich ihren Platz zu bestimmen suchen: Es sind, nach gegenwärtiger Konstellation,„Folgerungs-Wissenschaftler“, oder, wie ich schon sagte, Kommentatoren, mit gelegentlich kritischen Einfällen. Es ist also die Frage, welches Spektakel sie auf diesem schön geometrischen Dreiecksplatz, mit den Seitenbebauungen von Sozialpolitik, soziologischer Institutionentheorie und Psychoanalyse, aufzuführen in der Lage wären, wenn sie denn schon zur Architektur des Platzes, jedenfalls zum Grundriß, nichts mehr beitragen können.
Ob wir nun„Sozialpädagogik“oder„Sozialarbeit“sagen,„Jugendhilfe“oder„Sozialhilfe“, ob wir uns auf das Wohlfahrtsgesetz, das Sozialhilfegesetz, das Jugendgerichtsgesetz, das Bürgerliche Gesetzbuch beziehen, die Verwaltungswissenschaft, Rechtswissenschaft, Soziologie, Psychoanalyse oder Sozialpolitik als Erkenntniszubringer bemühen: Es bleibt die Frage, ob unsere pädagogische„commedia dell’arte“Regeln folgt, die sich nicht schon aus der Platzbebauung ergeben, sowohl für die Produktion und Aufführung des Stücks als auch für seine Analyse. -
III.
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1.[099:14] Sozialpädagogen führen weder„Komödien“noch„Tragödien“auf. Zu den ersten fehlt ihnen der Witz, zu den zweiten das Pathos. Sie sind„Stückeschreiber“oder Regisseure oder Spieler in solchen Stücken. Der Spielplatz ist ihnen angetragen; sie können ihn nicht wählen. Sie können in ihren Stücken nichts zur Darstellung bringen außer dem, was die Spieler mitbringen (freilich mit der Stadtarchitektur und deren Wohnbedingungen im Rücken) und was, unter solchen Bedingungen, an Spielregeln möglich ist (die Akzeptanz durch das Publikum eingeschlossen). Was also könnten die Elemente sein, aus denen dann die Spielregeln gemacht werden? – Damit verlasse ich diese theatralische Metapher und gehe zu akademischer Prosa über.
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2.[099:15] Böhnisch/Münchmeier und viele andere haben zu Recht bemängelt, daß das seinerzeitige Aufklärungkonzept von„Pädagogik“, wenngleich darin vielleicht dessen Logik folgend, sich auf eine Vorstellung von Erziehung oder von„pädagogischen Verhältnissen“als bloße Beziehungsphänomene verengt habe. Dieser Kritik stimme ich zu. Tatsächlich, so denke ich, hat die Erziehungs- oder Bildungsforschung dazu beigetragen, pädagogische Sachverhalte als pure Beziehungssachverhalte zu definieren. An der Produktion dieser Problemdefinition waren viele beteiligt. Sogenannte„Anti-Pädagoginnen und -Pädagogen“, Adepten der„Theorie menschlicher Kommunikation“(), Ausleger der Gesprächstherapie von , Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten; Jugendarbeiter (oder wie soll man sie nennen?), denen das Hauptproblem darin besteht oder bestand, auf„Bedürfnisse“zu reagieren; Heimerzieher, die sich durch derartige Alltags-Theorien im Recht glaubten, wenn sie einem verhaltensgestörten aggressiven Kind den Hammer nicht„autoritär“aus der Hand nahmen. Derartige Erscheinungen sind |b 136|historische Indikatoren für eine auf„Interaktion“eingeengte Vorstellung von dem, was Pädagogik sei oder sein könnte.
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3.[099:16] Man muß einen solchen Zustand, eine solche Verengung des Begriffs vom Umgang der älteren mit der jüngeren Generation nicht von vornherein beklagen. Es könnte ja tatsächlich so sein, daß das überlieferte Projekt„Pädagogik“historisch an sein Ende kommt, jedenfalls außerhalb der Schulen. Diejenigen Einrich|a 57|tungen, die wir„sozialpädagogische“nennen, könnten zur Bekräftigung zwei ihrer Charakteristika als Argumente geltend machen: Gemessen an den überlieferten Kriterien von Bildungsfortschritt und sozialer Integration läßt sich über Erfolg oder Mißerfolg wenig Zuverlässiges sagen – und: Sie sind, jedenfalls tendenziell, wenngleich in verschiedenen Ausprägungsgraden, den überlieferten Standarderwartungen weniger strikt ausgesetzt. Sie könnten sich also in der Tat mit Entertainment und Beziehungspflege zufriedengeben.
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4.[099:17] Man muß derartige Tendenzen, sagte ich, nicht von vornherein verwerfen. Wovon wir uns aber nicht dispensieren dürfen, das ist die sorgfältige Analyse der Implikationen eines solchen Vorgangs, sowohl in praktischer als auch in theoretischer Hinsicht. In praktischer Hinsicht müssen wir uns im Gedächtnis halten, daß die Bevorzugung dieser oder jener begrifflichen Perspektive zugleich mit einer Option für diesen oder jenen Handlungstypus verbunden ist. In theoretisch-begrifflicher Hinsicht ist der Geltungsbereich zu kontrollieren. Und das sollte angesichts der Verschiedenartigkeit sozialpädagogischer Maßnahmen und Einrichtungen nur von Fall zu Fall geschehen. Von vornherein eine einheitliche Antwort für die gesamte Jugendhilfe oder gar für Jugend- und Sozialhilfe gemeinsam zu erwarten, würde die Forschung eher erschweren – eine Trivialität! In diesem Sinne will ich Komponenten eines, wie mir scheint, gegenwärtig nach wie vor notwendigen Begriffs von„Pädagogik“skizzieren. Allerdings sind meine Stichworte schlechterdings unoriginell, sie rufen nur ins Gedächtnis, was längst bekannt ist.
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5.1.[099:18] Wichtigster Bezugspunkt meiner Vorstellung von„Pädagogik“, der Fluchtpunkt gleichsam, ist die Annahme, daß das Größer- und Älterwerden des Menschen ein Bildungsvorgang sei. Das heißt, daß wir uns selbst und andere im Lichte eines idealisierten Regulativs beurteilen, das Kontinuität in den Abfolgen der Ereignisse unterstellt. Ausdrücke wie„Brücke“,„Fragmentierungen“,„Regressionen“,„Entwicklungsalter“, oder„Lernen“,„Anpassung“,„Widerstand“,„Aneignung“,„Kritik“usw. würden bedeutungsleer sein, wenn nicht zugleich jene Unterstellung von Bildung leitend wäre.
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5.2.[099:19] Die Rede vom„Bildungsvorgang“unterstellt eine zeitliche Struktur, in der mindestens Vergangenheit und Zukunft aufeinander bezogen sind. Ausdrücke wie„Einbildungskraft“,„Utopie“, oder gar„Antizipation“sind nur in derartigen Bezugnahmen verständlich. Man muß dafür nicht, wie die vitalistische Fraktion der Aufklärung im 19. Jahrhundert, einen„Bildungstrieb“unterstellen. Es genügt, wenn wir darin übereinstimmen, |b 137|daß eine menschliche Handlung, als Handlung nach neuzeitlichem Verständnis, ohne die imaginierte Vorwegnahme eines möglichen nächsten Schrittes nicht zustande kommt.
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5.3.[099:20] Wie auch immer man sich, seit , diese Mikro-Konstellation für die Auseinandersetzung mit Zeit denken mag: Mir ist keine Gesellschaft bekannt, die auf markante Altersklassifikationen verzichtet hätte. Meine anthropologische Phantasie reicht nicht aus, um mir ein„Verschwinden der Kindheit“vorstellen zu können, d.h. in dem Sinne, daß es keine markanten Differenzen im Bildungsvorgang zwischen Kindheit und Erwachsenen gäbe, daß es also auch keine je spezifischen Aufgaben gäbe, die zu bewältigen sind. Diffusionen in dieser Hinsicht kann ich nur als Sozialpathologie begreifen. Von relativ untergeordneter Bedeutung ist, wo bzw. wann eine Gesellschaft, hier im Maskulinum genannt, die Einschnitte zwischen Kind, Jüngling, Mannesalter oder Greis setzt, ob sie 3, 7 oder 10 Stadien bevorzugt, ob sie harte oder weiche Übergänge schätzt usw. Kurzzeitig, wie gerade jetzt in unserer Kultur, gewinnen diese Varianten vielleicht dramatisch an Bedeutung. Wird dem Sog dieser Dramatik indessen der Grundsachverhalt (die„Entwicklungstatsache“„Pädagogik“tatsächlich im Strom von Anpassungen an Trends und büßt damit ihren eigenen möglichen Anteil an kritischer Theorie ein.
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5.4.[099:21] Diese Entwicklungstatsache ist je historisch spezifischen„Strukturen“ausgesetzt. Ziemlich grob und abstrakt möchte ich, fürs erste, zwischen relativ zwanghaften und relativ zwanglosen unterscheiden. Haushaltseinheiten mit mehr als einer Generation und verschiedenen Geschlechtern sind eher zwanglose pädagogische Milieus; pädagogische Einrichtungen mit zeitlicher Eingliederung eher zwanghaft. (Wie schwierig das im einzelnen, im Hinblick auf die empirischen Fälle ist, hat Michael Honig in seiner exzellenten Untersuchung zur Gewalt in Familien gezeigt.) Pädagogische Theorie und Forschung hätte die kulturell passende und dem Einzelfall oder den Falltypen gerechte, erträgliche, entwicklungsförderliche Balance zu ermitteln.
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5.5.[099:22] Im hier idealisierten, d.h. auf den gedachten, dem Begriff entsprechenden Fall hin entworfen, ist die„zwanglose“Variante nicht etwa ein pures Beziehungsnetzwerk, in dem, irgendwie human, auf Bedürfnisse reagiert wird. Es ist ein sozialer Ort, an dem Probleme gelöst, Aufgaben erfüllt, Themen traktiert werden. Das geschieht entwicklungs- oder naturgemäß auf verschiedenen Niveaus der„Bildung“. Pädagogisch davon ist die differenzielle Anforderungs- und Antwortstruktur. Ohne derartige Anforderung, die sich sowohl auf Lösung objektiver Sachfragen als auch auf je subjektive Kompetenzen bezieht, entsteht allenfalls ein psychiatrisch-therapeutisches Setting, vielleicht auch eine Poesie wie b√Albees„Wer hat Angst vor Virginia Woolf“b√, aber keine Pädagogik.
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5.6.[099:23] Mit zu lösenden Problemen, zu bewältigenden Aufgaben, zu traktierenden Themen, ebenso mit den sozialen, mehr oder weniger zwanghaften Konstellationen ist – überflüssig und peinlich zu sagen – immer schon längst das gesellschaftliche Umfeld mit im Spiel. Insofern präsentiert jedes pädagogische Milieu mindestens einen Ausläufer dessen, was auch sonst gesellschaftlich-kulturell der Fall ist. Es zeigt für sich eine Lebensform, die auch als solche verantwortet und gerechtfertigt werden mußb√ und ist darin den rechtfertigungspflichtigen„gesellschaftlichen Verhältnissen“, wie man sagt, unausweichlich verbunden. Wir haben also Lebensmilieus zu verantworten, oder, wie b√Böhnisch/b√Münchmeier sagen, ökologische Arrangements.