Jugendpflege, Jugendarbeit, Jugendfürsorge, Sozialarbeit – die sozialpädagogische Fragwürdigkeit dieser Unterscheidungen [Werkkommentar]

1 Werk: Formale Beschreibung

1.1 Leittext

[1] Mollenhauer, Klaus. Jugendpflege, Jugendarbeit, Jugendfürsorge, Sozialarbeit – die sozialpädagogische Fragwürdigkeit dieser Unterscheidungen. Bericht über die Arbeitsgruppe 9. Leitung: Dr. Klaus Mollenhauer, Berlin (Beitrag 1964; KMG V13-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=40rjg&edition=a.
[2] Basierend auf:
  • [3] Jugendpflege, Jugendarbeit, Jugendfürsorge, Sozialarbeit – die sozialpädagogische Fragwürdigkeit dieser Unterscheidungen. Bericht über die Arbeitsgruppe 9. Leitung: Dr. Klaus Mollenhauer, Berlin (1964). In Wolfgang Brezinka & Ella Kay, Verantwortliche Jugendarbeit heute. Bericht vom Deutschen Jugendhilfetag in Berlin (S. 137–148). München: Juventa.
[4] Der Arbeitsgruppenbericht erschien 1964 in dem Dokumentationsband zum 1. Deutschen Jugendhilfetag in Berlin und umfasst etwa 11,5 Druckseiten. Eine Autorenangabe für den Arbeitsgruppenbericht ist in dem Dokumentationsband nicht vorhanden. Der Bericht weist aber inhaltliche Merkmale auf, die – gestützt durch Formulierungen wie
meine ich
(KMG V13-a, Abs. V13:2)
,
ich vermute
oder
Mir scheint
(KMG V13-a, Abs. V13:13)
im Einführungsreferat – eine Autorzuschreibung zu dem Leiter der Arbeitsgruppe, Klaus Mollenhauer, erlauben.

1.2 Weitere Fassungen

[5] Weitere Fassungen liegen unserem Kenntnisstand nach nicht vor.

1.3 Übersetzungen

[6] Übersetzungen liegen unserem Kenntnisstand nach nicht vor.

1.4 Unveröffentlichte Quellen

[7] Diesem Werk konnten keine unveröffentlichten Quellen zugeordnet werden.

2 Inhalt und Kontexte

[8] Vom 10. bis 13. Mai 1964 fand in Berlin der 1. Deutsche Jugendhilfetag der Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge (AGJJ; heute Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe, AGJ) statt (zur Geschichte der Jugendhilfetage siehe Kummetat & Klausch, 2014). Er stand unter dem Thema
Verantwortliche Jugendarbeit heute
und zog mehr als 1.200 Teilnehmer*innen an (Englert, 1964, S. 209). Neben zwei Hauptvorträgen und einer Podiumsdiskussion tagten 13 verschiedene Arbeitsgruppen, über deren Beratungen in dem Dokumentationsband je gesondert in Einzelbeiträgen sowie zusammenfassend in einem Überblick über die Ergebnisse der Arbeitsgruppen (Müller, 1964) berichtet wird.
[9] Mit 173 Teilnehmerinnen und Teilnehmern (Englert, 1964, S. 213) den
größten Zuspruch
(Müller, 1964, S. 178)
hatte die
Arbeitsgruppe 9
zu
Jugendpflege, Jugendarbeit, Jugendfürsorge, Sozialarbeit – die sozialpädagogische Fragwürdigkeit dieser Unterscheidungen
, die von Klaus Mollenhauer geleitet wurde. Im Bericht zu dieser Arbeitsgruppe weist Mollenhauer einleitend darauf hin, dass es unter Berücksichtigung der historischen Dimension um die Frage nach dem Sinn der Unterscheidung zwischen den durch die Titelbegriffe angesprochenen Bereichen gegangen sei. Anschließend erörtert er das
Jugendhilfe-Problem in unserer Gesellschaft
(KMG V13-a, Abs. V13:3–5)
. In der Jugendhilfe dokumentiere
sich das kritische pädagogische Bewußtsein unserer Gesellschaft […] im Hinblick auf die Frage, ob die gesellschaftlichen Verhältnisse […] ein menschenwürdiges Heranwachsen der jungen Generation schon von sich aus gewährleisten
(KMG V13-a, Abs. V13:3)
würden. Für die Maßnahmen der Jugendhilfe als
dritte große Säule in unserem Erziehungssystem
(KMG V13-a, Abs. V13:5)
neben Familie und Schule sei die Absicht grundlegend, die Heranwachsenden zu schützen und
ihre Selbständigkeit und Kritikfähigkeit, […] ihre gesellschaftliche Mündigkeit
(KMG V13-a, Abs. V13:4)
zu fördern. Die gemeinsame Basis sei allerdings bedroht durch die Ausdifferenzierung der sozialpädagogischen Tätigkeitsfelder sowie durch die Schichtspezifik der
verschiedenen Institutionen der Jugendhilfe
(KMG V13-a, Abs. V13:12)
. Insgesamt aber seien in den verschiedenen Einrichtungen der Jugendhilfe die
gleichen Prinzipien
(KMG V13-a, Abs. V13:15)
leitend. Abschließend skizziert Mollenhauer einen erweiterten
neue[n] Erziehungsbegriff
(KMG V13-a, Abs. V13:16-7)
, wofür er Kinderspielplätze, Heime der offenen Tür und Beratungseinrichtungen nennt, in denen nicht die direkte Einwirkung, sondern die Gestaltung des Feldes zentral sei. Zum Verhältnis der beiden Bezeichnungen Sozialarbeit und Jugendhilfe gesteht er schließlich zu, dass Sozialarbeit als
Oberbegriff
verwendet werden könne, aber nicht
identisch sein [könne] mit Jugendhilfe oder Sozialpädagogik, da diese beiden Begriffe sich ausschließlich auf erzieherische Sachverhalte beziehen
(KMG V13-a, Abs. V13:16)
.
[10] In der anschließenden Diskussion seien insbesondere vier Fragen (Sozialpädagogik und Sozialerziehung; Sozialpädagogik in Bezug auf Erwachsene; Sozialpädagogik als
Notstandspädagogik
(KMG V13-a, Abs. V13:21)
; Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Bereiche der Jugendhilfe) angesprochen worden. Für die Klärung der Frage nach der Einheit der Jugendhilfe sei eine
Skala
hilfreich gewesen,
auf der sich sämtliche Maßnahmen und Einrichtungen der Jugendhilfe eintragen lassen
(KMG V13-a, Abs. V13:24
, Herv. i. Orig.; s. a. KMG 017-a, Abs. 017:11–13). Die Pole dieser Skala würden gebildet aus Erziehungsfeldern, in denen die gesellschaftliche Integration der Jugend einen sehr hohen (Jugendstrafvollzug, starke erzieherische Einflussversuche) bzw. einen geringen Stellenwert (freie Gesellung, hoher Grad an Freiwilligkeit) einnehme. Die Einrichtungen würden sich hinsichtlich der Methoden und der gemeinsamen Aufgabe nur graduell, nicht grundlegend unterscheiden, so dass eine verbindende sozialpädagogische Theorie möglich sei. Diese noch
zu konzipierende Theorie der Sozialpädagogik als Theorie der Jugendhilfe
(KMG V13-a, Abs. V13:29)
habe ihr Zentrum nicht in einem Menschenbild oder einer Weltanschauung, sondern im
Praxiszusammenhang[], in dem es allgemeine Probleme, allgemeine Methoden und eine allgemeine Aufgabe gibt: nämlich der jungen Generation soziales Lernen zur ermöglichen, nicht als eine unter anderen […], sondern als die für die Jugendhilfe konstituierende Funktion.
(KMG V13-a, Abs. V13:30)
[11] Den Bericht schließen zwölf Thesen ab, in denen die von Mollenhauer anfangs skizzierten Überlegungen sowie die Diskussionen noch einmal gebündelt sind.
[12] Die Einheit der Jugendhilfe bzw. ihr Selbstverständnis war
eines der brennendsten Probleme dieses Jugendhilfetags
(Müller, 1964, S. 178)
, was sich auch darin spiegelte, dass das Podiumsgespräch mit den beiden Hauptvortragenden sich ebenfalls intensiv damit befasste (Podiumsgespräch, 1964). Im zeitgenössischen Diskurs wurde das Verhältnis von Sozialpädagogik, Sozialarbeit, Jugendhilfe und Erziehung gleichermaßen intensiv bearbeitet (s. Zur Bestimmung von Sozialpädagogik, 1966; Röhrs, 1968; verschiedene Beiträge in Merten, 1998). Auch Klaus Mollenhauer hat sich in den 1960er Jahren wiederholt dazu in Publikationen (z. B. KMG 004-a; KMG 005-A; KMG 010-a; KMG 011-A; KMG 017-a; KMG 024-a; KMG 031-a) geäußert, wobei er eine (sozial)pädagogische Theorieperspektive präferiert hat.

3 Rezeption

[13] –––

4 Literatur

4.1 Andere hier verwendete Werke von Klaus Mollenhauer

    [14] Mollenhauer, Klaus. Soziale Arbeit heute. Gedanken über ihre sozialen und ideologischen Voraussetzungen (Beitrag 1959; KMG 004-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqv4&edition=a.
    [15] Mollenhauer, Klaus. Die Ursprünge der Sozialpädagogik in der industriellen Gesellschaft. Eine Untersuchung zur Struktur sozialpädagogischen Denkens und Handelns (Monografie 1959; KMG 005-A). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqvc&edition=A.
    [16] Mollenhauer, Klaus. Die Bildungs- und Erziehungsarbeit der Jugendverbände im Blickfeld der Erziehungswissenschaft (Beitrag 1964; KMG 010-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqtn&edition=a.
    [17] Mollenhauer, Klaus. Einführung in die Sozialpädagogik. Probleme und Begriffe (Monografie 1964; KMG 011-A). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqtk&edition=A.
    [18] Mollenhauer, Klaus. Versuch 3 (Beitrag 1964-1986; KMG 017-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3w4vq&edition=a.
    [19] Mollenhauer, Klaus. Was heißt
    Sozialpädagogik
    (Beitrag 1966; KMG 024-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqs4&edition=a.
    [20] Mollenhauer, Klaus. Sozialarbeit im Spannungsfeld sozialer Konflikte – Aspekte eines zukünftigen Selbstverständnisses (Beitrag 1968; KMG 031-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqrf&edition=a.

4.2 Weitere Literatur

    [21] Englert, Othmar (1964). Rückblick auf den Deutschen Jugendhilfetag. In Wolfgang Brezinka & Ella Kay (1964). Verantwortliche Jugendarbeit heute. Bericht vom Deutschen Jugendhilfetag in Berlin (S. 209–215). München: Juventa.
    [22] Kummetat, Sabine & Klausch, Peter (2019). Europas größter Jugendhilfegipfel im Spiegel der Zeit. In Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ (Hrsg.), 70 Jahre AGJ – Kinder- und Jugendhilfe gestalten! Jubiläumsschrift (S. 95–115). Berlin: AGJ.
    [23] Merten, Roland (Hrsg.) (1998). Sozialarbeit – Sozialpädagogik – Soziale Arbeit. Begriffsbestimmungen in einem unübersichtlichen Feld. Freiburg: Lambertus.
    [24] Müller, Wolfgang (1964). Überblick über die Ergebnisse der Arbeitsgruppen. In Wolfgang Brezinka & Ella Kay (1964). Verantwortliche Jugendarbeit heute. Bericht vom Deutschen Jugendhilfetag in Berlin (S. 173–178). München: Juventa.
    [25] Podiumsgespräch (1964). In Wolfgang Brezinka & Ella Kay (1964). Verantwortliche Jugendarbeit heute. Bericht vom Deutschen Jugendhilfetag in Berlin (S. 179–196). München: Juventa.
    [26] Röhrs, Hermann (Hrsg.) (1968). Die Sozialpädagogik und ihre Theorie. Frankfurt am Main: Akademische Verlagsgesellschaft.
    [27] Zur Bestimmung von Sozialpädagogik und Sozialarbeit in der Gegenwart. Fünf Diskussionsbeiträge von Carl-Ludwig Furck, Hermann Giesecke, Klaus Mollenhauer, Martin Rudolf Vogel & Theodor Wilhelm. Zusammengestellt von Klaus Mollenhauer (1966). Weinheim: Beltz.
[28] [Klaus-Peter Horn]