Die Rollenproblematik des Lehrerberufs und die Bildung [Werkkommentar]

1 Werk: Formale Beschreibung

1.1 Leittext

[1] Mollenhauer, Klaus. Die Rollenproblematik des Lehrerberufs und die Bildung (Beitrag 1962; KMG 009-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqtv&edition=a.
[2] Basierend auf:
  • [3] Mollenhauer, Klaus (1962). Die Rollenproblematik des Lehrerberufes und die Bildung. Die Deutsche Schule, 54(10), 463–475.
[4] Der Aufsatz zur Rollenproblematik des Lehrerberufs ist erstmals 1962 erschienen und umfasst 13 Druckseiten. Der erste Absatz ist hier eingerückt und kursiv gesetzt und stellt eine Mischung aus einem Abstract und einer Einleitung dar.

1.2 Weitere Fassungen

[5] Die erste Wiederveröffentlichung des Aufsatzes von 1962 erfolgte 1968 in der Monografie Erziehung und Emanzipation (KMG 028-A), wo sie 22 Druckseiten plus knapp drei Seiten für die Anmerkungen im Anhang des Buches umfasst. Daraus, dass es zwei unterscheidbare Buchfassungen gibt (siehe Werkkommentar zu KMG 036), ergeben sich hier die zwei Fassungen 011-A und 011-B, die aber identisch sind. Sie sind im Onlineportal in der textkritischen interaktiven Ansicht des Aufsatzes berücksichtigt, werden aber gemäß den Editionsrichtlinien der KMG nicht als eigenständige Ansichten abgebildet.
[6] Für die Veröffentlichung in Erziehung und Emanzipation wurde der Beitrag an verschiedenen Stellen mehr oder weniger deutlich redaktionell und auch textlich verändert: 1. im Titel der Abhandlung (
Lehrerberufs
statt
Lehrerberufes
); 2. in der Einleitung (zwei neue Absätze, in die Teile des einleitenden Textteils der Fassung KMG 009-a eingearbeitet sind; erst ab dem dritten Absatz folgt mit kleineren Umformulierungen und Korrekturen die Fassung in Erziehung und Emanzipation der Fassung von 1962); 3. in den Zwischenüberschriften (die in der Fassung von 1962 lediglich mit römischen Ziffern markierten Zwischenüberschriften wurden durch Text-Zwischenüberschriften ersetzt); 4. im Abschnitt 18, wo Mollenhauer Überlegungen zur politischen Einstellung der Lehrerschaft und zu Mündigkeit als Aufgabe eingefügt hat. In dieser Fassung wurde der Aufsatz in den sieben Auflagen der Monografie bis 1977 veröffentlicht.
[7] Mollenhauer, Klaus. Die Rollenproblematik des Lehrerberufs und die Bildung (Beitrag 1971-1976; KMG 009-b). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqtv&edition=b.
[8] Basierend auf:
  • [9] Mollenhauer, Klaus (1971). Die Rollenproblematik des Lehrerberufs und die Bildung. In Klaus Betzen & Karl Ernst Nipkow (Hrsg.), Der Lehrer in Schule und Gesellschaft. Texte (S. 93–112 und S. 264–266). München: Piper.
  • [10] Mollenhauer, Klaus (1972). Die Rollenproblematik des Lehrerberufs und die Bildung. In Klaus Betzen & Karl Ernst Nipkow (Hrsg.), Der Lehrer in Schule und Gesellschaft. Texte (2. Auflage, S. 93–112 und S. 264–266). München: Piper.
  • [11] Mollenhauer, Klaus (1973). Die Rollenproblematik des Lehrerberufs und die Bildung. In Klaus Betzen & Karl Ernst Nipkow (Hrsg.), Der Lehrer in Schule und Gesellschaft. Texte (3. Auflage, S. 93–112 und S. 264–266). München: Piper.
  • [12] Mollenhauer, Klaus (1976). Die Rollenproblematik des Lehrerberufs und die Bildung. In Klaus Betzen & Karl Ernst Nipkow (Hrsg.), Der Lehrer in Schule und Gesellschaft. Texte (4. Auflage, S. 93–112 und S. 264–266). München: Piper.
[13] Knapp zehn Jahre nach seinem Ersterscheinen wurde der Beitrag 1971 erneut veröffentlicht. Mit ihrem Sammelband wollten die Herausgeber unter Rückgriff auf internationale Beiträge verschiedener Disziplinen die
Aufgaben, Verhaltensweisen, Probleme und Konflikte des Lehrers […] aufhellen
(Betzen & Nipkow, 1971, Klappentext)
. Diese in insgesamt vier Auflagen unverändert gedruckte Fassung bietet auf den Seiten 93–110 eine Wiederveröffentlichung des Aufsatzes nach der 2. Auflage 1969 von Erziehung und Emanzipation sowie auf den Seiten 110–112 ein Nachwort 1971, in dem Mollenhauer sich kritisch mit seinem Text von 1962 befasst. In der Druckausgabe umfasst der Text knapp 20, die Anmerkungen im Anhang etwas mehr als zwei Druckseiten.
[14] Mollenhauer, Klaus. Die Rollenproblematik des Lehrerberufs und die Bildung (Beitrag 1975; KMG 009-c). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqtv&edition=c.
[15] Basierend auf:
  • [16] Mollenhauer, Klaus (1975). Die Rollenproblematik des Lehrerberufs und die Bildung. In Heinrich Roth & Alfred Blumenthal (Hrsg.), Freiheit und Zwang der Lehrerrolle. (Auswahl. Grundlegende Aufsätze aus der Zeitschrift Die Deutsche Schule, Bd. 14, S. 5–20). Hannover: Schroedel.
[17] Die dritte Wiederveröffentlichung erlebte der Text in einer Sonderausgabe der Zeitschrift Die Deutsche Schule
zu den Problemen der Lehrerrolle in unserer Zeit
(Roth & Blumenthal, 1975, S. [3])
mit mehreren anderen Aufsätzen aus derselben Zeitschrift. Die Herausgeber
wählten […] sieben Aufsätze aus, die unter verschiedenen Aspekten untersuchen, wie der Lehrer selbst seine Rolle annehmen, mitbestimmen und verändern kann
(Roth & Blumenthal, 1975, S. [3])
. Die Fassung hier folgt dem Leittext von 1962 und umfasst 15 Druckseiten.

1.3 Übersetzungen

[18] Der Beitrag zur Rollenproblematik wurde 1974 in einer spanischen sowie in einer englischen Übersetzung in einer halbjährlich in zwei Parallelausgaben – Educacion bzw. Education – erscheinenden Zeitschrift, die in Tübingen vom Institut für wissenschaftliche Zusammenarbeit von 1960 bis 1999 herausgegeben wurde, veröffentlicht. Beiden Übersetzungen lag die Fassung des Beitrags in der 1971 erschienenen 6. Auflage von Erziehung und Emanzipation zugrunde.
  • [19] Mollenhauer, Klaus (1974). La problemática del rol en la profesión docente y la formación. Educacion. Colección semestral de aportaciones alemanas recientes en las ciencias pedagógicas, 9, 94–111.
  • [20] Mollenhauer, Klaus (1974). Role Uncertainties in the Teaching Profession and Their Relation to Education. Education. A Biannual Collection of Recent German Contributions to the Field of Educational Research, 9, 87–103.

1.4 Unveröffentlichte Quellen

[21] SUB Göttingen, Cod. Ms. K. Mollenhauer
  • [22] Korr. All. Eyfe: Eyferth, Hanns (1962). Brief an Klaus Mollenhauer (In dem Brief vom 28.10.1962 im Umfang von 2 Seiten gratuliert Eyferth Mollenhauer zur Veröffentlichung des Aufsatzes, übt aber Kritik daran, dass von den Autonomiemotiven aus Mollenhauers Aufsatz das eine,
    daß in der pluralistischen Gesellschaft jede Gruppe eine Art von Anspruch auf Autonomie stellen darf, etwas zu kurz kommt
    .)
  • [23] Manu. pub. 60 08: Mollenhauer, Klaus (o. D.). Die Rollenproblematik des Lehrerberufes (Das Typoskript des Aufsatzes im Umfang von 21 Seiten entspricht weitestgehend der gedruckten Erstfassung und enthält lediglich wenige hand- und maschinenschriftliche Korrekturen, die in die Druckfassung eingearbeitet wurden, beispielsweise die erste und letzte Fußnote des Textes. Teils enthält die Druckfassung allerdings auch Fehler, die das Typoskript nicht enthält.)
  • [24] Uni-Lehre 60 01: Mollenhauer, Klaus (1961/62). Seminarunterlagen, WS 1961/62 und SS 1962 (Klaus Mollenhauer hat im Sommersemester 1962 als Assistent von Heinrich Roth ein Proseminar
    Aktuelle Probleme der praktischen Pädagogik (Resultate empirischer Forschungen)
    durchgeführt
    (Georg-August-Universität Göttingen, 1962, S. 95)
    . Dazu finden sich hier einige Unterlagen.)
  • [25] Uni-Lehre 60 11: Mollenhauer, Klaus (1962). Textbuch zum Proseminar: Aktuelle Probleme der praktischen Pädagogik. (Resultate empirischer Forschungen). Dr. Mollenhauer, SS 1962. (Das Textbuch zu dem genannten Seminar enthält eine Sammlung von Referaten, die die Studierenden zu Fachtexten gehalten haben. Unter diesen Texten befinden sich mehrere Beiträge, die Mollenhauer in seinem Beitrag zur Rollenproblematik genutzt hat.)
[26] Privatbesitz Familie Mollenhauer:
  • [27] Mollenhauer, Klaus (1950–1951). Tagebuch III: Bremen 10.X.1950 bis 6.IV.1951 (Privatbesitz Familie Mollenhauer).
    (Das dritte von sechs erhaltenen Tagebüchern bezieht sich auf die Zeit, in der Mollenhauer Volksschullehrer in Bremen war. Hier hat er sich immer wieder mit seinen Erfahrungen als Lehrer beschäftigt.)

2 Inhalt und Kontexte

[28] Mollenhauer lernte das soziologische Rollenkonzept wohl erst Mitte der 1950er Jahre im Studium bei Helmuth Plessner kennen (Aßmann, 2015, S. 116–117), hat aber bereits in seiner Bremer Zeit (1950–1952) als Lehramtsanwärter das Lehrerdasein unter Verwendung des Ausdrucks Rolle thematisiert. So heißt es in seinem Tagebuch:
[…] müde von dem kleinlichen Unterrichtskampf […] Das Ich
Lehrer
, das im Grunde gar kein Ich ist, sondern lediglich irgendeine Rolle für dieses Stück, das ich 3 Jahre lang spielen muß, und das andere, scheinbar eigentliche Ich bleiben in hoffnungsloser Unentschlossenheit voreinander stehen. Jeder Wunsch, jeder Gedanke ist voller Unterrichtsplanen, jedes Unterrichtsplanen ist dieses nie ganz, weil unerträglich voll von Wünschen und Gedanken.
(Tagebuch III, S. 14–15, Eintrag vom 10.11.1950, Privatbesitz Familie Mollenhauer
; s. dazu auch Aßmann, 2015, S. 86–88).
[29] Mehr als zehn Jahre später nahm Mollenhauer dieses Thema im Rahmen eines
Vortrages vor der Arbeitskommission
Soziologie und Pädagogik
des Comenius-Institutes in Münster
(KMG 009-a, Abs. 009:1, Fußnote 1)
wieder auf, aus dem der Aufsatz zur Rollenproblematik des Lehrerberufes hervorging. Der Aufsatz zitiert im Titel die Abhandlung von Janpeter Kob Die Rollenproblematik des Lehrerberufes aus dem Jahr 1959 und nutzt sie als Einstieg in eine Auseinandersetzung mit einschlägiger neuerer Forschung und Literatur zum Lehrerberuf unter dem Leitbegriff der Rolle. In der soziologischen Herangehensweise Kobs sieht Mollenhauer einen guten Ansatzpunkt, vermisst aber zugleich die Berücksichtigung erziehungs- und bildungstheoretischer Perspektiven, was zu Stereotypen statt zu Erkenntnissen führen würde. Sein eigener Versuch soll darum dahin gehen,
mit Hilfe des Rollenbegriffs die pädagogische Problematik des Lehrerberufes in einigen wichtigen Aspekten festzustellen
(KMG 009-a, Abs. 009:5; Herv. i. O.)
.
[30] Im Zentrum der Argumentation steht der Begriff
pädagogische Selbstrolle
[als] die soziologische Form des Selbstverständnisses der Erzieherschaft bzw. der Pädagogik
(KMG 009-a, Abs. 009:16)
. Sowohl in den Ausbildungsstätten für das pädagogische Personal als auch im Berufsfeld würden sich divergente, heteronome und rivalisierende Rollenerwartungen finden, die zudem je nach Kontext (Schulform, Geschlecht, Stadt-Land-Differenz) unterschiedlich ausgeprägt seien. In der Auseinandersetzung mit bzw. Distanzierung von diesen Erwartungen entwickle sich
diejenige Konstellation von Eigenschaften, Verhaltensweisen und Meinungen, die der Erzieher, die Erzieherschaft […] und die pädagogische Theorie in einem pädagogischen Gedankengang und auf Grund der mit diesem verbundenen geschichtlichen Erfahrungen entwickelt haben und die sie von sich bzw. dem Erzieher erwarten
(KMG 009-a, Abs. 009:16)
.
[31] Die Spezifik der Lehrer-Rolle sei darin zu sehen, dass sie mit der Herausbildung einer an Individualität und Allgemeinbildung orientierten Schule durch
den ihr berufsspezifisch eigenen Auftrag der Allgemeinbildung
(KMG 009-a, Abs. 23, Abs. 009:25;Herv. i. O.)
geprägt sei. Mit dem Konzept der allgemeinen Bildung sei eine kritische, reflexive, distanzierte Stellung gegenüber den Erwartungen und verschiedenen Rollen verbunden, die
die Autonomie des Lehrers den an der Schule interessierten Gruppen gegenüber
(KMG 009-a, Abs. 26, Abs. 009:28; Herv. i. O.)
fordere.
[32] Abschließend benennt Mollenhauer offene Punkte, die hinsichtlich der Selbstrolle zu erforschen seien, z. B. bezüglich der verschiedenen Typen von Schulen, ihrer sozialen Lage, der Einbindung in Verwaltung und Beamtenapparat sowie insbesondere mit Blick auf die Frage, ob es sich bei der Selbstrolle möglicherweise lediglich um ein theoretisches Phänomen handeln könnte.
[33] In seinem dem Wiederabdruck von 1971 hinzugefügten Nachwort betont Mollenhauer, dass der Beitrag inzwischen neun Jahre alt sei und einiger Korrekturen bedürfe: Der Text basiere auf einem
funktionalistischen Optimismus
(KMG 009-b, Abs. 009:40)
; eine kritische Situationsdeutung und eigene Rolle entstünden nicht einfach funktional aus divergenten Erwartungen; anstelle des Konzepts der Selbstrolle sei die Theorie des symbolischen Interaktionismus zu empfehlen; der Beitrag enthalte
Elemente eines falschen Idealismus
(KMG 009-b, Abs. 009:42)
, denn die pädagogische Autonomie sei sehr eingeschränkt durch die
Reproduktionserwartungen gesellschaftlich herrschender Instanzen
(KMG 009-b, Abs. 009:42)
; das Verhältnis von Schüler*innen und Lehrer*innen sei unzureichend erfasst; eine Analyse der schulischen Rollen müsse unter Inhalts-, Beziehungs- und Verwertungsaspekten erfolgen.
[34] Mollenhauer hat keine
systematische
Schulpädagogik
(Herrlitz, 1998, S. 394)
entworfen, hat sich aber doch in unregelmäßigen Abständen und mit verschiedenen Fragestellungen dem Themenfeld Schule zugewandt. Der Beitrag Die Rollenproblematik des Lehrerberufes und die Bildung war der erste Text Mollenhauers in diesem Zusammenhang, allerdings mit einer besonderen Thematik verknüpft, die mit dem Begriff Rolle verbunden war. Den Rollenbegriff hatte er schon bei seinem Vortrag drei Jahre zuvor auf der Tagung der Gilde Soziale Arbeit genutzt und damit für einige Diskussionen gesorgt (s. KMG 004-a und KMG V11-a), wo er von Erich Weniger u. a. dafür mit dem Verdikt
schrecklicher Soziologismus
(KMG V11-a, Abs. V11:8)
belegt worden war. Der Versuch der Verbindung soziologischer Ansätze und erziehungswissenschaftlichen Denkens war im Beitrag Die Rollenproblematik des Lehrerberufes und die Bildung von 1962 von einer deutlich positiveren Bezugnahme auf die Tradition der geisteswissenschaftlichen Pädagogik geprägt als der Beitrag von 1959, was er im Nachwort 1971 selbst kritisiert hat. Von Rainer Winkel 1990 darauf angesprochen, ob er am Rollenbegriff weiterhin festhalte, erwiderte Mollenhauer, dass er diesen Begriff weiterhin für sinnvoll und nützlich halte. Das Konzept der Selbstrolle allerdings würde er nicht mehr vertreten (KMG V75-a, Abs. V75:8–20).

3 Rezeption

[35] Die frühe Rezeption des Beitrags von Mollenhauer rekurrierte vornehmlich auf das Konzept der
pädagogischen Selbstrolle
, das Mollenhauer selbst in seinem Nachwort von 1971 in Frage gestellt hat. Hans-Hermann Groothoff referiert und diskutiert Mollenhauers Aufsatz und dessen Nachwort von 1971 dazu in seinem Buch Funktion und Rolle des Erziehers auf etwas mehr als fünf Seiten und stellt ihn als einen vielbeachteten Beitrag zu dem Thema dar (Groothoff, 1972, S. 51–56). In den anderen Beiträgen der Sammelbände, in denen Mollenhauers Beitrag nachgedruckt wurde, ist davon jedoch wenig zu bemerken. Karl Ernst Nipkow geht an zwei Stellen auf Mollenhauers Beitrag mit dem Verweis auf das Konzept der pädagogischen
Selbstrolle
(Nipkow, 1971, S. 115 und Nipkow, 1971, S. 129) ein; in drei weiteren Beiträgen sind sehr knappe Verweise auf Mollenhauers Aufsatz zu finden (Götz, 1975, S. 24, 25 und 33; Hurrelmann, 1975, S. 92; Steinkamp, 1975, S. 60). Und auch in anderen Werken aus Groothoffs Literaturübersicht ist Mollenhauer nur wenig vertreten: je einmal bei Arno Combe und bei Klaus W. Döring mit dem Konzept der pädagogischen
Selbstrolle
, bei Combe zudem ohne entsprechenden Literaturnachweis (Combe, 1971, S. 92; Döring, 1970, S. 86). 1976 nimmt Wilhelm Brinkmann auf Mollenhauers Beitrag und insbesondere auf das Konzept der Selbstrolle Bezug (Brinkmann, 1976, S. 8–9 und S. 14–15).
[36] In der Zeit von Anfang der 1970er Jahre bis in die 1990er Jahre wandten sich die Debatten zum Thema Lehrer*innen stärker profession(alisierung)stheoretischen Überlegungen zu, in denen die Rollenproblematik keine Rolle mehr spielte (Gehrmann, 2003, Kap. 2.2, S. 74–102, hierin insb. S. 76–79). Die Rollenproblematik des Lehrerberufes und die Bildung wurde erst in den Nachrufen von Parmentier & Gruschka (1998) und Brumlik (1998), v. a. aber in dem von Herrlitz (1998) zum Gegenstand. Gemeinsam ist diesen Texten, dass sie als Besonderheit des Aufsatzes den soziologischen und empirischen Zugriff auf das traditionell pädagogische Thema des Lehrerberufes hervorheben und den damit ausgelösten Impuls würdigen. Für den erziehungswissenschaftlichen Fachdiskurs, in dem soziologische bzw. sozialwissenschaftliche Ansätze in den frühen 1960er Jahren noch randständig waren, sei der Aufsatz zur Rollenproblematik sowohl inspirierend als auch vorwegnehmend gewesen (Herrlitz, 1998, S. 400). Auch wenn der Autor selbst seinen Aufsatz in der Rückschau kritisch gesehen habe, sei festzuhalten, dass Mollenhauer hier vieles von dem, was später in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion der konflikthaften Lehrerrolle diskutiert worden sei,
vorbereitet und vorweggedacht
(Herrlitz, 1998, S. 395)
habe. Es lohne sich daher, Mollenhauers frühe Beiträge zur Schule (wieder) zu lesen, wobei man
sich dabei, wissenschaftsgeschichtlich betrachtet, der Originalität seiner Denkanstöße bewußt [...] werden
(Herrlitz, 1998, S. 400)
könne, was auch für die Rollenproblematik gelte, in der er bereits
die Chance der Erziehungswissenschaft sah, sich dem
empirisch-gesellschaftlichen Raum
der Erziehungswirklichkeit zuzuwenden, ohne sich den dort herrschenden Orientierungen und Praktiken unkritisch zu unterwerfen [und das] pädagogische, auch das schulpädagogische Denken sozialwissenschaftlich zu öffnen
(Herrlitz, 1998, S. 400)
.

4 Literatur

4.1 Andere hier verwendete Werke von Klaus Mollenhauer

    [37] Mollenhauer, Klaus. Soziale Arbeit heute. Gedanken über ihre sozialen und ideologischen Voraussetzungen (Beitrag 1959; KMG 004-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqv4&edition=a.
    [38] Eyferth, Hanns.
    Die Diskussionen der Jahrestagung
    (Gespräch 1959; KMG V11-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqvh&edition=a.
    [39] Mollenhauer, Klaus & Winkel, Rainer. Pädagogik – gestern, heute und morgen. Klaus Mollenhauer im Gespräch mit Rainer Winkel – Teil 3 (Gespräch 1990; KMG V75-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqfk&edition=a.

4.2 Weitere Literatur

    [40] Aßmann, Alex (2015). Klaus Mollenhauer. Vordenker der 68er – Begründer der emanzipatorischen Pädagogik. Eine Biografie. Paderborn: Schöningh.
    [41] Brinkmann, Wilhelm (1976). Der Beruf des Lehrers. Perspektiven der Erziehungswissenschaft und der Lehrerverbände. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
    [42] Brumlik, Micha (1998). Klaus Mollenhauer – Die Sozialpädagogik in der Einheit seines Werks. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 1(3), 431–440.
    [43] Combe, Arno (1971). Kritik der Lehrerrolle. Gesellschaftliche Voraussetzungen und soziale Folgen des Lehrerbewußtseins. München: List.
    [44] Döring, Klaus W. (1970). Lehrerverhalten und Lehrerberuf. Zur Professionalisierung erzieherischen Verhaltens. Weinheim: Beltz.
    [45] Gehrmann, Axel (2003). Der professionelle Lehrer. Muster der Begründung – Empirische Rekonstruktion. Opladen: Leske und Budrich.
    [46] Georg-August-Universität Göttingen (1962). Personal- und Vorlesungsverzeichnis. Sommersemester 1962. Göttingen: Universität Göttingen (http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN721546412_1962_SS).
    [47] Götz, Bernd (1975). Freiheit und Zwang der Lehrerrolle (zuerst 1973). In Heinrich Roth & Alfred Blumenthal (Hrsg.), Freiheit und Zwang der Lehrerrolle (Auswahl. Grundlegende Aufsätze aus der Zeitschrift Die Deutsche Schule, Bd. 14, S. 21–41). Hannover: Hermann Schroedel.
    [48] Groothoff, Hans-Hermann (1972). Funktion und Rolle des Erziehers. München: Juventa.
    [49] Herrlitz, Hans-Georg (1998). Nachdenken über Schule. Zur Erinnerung an Klaus Mollenhauer. Die Deutsche Schule, 90(4), 394–400.
    [50] Hurrelmann, Klaus (1975). Der schwierige Weg zum
    pädagogischen Experten
    (zuerst 1971). In Heinrich Roth & Alfred Blumenthal (Hrsg.), Freiheit und Zwang der Lehrerrolle (Auswahl. Grundlegende Aufsätze aus der Zeitschrift Die Deutsche Schule, Bd. 14, S. 76–95). Hannover: Hermann Schroedel.
    [51] Nipkow, Karl Ernst (1971). Beruf und Person des Lehrers – Überlegungen zu einer pädagogischen Theorie des Lehrers (zuerst 1967). In Klaus Betzen & Karl Ernst Nipkow (Hrsg.), Der Lehrer in Schule und Gesellschaft. Texte (S. 113–139 und S. 267–272). München: Piper.
    [52] Parmentier, Michael & Gruschka, Andreas (1998). Der Pädagoge als Intellektueller. Erinnerungen an Klaus Mollenhauer. Pädagogische Korrespondenz, 23, 5–24.
    [53] Roth, Heinrich & Blumenthal, Alfred (1975). Vorwort. In Heinrich Roth & Alfred Blumenthal (Hrsg.), Freiheit und Zwang der Lehrerrolle (Auswahl. Grundlegende Aufsätze aus der Zeitschrift Die Deutsche Schule, Bd. 14, S. 3–4). Hannover: Hermann Schroedel.
    [54] Steinkamp, Günther (1975). Der Lehrer als Agent sozialen Wandels (zuerst 1971). In Heinrich Roth & Alfred Blumenthal (Hrsg.), Freiheit und Zwang der Lehrerrolle (Auswahl. Grundlegende Aufsätze aus der Zeitschrift Die Deutsche Schule, Bd. 14, S. 51–66). Hannover: Hermann Schroedel.
[55] [Klaus-Peter Horn]