Sozialarbeit im Spannungsfeld sozialer Konflikte – Aspekte eines zukünftigen Selbstverständnisses [Werkkommentar]

1 Werk: Formale Beschreibung

1.1 Leittext

[1] Mollenhauer, Klaus. Sozialarbeit im Spannungsfeld sozialer Konflikte – Aspekte eines zukünftigen Selbstverständnisses (Beitrag 1968; KMG 031-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqrf&edition=a.
[2] Basierend auf:
  • [3] Mollenhauer, Klaus (1968). Sozialarbeit im Spannungsfeld sozialer Konflikte – Aspekte eines zukünftigen Selbstverständnisses. Neues Beginnen, 19(4), 129–135.
[4] Der Beitrag im Augustheft 1968 der Zeitschrift Neues Beginnen. Zeitschrift der Arbeiterwohlfahrt für Theorie und Praxis der sozialen Arbeit geht zurück auf einen Vortrag, den Klaus Mollenhauer am 20. Mai 1968 bei der Tagung Die Rolle des Sozialarbeiters in der künftigen Gesellschaft der Arbeiterwohlfahrt (Abkürzungen AWO bzw. AW) in Braunschweig gehalten hat. Er umfasst ca. 6,5 Druckseiten.
[5] Im gleichen Heft findet sich auch ein kurzer Tagungsbericht und der (gekürzte) zweite Hauptvortrag Aspekte sozialer Planung von Gerhard Wilhelm Brück.

1.2 Weitere Fassungen

[6] Mollenhauer, Klaus. Sozialarbeit im Spannungsfeld sozialer Konflikte – Aspekte eines zukünftigen Selbstverständnisses (Beitrag 1968; KMG 031-b). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqrf&edition=b.
[7] Basierend auf
  • [8] Mollenhauer, Klaus (ca. 1968). Sozialarbeit im Spannungsfeld sozialer Konflikte – Aspekte eines zukünftigen Selbstverständnisses. In Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. Bonn (Hrsg.), Die Rolle des Sozialarbeiters in der künftigen Gesellschaft. Vorträge, Diskussionen und Arbeitsgruppenberichte der AW-Sozialarbeitertagung vom 19. Bis 22. Mai 1968 in Braunschweig (S. 8–13). Bonn: Arbeiterwohlfahrt.
[9] Die Textfassung in der Tagungsdokumentation (ca. 5,5 Druckseiten) ist als Nachdruck aus der Zeitschrift Neues Beginnen ausgewiesen (Mollenhauer, 1968, S. 6). Das Heft enthält neben den bereits oben genannten Texten die Dokumentation der Podiumsdiskussion (s. KMG V25-a) und der Diskussion zum zweiten Hauptvortrag, Berichte über die neun Arbeitsgruppen sowie ein Vorwort der Vorsitzenden des Bundesverbandes der AWO, Lotte Lemke, und ein Schlusswort des seinerzeitigen AWO-Geschäftsführers Richard Haar.
[10] Der gleichnamige Beitrag im Rundbrief der Gilde Soziale Arbeit 1968 (KMG 030-a) stellt einen eigenen Text dar.

1.3 Übersetzungen

[11] Übersetzungen liegen unserem Kenntnisstand nach nicht vor.

1.4 Unveröffentlichte Quellen

[12] SUB Göttingen, Cod. Ms. K. Mollenhauer
  • [13]
    Manu. nicht-pub. oD 17: Ohne Titel. Ohne Datum (Das undatierte und unbetitelte Typoskript im Umfang von 16 Seiten stimmt ab S. 4 inhaltlich mit dem Text KMG 031-a überein. Die Abschnittüberschriften im Typoskript sind zusätzlich mit römischen Ziffern durchnummeriert. Der Abschnitt
    I. Was ist Sozialarbeit?
    im Typoskript enthält Vorüberlegungen zum Begriff Sozialarbeit, zum Verhältnis von Sozialarbeit und (Sozial-)Pädagogik und Erziehung sowie zu Tätigkeitsmerkmalen und Selbstverständnis der Sozialarbeit. Hieran schließt dann der in der Zeitschrift dokumentierte Vortragstext an, der noch Teile des ersten Abschnittes aus dem Typoskript enthält.
    [14] Besonderes Interesse verdienen die Ausführungen Mollenhauers zur Frage, ob Sozialarbeit als pädagogisch zu kennzeichnen sei, die nicht in den publizierten Text übernommen wurden:
    Der zweite Weg [der Bestimmung, was Sozialarbeit sei] führt zu dem angeblich pädagogischen Charakter der Tätigkeiten. Man hat hier und da gemeint (auch ich selbst vor Jahren noch), daß es eine Möglichkeit gäbe, die Einheit der sozialen Berufe dadurch zu konstituieren, daß man sich auf den pädagogischen Bestandteil all dieser Berufe besinnt und infolgedessen in der pädagogischen Theorie gleichsam das theoretisch verbindende Glied aller hat. Je mehr aber das Feld der sozialen Arbeit sich differenziert, je unterschi[e]dlicher deshalb auch die Tätigkeitsmerkmale in den einzelnen Bereichen werden, umso ideologischer muß ein Versuch dieser Art erscheinen. Umso mehr muß zum Vorschein kommen, daß der Versuch, Sozialarbeit auf pädagogische Phänomen[e] zu reduzieren, eine Verengung des Feldes bedeutet, die dem
    Ganzen
    der Sozialarbeit nicht mehr gerecht werden kann.
    (S. 2))
  • [14] Manu. nicht-pub. oD 18: Sozialarbeit und Sozialpädagogik (Das gut zweiseitige Typoskript enthält in neun Punkte gegliedert Überlegungen zu den zwei Fragen, wie das Verhältnis von Sozialpädagogik und Sozialarbeit zu bestimmen sei und ob es sich um eine sinnvolle Unterscheidung handele. Im Rahmen der AWO-Tagung in Braunschweig 1968 war eine Arbeitsgruppe dem
    Verhältnis von Sozialarbeit und Sozialpädagogik
    gewidmet. Im Protokoll dazu (Arbeitsgruppe, o. J. <1968>) werden verschiedene Aspekte angesprochen (Wandel des Erziehungsverständnisses unter namentlichem Verweis auf Mollenhauer, Ausbildungsproblematik, Selbstverständnisfrage), zu denen sich in den Notizen Mollenhauers Entsprechungen finden. Die Verwendung der Begriffe
    Emanzipation
    und
    Sozialisation
    ermöglicht zudem die Einordnung der Notizen in die zweite Hälfte der 1960er Jahre.)

2 Inhalt und Kontexte

[15] Thema des Vortrags von Klaus Mollenhauer ist die seit Beginn der sozialen Arbeit bestehende Problematik der Orientierung an den Bedarfen der Klienten einerseits und an den gesellschaftlichen Zielvorgaben andererseits und die daraus resultierende Frage nach dem Selbstverständnis der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Diese später unter dem Stichwort
doppeltes Mandat
(Böhnisch & Lösch, 1973, insb. S. 27–29)
diskutierte Problemlage sozialarbeiterischen Handelns zwischen persönlicher Hilfe und gesellschaftlicher (Kontroll-)Funktion wird von Mollenhauer ergänzt um die Frage nach der Rolle der Sozialarbeit zwischen Symptombehandlung und Gesellschaftsveränderung. Ausgehend von der Feststellung, dass die Probleme, die die Sozialarbeit bearbeiten müsse, eng mit der jeweils gegebenen Sozialstruktur zusammenhingen, stelle sich die Frage, ob nicht Solidarisierung mit den Klienten statt Verständnis und Hilfe zur Integration vordringlich wären. Verstehe man die Sozialarbeiter als Anwälte der Klienten, die an Demokratisierung und einer humanen Existenz der Subjekte orientiert seien, dann sei es unabweisbar, dass die
Tätigkeit des Sozialarbeiters […] durch soziale Interessen geleitet sein[,] [s]ein Selbstverständnis […] im Interesse der von ihm Betreuten an der Emanzipation aus ihrer unterprivilegierten Lage [liegen und auf] das interessegeleitete Lernen der Klienten unter den Bedingungen sozialer Konflikte
(KMG 031-a, Abs. 031:18)
ausgerichtet sein müsse. Ein unpolitisches Selbstverständnis der Sozialarbeiter, das lediglich auf Nothilfe als Anpassung und Befriedung abhebe statt auf die grundsätzliche Lösung von gesellschaftspolitischen Problemen, sei nicht mehr ausreichend. Stattdessen sei das Ziel, dass der
Sozialarbeiter […] ein politisches Verständnis seiner Rolle […] erringe[], das aus der Einsicht in die Lage der Klienten politische Energie zu schlagen vermag
(KMG 031-a, Abs. 031:19)
.
[16] Mollenhauer schließt mit seinem Vortrag an Überlegungen an, die er bereits 1964 in seiner Einführung in die Sozialpädagogik und in der Folgezeit geäußert hatte, wenn er zwischen Integration und Einfügung in die bestehende Ordnung einerseits und Unterstützung der Selbsttätigkeit und des Mündigwerdens andererseits unterscheidet und letztere als die eigentliche Aufgabe der Sozialpädagogik ansieht (KMG 011-A, S. 011:34–36). In dem Vortrag von 1968 betont er allerdings deutlich stärker als zuvor die politische Haltung und das politische Bewusstsein der Sozialarbeiter*innen sowie die Solidarisierung mit den Klient*innen. Damit traf er eine Tonlage, die auch in der folgenden Podiumsdiskussion bemerkbar wurde und eine deutliche Politisierung der Sozialpädagogik/Sozialarbeit forderte (s. dazu KMG V25-a).

3 Rezeption

[17]
Das geistreiche erste Hauptreferat der Tagung von Prof. Dr. Klaus Mollenhauer von der Universität Kiel […] löste viel Beifall, aber auch Widerspruch aus
(Tagungsbericht, o. J. <1968>, S. 6)
, schrieb der anonyme Berichterstatter zum Vortrag Mollenhauers im Tagungsbericht. Eine unmittelbare Rezeption ist in der Podiumsdiskussion während der Tagung zu finden (s. dazu KMG V25-a). In der zeitgenössischen Debatte zur politischen Aufgabe der Sozialen Arbeit wurden der Vortrag und die anschließende Diskussion unserem Kenntnisstand nach nicht aufgegriffen, und in der späteren Rezeption wird der Vortrag unter Rückgriff auf dessen abschließende Passage,
der Sozialarbeiter möge
ein politisches Verständnis seiner Rolle […] erringen, das aus der Einsicht in die Lage der Klienten politische Energie zu schlagen vermag
, nur von Christian Niemeyer mehrfach erwähnt
(Niemeyer, 1998, S. 467
; s. a. Niemeyer, 2010, S. 229; Niemeyer & Rautenberg, 2012, S. 338).

4 Literatur

4.1 Andere hier verwendete Werke von Klaus Mollenhauer

    [18] Mollenhauer, Klaus. Einführung in die Sozialpädagogik. Probleme und Begriffe (Monografie 1964; KMG 011-A). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqtk&edition=A.
    [19] Mollenhauer, Klaus. Podiumsdiskussion.
    Die Rolle des Sozialarbeiters in der künftigen Gesellschaft
    am 21. Mai 1968 (Gespräch 1968; KMG V25-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqr9&edition=a.
    [20] Mollenhauer, Klaus.
    Sozialarbeit im Spannungsfeld gesellschaftlicher Konflikte – Aspekte eines zukünftigen Selbstverständnisses.
    . Kurzfassung eines Vortrages bei der Sozialarbeitertagung 19.–22. Mai 1968 der Arbeiterwohlfahrt zu Braunschweig. (Beitrag 1968; KMG 030-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqrc&edition=a.

4.2 Weitere Literatur

    [21] Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V. (Hrsg.) (o. J. <1968>), Die Rolle des Sozialarbeiters in der künftigen Gesellschaft. Vorträge, Diskussionen und Arbeitsgruppenberichte der AW-Sozialarbeitertagung vom 19. bis 22. Mai 1968 in Braunschweig. Bonn: Arbeiterwohlfahrt.
    [22] Arbeitsgruppe
    Verhältnis von Sozialpädagogik und Sozialarbeit
    (o. J. <1968>. In Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V. (Hrsg.), Die Rolle des Sozialarbeiters in der künftigen Gesellschaft. Vorträge, Diskussionen und Arbeitsgruppenberichte der AW-Sozialarbeitertagung vom 19. bis 22. Mai 1968 in Braunschweig (S. 39). Bonn: Arbeiterwohlfahrt.
    [23] Böhnisch, Lothar & Lösch, Hans (1973). Das Handlungsverständnis des Sozialarbeiters und seine institutionelle Determination. In Hans-Uwe Otto & Siegfried Schneider (Hrsg.), Gesellschaftliche Perspektiven der Sozialarbeit (Zweiter Halbband, S. 21–40). Neuwied: Luchterhand.
    [24] Niemeyer, Christian (1998). Klaus Mollenhauer und sein Verhältnis zur geisteswissenschaftlichen (Sozial-)Pädagogik. Neue Praxis, 28(5), 465–472.
    [25] Niemeyer, Christian (2010). Klaus Mollenhauer (1928–1998): Der eine Enkel geisteswissenschaftlicher Sozialpädagogik. In Christian Niemeyer, Klassiker der Sozialpädagogik: Einführung in die Theoriegeschichte einer Wissenschaft (3., aktualisierte Auflage, S. 212–251). Weinheim: Juventa.
    [26] Niemeyer, Christian & Rautenberg, Michael (2012). Klaus Mollenhauer (1928-1998). Pädagogik als vergessener Zusammenhang. In Bernd Dollinger (Hrsg.), Klassiker der Pädagogik. Die Bildung der modernen Gesellschaft (3. Auflage, S. 331–352). Wiesbaden: VS.
    [27] Tagungsbericht. Die Rolle des Sozialarbeiters in der künftigen Gesellschaft. Bericht über die Sozialarbeitertagung vom 19. bis 22. Mai 1968 in Braunschweig (o. J. <1968>). In Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V. (Hrsg.), Die Rolle des Sozialarbeiters in der künftigen Gesellschaft. Vorträge, Diskussionen und Arbeitsgruppenberichte der AW-Sozialarbeitertagung vom 19. bis 22. Mai 1968 in Braunschweig (S. 6–7). Bonn: Arbeiterwohlfahrt.
[28] [Klaus-Peter Horn]