„Empirisch-analytische Wissenschaft“ versus „Pädagogische Handlungsforschung“ : eine irreführende Alternative [Werkkommentar]

1 Werk: Formale Beschreibung

1.1 Leittext

[1] Mollenhauer, Klaus & Rittelmeyer, Christian.
Empirisch-analytische Wissenschaft
versus
Pädagogische Handlungsforschung
: eine irreführende Alternative. Zu den Beiträgen von Haeberlin und Blankertz/Gruschka in diesem Heft (Beitrag 1975; KMG 051-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqpp&edition=a.
[2] Basierend auf:
  • [3] Mollenhauer, Klaus & Rittelmeyer, Christian (1975).
    Empirisch-analytische Wissenschaft
    versus
    Pädagogische Handlungsforschung
    : Eine irreführende Alternative. Zeitschrift für Pädagogik, 21(5), 687–693.
[4] Es handelt sich bei diesem Werk um einen Diskussionsbeitrag von 6 1/2 Seiten in einem Themenheft Theorie- und Methodenprobleme der Erziehungswissenschaft der Zeitschrift für Pädagogik, mit dem die Autoren auf zwei im selben Heft erschienene Beiträge von Urs Haeberlin(1975) und Herwig Blankertz und Andreas Gruschka(1975) antworten. Der Diskussionsbeitrag enthält nach einem einleitenden Absatz acht Thesen, mit denen sie
der weiteren Diskussion eine Richtung
(KMG 051-a, Abs. 051:1)
geben wollen. Das insofern als Thesenpapier verfasste Werk kommt, abgesehen von Bezugnahmen auf die beiden weiteren Diskussionsbeiträge des Thementeils, ohne Verweise auf Sekundärliteratur aus.

1.2 Weitere Fassungen

[5] Weitere Fassungen liegen unserem Kenntnisstand nach nicht vor.

1.3 Übersetzungen

[6] Übersetzungen liegen unserem Kenntnisstand nach nicht vor.

1.4 Unveröffentlichte Quellen

[7] Diesem Werk konnten keine unveröffentlichten Quellen zugeordnet werden.

2 Inhalt und Kontexte

[8] Das Werk setzt sich in rhetorisch zugespitzter Form mit den beiden Diskussionsbeiträgen von Haeberlin und Blankertz & Gruschka auseinander, die im selben Heft der Zeitschrift für Pädagogik erschienen sind (Haeberlin, 1975; Blankertz & Gruschka, 1975). Während Haeberlin in seinem Beitrag vom Standpunkt der empirisch-analytischen Vorgehensweise die methodischen Standards der erziehungswissenschaftlichen Forschung verletzt sieht, verteidigt der Beitrag von Blankertz & Gruschka die Handlungsforschung als eine an emanzipatorischen Prozessen interessierte erziehungswissenschaftliche Methode gegen die Position Haeberlins. Dies geschah offenbar in der Annahme, sich damit auch auf Argumentationen Mollenhauers berufen zu können, wie dem Bericht Gruschkas zu entnehmen ist:
1975 war ich […] maßlos überrascht darüber, daß jemand, den ich in jeder Hinsicht als einen Mitstreiter betrachtete, sich als Nicht-Verstehender darstellte
(Gruschka in
Parmentier & Gruschka, 1998, S. 20
). Hintergrund der methodologischen Argumentation von Blankertz & Gruschka (1975) ist der Modellversuch eines Oberstufenkollegs, zu dem ein Begleitforschungsprojekt von Erziehungswissenschaftler*innen der Universität Münster durchgeführt wurde. Dabei wurde eine Verbindung von Forschung und Praxis im Sinne der Handlungsforschung erprobt. Die auf dieses Projekt und dessen methodologische Begründung bezogenen Thesen Mollenhauers und Rittelmeyers nehmen in knapper Form die zentralen Grundsätze vorweg, die in ihrem gemeinsamen Buch Methoden der Erziehungswissenschaft (KMG 057-A) weiter ausgeführt wurden: Wissenschaftliche Methode als
Explikation, Präzisierung und Kontrolle
(KMG 051-a, Abs. 051:4)
jener Operationen, die auch im Alltagshandeln der Menschen ständig vorgenommen würden; wissenschaftliche Forschung habe es niemals mit der
Totalität
(KMG 051-a, Abs. 051:6)
der Erziehungswirklichkeit zu tun, sondern immer nur mit perspektivisch bzw. begrifflich
segmentiert[er]
(KMG 051-a, Abs. 051:6)
Wirklichkeit; Forschungsproband*innen nur als
Objekte
oder als
Subjekte
zu sehen, sei eine falsche Alternative, da sie bei aller Anerkennung ihrer
Subjekthaftigkeit
im Forschungsprozess immer auch zu
Objekten
der Erkenntnis würden; Forschungskommunikation beruhe auf
dialogkonstituierenden Universalien
(KMG 051-a, Abs. 051:11)
, die auf Verständigung zielten; die Trennung von
Tatsachenfragen
und
Geltungsfragen
(KMG 051-a, Abs. 051:11)
lasse sich in der Forschung nicht umgehen; letztlich würden auch für die als Handlungsforschung bezeichneten methodischen Zugänge dieselben
forschungslogischen Postulate, die der empirisch-analytischen Wissenschaft zugrunde liegen
(KMG 051-a, Abs. 051:19)
, gelten. Zum weiteren wissenschaftshistorischen und werkbezogenen Kontext vgl. den Werkkommentar zu der Monografie Methoden der Erziehungswissenschaft (KMG 057-A; vgl. darüber hinaus KMG 045-a, KMG 046-a und die entsprechende Passage im Werkkommentar zu Theorien zum Erziehungsprozeß, KMG 047-A1).

3 Rezeption

[9] Eine über gelegentliche werkbiographische Einordnungen (Parmentier & Gruschka, 1998; Tenorth, 2000) hinausgehende Rezeption liegt unserem Kenntnisstand nach nicht vor. Andreas Gruschka setzt sich in einem Gespräch mit Michael Parmentier anlässlich des Todes von Klaus Mollenhauer mit der Kritik auseinander, die Mollenhauer an dem von ihm und Herwig Blankertz verfassten Diskussionsbeitrag zur Handlungsforschung geübt hat. Während Gruschka Mollenhauer in der Sache nachträglich Recht gibt, irritiert ihn
die Schärfe der Kritik
(Parmentier & Gruschka, 1998, S. 18)
. Zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Beitrag von Mollenhauer und Rittelmeyer (1975) wie auch mit dem zwei Jahre später publizierten Buch beider Autoren zu den Methoden der Erziehungswissenschaft (KMG 057-A) resümiert Gruschka:
Danach [nach dem Themenheft der Zeitschrift für Pädagogik 1975, die Hrsg.] wurde leider nicht mehr über die Methodologie der erziehungswissenschaftlichen Forschung diskutiert, auch nicht über das Mollenhauer/Rittelmeyer-Buch zum Aufsatz
(Parmentier & Gruschka, 1998, S. 18)
.

4 Literatur

4.1 Andere hier verwendete Werke von Klaus Mollenhauer

    [10] Mollenhauer, Klaus. Diskussionsbeitrag zur Frage pädagogischer ‚Handlungsforschung‘ (Beitrag 1972; KMG 045-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqqg&edition=a.
    [11] Mollenhauer, Klaus. Prioritäten der Erziehungs- und Bildungsforschung (Beitrag 1972; KMG 046-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqqd&edition=a.
    [12] Mollenhauer, Klaus. Theorien zum Erziehungsprozeß. Zur Einführung in erziehungswissenschaftliche Fragestellungen (Monografie 1972; KMG 047-A1). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqq8&edition=A1.
    [13] Mollenhauer, Klaus & Rittelmeyer, Christian. Methoden der Erziehungswissenschaft (Monografie 1977; KMG 057-A). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqnx&edition=A.

4.2 Weitere Literatur

    [14] Blankertz, Herwig & Gruschka, Andreas (1975). Handlungsforschung: Rückfall in die Empiriefeindlichkeit oder neue Erfahrungsdimension. Zeitschrift für Pädagogik, 21(5), 677–686.
    [15] Haeberlin, Urs (1975). Empirische Analyse und pädagogische Handlungsforschung. Zeitschrift für Pädagogik, 21(5), 653–676.
    [16] Parmentier, Michael & Gruschka, Andreas (1998). Der Pädagoge als Intellektueller. Erinnerungen an Klaus Mollenhauer. Pädagogische Korrespondenz, 23, 5–24.
    [17] Tenorth, Heinz-Elmar (2000). Kritische Erziehungswissenschaft.Oder von der Notwendigkeit der Übertreibung bei der Erneuerung der Pädagogik. In Cornelie Dietrich & Hans-Rüdiger Müller (Hrsg.), Bildung und Emanzipation. Klaus Mollenhauer weiterdenken. (S. 17–25). Weinheim und München: Juventa.
[18] [Hans-Rüdiger Müller]