Fingererzählungen – eine pädagogische Spekulation [Werkkommentar]

1 Werk: Formale Beschreibung

1.1 Leittext

[1] Mollenhauer, Klaus. Fingererzählungen – eine pädagogische Spekulation (Beitrag 1986; KMG 090-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqjd&edition=a.
[2] Basierend auf:
  • [3] Mollenhauer, Klaus (1986). Fingererzählungen – Eine pädagogische Spekulation. Neue Sammlung, 26, 368–380.
[4] Der Text enthält eine Anmerkung zum Titel sowie 20 Fußnoten, die überwiegend den Literaturnachweisen dienen.

1.2 Weitere Fassungen

[5] Der Beitrag wurde 1989 in den von Wilfried Lippitz und Christian Rittelmeyer herausgegebenen Band Phänomene des Kinderlebens übernommen. Die Anmerkung zum Titel und die Fußnoten wurden in Endnoten umgewandelt, z. T. ergänzt und neu nummeriert. Der Text wurde für die Neuveröffentlichung an verschiedenen Stellen redaktionell, aber auch inhaltlich durch Streichung und Einfügung von Textteilen überarbeitet.
[6] Der Band ist 1990 unverändert in zweiter Auflage erschienen.
  • [7] Mollenhauer, Klaus. Fingererzählungen – eine pädagogische Spekulation (Beitrag 1989, 1990; KMG 090-b). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqjd&edition=b.
[8] Basierend auf:
  • [9] Mollenhauer, Klaus (1989). Fingererzählungen – Eine pädagogische Spekulation. In Wilfried Lippitz & Christian Rittelmeyer (Hrsg.), Phänomene des Kinderlebens. Beispiele und methodische Probleme einer pädagogischen Phänomenologie (S. 39–51). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
  • [10] Mollenhauer, Klaus (1990). Fingererzählungen – Eine pädagogische Spekulation. In Wilfried Lippitz & Christian Rittelmeyer (Hrsg.), Phänomene des Kinderlebens. Beispiele und methodische Probleme einer pädagogischen Phänomenologie (2. Auflage, S. 39–51). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

1.3 Übersetzungen

[11] 1991 wurde eine englische Übersetzung veröffentlicht:
  • [12] Mollenhauer, Klaus (1991). Finger Play. A Pedagogical Reflection. Phenomenology + Pedagogy. A human science journal, 9, 286–300.

1.4 Unveröffentlichte Quellen

[13] SUB Göttingen, Cod. Ms. K. Mollenhauer
  • [14] Korr. All. Hent: Korrespondenz zwischen Hartmut von Hentig und Klaus Mollenhauer. (Inhaltlicher Austausch über Mollenhauer-Aufsatz und Organisation der Veröffentlichung. Bielefeld, Göttingen: 9.5.1986 bis 2.6.1986, 5 Briefe)
  • [15] Korr. All. Mane: Korrespondenz zwischen Max van Manen und Klaus Mollenhauer. (Anfrage für Zeitschrift Phenomenology + Pedagogy. Göttingen, Edmonton: 4.9.1989 bis 28.5.1992, 16 Briefe)
  • [16] Manu. pub. 80 27: Mollenhauer, Klaus (o. D.). Fingererzählungen – Eine pädagogische Spekulation. (Fahne mit Korrekturen, o. O. 22 Seiten. Notiz auf Seite 1:
    insgesamt 50 Ex.
    ).
  • [17] Manu. pub. 90 06 – 001: Mollenhauer, Klaus (1991). Finger Play: A pedagogical Reflection. (Englische Übersetzung von
    Fingererzählungen – Eine pädagogische Spekulation
    . Göttingen: 16 Seiten. Laut beiliegendem Brief handelt es sich um einen Entwurf für letzte Korrekturen)
  • [18] Manu. pub. 90 07: Mollenhauer, Klaus (o. D.). Pedagogical Reflections on Finger play. (Englische Fassung von
    Fingererzählungen – Eine pädagogische Spekulation
    . Text mit Anmerkungen von Max van Manen, 19 Seiten)

2 Inhalt und Kontexte

[19] Der Zeitschriftenbeitrag ist in die folgenden fünf Unterabschnitte gegliedert: 1. Die Sache, 2. Geschichtliches, 3. Archaisches, 4. Fälschungen, 5. Bedeutungen.
[20] Anhand einer Fingererzählung (
Dies ist der Daumen / der schüttelt die Pflaumen / der liest sie auf / der bringt sie nach Haus / und dieser kleine Schelm, der ißt sie alle auf
,
KMG 090-a, Abs. 090:2
) thematisiert der Beitrag die Bedeutung der Hand und der durch sie ermöglichten komplexen Interaktionen zwischen Erwachsenen und Kindern sowie zwischen dem kindlichen Subjekt und den Objekten seiner Umgebung für die Ich-Konstitution im Kindesalter.
[21] Zur Entstehung des Textes erläutert der Autor in einer Anmerkung zum Titel, dass er zu der Beschäftigung mit dem Thema durch Rudolf Schenda (1984; 1985) angeregt wurde und dessen Interpretation von Fingererzählungen mit bildungstheoretisch-anthropologischen Überlegungen fortführe.
[22] Der Beitrag setzt an einer grob skizzierten Traditionslinie pädagogischer Theoriebildung ein, in der
recht viel von Ich und Du, vom Selbst, von
Behalten und Loslassen
, vom Körper oder Leib, von Egozentrik und Kognitionen kleiner Kinder die Rede ist
(KMG 090-a, Abs. 090:1)
, im Unterschied aber zu anderen Körperteilen wie
Kopf und Herz, Mund und After
(KMG 090-a, Abs. 090:1)
der menschlichen Hand nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt würde. Wie der bereits zitierten Anmerkung zu entnehmen ist, versucht der Autor hier unter anderem in deutlicher Nähe zur kulturgeschichtlichen und volkskundlichen Forschung (Schenda, 1985) neue Argumentationslinien zu entwickeln.
[23] Indem der Text die Bedeutung der Hand als
Gesprächshand
und als
Werkzeughand
(KMG 090-a, Abs. 090:21)
in ihrer instrumentellen und kommunikativen Funktion aus geschichtlicher, anthropologischer und bildungstheoretischer Perspektive analysiert, reiht er sich in eine Anzahl von ähnlich ausgerichteten Studien zur leiblichen Dimension der Bildung (vgl. z. B. einige Beiträge in KMG 091-A) ein, die für die Werkphase der 1980er Jahre typisch sind. Die Erweiterung der bildungstheoretischen Perspektive auf die Leibgesten in der personal vermittelten und zugleich historisch geformten kindlichen Erfahrung zielt auf eine der Kernfragen, die Mollenhauer damals bearbeitet hat. Prägnant fasst der letzte Satz des Beitrags das Ergebnis zusammen:
Fingererzählungen repräsentieren, mit Bezug auf Leib, Du, Sprache und Naturbeherrschung, die Geburt des Ich
(KMG 090-a, Abs. 090:45)
.

3 Rezeption

[24] Das Werk hat insbesondere in pädagogisch-phänomenologisch bzw. konstruktivistisch ausgerichteten Forschungen eine langanhaltende Resonanz gefunden, so etwa bei Gerold Scholz (1994, S. 52–53), der Mollenhauers Verbindung von anthropologischen und kulturell-normativen Aspekten des Kinderverses hervorhebt, bei Klaudia Schultheis (1998) und Jenny Spratt (2012), die das Werk im Kontext der Elementarerziehung behandeln, oder bei Max van Manen (1996), der es im Zusammenhang phänomenologischer Traditionslinien in der Pädagogik erwähnt.

4 Literatur

4.1 Andere hier verwendete Werke von Klaus Mollenhauer

    [25] Mollenhauer, Klaus. Umwege. Über Bildung, Kunst und Interaktion (Monografie 1986; KMG 091-A). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqj8&edition=A.

4.2 Weitere Literatur

    [26] Krinninger, Dominik (2009). Freundschaft, Intersubjektivität und Erfahrung. Empirische und begriffliche Untersuchungen zu einer sozialen Theorie der Bildung. Bielefeld: transcript.
    [27] Manen, Max van (1996). Phenomenological Pedagogy and the Question of Meaning. In Donald Vandenberg (Hrsg.), Phenomenology and Educational Discourse (S. 39–64). Durban: Heinemann Higher and Further Education.
    [28] Rittelmeyer, Christian (2016). Bildende Wirkungen ästhetischer Erfahrungen. Weinheim [u. a.]: Beltz Juventa.
    [29] Schenda, Rudolf (1984).
    Fingererzählungen
    . In Kurt Ranke, Rolf Wilhelm Brednich, Wolfgang Brückner, Max Lüthi, Lutz Röhrich & Rudolf Schenda (Hrsg.), Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Bd. 4.(S. 1146–1157). Berlin [u. a.]: de Gruyter.
    [30] Schenda, Rudolf (1985).
    Das ist der Daumen
    oder: Vom kleinsten Kindertheater der Welt. In Freundeskreis des Instituts für Jugendbuchforschung Frankfurt e.V (Hrsg.), Kinderwelten: Kinder und Kindheit in der neueren Literatur. Festschrift für Klaus Doderer (S. 154–169). Weinheim [u. a.]: Beltz.
    [31] Scholz, Gerold (1994). Die Konstruktion des Kindes. Über Kinder und Kindheit. Wiesbaden: Springer Fachmedien.
    [32] Schultheis, Klaudia (1998). Leiblichkeit – Kultur – Erziehung. Zur Theorie der elementaren Erziehung. Weinheim: Deutscher Studien Verlag.
    [33] Spratt, Jenny (2012). The Importance of Hand and Finger Rhymes. A Froebelian Approach to Early Literacy. In: Tina Bruce (Hrsg.), Early Childhood Practice. Froebel Today (S. 95–106). London [u. a.]: Sage.
[34] [Hans-Rüdiger Müller]