Modernitätsanforderungen und Traditionsbestände für die pädagogische Zukunft der Jugendhilfe [Werkkommentar]

1 Werk: Formale Beschreibung

1.1 Leittext

[1] Mollenhauer, Klaus (118-a). Modernitätsanforderungen und Traditionsbestände für die pädagogische Zukunft der Jugendhilfe (Sammelbandbeitrag 1991). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition (2024). Hrsg. von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqf5&edition=a.
[2] Basierend auf:
  • [3] Mollenhauer, Klaus (1991). Modernitätsanforderungen und Traditionsbestände für die pädagogische Zukunft der Jugendhilfe. In Dieter Kreft & Johannes Münder (Hrsg.), Quo Vadis Jugendhilfe? Tagungsreader der 3. Nürnberger jugend- und sozialpolitischen Tage am 4. und 5. Oktober 1990 (S. 16–31). Nürnberg: Institut für soziale und kulturelle Arbeit.
[4] Das Werk erschien erstmals 1991 als Beitrag im Tagungsreader der 3. Nürnberger jugend- und sozialpolitischen Tage vom 4. und 5. Oktober 1990 und umfasst 16 Druckseiten inklusive eines Literaturverzeichnisses.

1.2 Weitere Fassungen

[5] Mollenhauer, Klaus (118-b). Jugendhilfe. Modernitätsanforderungen und Traditionsbestände für die sozialpädagogische Zukunft (Sammelbandbeitrag 1992). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition (2024). Hrsg. von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqf5&edition=b.
[6] Basierend auf:
  • [7] Mollenhauer, Klaus (1992). Jugendhilfe. Modernitätsanforderungen und Traditionsbestände für die sozialpädagogische Zukunft. In Thomas Rauschenbach & Hans Gängler (Hrsg.), Soziale Arbeit und Erziehung in der Risikogesellschaft (S. 101–117). Neuwied: Luchterhand.
[8] Eine weitere Fassung erschien 1992 erneut unter einem leicht abgewandelten Titel in einem Sammelband mit dem Titel Soziale Arbeit und Erziehung in der Risikogesellschaftund umfasst 17 Druckseiten inklusive eines Literaturverzeichnisses.

1.3 Übersetzungen

[9] Übersetzungen liegen unserem Kenntnisstand nach nicht vor.

1.4 Unveröffentlichte Quellen

[10] SUB Göttingen, Cod. Ms. K. Mollenhauer
  • [11] Korr. All. Kref: Okt. 1990-Febr. 1995, fünfzehn Briefe zwischen Klaus Mollenhauer und Dieter Kreft (Tagungseinladung, Tagungsprogramm, Teilnehmer*innenliste der Nürnberger Tagung, Thesenpapiere)
  • [12] Korr. All. Rausch 02: 9.1.1991-2.12.1991, neun Briefe zwischen Klaus Mollenhauer und Thomas Rauschenbach zur Wiederveröffentlichung 1992 als Beitrag in Rauschenbachs und Hans Gänglers Sammelband (Hierin findet sich auch das von Mollenhauer gegenüber der Erstveröffentlichung mit kleinen Veränderungen versehene Manuskript der Wiederveröffentlichung. Innerhalb dieser Korrespondenz, 9.8.1991, findet sich dann auch ein Manuskript zum später veröffentlichten Text, welches mit handschriftlichen Vermerken versehen ist. Im Wesentlichen ist der Vortragsstil getilgt und sind Eingangs- und Schlusspassagen als Rahmung der Argumentation leicht verändert.)

2 Inhalt und Kontexte

[13] Das Werk entstand als Eröffnungsvortrag für die 3. Nürnberger jugend- und sozialpolitischen Tage am 4. und 5.10.1990. Die Tagung trug den Titel Quo vadis Jugendhilfe? und wurde ausgerichtet von Dieter Kreft am Institut für Soziale und Kulturelle Arbeit Nürnberg sowie Carl Wolfgang Müller, Professor am Institut für Sozialpädagogik an der TU Berlin. An der Tagung nahmen Vertreter*innen unterschiedlicher Institutionen und Berufsgruppen teil: Neben Mitarbeiter*innen von Jugendämtern und Wohlfahrtsverbänden waren Kolleg*innen aus Universitäten und Forschungsinstitutionen sowie solche aus Jugendeinrichtungen in freier und kommunaler Trägerschaft bei der Tagung. Nach dem Eröffnungsvortrag von Mollenhauer arbeiteten die Tagungsteilnehmer*innen in sechs verschiedenen AGs weiter. Am nächsten Tag wurden die Ergebnisse der Arbeitsgruppen zusammengetragen, die Tagung schloss mit einem Beitrag C. W. Müllers, der unter dem Titel
Was bestimmt den zukünftigen Weg der Jugendhilfe
angekündigt war (Tagungsprogramm vom 4.10.1990, Kor. All. Kref).
[14] Im Jahr 1990 waren für die Jugendhilfe und Sozialpädagogik zwei wichtige administrative Texte veröffentlicht worden, die Mollenhauer als
Seismographen
(KMG 118-a, Abs. 118:11)
ihrer Zeit las und zum Anlass nahm, langfristige Problemstellungen und aktuelle Herausforderungen der Jugendhilfe in systematischer Absicht zu erläutern. Es handelt sich zum einen um den Achten Jugendbericht der Bundesregierung (Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, 1990, Drucksache 11/6576, S. 1–256) und die darauf bezogene Stellungnahme der Bundesregierung von 1990 (Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, 1990, Drucksache 11/6576, S. I–XV), zum anderen um das neue Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG vom 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163). In Auseinandersetzung mit der sozialwissenschaftlichen Verfasstheit der Sozialpädagogik und Jugendhilfe als Teil des Modernisierungsprozesses, der sich seit Rousseau an der regulativen Idee von gelingender Individualisierung ausrichte, diese Idee aber in vielen Fällen nur fragmentarisch realisieren könne, macht Mollenhauer Ambivalenzstrukturen der Jugendhilfe deutlich. In historischer Hinsicht sei diese Versozialwissenschaftlichung, Rationalisierung und Professionalisierung der Sozialpädagogik unausweichlich gewesen. Mollenhauer fügt dem dann aber eine kulturwissenschaftliche Perspektive hinzu, mit der er die Notwendigkeit einer je doppelten Beschreibung von Jugendhilfeproblemen begründet: Sowohl sei vonnöten, die sozialstrukturellen Bedingungen eines Jugendhilfefalls zu erklären, als aber auch, die Deutungsangebote und kulturellen Sinnsuchen der Betroffenen zu verstehen. Erst daraus könnten die fachlich geforderten
dichten Beschreibungen
(Geertz, 1987, S. 10–12)
entstehen, die eine angemessene Jugendhilfeplanung in einem reflexiven Verhältnis zu impliziten Normalitätsvorstellungen ermöglichen.
[15] Dieter Kreft wechselte kurz nach dieser Nürnberger Tagung an das Institut für Sozialpädagogik und Sozialarbeit in Frankfurt und organisierte von dort aus einen informellen Arbeitskreis, der sich mit dem Forschungsdesiderat der Zusammenhänge von Jugendhilfe und Administration beschäftigte. Anlass zu der Initiative sei ein Vorschlag Mollenhauers gewesen,
daß es wohl eine lohnends- und verfolgenswerte Forschungsfrage sein könnte, wie […] inhaltliche Entscheidungen durch administrative Vorgaben präjudiziert werden
(Kreft an Mollenhauer und Kolleg*innen, 13.2.1991, Korr. All. Kref)
.
[16] Der Text steht in engem zeitlichen und argumentativen Zusammenhang mit anderen theoretisch-allgemeinen Texten zur Sozialpädagogik Anfang der 1990er Jahre (KMG 099-a, KMG 113-a, KMG 128-a und KMG 129-a) und wird empirisch vor allem sehr deutlich ausgeführt in den zwei Bänden zu Sozialpädagogischen Diagnosen (KMG 119-A1 und KMG 132-A, s. die entsprechenden Werkkommentare zu KMG 175 und KMG 189), in denen es Mollenhauer und Uwe Uhlendorff wesentlich darum ging, die Selbstdeutungsentwürfe von Jugendlichen in Jugendhilfemaßnahmen als Fundament der Diagnosen und Hilfeplanungen zu erkunden.
[17] Eine Wiederveröffentlichung (KMG 118-b) erfolgte in Rauschenbachs und Gänglers Sammelband Soziale Arbeit und Erziehung in der Risikogesellschaft (1992), die beide im Nachgang eine Ringvorlesung im Sommersemester 1990 an der Universität Dortmund (Universität Dortmund, Veranstaltungsverzeichnis Sommersemester 1990, S. 164) organisiert und durchgeführt hatten. Rauschenbach fragte Mollenhauer in einem Brief vom Januar 1991 (Rauschenbach an Mollenhauer, 9.1.1991, Korr. All. Rausch 02) um einen Beitrag zu diesem Sammelband an, nachdem Mollenhauer zur Ringvorlesung nicht hatte kommen können. Mollenhauer bedauerte erneut, dass er keine Zeit hatte einen Beitrag zur Ringvorlesung zu leisten und nun ebenfalls nichts
Neues
verfassen zu können:
Auf gar keinen Fall wäre ich in dem von Ihnen vorgesehenen Zeitraum in der Lage, ein neues Manuskript zu erstellen
(Mollenhauer an Rauschenbach, 7.2.1991, Korr. All. Rausch 02)
. Er bot stattdessen zwei Vortragstexte, darunter den Nürnberger Vortrag (KMG 118-a) an, der dann von Gängler und Rauschenbach als für den Band passend gewählt wurde.

3 Rezeption

[18] In der Zeitschrift für Pädagogik erscheint 1995 eine Rezension des Bandes Soziale Arbeit und Erziehung in der Risikogesellschaft von Lucien Criblez, in der er u. a. auch Mollenhauers Text (KMG 118-b) bespricht und im größeren Zusammenhang die auch von den Herausgebern aufgeworfene Frage diskutiert, ob, und wenn ja, wie sich die Sozialpädagogik als Disziplin angesichts des raschen gesellschaftlichen Wandels neu verorten müsse (Criblez, 1995). Wie auch Mollenhauer weist Criblez darauf hin, dass in der erziehungswissenschaftlichen Rezeption der Risikogesellschaft Ulrich Becks (Beck, 1986) vielleicht zu vorschnell das ganz Neue einer reflexiven Moderne betont und die Zukunftsunsicherheit, die Sozialpädagogik schon immer in spezifischer Weise betreffe, als
Traditionsbestände
(KMG 118-a, Abs. 118:1
und KMG 118-b, Abs. 118:1–6) vernachlässigt werde.

4 Literatur

4.1 Andere hier verwendete Werke von Klaus Mollenhauer

    [19] Mollenhauer, Klaus. Erziehungswissenschaft und Sozialpädagogik/Sozialarbeit. oder
    Das Pädagogische
    in der Sozialarbeit/Sozialpädagogik (Beitrag 1988; KMG 099-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqh7&edition=a.
    [20] Mollenhauer, Klaus. Pädagogisch-hermeneutische Diagnose in der Jugendhilfe (Beitrag 1990; KMG 113-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqfh&edition=a.
    [21] Mollenhauer, Klaus & Uhlendorff, Uwe. Sozialpädagogische Diagnosen. Über Jugendliche in schwierigen Lebenslagen (Monografie 1992; KMG 119-A1). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqf3&edition=A1.
    [22] Mollenhauer, Klaus. Sozialpädagogische Einrichtungen (Beitrag 1994-2004; KMG 128-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqdb&edition=a.
    [23] Mollenhauer, Klaus & Uhlendorff, Uwe. Zeitschemata. Deutungsmuster von Jugendlichen (Beitrag 1994; KMG 129-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3xt1f&edition=a.
    [24] Mollenhauer, Klaus & Uhlendorff, Uwe. Sozialpädagogische Diagnosen II. Selbstdeutungen verhaltensschwieriger Jugendlicher als empirische Grundlage für Erziehungspläne (Monografie 1995/2000; KMG 132-A). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqd2&edition=A.
    [25] Mollenhauer, Klaus & Uhlendorff, Uwe. Sozialpädagogische Diagnosen II. Selbstdeutungen verhaltensschwieriger Jugendlicher als empirische Grundlage für Erziehungspläne (Monografie 1995/2000; KMG 132-A). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqd2&edition=A.

4.2 Weitere Literatur

    [26] Beck, Ulrich (1986). Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
    [27] Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (1990). 8. Jugendbericht. Bericht über Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe vom 6. März 1990 (Drucksacke 11/6576). Bonn: Deutsches Jugendinstitut.
    [28] Criblez, Lucien (1995). [Sammelrezension von:]. Hans-Uwe Otto/Paul Hirschauer/Hans Thiersch (Hrsg.): Zeit-Zeichen sozialer Arbeit. Entwürfe einer neuen Praxis. Neuwied/Berlin/Kriftel: Luchterhand 1992. Zeitschrift für Pädagogik, 41(3), 451–456.
    [29] Geertz, Clifford (1987). Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
    [30] Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts: Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG). Gesetz vom 26. Juni 1990 (BGBl. I S. 1163–1195).
    [31] Universität Dortmund (1990). Veranstaltungsverzeichnis Sommersemester 1990. Bochum: Kamp.
[32] [Cornelie Dietrich]