Die Neuformulierung des Bildungsbegriffs unter dem Aspekt einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen [Werkkommentar]

1 Werk: Formale Beschreibung

1.1 Leittext

[1] Mollenhauer, Klaus & Schlömerkemper, Jörg. Die Neuformulierung des Bildungsbegriffs unter dem Aspekt einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen (Beitrag 1993; KMG 124-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqdt&edition=a.
[2] Basierend auf:
  • [3] Mollenhauer, Klaus & Schlömerkemper, Jörg (1993). Die Neuformulierung des Bildungsbegriffs unter dem Aspekt einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen. In Richard Olechowski & Elisabeth Persy (Hrsg.), Frühe schulische Auslese (S. 136–151). Frankfurt am Main: Peter Lang.
[4] Das Werk erschien 1993 und umfasst 16 Druckseiten inklusive Literaturverzeichnis.

1.2 Weitere Fassungen

[5] Weitere Fassungen liegen unserem Kenntnisstand nach nicht vor

1.3 Übersetzungen

[6] Übersetzungen liegen unserem Kenntnisstand nach nicht vor.

1.4 Unveröffentlichte Quellen

[7] Diesem Werk konnten keine unveröffentlichten Quellen zugeordnet werden.

2 Inhalt und Kontexte

[8] Der Beitrag erschien in der Reihe des österreichischen Ludwig-Boltzmann-Instituts für international-vergleichende Schulforschung. Dessen Leiter, Richard Olechowski, hatte für den Arbeitskreis
Humane Schule
von mehreren Wissenschaftler*innen Gutachten zu Fragen der frühen schulischen Selektion erbeten. Während andere Gutachten die Themen Mittelstufenbereich in Wien, Prognosemöglichkeiten für den Erfolg in der Mittelstufe, Determinanten für die Schullaufbahnentscheidungen sowie Auswirkungen der heterogenen Gruppe bearbeiten, untersuchen Mollenhauer und Jörg Schlömerkemper das Problem aus Perspektive des
der Schule zugrundeliegenden Bildungsbegriffs
(Olechowski, 1993, S. 25)
. Daraus entstand die Enquete Frühe schulische Auslese – pädagogisch gerechtfertigt oder verantwortungslos?, die am 11. März 1991 mit anschließenden, auf Tonband aufgenommenen Diskussionen der insgesamt fünf Gutachten abgehalten wurde (Olechowski & Persy, 1993a, S. 9–10).
[9] Die Argumentationen Mollenhauers und Schlömerkempers stehen im Kontext der mit der deutschen Wiedervereinigung erneut aufgeflammten Debatte um Gesamtschulen. Alle fünf neuen Bundesländer mussten entscheiden, ob sie das dreigliedrige Schulsystem der alten Länder übernehmen oder sich stärker an den Erfahrungen der westdeutschen Gesamtschulen orientieren und dabei auch eine Kontinuität zur DDR-Tradition der Einheitsschule stiften wollten. Der Text greift die aktuelle Schulstrukturdebatte nur indirekt auf, legt aber im ersten Abschnitt eine Analyse der Ergebnisse von Schulforschungen zum westdeutschen Gesamtschulversuch vor, der von 1972 bis 1982 verlief (Herrlitz, Weiland & Winkel, 2003; Bönsch, 2006) Der Mitautor Schlömerkemper hatte sich lange in der Begleitforschung der 1975 gegründeten Integrierten Gesamtschule Göttingen-Geismar engagiert (Schlömerkemper & Winkel, 1987; Schlömerkemper, 2009). Mollenhauers in jenen Jahren mehrfach vorgelegte Begründungen für eine ihm notwendig erscheinende Revision des klassischen Bildungsbegriffs (KMG 093-a; KMG 101-a; KMG 104-a; KMG 110-a) sind in diesen Text ebenfalls eingearbeitet.
[10] Der zweite Abschnitt enthält eine erziehungswissenschaftliche Erläuterung der Bildungspotentiale und Bildungsbedürfnisse von 10- bis 14-Jährigen, gerahmt durch die beginnende Ablösung von Elternhaus und Herkunftsmilieu und eine damit einhergehende Offenheit für andere Milieus, fremde Kulturen und Lebensentwürfe. In den folgenden Passagen entfalten die Autoren einen ihres Erachtens zeitgemäßen und für schulische Lernprozesse realistischen Bildungsbegriff, der versuche, Sachzwänge und gesellschaftliche Funktionen von Schule mit einem weiteren Bildungsbegriff, der deutlich über schulische Prozesse hinausreiche, in Balance zu bringen. Dies geschieht in der Erläuterung von thematischen ebenso wie sozialen Dimensionen der Bildung und wird flankiert von ethischen Begründungen. Diese rekurrieren zum einen auf das Gleichheitspostulat, zum anderen auf die Gefahr der Zerstörung der menschlichen Gattung durch Krieg und Umweltverschmutzung. Auf beides müsse Schule verantwortungsvoll reagieren, sie müsse
einer praktischen Vernunft verpflichtet bleiben, der Frage also, inwiefern unser Wissen und Können noch dem dienlich ist, was wir
Leben
nennen.
(KMG 124-a, S. 150)

3 Rezeption

[11] Im Rahmen der Arbeitstagung Frühe schulische Auslese – pädagogisch gerechtfertigt oder verantwortungslos? ist Mollenhauers und Schlömerkempers Gutachten diskutiert worden (Olechowski & Persy, 1993b, S. 215–228). An der Podiumsdiskussion nahmen neben den beiden Autoren die anderen Gutachter Karl Garnitschnig, Geraldine Kraus, Helmut Seel, Karl Sretenovic und Paul Wildner teil; Moderatorin der Podiumsdiskussion war Eva Tesar. Im Laufe der Diskussion artikulierte sich überwiegend Zustimmung zum Gutachten, es wurden aber auch einige Nachfragen an die beiden Gutachter gestellt und besprochen. Darin ging es zum einen um die Nähe des im Gutachten formulierten Bildungsbegriffs zur Gesamtschuldiskussion bzw. zu den Gesamtschulerfahrungen der letzten Jahrzehnte, zum anderen wurde der
neue
Bildungsbegriff selbst, seine formalen und materialen Aspekte sowie sein Verhältnis zum traditionellen, neuhumanistischen Begriff von Bildung ausführlich thematisiert.

4 Literatur

4.1 Andere hier verwendete Werke von Mollenhauer

    [12] KMG 093-a
    [13] KMG 101-a
    [14] KMG 104-a
    [15] KMG 110-a

4.2 Weitere Literatur

    [16] Bönsch, Manfred (2006). Gesamtschule. Die Schule der Zukunft mit historischem Hintergrund. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren.
    [17] Herrlitz, Hans-Georg, Weiland, Dieter & Winkel, Klaus (Hrsg.) (2003). Die Gesamtschule. Geschichte, internationale Vergleiche, pädagogische Konzepte und politische Perspektiven. Weinheim [u. a.]: Juventa-Verlag.
    [18] Olechowski, Richard (1993). Einführung in die Thematik. In Richard Olechowski & Elisabeth Persy (Hrsg.), Frühe schulische Auslese (S. 17–34). Frankfurt am Main [u. a.]: Peter Lang.
    [19] Olechowski, Richard & Persy, Elisabeth (1993a). Vorwort der Herausgeber. In Richard Olechowski & Elisabeth Persy (Hrsg.), Frühe schulische Auslese (S. 9–11). Frankfurt am Main: Peter Lang.
    [20] Olechowski, Richard & Persy, Elisabeth (1993b). Diskussion zum Gutachten von Klaus Mollenhauer und Jörg Schlömerkemper. In Richard Olechowski & Elisabeth Persy (Hrsg.), Frühe schulische Auslese (S. 215–228). Frankfurt am Main [u. a.]: Peter Lang.
    [21] Schlömerkemper, Jörg (2009). Die wissenschaftliche Begleitung der IGS Göttingen-Geismar. In Kathrin Maack-Rheinländer (Hrsg.), Göttinger Pädagogik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (S. 305–324). Hamburg: Kovač.
    [22] Schlömerkemper, Jörg & Winkel, Klaus (1987). Lernen im Team-Kleingruppen-Modell. Biographische und empirische Untersuchungen zum sozialen Lernen in der Integrierten Gesamtschule Göttingen-Geismar. Frankfurt am Main [u. a.]: Peter Lang.
[23] [ ]