Pädagogische Probleme der Autobiographie – Erfahrungen aus dem Wintersemester 1973/74
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1.[V42:3] Interpretation von autobiographischen Texten (Reiser, Trotzki, Ehrenburg, Kafka usw. )
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2.[V42:4] Interpretation von autobiographischen Interviews mit Fürsorgezöglingen
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3.[V42:5] Herstellen und Diskussion von autobiographischem Material (z.B. auf Tonband) der Seminar‐Teilnehmer.
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1.[V42:8] Die allgemein Begründung für die Wahl des Themas wurde von den Seminar‐Teilnehmern zwar nicht abgewiesen, sie |a 30|erschien aber offensichtlich wenig plausibel, konnte nicht im Sinne eines motivierenden Interesses an der Sache nachvollzogen werden.
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2.[V42:9] Das Vorverständnis von“Pädagogik”und“Erziehung”war – mindestens bei einigen redekräftigen Teilnehmern – derart durch die Vorstellung eines zielgerichteten Handelns, dessen Ziel schon zu Beginn des Handelns eindeutig formulierbar sein muß, geprägt, daß es schwerfiel, den Verständigungsprozeß zwischen Pädagogen und Klient als eine entscheidende Phase des pädagogischen Prozesses selbst zu begreifen, in der pädagogische Handlungsziele allererst (zusammen mit dem Klienten) ermittelt werden sollen. So konzentrierte sich die Diskussion streckenweise mehr auf die Frage, welche – von“Klienten”unabhängig – objektiven pädagogischen Handlungsziele (z.B. soziale Grundnormen) gefordert werden könnten oder müßten, als auf die Frage, wie die Selbstdarstellungen von“Klienten”interpretiert werden können, welche Ereignisse, welche Handlungsziele, welche Bedingungen seines Lebens von ihm her als bedeutsam angesehen werden müssen.
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3.[V42:10] Das Interpretieren von Texten ohne einen vorgegebenen Katalog von Gesichtspunkten, Kriterien, Kategorien erwies sich als sehr oder gar als zu schwierig. Die Texte der ersten Phase des Semianarverlaufs stellten durch ihre teils historische (Reiser, Trotzki usw.) teils soziale (sizilianischer Fischer, mexikanischer Arbeiter) Distanz zu den Seminar‐Teilnehmern offenbar keine das Interesse und die theoretische Aufmerksamkeit anregenden Beispiele dar. Der Versuch, theoretisch produktiv zu werden in einem Bereich, in dem man gegenwärtig nicht auf halbwegs“verläßliche”Theorien zurückgreifen kann, schlug fehl.
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1.[V42:14] Die Lehrinhalte sollen so gewählt sein, daß ein mindestens plausibler Zusammenhang (für jeden Studienanfänger) zur |a 32|Berufspraxis hergestellt werden kann.
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2.[V42:15] Die Schwerpunkte des Seminar-Geschehens sollten so gesetzt werden, daß die Bedeutung nicht-technokratischer Erziehungspraxis deutlich wird. Das macht Übungen im Bereich“Verständigen ...”unerläßlich.
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3.[V42:16] Die Verwendung und Konstruktion von Theorien, die Wahl und Begründung von Begriffen soll so erfolgen, daß ihre Bedeutung für die Praxis sowohl im Hinblick auf Handlungsziele wie auch im Hinblick auf ihre Praxis‐aufklärende Funktion deutlich wird. Das setzt voraus, daß der Student so früh wie möglich sich über den theoretischen Status seiner eigenen Meinungen Rechenschaft zu geben vermag und über die Leistungsfähigkeit wie auch über den Charakter theoretischer Sätze informiert ist.