Wer wirft den ersten Stein? [Textfassung a]
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Wer wirft den ersten Stein?

Ein Round-table-Gespräch der
blickpunkt
-Redaktion mit
Professor Dr. Klaus Mollenhauer
Dr. Wilfried Gottschalch
Dr. Wladimir Lindenberg und
Peter Ulrich

[V15:1] Erich Richter:
[V15:2] Unser Diskussionsthema wurde vor einigen Wochen durch eine Waldbühnenveranstaltung mit den
»Rolling Stones«
und durch die damit zusammenhängenden Ausschreitungen ausgelöst. Vielleicht sind wir zu schnell bereit, als Anwalt der Jugend für
nicht schuldig
zu plädieren. Wenn wir das mit gutem Gewissen tun wollen, müssen wir die Ursachen erforschen, die zu diesem Krawall, zu dieser Massenhysterie geführt haben. Dabei bitten wir Sie als Experten um ihre Mithilfe. Ich möchte mich darauf beschränken, zunächst einmal die verschiedenen Fakten aufzuführen, die als vermutliche Ursachen eine Rolle gespielt haben könnten: Ist es die Beat-Musik selbst, die junge Menschen zur Raserei bringt – wir wissen es nicht –, vielleicht war sie nur ein Ventil für angestaute Pubertät, die sich einmal austoben wollte. Manche Leute sagen, es seien Hemmungen ursächlich gewesen, die junge Menschen bei dieser Gelegenheit auf eine willkommene Weise abreagieren konnten. Die Wissenschaft definiert die überhöhten Phonstärken als einen Ausdruck der Angst. – Aber es traten noch andere Symptome hervor: So wäre es denkbar, daß die auf Sensation abgestimmte Vorpropaganda für das exzessive Verhalten einiger jugendlicher Besucher ausschlaggebend gewesen ist. Vorstellbar wäre es auch, daß die Polizei provozierend gewirkt habe und die jungen Menschen sich durch sie herausgefordert fühlten. Vielleicht hat auch der Veranstalter versagt oder zumindest unklug gehandelt, als er schon nach sechs Stücken den Auftritt der
Stones
abbrechen ließ, wodurch er den Unmut des jungen Publikums erregte. Vielleicht war es sogar Absicht oder Kurzschluß. Nachdem in der Öffentlichkeit bekannt war, was sich bei den Gastspielen der
Rolling Stones
abzuspielen pflegte, hätte da vielleicht der Senat überlegen sollen, ob es nicht im Interesse unserer Stadt doch ratsamer gewesen wäre, dieses Gastspiel überhaupt zu untersagen? In diesem Zusammenhang wird der Verdacht laut, der Senat bekomme kalte Füße, wenn er sich mit der auflagenstarken Springerpresse anlegen soll und habe es deswegen nicht gewagt, nein zu sagen, weil der Veranstalter – die Jugendzeitschrift
Bravo
– das jüngste Kind des Springerkonzerns ist. [V15:3] Wie gesagt, es hat Lärm und wüste Schlägereien gegeben. Gegen den Lärm ist an sich nichts zu sagen. Lärm ist Spektakel, Jugend hat Freude am Spektakel, das ist ihr gutes Recht. Wenn dieser Lärm allerdings unerfreulich wird und ausartet, dann verbiestert er. Und nun lassen Sie uns untersuchen, woran es gelegen hat, welche Konsequenzen evtl. gezogen werden müssen. Sicher ist es eine gute Ausgangsposition, wenn wir zunächst einmal zwei Vertreter der Beat-Musik hören. Es sind die zwei Herren der Team-Beats anwesend; sie haben bei dieser Veranstaltung mitgewirkt. Ein Bandmitglied, Herr Leitner, hat einem Reporter, der ihn in der Waldbühne fragte, was denn der Mythos der
Stones
sei, geantwortet, er glaube, daß sie
»die Rebellion der Jugend gegen die Welt der Erwachsenen ideal verkörperten«
. Können Sie, Herr Leitner, uns einmal sagen, was die jungen Leute so an der Beat-Musik fasziniert? Man kann ja Beat-Musik hart und heiß, aber wohl auch gemäßigt spielen. Warum will die Jugend sie hart gespielt hören, warum spielen Sie selbst so gerne Beat-Musik?
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[V15:4] Olaf Leitner:
[V15:5] Es ist ein Unterschied zwischen dem, was uns als ausführende Beat-Musiker an der Musik fasziniert, und dem, was die Zuhörer an der Beat-Musik begeistert. Ein Außenstehender glaubt nicht, daß da gewisse Unterschiede in den einzelnen Spielarten des Beat bestehen. Das Publikum, für das wir spielen, will das Gestampfe, das trifft irgendwie einen Nerv im Menschen. Ich habe mal in dem Jazz-Buch von Behrend gelesen, der an irgendeiner Stelle schreibt, daß der Ursprung der Musik im Rhythmus liegt. Und der Rhythmus, so sagt er, bedeutet die Schritte oder den Herzschlag eines Menschen umgesetzt in das Schlagen einer Trommel usw. Gerade diese Zentralstelle in der Musik, die ja nachher allmählich aus dem Mittelpunkt rückt und allmählich auch verfeinert wird, dieser zentrale Punkt ist hier wieder aufgedeckt. Also, im Beat ist Musik wieder ganz unmittelbar. Aus diesem Grunde, glaube ich, ist die Beat-Musik besonders geeignet, die jungen Menschen zu faszinieren. Und was uns als Beat-Musiker speziell für diese Musik einnimmt, ist natürlich auch ihr Rhythmus, dessen Feinheiten wir herausarbeiten können. Mit anderen Worten: es macht uns Spaß, einen ganz bestimmten Beat in einem ganz bestimmten Rhythmus und in einer ganz bestimmten Zeiteinheit zu spielen.
[V15:6] Erich Richter:
[V15:7] Würden Sie sagen, daß Beat-Musik zu jeder Zeit die Jugend fasziniert oder nur jetzt in einer Übergangsperiode?
[V15:8] Olaf Leitner:
[V15:9] Beat ist eine Entdeckung unserer Zeit. Ich möchte sagen, sie ist mit dem Jazz gekommen. Der Jazz war ursprünglich auch Rhythmus, und Behrend schreibt, daß Beat bzw. Swing – er stellt es in etwa gleich – die Seele des Jazz ist.
[V15:10] Erich Richter:
[V15:11] Können Sie uns sagen, ob es dort, wo Ihre Band vor jungen Leuten Beat spielt, zu Entartungen kommt, oder sind diese Begleiterscheinungen besondere Attribute der
Rolling Stones
? Kommt Beat-Musik, so wie Sie sie spielen, an, oder muß man Beat-Musik so spielen, wie es die
Rolling Stones
tun?
[V15:12] Peter Butschkow:
[V15:13] Wir spielen brühwarm mehr oder weniger qualitativ die Sachen nach, die von den großen Vorbildern, also in diesem Falle von den
Rolling Stones
, komponiert und herausgebracht wurden, und das
Volk
freut sich eben, wenn diese Titel, die es kennt, von uns möglichst originalgetreu interpretiert werden, da können sie vielleicht netterweise noch mitsingen.
[V15:14] Erich Richter:
[V15:15] Das heißt also, Sie müssen sich praktisch die Masche der
Rolling Stones
angewöhnen, denn wenn Sie es nicht tun, haben Sie nicht den gewünschten Erfolg.
[V15:16] Peter Butschkow:
[V15:17] Gewissermaßen ja.
[V15:18] Erich Richter:
[V15:19] Also ist es gar nicht so sehr die Musik, sondern die Show, die begeistert und in Ekstase versetzt?!
[V15:20] Peter Butschkow:
[V15:21] Ja.
[V15:22] Erich Richter:
[V15:23] Und wenn die Show nicht abgezogen wird, kommt es wahrscheinlich auch nicht zu diesen Krawallen und Ausschreitungen?
[V15:24] Peter Butschkow:
[V15:25] Ja. Es gibt nur eine Band auf der Welt, die es sich leisten kann, dazustehen, ohne Faxen und keine Miene zu verziehen, und die trotzdem riesig ankommt, das sind eben die
»Beatles«
. Alle anderen Bands haben es nötig, sich möglichst durch artistische Attraktionen auf der Bühne hervorzutun. Die Musik alleine genügt nicht.
[V15:26] Erich Richter:
[V15:27] Herr Dr. Lindenberg, ich hatte vorhin etwas gesagt von der angestauten Pubertät und vom Abreagieren der Hemmungen. Könnten das mögliche Ursachen sein?
[V15:28] Dr. Wladimir Lindenberg:
[V15:29] Ja, also aufgestaute Pubertät, es waren ja doch Jugendliche in einer großen Spanne in der Waldbühne – etwa von 14 bis 30. Also bei den 30jährigen würde ich von Pubertät nicht mehr so gerne reden. Aber wir wissen ja heute, daß die jungen Menschen alle eine verlängerte Pubertätszeit haben, die auch ziemlich weit in die 25 hineinreicht. Wir stellen ja auch bei kriminellen Prozessen noch bei älteren Individuen gewisse Unreife fest. Der junge Mensch hat andere Rechte, hat eine andere Dynamik, und es ist ganz klar, daß diese Dynamik anders ist als bei den älteren Menschen, bei denen sie sich ja auch Luft macht. Außerdem, wenn wir schon von Rhythmen sprechen, erleben wir die Begleiterscheinungen nicht erst hier. Ich war lange in Afrika und in Asien, habe da besonders den Negern bei ihren Tänzen zugesehen. Da erlebt man doch etwas Ähnliches, nämlich, daß die Menschen durch den wiederholten Rhythmus in Ekstase geraten. Sie fängt langsam an und endet mit der vollständigen Erschöpfung. Das Verhalten mancher Zuhörer bei Gastspielen der
Beatles
oder der
Rolling Stones
erscheint mir wie ein Zustand einer Epilepsie. Es handelt sich um hochgradige stereotype Zuckungen, es geschieht also wirklich etwas im Körper, ausgelöst durch den Rhythmus. Das ist in der Tat der Zustand einer Ekstase, die sich in dieser wilden Motorik auslöst, möglicherweise auch erotisch auslöst, und dann gelegentlich auch zum Zerstörungstrieb führt. Das Amoklaufen ist uns ja auch als ein Symptom solcher Ekstase bekannt. Daß sich dann plötzlich die Entladung an harten Gegenständen oder an Mitmenschen austobt, das ist gar nicht mehr kontrollierbar.
[V15:30] Erich Richter:
[V15:31] Dann könnte man also wirklich sagen, die Jugend selbst ist im Moment der Ekstase unberechenbar, unzurechnungsfähig, mithin nicht unbedingt schuldig.
[V15:32] Dr. Wladimir Lindenberg:
[V15:33] Von Schuld oder Unschuld kann man, glaube ich, nicht einmal reden. Was heißt schuldig, was heißt unschuldig. Die Jugend ist unschuldig, und sie ist auch schuldig, natürlich. Wenn einer etwas tut, was er nicht tun soll, wenn’s ins Kriminelle abgleitet, ist irgendwo auch schon die Verstrickung in eine Schuld vorhanden. Schuldig oder unschuldig, finde ich, ist eine sehr gefährliche Frage in unserem Zusammenhang, sonst müßte man ja alle Massenhysterien und alle Massenformen solcher Ausdrucksweisen exkulpieren, was man, glaube ich, doch nicht ganz kann.
[V15:34] Erich Richter:
[V15:35] Herr Dr. Gottschalch, Sie haben ein bißchen kritisch Ihren Kopf geschüttelt, darf ich daraus entnehmen, daß Sie mit der eben geäußerten Ansicht nicht ganz übereinstimmen?
[V15:36] Dr. Wilfried Gottschalch:
[V15:37] Ach Gott, das gehört vielleicht gar nicht mal so sehr hierher. Den Wissenschaftler, wenn er solche Konzeptionen hat wie ich, interessiert die Schuldfrage gar nicht, der sucht nach dem zureichenden Grund. Aber ich möchte über etwas anderes sprechen. Von der musikalischen Seite verstehe ich nichts. Für mich ist diese Musik, wenn ich eine Definition finden soll, nichts anderes als organisiertes Geräusch, was da nun feiner Beat ist und weniger feiner, das kann ich wahrhaftig nicht unterscheiden. Bloß, sagten Sie, daß es bei dem Beat um eine
Rebellion der Jugend gegen die Welt
geht, und bei diesem Satz möchte ich ansetzen. In ihm drückt sich nämlich die harmlose und die schlimme Seite dieser ganzen Geschichte aus. Denn die Folgen dieser Rebellion sind harmlos, ein bißchen Sachbeschädigung, ich weiß nicht, ob es auch noch ein bißchen Unruhestiftung oder dgl. war. Die andere Seite ist aber folgende: Wenn Jugend in unserer Zeit Rebellion notwendig hat, und wenn dann diese Rebellion solche hilflose Form annimmt, durch die praktisch überhaupt nichts zu ändern ist, dann zeigt das, daß wir anscheinend noch in einer Gesellschaft leben, in der es viel Unterdrückung gibt, stellenweise sogar mehr als in der Vergangenheit. Ich möchte das an einem Punkte zeigen, an dem Funktionsverlust, den die Familien unserer Gesellschaft erlitten haben. Man redet heute viel über die autoritären Väter der Vergangenheit und über die autoritären Charakterzüge in der Gegenwart. Ich meine, die autoritären Väter der Vergangenheit, die tatsächlich noch eine gesellschaftliche Position hatten, die noch etwas darstellten, sind nicht so gefährlich gewesen wie die machtlosen Väter von heute, denn ein Vorzug der alten bürgerlichen Familie war, daß da die Kinder u. a. auch lernen konnten, gegen Autorität Widerstand zu üben, und das ist heute nicht mehr da. Der Vater ist irgendwelchen anonymen Auto|a 13|ritäten in der gleichen Weise ausgeliefert wie die Kinder. Der Druck der gesellschaftlichen Mächte, um das mal so hart und deutlich auszusprechen, wird weniger als früher gefiltert, gemildert, er trifft alle Individuen unmittelbar, und von daher, meine ich, sind dann solche Massenerscheinungen erklärbar.
[V15:38] Peter Weiß:
[V15:39] Damit sind jetzt zwei Aspekte unseres Problems aufgezeigt worden. Während Sie, Herr Dr. Lindenberg, die biologischen und psychologischen Ursachen nannten, wurden von Herrn Dr. Gottschalch soziologische Zusammenhänge in den Vordergrund gerückt. Für mich wäre nun von Interesse, ob Sie der Meinung sind, daß beide Aspekte von gleichrangiger Bedeutung für unser Problem sind. Vielfach wird die Ansicht vertreten, daß die Ursachen für bestimmte Verhaltensweisen der Jugend in unserer Zeit in erster Linie in den gesellschaftlichen Auswirkungen zu suchen sind, und daß biologisch-psychologische Ursachen, wie z. B. die Pubertätskrise, nicht naturnotwendigerweise zu solchen Erscheinungen führen müssen.
[V15:40] Dr. Wladimir Lindenberg:
[V15:41] Ja, beides, nebeneinander, es ist ja nichts, was getrennt werden muß.
[V15:42] Dr. Wilfried Gottschalch:
[V15:43] Die Pubertät ist meines Wissens ein biologischer Sachverhalt, der sich in jeder Gesellschaft anders vollzieht. Es gibt nachweisbar Gesellschaften, wo man fast nicht wegkriegt, daß Jugendliche pubertieren. Vermutlich haben es junge Menschen in unserer Gesellschaft besondes schwer, erwachsen zu werden. In der spätbürgerlichen Gesellschaft, da war’s der Generationengegensatz, in dem sich nicht mal die Pubertät, sondern die Nachpubertät sozialen Ausdruck verschafft hat. In früheren Gesellschaften hat die Gesellschaft selbst bestimmte Riten zur Verfügung gestellt, Jugendweihen u. dgl., die auf diese Art und Weise bestimmte Stufen gesetzt haben. Vielleicht hängt es auch damit zusammen, daß diese keinen Ersatz gefunden haben. Man sieht es auch an der Kleidung, die Jugendlichen gehen eigentlich nicht anders als die Erwachsenen. Die Jugendlichen stehen vor demselben Konsumangebot wie die Erwachsenen.
[V15:44] Prof. Dr. Klaus Mollenhauer:
[V15:45] Ich möchte es so ähnlich formulieren, wie Sie, Herr Gottschalch und überdies nicht meinen, daß diese beiden Aspekte, biologisch-psychologischer Aspekt einerseits, soziologischer Aspekt andererseits, ein Nebeneinander darstellen. Natürlich ist es ein Nebeneinander zweier Aspekte, weil sie sich hier auf zwei verschiedene Wissenschaften verteilen. Das Phänomen aber ist durch solches Nebeneinander nicht zureichend zu erklären, weil man ja nicht von einer Dynamik des Pubertierenden schlechthin sprechen kann, sondern Dynamik ist selber schon ein gesellschaftliches Produkt, oder, wie der Soziologe sagen würde, gesellschaftlich vermittelt, d. h., daß eben nicht einfach Dynamik die Pubertät in unserer Gesellschaft qualifiziert, sondern eben eine bestimmte Dynamik, die sich gegen bestimmte Widerstände oder an bestimmte Adressen richtet. Nur im Gegenüber dieses Impulses und der Adresse kommt das Phänomen zum Vorschein. [V15:46] Aber zu unserem Problem: Ich teile die Meinung von Herrn Gottschalch von dem repressiven Charakter dieser Gesellschaft. Man müßte also versuchen, festzustellen, wo denn bei dem Phänomen, über das |a 14| wir sprechen, die Repression liegt. Welcher Art ist die Repression, gegen die hier junge Leute möglicherweise so etwas wie eine Befreiung versuchen? Ist das die Repression des Alltags innerhalb der Konsumgesellschaft oder innerhalb des Industriebetriebes, die Monotonie und Einförmigkeit, auch mangelhafte Bewegungsfreiheit in einer Arbeitswelt, die dem einzelnen noch wenig Möglichkeiten zu seiner Entfaltung läßt? Oder hat es vielleicht mit Repression gar nichts zu tun, sondern eher etwas mit dem immer wieder auftauchenden stereotypen Verhalten der deutschen Polizei? Die Polizei arbeitet ja wie ein Automat. Überall, wo solche Krawalle in Sicht sind, reagiert sie hinterher genauso, wie man es auf der Leinwand sieht. Ein Parallelfall ist Hamburg gewesen, wo es groteske Formen annahm, wo die Polizei aufgetaucht ist, hübsch, fast bilderbuchmäßig, wie das heute jedermann im Kino und aus den Zeitschriften kennt. Daß in dieser Situation Jugendliche dann diesen Automaten mal spielen lassen wollen, ist sogar ein sehr reizvoller Einfall, nämlich: die spielerische Verwendung eines sonst nicht repressiven staatlichen Organs. Das gilt aber wohl nicht für die Berliner Veranstaltung.
[V15:47] Erich Richter:
[V15:48] Würden Sie nicht auch der Meinung sein, daß vielleicht die publizistische Vorbereitung dieses Gastspiels die jungen Leute bewogen hat, die Show abzuziehen, die ihnen ja von einigen Zeitungen suggeriert wurde. Wir haben ja hier einige Überschriften, da ist von der
»Musikschlacht des Jahres«
geschrieben worden, da ist aber auch schon angedeutet worden, daß mehrere 100 Polizeibeamte anwesend sein werden und für Ruhe und Ordnung sorgen werden, was also schon mal die Anti-Stimmung unter den jungen Leuten anheizen sollte. Dann ist hier z. B. berichtet worden, daß bei vorangegangenen Gastspielen ein Gitarrist zu Boden getrampelt, der nächste durch die Luft gewirbelt worden ist.
[V15:49] Peter Weiß:
[V15:50] Hier habe ich einen für diese Kampagne typischen Artikel. Ich zitiere daraus:
Die Waldbühne kann sich auf einiges gefaßt machen, wenn die 5-Mann-Gruppe am 15. September mit ihren neuen Hits ihre Anhänger vom Stuhle reißt. Das Dubliner Spektakel ist schließlich kein Einzelfall. Als die
»Rolling Stones«
am Tage zuvor eine Fernsehshow aufzeichneten, wäre die ganze Sendung um ein Haar geplatzt. Was soll dann erst am 15. in der Waldbühne werden, zumal lauter heiße Beater zum Anheizen mit dabei sein werden?
[V15:51] Erich Richter:
[V15:52] Wollen wir diese Reihe der Zitate mit dem Auszug aus einer Berliner Zeitung abschließen:
In der Waldbühne soll ja gekreischt werden, darf man Jacken schwingen und in Ohnmacht fallen. Das gehört dazu.
[V15:53] Prof. Dr. Klaus Mollenhauer:
[V15:54] Welche Zeitungen waren das?
[V15:55] Erich Richter:
[V15:56] Sie gehören alle zur Springerpresse. Nachdem wir diese Pressezitate kennen, frage ich, war es da nicht Gebot der Stunde, nein zu sagen? Ist es richtig, was man in der Öffentlichkeit jetzt flüstert, der Senat habe kalte Füße bekommen, Angst gehabt vor der auflagenstarken Presse, mit der er sich nicht anlegen wollte, deswegen habe er ein Verbot der Veranstaltung nicht riskiert?
[V15:57] Peter Ulrich:
[V15:58] Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß nur zwei der Anwesenden bei der Waldbühnenveranstaltung zugegen waren. Die anderen scheinen nicht informiert zu sein über das, was tatsächlich vor sich ging. Es passierte nämlich während der Veranstaltung fast nichts. Das, was hier von der heißen Musik gesprochen wurde, von der Ekstase durch den Rhythmus, konnte in der Waldbühne gar nicht entstehen, weil durch die mangelhafte Lautsprecherübertragung der Rhythmus gar nicht zu hören war. Ansätze der Jugendlichen, mal mitzubeaten, erstarben nach wenigen Sekunden.
[V15:59] Peter Weiß:
[V15:60] Das kann aber nicht für alle Besucher zutreffen, Herr Ulrich.
[V15:61] Peter Ulrich:
[V15:62] Das betrifft mindestens 90 Pro|a 15|zent der Anwesenden. Bis auf die wenigen, die unmittelbar vor der Bühne standen und dort ihren eigenen Jux gemacht haben. Die haben dort die Show gezeigt, die der Veranstalter nicht lieferte. Weil die Musik eben nicht ankam, hat man das, was man erwartete, und noch ein bißchen Zusätzliches selbst gemacht. Da ist man auf die Laterne gestiegen, hat ein bißchen rumgewedelt und sich ausgezogen. Das war ein Gag, der in der Masse gut ankam, die Zuhörer hatten wenigstens etwas zu sehen. Es herrschte eine ausgesprochen gelangweilte Stimmung in der Waldbühne, bis zum Schluß der Veranstaltung, ausgenommen vielleicht die fünf Minuten, als die
Rolling Stones
auftraten, als man die Barriere durchbrach und auf die Bühne stürmte. Aber das war nach wenigen Minuten wieder eingedämmt, und danach wurde es genauso langweilig. Ein Drittel der anwesenden Jugendlichen hat bereits während des Auftritts der
»Rolling Stones«
die Waldbühne verlassen. Man wußte, daß es sehr schwierig ist, aus der Waldbühne herauszukommen. Und das, was an Krawallen enstand, konnte kaum unmittelbaren Zusammenhang mit der Musik haben, sondern das ereignete sich erst 10 Minuten nach der Veranstaltung und hat sich erst sehr viel später weiterentwickelt, in den S-Bahn-Zügen und in der Umgebung. Die Veranstaltung selbst lief relativ ruhig ab. Sie war ganz zweifellos schlecht gemacht und wurde außerordentlich dilettantisch abgebrochen. Eigentlich mußte das zum angestauten Ausbruch führen. Ich habe mich gewundert, daß während der Veranstaltung nicht mehr passiert ist, denn 22 000 Jugendliche in der Waldbühne erwarteten eigentlich, daß etwas passierte. Die repressiven Züge der Gesellschaft werden ja bei uns nur da deutlich, wo uniformierte Ordnung auftritt. Woanders kann man sie nicht fassen, sie bleiben anonym. Da kann man auch nicht gegen sie angehen. Die Eltern sind auch nicht mehr Autorität, die Polizei ist also die einzige Macht, die dem Bürger und auch dem Jugendlichen gegenübertritt. Sie repräsentiert die Autorität einer Gesellschaftsordnung. Und die arme Polizei mußte dann die entsprechenden Reaktionen miterleben. Ich habe z. B. beim Hinausgehen festgestellt, daß Jugendliche, die sich ganz normal unterhielten und z. T. über die Veranstaltung schimpften, auf dem Wege zur S-Bahn bzw. zu den BVG-Bussen an Polizisten vorbeikamen, die dort ruhig auf ihrem Bereitschaftswagen saßen. Im Moment des Vorbeigehens aber wurden die Passanten unruhig, fingen an zu provozieren, begannen die Polizei aus der Reserve zu locken. Die Polizei ließ sich nicht locken. Als sie diesen Wagen passiert hatten, war ihre Rebellion verebbt, sie brach sofort wieder ab. Und ähnlich verliefen auch die Reaktionen in der Waldbühne. Da, wo sich ein Scheinwerfer auf irgendeine Gruppe richtete, fing sie an, dem Erwartensverhalten der Veranstalter entgegenzukommen, sie spielte verrückt. Da wurde also getobt, man spielte Ekstase. Aber die daneben im Dunklen saßen, verhielten sich ganz manierlich und gelassen und schauten lediglich den anderen belustigt zu. Von Ekstase war nichts zu spüren. Dazu war die Voraussetzung auch gar nicht gegeben. Man kann also von der Musik selbst wenig sagen, weil es eben keine Musik gab. Es gab nur undefinierbaren Krach, der durch die Lautsprecher kam.
[V15:63] Peter Butschkow:
[V15:64] Meiner Meinung nach ist ein ganz großer Fehler der älteren Generation die Verallgemeinerung. Da waren 22 000 junge Menschen. Davon haben 1 200 nachher Krach gemacht, aber 22 000 standen nachher in den Zeitungen als die Betreffenden, die alles auseinandergenommen hätten. Auch die Sache mit der Polizei. Ich sprach einen Bereitschaftspolizisten, der mir versicherte: Was meinst du, wie viele von uns in den Kasernen sitzen, für die es ein Vergnügen gewesen wäre, so manchen langhaarigen Randalierer an Ruhe und Ordnung zu erinnern. Es wäre eine Diskussion wert, ob in diesem Veranstaltungsausnahmefalle nicht einige Hundertschaften mehr an Polizisten beeindruckend und temperamentzügelnd gewirkt hätten? Die eingefleischte Meinung, ein Uniformierter steigert die Aggression der Jugendlichen, finde ich in dieser Lösung zweifelhaft.
[V15:65] Dieter Hanky:
[V15:66] Vorhin erklärten uns die beiden aktiven Musiker, was ihrer An|a 16|sicht nach das Faszinierende im Beat ist. Olaf Leitner sagte, der Beat sei eine Wiederentdeckung des Ursprungs im Jazz, des Rhythmus. Er berief sich hier auf Behrend. Für die Jugend sei das die Entdeckung unserer Zeit, und deshalb sei der Beat der Rhythmus der Jugend, die sich mit oder in dieser Musik gegen die Gesellschaft auflehnt. Peter Butschkow, aus der gleichen Band, erzählt uns nun aber, daß alle Bands die Masche der
Großen
nachmachen. Das scheint mir ein erheblicher Widerspruch zu sein. Ist der Beat
die Masche
einer Band, die jetzt von allen anderen kopiert wird, oder ist er der Rhythmus der Jugend?
[V15:67] Peter Butschkow:
[V15:68] Ja, es existiert alles beides, aber interpretiert wird von verschiedenen Bands auf verschiedene Weise. Die
Rolling Stones
haben einen gewissen Stil, und jedes Mädchen ab 12 hat
Rolling Stones
-Platten zu Hause und hört die Beat-Musik, sobald es in ein Jugend-Tanzlokal geht, erwartet es, daß dort die Band hoffentlich
auch ihre Platte
spielt.
[V15:69] Erich Richter:
[V15:70] Ja, aber bringt nun diese Musik – gespielt von einer x-beliebigen Band – ein junges Mädchen zum Kreischen?
[V15:71] Peter Butschkow:
[V15:72] Nein, das erreicht nur die Show, die damit verbunden ist. Wir sind nicht so populär, daß wir uns nur hinstellen und so qualifiziert spielen, daß die Zuhörer von der Musik her allein schon auf dem Boden liegen. Wir müssen deshalb zum Jokus beispielsweise mit den Haaren wedeln, damit sich das Publikum begeistern kann.
[V15:73] Dieter Hanky:
[V15:74] Ja, aber ist das nun
»Rhythmus der Jugend«
, oder verkaufen Sie ihr hier einen Rhythmus, weil der einmal gefallen hat?
[V15:75] Olaf Leitner:
[V15:76] Die meisten Jugendlichen lieben erstens grundsätzlich den Beat, zweitens lieben sie besonders die
»Rolling Stones«
. Und wenn die
Rolling Stones
gefeiert werden, dann liegt’s nicht daran, daß sie gute Beat-Musik machen oder weil sie eine besondere Show machen, denn die Show ist gar nicht aufgefallen, die sie gemacht haben, sondern es liegt einfach daran, daß sie die
Rolling Stones
sind, und wenn sie auf die Bühne kommen, dann schreit alles.
[V15:77] Peter Butschkow:
[V15:78] Darf ich da ein Beispiel einflechten: Sehen Sie mal diesen Mick Jagger, der wäre eine unbekannte Größe. Auf der Straße würde ihn kein Mensch beachten. In Berlin könnte er an der Gedächtniskirche als Gammler vorgeführt werden, nicht wahr. Nur durch die Presse hochpubliziert ist der Kerl eben eine Attraktion.
[V15:79] Peter Weiß:
[V15:80] In der letzten Zeit habe ich viele Gespräche mit Jugendlichen über ihre Erlebnisse in der Waldbühne geführt. Dabei habe ich den Eindruck gewonnen, daß in erster Linie das Bedürfnis, zur großen Masse zu gehören, indem man die Modeerscheinungen und Stars, die allgemein akzeptiert werden, ebenfalls bejubelt, Anlaß zum Besuch der Veranstaltung gegeben hat. Man empfindet geradezu den Zwang, mit dazuzugehören. Ein intelligenter junger Mann hat mir gesagt:
Wir sind mit dem größten Teil der Klasse geschlossen zu der Veranstaltung gegangen. Bei den anschließenden Zerstörungsaktionen habe ich nur deshalb mitgemacht, damit mich meine Klassenkameraden später nicht hänseln und mir vorwerfen können, ich würde mich abseits stellen. Ich finde mein Verhalten schäbiger als das derer, die kritiklos, ohne zu wissen, was sie tun, ihre Zerstörungswut austobten. Und doch würde ich in einer ähnlichen Situaton mich wieder so verhalten, denn ich möchte nicht auffallen.
So erkläre ich mir auch, daß nicht einer der Jugendlichen mir gegenüber zugegeben hat, daß er sich bei der Veranstaltung gelangweilt habe. Fast alle Jugendlichen bezeichneten sich als begeisterte Anhänger der Beat-Musik und Bewunderer der
»Rolling Stones«
. Dieser Starkult wurde aber meistens damit begründet, daß die
»Rolling Stones«
doch so berühmt seien und als die beste Band gelten. Auf meine Frage, wie es denn dazu gekommen sei, daß Jugendliche sich entkleidet und ihre Garderobe auf die Bühne geworfen hätten, wurde mir immer wieder erklärt, daß diese Begeisterung schon ausgebrochen sei, bevor überhaupt die
»Rolling Stones«
ihre Musik gemacht hätten, und daß man auch wegen des großen Lärms von der Musik nur einige Töne verstehen konnte. Diese Ekstase sei einfach davon gekommen, daß man die
so berühmten
Rolling Stones
selbst sehen und erleben konnte. Die Kleidungsstücke habe man auf die Bühne geworfen, um damit zu zeigen, daß man für die
»Rolling Stones«
alles hergeben wolle. Einer sagte:
Wenn die auf die Bühne kommen, ist man einfach weg.
Ich meine, wir müssen uns mit diesem Phänomen befassen.
[V15:81] Erich Richter:
[V15:82] Jetzt würde mich doch interessieren, einmal die Rolle der Publicity oder überhaupt die Rolle der Presse in dieser Beziehung zu untersuchen. Ist sie mitverantwortlich für das, was sich bei diesem Gastspiel abgespielt hat?
[V15:83] Peter Weiß:
[V15:84] Hierzu ein weiteres Zitat: Unter der Überschrift
Seltsamer Scherz
berichtet eine Zeitung:
Einen geschmacklosen Scherz leisteten sich die
Rolling Stones
, eine der erfolgreichsten Beat-Gruppen nach den Beatles. Rund 300 000 Schallplattentaschen ließen sie mit folgender Aufschrift zieren: Greift tiefer in eure Tasche, habt ihr keinen Zaster, dann geht zu einem Blinden und schlagt ihm auf den Kopf und stehlt ihm seine Brieftasche. Die Schallplattenfirma hat auf Grund zahlreicher Beschwerden inzwischen die Plattentaschen zurückgezogen. Doch der Manager der
Rolling Stones
meinte nur, das ist nun einmal der Jargon der Teenager von heute.
[V15:85] Prof. Dr. Klaus Mollenhauer:
[V15:86] Mir erscheint diese Aufforderung zur Kriminalität, die Sie da zitiert haben, nicht so schlimm wie das, was sich in der Zeitschrift
Bravo
abgespielt hat. Ich hatte, ehe die
Rolling Stones
nach Berlin kamen, Gelegenheit gehabt, drei Wochen lang ununterbrochen zu erleben, wie ein Mädchen sich auf diese Veranstaltung vorbereitet und wie die Zeitschrift
»Bravo«
diese Vorbereitung getroffen hat. Das Fatale in der Aufmachung dieser Zeitschrift war, daß sie ausdrücklich in hübscher Moralität alles draußen ließ, was mit Rechtsnormen in Konflikt geraten könnte, und statt dessen unterschwellig die Sexualität ansprach. Sie hat z. B. in Großaufnahme die Münder der
Rolling Stones
gebracht, und ich wünschte heute, ich hätte die unfreiwilligen Kommentare und Bemerkungen, die das Mädchen beim Durchblättern dieser Zeitschrift und beim Anblick dieser Münder gemacht hat, notiert. Die Identifizierung, die da vor sich ging, und das, was dort geweckt wird, ohne daß den Jugendlichen klar wird, was mit ihnen dabei geschieht, scheint mir das eigentlich Unverantwortliche zu sein. Wenn man also schon nach Schuld fragen will, würde ich auf dieser Ebene fragen. Zudem handelt es sich hier ja nicht um eine vereinzelte Erscheinung, sondern, wie Herr Gottschalch sagen würde, um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, für das dieses eine nur bezeichnend ist. Ohne es zu merken, werden die Jugendlichen nicht informiert, sondern manipuliert.
[V15:87] Erich Richter:
[V15:88] Ich glaube, so etwas
unterläuft
der
Bravo
-Redaktion ständig, es ist beinahe ein Programm dieser Zeitschrift.
[V15:89] Peter Ulrich:
[V15:90] Vielleicht gehört dann auch zum Programm, daß der Veranstalter, als die Waldbühnenschau nicht ganz den Erwartungen entsprach, durch den abrupten Abschluß doch noch die gewünschte Reaktion erzielen wollte.
[V15:91] Dr. Wladimir Lindenberg:
[V15:92] Sie meinen, manipulierte?
[V15:93] Erich Richter:
[V15:94] Glauben Sie, daß der Veranstalter bewußt diese Reaktionen manipuliert hat?
[V15:95] Peter Ulrich:
[V15:96] Wenn jemand Erfahrungen in Massenveranstaltungen hat, und das müßte man eigentlich bei dem Veranstalter erwarten, dann darf das, was zum Abschluß der Veranstaltungen geschehen ist, als böswillig bezeichnet werden.
[V15:97] Dr. Wilfried Gottschalch:
[V15:98] Nachdem wir nun so viele Erfahrungen in diesen Fragen haben, nachdem sowohl in der wissenschaftlichen als auch in der publizistischen Literatur soviel darüber geschrieben worden ist, wie man so etwas machen kann u. dgl., muß man sagen, da war schon Absicht dabei. Und ich meine, wer Ruhe in der Gesellschaft will, der muß eigentlich diesen Weg gehen, denn was passiert ist, das hat Herr von Friedeburg ja mal sehr schön anläßlich der Rock-and-Roll-Krawalle ausgedrückt, als er sagte, hier handelt es sich um durchaus system|a 17|konformes Ausbruchsverhalten der Jugendlichen. Im Grunde genommen bleiben die ja jeweils unter sich. Bestenfalls sind ein paar Polizisten dabei. Hier findet ein Widerstand ohne Adresse statt, und deshalb wird das auch immer und immer wieder möglich. Deshalb kann man auch immer und immer wieder Geschäfte dieser Art mit Jugendlichen machen.
[V15:99] Erich Richter:
[V15:100] Sie haben gesagt, wer Ruhe in der Gesellschaft haben will, muß diesen Weg gehen. Bitte, können Sie das noch etwas erläutern? Welchen Weg muß er gehen?
[V15:101] Dr. Wilfried Gottschalch:
[V15:102] Ruhe an sich ist ja etwas Schönes. Ich bin selbst ein ruhiger Mensch, aber ich bin der Auffassung, daß in unserer Gesellschaft sehr vieles Böse ist. Gerade das, was so ein Verhalten von Jugendlichen ermöglicht, ist ja die Folge von Versagungserlebnissen. Das hat in vielleicht klassischer Form Peter Ulrich vorhin in seinem Diskussionsbeitrag dargestellt. Jugendliche gehen irgendwohin. Sie erwarten, daß man ihnen etwas bietet. Dann werden sie enttäuscht, und dann wird ihnen sogar noch die Gelegenheit gegeben, Krawall zu machen, aber der Krawall darf die Grenzen dieses Gettos für die Jugend nicht überschreiten. So geht’s ja schon mit den kleinen Kindern. Ich mache meinem Jungen ein Geschenk. Irgendein Instrument, mit dem er evtl. Lärm machen könnte. Zwei Tage nach Weihnachten muß ich ihm verbieten, dieses Instrument – sozialer Wohnungsbau u. dgl., Sie verstehen – zu gebrauchen. Das ist doch heute die Situation der jungen Menschen, und das setzt sich anderswo fort. Das ist so mit der Emanzipation der Sexualität, die eine halbe geblieben ist. Auch da wird ihnen was geboten, sie werden verlockt, aber sie werden nicht befriedigt, da kann keine Entspannung stattfinden. All das verschärft diese Situation. Wer das erhalten will und wer die Jugendlichen auch davon abhalten will, ein besseres Zusammenleben zu schaffen, der muß eigentlich so verfahren wie hier verfahren worden ist.
[V15:103] Peter Weiß:
[V15:104] Meinen Sie damit, daß die Gesellschaft einen so großen Krawall wie den in der Waldbühne mit all den Zerstörungen als weniger schlecht und gefährlich wertet, als wenn zum Beispiel eine relativ kleine Gruppe Jugendlicher oder Studenten eine politische Demonstration zu einer die Gesellschaft entscheidend berührenden Frage durchführt. Löst eine derartige politische Demonstration in der Öffentlichkeit größeres Unbehagen aus, weil sie eher tatsächlich die Ruhe der Gesellschaft stört?
[V15:105] Erich Richter:
[V15:106] Das hängt immer ganz davon ab, was diese Publikationsmittel nachher daraus machen, würde ich sagen.
[V15:107] Peter Weiß:
[V15:108] Stichwort. Die politischen Halbstarken.
[V15:109] Prof. Dr. Klaus Mollenhauer:
[V15:110] Natürlich kommen unpolitische Waldbühnenkrawalle nicht in die Leitartikel, so wichtig sind sie nun auch wieder nicht. Aber wenn Studenten, wenn Ostermarschierer, wenn
Intellektuelle
sich Gedanken machen und entsprechend zu handeln versuchen, dann kommt das durchaus in die Leitartikel und wird dort diskriminiert.
[V15:111] Olaf Leitner:
[V15:112] Obwohl, möchte ich gleich ergänzen, die
»Welt«
die besten Artikel über die
Rolling Stones
-Veranstaltung geschrieben hat. Denn die hat erstmal grundsätzlich die
»Rolling Stones«
auf der Bühne von den
Rolling Stones
auf der Schallplatte unterschieden. Im Feuilleton hat die
Welt
die
»Rolling Stones«
an sich beschrieben, ihre Art, Musik zu machen, und ihre Anlehnung an den Chicago-Blues, und sie hat auch erwähnt, daß dieser Mick Jagger ein ganz ausgezeichneter Mundharmonikaspieler ist und an große Vorbilder wie Sonny Terry erinnert. Und im lokalen Teil hat sie dann über die Veranstaltung berichtet. – Ich finde, daß man dieses Waldbühnenproblem gar nicht als Problem 1965 betrachten kann. Denn, wenn wir einmal zurückblicken, hat sich dieses Generationsproblem ja gerade in bezug auf Kunst und speziell Literatur günstig ausgewirkt. Man braucht bloß an die Sturm-und-Drang-Zeit zu denken oder gerade an den Expressionismus, das waren ganz junge Leute, die eben teilweise sogar schon wie Georg Trakl einen Krieg herbeigesehnt haben, in dem sie nachher auch leider umgekommen sind, bloß um ihre Vorstellung von der Welt zu verwirklichen und gegen diese Lauheit und Laschheit des Bürgertums zu protestieren. Und leider ist es so, daß heutzutage dieser Generationskonflikt hier völlig verflacht wird und natürlich von entsprechenden Pressemanagern ausgenutzt wird. Wenngleich der Springer-Konzern mächtig für die Veranstaltung gearbeitet hat, war es gar nicht mal alleine die Presse, die diese Reaktion der Waldbühnenbesucher ausgelöst hat, sondern es war die Sensation, die
Stones
gesehen zu haben, die mal auf der Bühne erlebt zu haben. Das war eben das Großartige an diesem Abend.
[V15:113] Erich Richter:
[V15:114] Also doch ein Erfolg der publizistischen Werbetrommel.
[V15:115] Olaf Leitner:
[V15:116] Das glaube ich gar nicht einmal. Sie haben uns zwar heute als Fachleute hier hergebeten, aber wir sind keine Fachleute, jedenfalls nicht, was das Publikum anbelangt; wir sind ja nicht Publikum. Wir wären hingegangen, um die
Rolling Stones
, deren Platten wir zu Hause haben, und die wir teilweise sehr gut finden, auf der Bühne zu sehen. Nun weiß ich nicht, aus welchem Grunde irgendein 15jähriger Teenager hingeht, wegen der
Bravo
-Artikel oder wegen seiner Schallplatten, die ihn zum Kauf der Eintrittskarte inspiriert haben.
[V15:117] Peter Weiß:
[V15:118] Sie haben angedeutet, daß junge Menschen ihr Unbehagen gegenüber unserer modernen Gesellschaft nicht in einen Protest auswirken lassen, sondern, daß sie gesellschaftskonform, wie Herr Professor Mollenhauer sagt, innerhalb des gesellschaftlichen Systems ausbrechen. Das ist doch ein Beweis für die These von Professor Friedeburg, daß die Jugend in unsere Gesellschaft voll eingegliedert ist. Das vorhandene Unbehagen der Jugend ist dann ein Ausdruck der problematischen Folgen gelungener Anpassung und Krawalle, wie der von uns hier diskutierte, sind nicht gegen die bestehende Gesellschaftsstruktur gerichtet, sondern sind als systemgerechtes Ausbruchverhalten zu interpretieren. Ich glaube, Muchow spricht von dem Ausbruch aus dem System
mit den Mitteln des Systems
. Allerdings müssen wir feststellen, daß diese Mittel von geschäftstüchtigen Managern auch bereitwillig zur Verfügung gestellt werden. [V15:119] Wenn das alles so zutrifft, haben jene Soziologen unrecht, die von einer Subkultur der Jugend, also einer Kultur neben oder unter der Kultur der Erwachsenenwelt, reden. Untersuchungen haben gezeigt, daß keine Altersgruppe sich so willig dem Konsumdruck der Vergnügungs- und Freizeitindustrie fügt wie die Jugendlchen. Diese Industrie lebt zu einem großen Teil von der Jugend. So gesehen ist keinesfalls davon zu reden, daß diese Krawalle an den Grundlagen der Gesellschaft rühren.
[V15:120] Peter Butschkow:
[V15:121] Das mache ich ja der Jugend sogar zum Vorwurf, daß sie ihre Rebellion gegenüber der Gesellschaft nur in Krawallen bei Großveranstaltungen – siehe Waldbühne – äußert. Mehr ist scheinbar nicht drin – da wäre sie überfordert. Dieses Gespräch hätte schon vor sieben Jahren stattfinden können. Irgendwann trat damals Bill Haley im Sportpalast auf. – Kraß gesagt – das war eine Hackerei, da war die Waldbühne gar nichts dagegen. Es bestand ein einziger Unterschied: genau die gleichen Typen erschienen damals in Lederjacken, mit Holzknüppeln bewaffnet, Äxte und Eier hatten sie in ihren Taschen versteckt. Sie sind in den Sportpalast reingegangen wie diesmal in der Waldbühne mit der festen Absicht, die Eier irgendeinem an den Kopf zu werfen. Der Unterschied ist nur, daß heute durch den Beat-Import aus England und durch die Publikationen der Zeitungen die ältere Generation darauf vorbereitet worden ist. Man hört langsam Beatles, man weiß schon, Beat ist ein Begriff, mein Junge macht Musik, und er geht in einen Tanzklub, das alles ist jetzt po|a 18|pulär. Der Jugend war das schon vor 8 und 10 Jahren bekannt.
[V15:122] Peter Weiß:
[V15:123] Ist das eine Gefahr für unsere Zukunft, daß die Jugend sich so verhält?
[V15:124] Peter Butschkow:
[V15:125] Nein! Darf ich Ihnen ein ganz kleines Beispiel nennen, das die Situation charakterisiert. Wir haben im Seeschloß Hermsdorf gespielt. Da lief ein junger Mensch rum, er war Kellner, der hatte Haare, die hingen bis zur Schulter. Eines Tages sagt er zu mir, wissen Sie, ich finde das alles hier langweilig. Eine Woche später erschien er mit modisch kurzem Haarschnitt. Mit 25 sieht sich ein Mensch die Fotos aus seiner Sturm-und-Drang-Periode an, ist sicher entsetzt darüber, wie er früher ausgesehen hat, und denkt, Junge, Junge, was warst du doch für ein komischer Vogel!
[V15:126] Erich Richter:
[V15:127] Mit anderen Worten, dieses sonderbare Verhalten schleift sich mit zunehmender Reife ab. Aber kann der junge Mensch seine Rebellion gegen die Erwachsenen nicht in einer anderen Form äußern, oder erscheint ihm nur der Krawall als die wirkungsvollste?
[V15:128] Olaf Leitner:
[V15:129] Zur sogenannten
Rebellion
muß ich etwas gestehen. In der Waldbühne kam kurz vor unserem Auftritt ein Reporter auf uns zu. Wir waren alle ziemlich aufgeregt. Und in dieser Situation fragte er, was ist der Mythos der
»Rolling Stones«
. Da sagte der eine, na ja, und so, keinem fiel etwas Passendes ein. Ich wußte ganz genau – das konnte ich seinem Gesicht ablesen –, was der Reporter hören wollte. Er wollte das Wort
Rebellion
hören, und darum habe ich es gesagt. Das entspricht durchaus nicht meiner Auffassung. Aber der Reporter war befriedigt und zog ab. Am nächsten Tag stand meine Antwort fett gedruckt in seinem Bericht:
»Der Mythos der Stones ist die Rebellion gegen die Erwachsenen«
.
[V15:130] Peter Weiß:
[V15:131] Ich habe den Eindruck, daß viele Jugendliche solche von Erwachsenen in die Debatte geworfenen Schlagwörter aufnehmen, ohne daß sie damit eine konkrete Vorstellung verbinden. Das ist auch ein Zeichen dafür, in welchem Maße sich die Jugend angepaßt verhält. Von der Öffentlichkeit wird ihr suggeriert, daß von der Jugend eine harmlose Rebellion erwartet wird, und prompt wird sie geliefert. Dabei sind sich diese Jugendlichen nicht darüber im klaren, daß sie sich mit diesem Verhalten als angepaßt und untergeordnet beweisen. Mancher von ihnen mag damit die Illusion verbinden, eine selbstbewußte und bestimmte Rolle in der Gesellschaft zu spielen. Kaum einer merkt, daß er sich in den Trend einfügt und damit zur Erhaltung und Festigung dieser Gesellschaft beiträgt. Dabei ist es unbestritten, daß in der Jugend ein gesellschaftliches Unbehagen vorhanden ist, aber es konkretisiert sich nicht und wird vor allem nicht bewußt. Ohne eine Ausnahme haben meine jungen Gesprächspartner, mit denen ich über ihre Waldbühnenerlebnisse sprach, mir erklärt, daß sie sich für Politik überhaupt nicht interessieren. Müssen wir nicht in diesem unpolitischen Verhalten, diesem rückhaltlosen Anpassen eine Gefahr für unsere politische Zukunft sehen?
[V15:132] Peter Ulrich:
[V15:133] Ich finde diese undifferenzierten Bemerkungen über die Jugend furchtbar. Die Waldbühnenveranstaltung gibt uns dafür gar keinen Anlaß. Bei jeder dörflichen Tanzveranstaltung hat es schon in frühesten Zeiten eine bestimmte Gruppe gegeben, die sich prügeln wollte und sich geprügelt hat. In unserer Zeit verprügelt man sich nicht gegenseitig, sondern zerkloppt zuerst einmal das Material, und das ist schon ein Fortschritt. Die Polizei wird ja nur dann angegriffen, wenn sie pflichtgemäß gegen die Zerstörung eingreifen muß. Wir sollten auch die Größenordnung beachten. Wenn bei einer Tanzveranstaltung im Dorf 500 anwesend waren, haben sich 250 geprügelt. In der Waldbühne waren 22 000 da, und höchstens 1500 haben zerstört. Das ist doch schon eine ganz andere Größenordnung. Man kann also nicht von der Jugend sprechen, sondern nur von einem kleinen Kreis, der aktiv beteiligt war und Rabbatz machen wollte. Und der ist in der Tat auch politisch nicht interessiert.
[V15:134] Peter Weiß:
[V15:135] Ich bin anderer Ansicht als Sie, Herr Ulrich. Ich bin der Meinung, daß die Mehrzahl der Jugendlichen sich unpolitisch verhält.
[V15:136] Peter Ulrich:
[V15:137] Aber die Reaktionen der Waldbühnenveranstaltung kann man doch nicht in Verbindung setzen mit der unpolitischen Haltung der Jugend. Das ist falsch.
[V15:138] Peter Butschkow:
[V15:139] Das ist doch ganz klar. Ein junger Mann mit 21 Jahren, der in seinem erlernten Beruf viel Geld verdient, wie es heutzutage üblich ist, der noch keine eigene Famile hat, der kennt eben besonders den Tanzklub. Und wer nicht schon ein gewisses Niveau hat, der sagt sich, laßt doch die Politik. Lassen Sie den aber erst mal mit 27 Jahren vielleicht verheiratet sein, Familie haben, dann kümmert sich derselbe Mensch automatisch auch um Politik. Haben Sie sich mit 17 Jahren schon so furchtbar dafür interessiert?
[V15:140] Erich Richter:
[V15:141] Ja, er ist in dieser Richtung ein Musterexemplar.
[V15:142] Dieter Hanky:
[V15:143] Ich gebe Peter Ulrich recht, wenn er behauptet, die Waldbühnenveranstaltung habe nichts mit dem politischen Desinteresse der Jugendlichen zu tun. Ich habe gerade für den
»blickpunkt«
den 1. Jugendbericht der Bundesregierung durcharbeiten müssen, der sich auf eine Untersuchung von Emnid bezieht – man kann den Namen Emnid ja wohl hier noch aussprechen ohne rot zu werden. Darin wird festgestellt, daß das politische Desinteresse der Jugend sehr groß ist. Aber ich fragte mich beim Studium dieses Berichtes, liegt das an der Jugend? Und da würde ich nein sagen. Aber zurück zum Ausgangspunkt: Eine ganze Erwachsenengeneration dieses Kontinents läßt sich auf ein bestimmtes Waschpulver dressieren oder auf einen bestimmten Lesering. Warum also sollten sich nicht 1500 Jugendliche auf einen bestimmten Krawall abrichten lassen. Und daß es so war, kann man an der Presse ja ablesen. Ich finde, hier trifft tatsächlich die Schuld nicht die jungen Leute, die in der Waldbühne diesen Krawall gemacht haben. Ich würde ihn aber auch nicht als einen Aufstand gegen die Gesellschaft bezeichnen. Die Situation war ganz einfach angeheizt und mußte sich zwangsläufig auch entladen. Ein Aufstand war es nicht, eine Rebellion war es – wie wir ja nun gehört haben – auch nicht. Für diesen Hinweis bin ich besonders dankbar.
[V15:144] Peter Butschkow:
[V15:145] In Wirklichkeit war es nichts weiter als ein groß aufgezogener Jahrmarkt.
[V15:146] Peter Ulrich:
[V15:147] Mit der Erwartung übrigens, daß etwas passiert. Denn wenn man am nächsten Tag in der Zeitung gelesen hätte, es wäre nicht mehr passiert, als daß die Fans fünf Minuten lang die Bühne stürmten, wäre das wohl eine tiefe Enttäuschung für die Veranstalter und alle diejenigen gewesen, die an der Veranstaltung teilgenommen haben.
[V15:148] Peter Butschkow:
[V15:149] Der Veranstalter hat, als man ihn in einem Fernseh-Interviev kurz vor Beginn fragte, ob er keine Befürchtungen hätte, daß vielleicht etliche Stühle zu Bruch gehen und u. U. gar die Waldbühne auf den Kopf gestellt werden wird, geantwortet:
Na, was soll schon sein, es können doch höchstens ein paar tausend Stühle kaputtgehen.
Er hat selber nicht mit mehr gerechnet. In anderen Städten hatten sie bessere Erfahrungen mit dem
»Blitz-Veranstaltungsschluß«
gemacht.
[V15:150] Erich Richter:
[V15:151] In Hamburg hat aber wohl auch eine unmißverständliche Ankündigung des Senats Wunder bewirkt. Dort ist ganz eindeutig über Presse und Funk der Jugend klargemacht worden, wenn ihr die Ernst-Merck-Halle zerschlagt, ist das die letzte Beat-Veranstaltung in Hamburg gewesen. Das war eine eindeutige Warnung, die hier in Berlin ja leider unterblieben ist.
[V15:152] Dr. Wilfried Gottschalch:
[V15:153] Man merkt, wie artig unsere Jugendlichen sind.
[V15:154] Prof. Dr. Klaus Mollenhauer:
[V15:155] Dafür haben die jungen Hamburger als Ersatz vor dem Dammtor-Bahnhof die Polizei provoziert. Ein bißchen Spaß wollten sie schließlich auch haben.
[V15:156] Dieter Hanky:
[V15:157] In der
»Süddeutschen Zeitung«
las ich eine Glosse über die Beat-Krawalle mit einer sehr ernsten Pointe etwa folgenden Sinns: Man sollte die Krawalle nicht überbewerten, solange sie durch so vergleichsweise harmlose Ursachen wie die Musik ausgelöst werden und nicht von politischen Rattenfängern. In unserem Zusammenhang interes|a 19|siert vielleicht mehr der andere Gedankengang, der in dieser Glosse enthalten war. Da fragte nämlich der Redakteur sehr verwundert, wieso die Jugendlichen in München keinen Krawall gemacht haben. Ist die Münchener Jugend krank? In Berlin haben sie die Waldbühne zertrümmert, und in München passiert buchstäblich nichts. Könnte es sein, hat man überlegt, daß die Polizeiknüppel von Schwabing noch in zu guter Erinnerung sind und vielleicht einen Komplex bei der Münchener Jugend ausgelöst haben?
[V15:158] Peter Ulrich:
[V15:159] Die Münchener haben neuerdings Psychologen bei der Polizei. Ich möchte wissen, was passiert wäre, wenn der Berliner Senat wie in Hamburg einen Aufruf erlassen hätte, und die Waldbühnenveranstaltung wäre genauso abgelaufen, wie wir es erlebt haben. Dann hätte jeder gesagt,
ja, wenn die schon sagen, ihr Bösen, wenn ihr
usw. Wenn ich sage, du darfst das nicht tun, tut er es gerade, weil Verbote zum Widerstand reizen. Und wenn der Senat von Berlin 22 000 Veranstaltungsbesucher aufgerufen hätte, ihr müßt auf jeden Fall vorsichtig sein, nichts zerschlagen, sonst kriegt ihr die Waldbühne nicht wieder, dann wäre das schon von vornherein eine Unterstellung gewesen, daß so etwas geschehen kann. Wenn es dann geschehen wäre, trotz des Aufrufes – dann hätte die Öffentlichkeit einen Schuldigen in dem unpädagogischen Aufruf gefunden. Wie man jetzt auch den Schuldigen bei der Polizei sucht. Wenn die Polizei sich anders verhalten hätte, dann wäre ... Man sucht immer irgendwo einen Ersatzschuldigen, entweder die Jugend insgesamt oder die Polizei oder vielleicht auch den Senat. Der gesellschaftliche Aspekt wird dabei vertuscht, insbesondere die bewußte Manipulierung, und die kann man offensichtlich nicht unterbinden, so wie ich die Sache sehe. Dann hat es auch nicht viel Zweck, die äußeren Umstände zu verbieten. Aber vielleicht ist es sogar ganz gut, wenn die Gesellschaft gerade bei solchen Gelegenheiten spürt, daß doch nicht alles ganz so ruhig ist.
[V15:160] Dieter Hanky:
[V15:161] Hier wurde gesagt, wenn verboten worden wäre oder wenn gewarnt worden wäre. Das ist eine rein rhetorische Frage. Der Senator für Sicherheit und Ordnung hat nach dem Krawall gesagt, er habe, als er die Veranstaltung genehmigt habe, auf Regen gehofft. Das scheint mir dann auch keine gute Methode gewesen zu sein.
[V15:162] Erich Richter:
[V15:163] Das war Angst vor der Entscheidung. Herr Ulrich, es ist hier das Stichwort gefallen von der Ruhe in der Gesellschaft. Die Frage ist, sollte man künftig diese Ruhe in der Gesellschaft dadurch zu erreichen versuchen, daß man so etwas verbietet, oder sollte man überhaupt kein Interesse an der Ruhe in der Gesellschaft haben, sondern froh sein, wenn sich die Unruhe in der Zukunft stärker bemerkbar macht und die Kriterien dadurch sichtbarer werden?
[V15:164] Peter Ulrich:
Herr Richter, es gibt so viele unruhige Gruppen und politische Kräfte, sollte man auch da für Ruhe sorgen, etwa mit der Konsequenz, sie zu verbieten? Dann hat endlich alles seine Ruhe. Die Folge ist eines Tages, daß wir um der Ruhe willen nur noch eine Partei haben, weil es im Parteienstaat ja auch immer etwas Unruhe gibt.
Erich Richter:
Das ist aber nur der eine Aspekt.
Peter Ulrich:
Also Unruhe.
Erich Richter:
Gut, Sie sind für Unruhe, zu welchem Zweck?
Dr. Wilfried Gottschalch:
Wenn man das bewußte Manipulieren solcher großen Gruppen wie Springer u. dgl. ausschalten könnte, dann würde das einen dermaßen großen Eingriff in die Gesellschaft bedeuten, daß er der Umwälzung der Gesellschaft gleichkäme.
Peter Weiß:
Aber ein anderer Aspekt ist, was auch jetzt gerade wieder in der vom SFB gesendeten Diskussion zu dem Waldbühnenvorfall gesagt wurde. Jugend soll eine Gelegenheit haben, sich auszutoben. Deshalb müssen Gelegenheiten geschaffen werden, wo dies geschehen kann. Viele Erwachsene sagen zu den Jugendlichen: Error: java:org.exist.xquery.XPathException . exerr:ERROR XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0. [at line 1044, column 47, source: /db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] In function: kmg-util:quote-marks(xs:string, xs:string, xs:string) [1044:25:/db/apps/sade/modules/kmg/kmg-util.xqm] transformKMG:make-quote(node(), xs:string, item()*, xs:string, xs:string*) [733:17:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] local:main(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [76:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm]. XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0.
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. Sie meinen also, daß Jugend sozusagen ein Ventil verlange, das dazu dient, überschüssige Kraft, also Dampf abzulassen. Ich möchte fragen, ob Sie die Ansicht teilen, daß man solche Ventile schaffen müsse, denen man die Funktion zuweist, ein reibungsloses Einordnen der Jugend in die Gesellschaft zu ermöglichen. Wir sollten diese Diskussion nicht beenden, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Ich frage, ist es richtig, daß die Ruhe der Gesellschaft gesichert wird, indem Ventile geschaffen werden, die ein harmloses Entladen der in jungen Menschen vorhandenen Spannungen im Sinne von Dampfablassen ermöglichen. Spannungen erzeugen Kräfte. Sollte man diese Kräfte wirkungslos verpuffen lassen, oder sollte man nicht vielmehr eine Gesellschaft haben, die es ermöglicht, daß diese Kräfte auch gesellschaftlich wirksam werden.
Dr. Wilfried Gottschalch:
Ich bin trotzdem optimistisch. D. h. ich glaube ein bißchen an Aufklärung. Ich glaube, daß es durchaus noch etwas nutzt, wenn man ganz beharrlich immer und immer wieder davon redet und davon schreibt, was eigentlich los ist, und wenn man versucht, den Dingen auf den Grund zu gehen. Viel mehr ist allerdings nicht zu erreichen. In diesem Zusammenhang ein Wort zur Frage der Entpolitisierung und der Politisierung. Was nützt denn das eigentlich im Augenblick. Politisiert oder besser politisch zu sein? Auch das muß ja jungen Menschen nur zu oft ähnlich wie die ø-Veranstaltung vorkommen, als etwas, wovon man redet, wo man sich erregt und wo dann die Erregung praktisch in Worten ihren Abfluß findet. Dann bleibt alles so, wie es war.
Prof. Dr. Klaus Mollenhauer:
Ich halte es für einen sehr freundlichen und gut gemeinten idealistischen Optimismus, durch Aufklärung verändern zu können. Ich würde nie auf Aufklärung verzichten. Aber wir sollten nicht meinen, daß die Aufklärung sozusagen ein von selbst ablaufender und sich immer mehr verbreiternder Prozeß ist, der irgendwann schon an ein glückliches Ende kommt. Genau das war ja die freundliche Utopie der Humboldt, Schleiermacher, Schlegel usw., die glaubten, daß dieser Prozeß gleichsam allmählich schon die Verhältnisse umgestalten würde. Ich glaube nicht an diese Utopie, sondern ich glaube, daß ohne eine Veränderung der gesellschaftlichen Bedingungen auch die Aufklärung ein freundliches Spiel einiger Intellektueller bleibt.
Dr. Wilfried Gottschalch:
Aufklärung kann nicht mehr erreichen als ein schlechtes Gewissen über die bestehenden Zustände. Sie allein kann nicht die Gesellschaft verändern. Da stimme ich Ihnen zu, aber sie kann dieses schlechte Gewissen über die Unordnung in der Gesellschaft aufrechterhalten. Davon geht befreiende Wirkung aus, wie ja der erbitterte Widerstand der Dunkelmänner zeigt.
Olaf Leitner:
Wenn man jemand aufklärt, hat das nicht unbedingt eine Wirkung – aber auf jeden Fall zeigt diese Aufklärung, daß bestimmte Mißstände vorhanden sind. Und ich finde, wenn man einem kleinen Kind erklärt, du darfst nicht an den Ofen rangehen, du verbrennst dir die Finger, wenn man es also aufklärt, so glaubt das kleine Kind das nicht. Erst wenn es an den Ofen herangegangen ist und sich die Hand verbrannt hat, ist es durch seine eigene schmerzliche Erfahrung aufgeklärt worden. Die Erwachsenen haben ihre Fehler gemacht und versuchen, die Jugend aufzuklären. Aber das hat keinen Sinn, denn die Jugend macht ihre Fehler weiter, bis sie selbst durch Erfahrungen klug geworden ist. – Nun möchte ich aber noch etwas zu Ihrer Error: java:org.exist.xquery.XPathException . exerr:ERROR XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0. [at line 1044, column 47, source: /db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] In function: kmg-util:quote-marks(xs:string, xs:string, xs:string) [1044:25:/db/apps/sade/modules/kmg/kmg-util.xqm] transformKMG:make-quote(node(), xs:string, item()*, xs:string, xs:string*) [733:17:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] local:main(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [76:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm]. XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0.
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sagen, Herr Professor. Ich finde, dieses Thema lag in der Luft, denn, als man diese brüllende Waldbühne vor sich sah, erinnerte sie irgendwie an vergangene Zeiten, an den Sportpalast, an die brüllenden Nazi-Massen, an den politischen Demagogen Goebbels. Sie sagten, wenn die Reizkonstellation anders geartet ist, ist auch die Reaktion anders. Hier war die Reizkonstellation das Error: java:org.exist.xquery.XPathException . exerr:ERROR XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0. [at line 1044, column 47, source: /db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] In function: kmg-util:quote-marks(xs:string, xs:string, xs:string) [1044:25:/db/apps/sade/modules/kmg/kmg-util.xqm] transformKMG:make-quote(node(), xs:string, item()*, xs:string, xs:string*) [733:17:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] local:main(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [76:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm]. XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0.
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-Konzert, Ergebnis: man brüllte und machte Krach. Das unterstreicht meine These, die ich vorhin vertrat, daß unser Problem der Waldbühnenekstase kein Problem von 1965 ist, sondern vielmehr ein Problem ist, das seit Jahrzehnten besteht. Ich habe, wie viele andere, die Aufklärung aus dem Wind geschlagen und bin nun wie jeder Mensch genötigt, mich weiterhin selbst aufzuklären.
Dr. Wilfried Gottschalch:
Vielleicht kann ich ganz kurz mit einem Bild sagen, was Aufklärung möglicherweise kann. Ich vergleiche sie immer gern mit einem Fieberthermometer. Das Fieberthermometer kann messen, aber es kann nicht heilen.
Erich Richter:
Das Stichwort heilen ist gefallen. Herr Dr. Lindenberg, sind Sie der Meinung, daß man Massenhysterie heilen kann, oder soll man diese Krankheit sich getrost austoben lassen?
Dr. Wladimir Lindenberg:
Ich bin absolut der Meinung, daß man heilen kann. Aber man hat überall Grenzen, auch im Heilen. Jedes Leben ist eine unheilbare Krankheit und führt zum Tode. Und dennoch heilen wir innerhalb dieses Lebens. – Was die Aufklärung betrifft, darf man nicht so pessimistisch sein. Ich bin sehr lange Arzt. Früher, vor 30 Jahren, kamen die Patienten grob, ungepflegt, undifferenziert in meine Praxis. Ich habe dieselben Leute jetzt in Behandlung. Darunter sind Arbeiter aus allen Bezirken. Aber die Art, wie sie sich benehmen, wie sie sprechen, wie sie sich ausdrücken, hat sich in dieser Zeit so ungeheuer verfeinert durch – sagen wir Aufklärung – Fernsehen, Rundfunk, Umgangston. Diese Beobachtung stimmt mich immer wieder außerordentlich optimistisch. Heute ist es ganz anders, als es früher war. Die Autorität der Väter, wo es früher immer hin und her knallte, hat sich doch gewandelt. Die Kinder haben jetzt nicht mehr diesen patriarchalischen Vater, sie leben in einer Demokratie miteinander und nicht mehr in einem Absolutismus, und das ist gar nicht schlecht. Und weshalb muß es immer gleich die Revolution der jungen Generation sein? Wenn sich irgendwo etwas entlädt, das ist doch absolut natürlich. Die Jugend heute ist prachtvoll, sie ist prachtvoller als je zuvor. Ich bin jetzt über 60 Jahre alt, habe in Deutschland studiert. Ich habe hier damals das Corpswesen erlebt mit seinen ständigen Besäufnissen, dieses fürchterliche Mensurenschlagen usw. Und wenn ich heute eine Großzahl der Studenten sehe, die ich kenne, weil sie zu mir ins Haus kommen, weil ich sie z. T. behandle, muß ich sagen, daß sie mir wirklich menschlicher vorkommen. Sie haben ein menschliches Gepräge. Mit ihnen kann man sprechen. Als ich jung war, haben meine Professoren mit uns kaum gesprochen. Sie waren Herrgötter. Heute spricht man dieselbe Sprache miteinander und nicht die der Väter und Söhne von ehemals. Man kann nicht mit allen sprechen, das ist auch nicht immer nötig, aber das Wichtigste ist, daß wir Älteren heute dieses offene Herz für jeden einzelnen haben, daß wir ihn auch herausspüren, wenn wir das Gefühl haben, jemand bedarf dieses Gespräches. Wenn überhaupt von Schuld die Rede ist, trifft diese Schuld immer die ältere Generation. Sie war am Nationalsozialismus schuld, sie war am Bolschewismus schuld, sie war an allem, was geschehen ist und noch da ist, schuld. – Zur politischen Abstinenz der Jugend: Wenn man die Vergangenheit bewußt erlebt hat, weiß man, was Politik sein konnte. Nazitum und Bolschewismus, das war Politik damals. Und jetzt erleben wir eine Abkehr davon, weil man genug hat und weil die Jugend doch heute sehr kritisch die Dinge, die geschehen sind, betrachtet, und weiß, daß die Alten diese schmutzige Politik gemacht haben. So ist es doch kein Wunder, daß sie an diesen Dingen im Moment nicht interessiert sind. Wenn sie – wie Sie vorhin sagten – 30 Jahre alt geworden sind, werden sie sich schon noch dafür interessieren.
Erich Richter:
Also dürfen wir das, was sich in der Waldbühne abgespielt hat, was der akute Anlaß dieser Diskussion war, nicht überbewerten, das pendelt sich ein, das ist beinahe naturbedingt, würden Sie dem zustimmen?
Dr. Wladimir Lindenberg:
Unbedingt. – Ja, es ist nicht einmal ein Symptom, würde ich sagen.
Dieter Hanky:
Herr Dr. Lindenberg, ich fand das großartig, was Sie eben sagten: diese Jugend heute ist in Ordnung. Sie sind auch der These des Herrn Dr. Gottschalch entgegengetreten, der Funktionsverlust der Familie und der Autoritätsverlust des Vaters sei negativ zu bewerten. Die von mir zitierte Untersuchung Error: java:org.exist.xquery.XPathException . exerr:ERROR XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0. [at line 1044, column 47, source: /db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] In function: kmg-util:quote-marks(xs:string, xs:string, xs:string) [1044:25:/db/apps/sade/modules/kmg/kmg-util.xqm] transformKMG:make-quote(node(), xs:string, item()*, xs:string, xs:string*) [733:17:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] local:main(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [76:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm]. XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0.
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von Emnid hat gezeigt, daß der Autoritätsverlust des Vaters gegeben ist. Ich finde aber, daß durch den Verlust der Autorität ein Vertrauen gewachsen ist zwischen Kindern und Eltern, hier im besonderen jetzt ein Vertrauen zwischen Kindern und Vätern besteht, das die verlorene Autorität bei weitem aufwiegt. Und ich sehe hier auch die größere Chance für den Vater und auch für die Kinder. Erziehung, die nicht autoritär erfolgt, sondern Vertrauen als Grundlage hat, ist eine Entdeckung unserer Zeit.
Dr. Wilfried Gottschalch:
Das ist eine Chance, aber noch keine Wirklichkeit. Wenn Sie in das statistische Jahrbuch hineinschauen, sehen Sie, daß es in der Bundesrepublik 6½ Millionen Pendler gibt, das sind Leute, die außerhalb ihres Wohnortes arbeiten müssen.
Siehe Statistisches Bundesamt Wiesbaden, 1964, S. 154
Zu diesen Pendlern müssen Sie noch die Schichtarbeiter dazurechnen. Und nun sagen Sie mal, wie in diesen Familien ein Familienleben überhaupt möglich sein soll? Autorität in der ø auch ein Fortschritt. Doch wurde bisher die Autorität mehr von Hilflosigkeit und Gleichgültigkeit ersetzt als von Vertrauen. Die Wartezimmer der Psychotherapeuten und der Fürsorgeämter geben genug Aufschluß darüber.
Prof. Dr. Klaus Mollenhauer:
Herr Gottschalch, darf ich Sie interpretieren? Ich glaube, der Hinweis auf das Problem Autorität ist nicht genau das, was Sie meinen. Sie meinen doch wohl, daß in der guten bürgerlichen Familie des 19. Jahrhunderts die Möglichkeit der Identifizierung mit den Autoritätspersonen, also mit dem Vater möglich war und daß andererseits in der sogenannten partnerschaftlichen Familie unseres Jahrhunderts zwar der etwas freundlichere Aspekt des gegenseitigen Geltenlassens und des Partnerschaftlichen enthalten ist, daß es aber in der Familie bisher noch nicht gelungen ist, für den, der in dieser Familie heranwächst, eine Identifikation zu ermöglichen. Ich halte es allerdings für möglich, daß sich das im Laufe von einigen Jahrzehnten einpendelt und daß wirklich die Familie wieder ein Feld solcher primären Identifikation wird. Freilich nicht ohne die Anstrengung derer, die daran beteiligt sind. In diesem Zusammenhang noch ein Wort zur Error: java:org.exist.xquery.XPathException . exerr:ERROR XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0. [at line 1044, column 47, source: /db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] In function: kmg-util:quote-marks(xs:string, xs:string, xs:string) [1044:25:/db/apps/sade/modules/kmg/kmg-util.xqm] transformKMG:make-quote(node(), xs:string, item()*, xs:string, xs:string*) [733:17:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] local:main(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [76:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm]. XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0.
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. Aufklärung heißt hier: Aufklärung des Jugendlichen über seine eigene Situation und über die Bedingungen, unter denen er lebt; daß z. B. ein jugendlicher Industriearbeiter darüber aufgeklärt werden muß, daß sein Betrieb bestimmte Konflikte hervorruft. Man muß ihm sagen, welche Konflikte das sind, und daß er seine Interessen gegen den Unternehmer z. B. in der Gewerkschaft wahrnehmen kann; daß die Gewerkschaft nicht irgendeine Gruppe von Nörglern ist, sondern, daß das Leute sind, die notwendige gesellschaftliche Interessen vertreten. – Oder – gesetzt den Fall, ich unterhalte mich mit einem Oberschüler –, daß er die schulische Situation durchschauen lernt; er soll genau wissen, was in der Schule möglich ist; und warum bestimmte Dinge nicht möglich sind. Damit er z. B. lernt, warum diese Selbstverwaltung in der Schule nicht funktioniert, woran das liegt, nämlich an der Institution Schule, usw.
Peter Ulrich:
Ich darf einmal ein Beispiel nennen, das Sie vorhin anführten. Ein Kind, das vorher von den Eltern aufmerksam gemacht worden ist – der Ofen ist heiß, wenn man ihn anfaßt, verbrennt man sich –, das faßt an und verbrennt sich. Aber es muß sich erst einmal bewußt machen, daß es sich verbrannt hat, und dazu gehört die Aufklärung. Ich kann die Erfahrung selbst machen, aber ich muß die eigene Erfahrung auch einordnen können. Ich muß die Zusammenhänge mir bewußt machen, sonst verbrenne ich mich immer wieder und weiß eigentlich gar nicht, warum. Und das passiert ja z. B. in der Schule sehr oft. Wenn ein Schüler Versuche zur Selbstverwaltung startet und sich immer wieder verbrennt, wird er sagen, verbranntes Kind scheut das Feuer. Dann faßt er gar nichts mehr an, resigniert, aber er weiß nicht, warum das eigentlich alles immer wieder passieren konnte.
Dieter Hanky:
Herr Ulrich, nennen wir das doch nicht Aufklärung, nennen wir das doch, wie es die Jugendarbeit bezeichnet: Error: java:org.exist.xquery.XPathException . exerr:ERROR XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0. [at line 1044, column 47, source: /db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] In function: kmg-util:quote-marks(xs:string, xs:string, xs:string) [1044:25:/db/apps/sade/modules/kmg/kmg-util.xqm] transformKMG:make-quote(node(), xs:string, item()*, xs:string, xs:string*) [733:17:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] local:main(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [76:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm]. XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0.
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Dr. Wilfried Gottschalch:
Was solche Aufklärung will, ist doch folgendes: Sie will nicht, daß die Menschen sich überall anpassen, und sie will auch nicht, daß die Menschen Anpassung von vornherein ablehnen. Aufklärung dieser Art will, daß die Menschen selbst entscheiden, wo sie sich anpassen wollen und wo nicht. Und daß sie darüber hinaus zuweilen die gesellschaftliche Ordnung ihren Bedürfnissen anpassen. Einüben in die Gesellschaft ist das nicht. Einüben in die Gesellschaft das ist, erkennen zu lernen, daß man z. B. nicht darf, wenn es im politischen Verkehr rot aufleuchtet, und daß man darf, wenn es grün aufleuchtet.
Erich Richter:
Kommen wir zum Schluß, meine Herren. Es ist in der Waldbühne zwar ein materieller Schaden entstanden in Höhe von etwa 400 000 Mark. Dieser materielle Schaden ist zu ersetzen. – Den Krawall kann man schon gar nicht mehr als Schaden bezeichnen, wenn ich die einzelnen Diskussionsbeiträge damit richtig interpretiert habe. Sehr sympathisch fand ich, was Sie, Herr Dr. Lindenberg, gesagt haben, daß man von heilen nicht sprechen braucht, da es sich gewissermaßen von selbst wieder einpendelt. – Vielleicht hat unsere Gesellschaft, angeregt durch die Pressekommentare, diesen ganzen Vorgang in der Waldbühne wichtiger genommen als er es wert war. Nun wollen wir deshalb nicht die Error: java:org.exist.xquery.XPathException . exerr:ERROR XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0. [at line 1044, column 47, source: /db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] In function: kmg-util:quote-marks(xs:string, xs:string, xs:string) [1044:25:/db/apps/sade/modules/kmg/kmg-util.xqm] transformKMG:make-quote(node(), xs:string, item()*, xs:string, xs:string*) [733:17:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] local:main(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [76:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm]. XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0.
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und die anderen in Frage kommenden Erzeugnisse des Springer-Konzerns auf dem Scheiterhaufen verbrennen, obwohl das scheinbar wieder in Mode zu kommen droht. Aber wir sollten auch keinen Zweifel daran lassen, daß auf diese nicht immer qualifizierten Stimmen aus jenem Bereich des Blätterwalds doch eine Teilschuld fällt. Sie haben den Bazillus Error: java:org.exist.xquery.XPathException . exerr:ERROR XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0. [at line 1044, column 47, source: /db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] In function: kmg-util:quote-marks(xs:string, xs:string, xs:string) [1044:25:/db/apps/sade/modules/kmg/kmg-util.xqm] transformKMG:make-quote(node(), xs:string, item()*, xs:string, xs:string*) [733:17:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] local:main(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [76:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm]. XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0.
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verbreitet und dadurch eine Epidemie infantiler Delikte ausgelöst. Immun dagegen wird man nur, wenn man Blätter dieses Niveaus links liegen läßt. Die Gesellschaft hat den Skandal vorausgesetzt, der Affe Jugend wurde gewissermaßen gefüttert und hat erwartungsgemäß die Show geliefert. Ich halte diesen ø nicht für eine bewußte Demonstration der Unruhe, die die Gesellschaft wachrütteln sollte, wenn sie so gemeint gewesen wäre, hätte sie andere Formen angenommen und wäre weniger mittelmäßig abgelaufen. – Die Error: java:org.exist.xquery.XPathException . exerr:ERROR XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0. [at line 1044, column 47, source: /db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] In function: kmg-util:quote-marks(xs:string, xs:string, xs:string) [1044:25:/db/apps/sade/modules/kmg/kmg-util.xqm] transformKMG:make-quote(node(), xs:string, item()*, xs:string, xs:string*) [733:17:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] local:main(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [76:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm]. XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0.
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scheinen im Augenblick die Idole der Jugend zu sein. Sie werden angehimmelt, ihretwegen bleibt einigen sogar die Luft weg. Ein Beweis für die Tüchtigkeit der Public-Relations-Manager. An diesem Punkt müßte die Aufklärung ansetzen, die einfach auf das Ziel gerichtet sein sollte, die Kritikfreudigkeit zu wecken, das Niveau zu heben. Wer schon reif genug war, hat sich – um es mit Olaf Leitner zu sagen – an der heißen Show der Error: java:org.exist.xquery.XPathException . exerr:ERROR XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0. [at line 1044, column 47, source: /db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] In function: kmg-util:quote-marks(xs:string, xs:string, xs:string) [1044:25:/db/apps/sade/modules/kmg/kmg-util.xqm] transformKMG:make-quote(node(), xs:string, item()*, xs:string, xs:string*) [733:17:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm] local:main(node(), xs:string, xs:string, xs:string, xs:string*) [76:21:/db/apps/sade/modules/kmg/transform.xqm]. XPTY0004: The actual cardinality for parameter 1 does not match the cardinality declared in the function's signature: kmg-util:quote-marks($rend as xs:string, $filename as xs:string, $mode as xs:string) item()*. Expected cardinality: exactly one, got 0.
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bereits die Finger verbrannt und beginnt einzusehen, daß sie auch nur mit Wasser kochen können. Wer sich bis zu diesem Gedanken durchgerungen hat, springt über den ganzen Beat-Rummel hinweg und wendet seine Aufmerksamkeit und Energie wichtigeren Fragen unseres Lebens zu. Ob die ihn dann allerdings nicht auch manipulieren bzw. ob er dann der Anpassung widerstehen wird, bleibt eine offene Frage. Meine Herren, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.