erörtert und damit auch der gegenwärtige Stand
erziehungswissenschaftlicher Systematik präsentiert werden soll, könnte sich ein
Band, in dem ausschließlich die Erziehungsmittel, die Methoden und Medien der
Erziehung und Bildung, zum Gegenstand gemacht werden, wie ein Rückgriff auf
einen problematischen Zustand des pädagogischen Denkens ausnehmen. Auf die
Mittel, die Instrumente der pädagogischen Tätigkeit, kann sich konzentrieren,
wem Aufgabe und Ziel unproblematisch sind (traditionalistische Version), oder
jemand, dem die normativen Entscheidungen gerade derart problematisch
erscheinen, daß sie einer rational begründenden Argumentation nicht zugänglich
sind, und der deshalb meint, sich auf die instrumentelle Sicherung von
Effektivität und Optimierung beschränken zu müssen (technologische Version).
Zudem könnten einige Gründe dafür geltend gemacht werden, die Mittel-Probleme
als untergeordnet, zweitrangig, nur noch als eben technische Konsequenzen zu
betrachten, wenn nur einerseits die inhaltlich-didaktischen Fragen, andererseits
die psychischen Voraussetzungen des Lernenden geklärt sind. Mit der ersten
Komponente des Erziehungs- und Bildungsprozesses hat sich H. Blankertz in dem
Band
»Theorien und Modelle der Didaktik«
, mit dem zweiten H. Skowronek in
dem Band
»Lernen und Lernfähigkeit«
befaßt. Erübrigt sich also das
vorliegende Buch? Oder ist es ein Rückfall auf einen frühen handwerklichen Stand
des pädagogischen Denkens? Dem könnte zustimmen, wer der Meinung ist,
Methoden-Probleme seien nur aus inhaltlichen
Entscheidungen zu folgern; der Theorie der Bildungsinhalte gebühre also ein
eindeutiger Primat vor einer möglichen Theorie der Bildungsmittel – oder wer der
Meinung ist, Methoden-Probleme seien nur aus einer
pädagogischen Psychologie zu folgern, die sich ja die Struktur und die
Bedingungen des Lernens zum Thema macht und also auch allein (vielleicht im
Rückgriff auf die Theorie der Bildungsinhalte) und kompetent Auskunft geben
könne, wie dieses Lernen am besten zu arrangieren sei.
[V51:2] Allein: Gerade in solchen Sichtweisen drückt sich ein bedenkenswerter
Zustand unseres wissenschaftlich-systematischen Denkens aus. Die Vorstellung,
das pädagogische Handeln verfahre derart deduktiv, daß aus Zielen, Inhalten oder
der psychischen Be|a 8|schaffenheit des Edukandus die Mittel
für den Umgang mit diesem gefolgert würden, charakterisiert vielleicht eher die
Wissenschaft von diesem Handeln als das Handeln selbst. Der pädagogische Alltag,
wo er noch nicht zur Maschinerie entstellt ist, ist viel eher damit beschäftigt,
für alle Beteiligten von Tag zu Tag aufs Neue erträgliche Situationen zu
schaffen: Personen stellen sich dar und reagieren auf die Darstellungen anderer;
Spiele werden in Szene gesetzt, wiederholt und verändert; Umgangsstile werden
erprobt und eingeübt oder verworfen. Bei dieser Tätigkeit spielt das
Instrumentarium, mit dessen Hilfe eine pädagogische Situation Gestalt gewinnt,
die entscheidende Rolle: die Gesten, die Sprache, die Materialien und Objekte,
auch die Vorstellungen der Beteiligten voneinander, von Zeit- und
Raumstrukturen, die Produkte der Tätigkeit und die Tätigkeit selbst. Damit
eigentlich hätte eine pädagogische Theorie zu beginnen.
[V51:3] Dieser Anfang aber kann nicht mehr naiv sein. Zu umfangreich und
vielfältig ist das Wissen, das Überlieferung und Forschung bisher um diese
Problematik herum aufgehäuft haben. Der Begriff von der Sache ist eine Funktion
dieses Wissens geworden, damit auch eine Funktion seiner gesellschaftlichen
Bedingungen, seiner Verwendungssituationen im Rahmen der technischen
Zivilisation. Dieser Begriff muß – wie sich der Zeitgeist ausdrückt –
»aufgearbeitet«
werden. Das aber läßt sich offenbar nur mit
ironischer Attitüde tun. Diese ironische Arbeit ist nötig, weil inzwischen nicht
nur die Wissenschaft, sondern auch die Praxis ihren
»homo paedagogicus«
konstruiert, ein
»Gestell«
– um an einen Ausdruck Heideggers zu erinnern –, das den Handelnden von den Möglichkeiten
seiner situativen Erfahrung abtrennt. Schneisen durch die Wissensberge schlagen,
um die Struktur pädagogischen Handelns erfahrbar zu machen: das ist der Zweck
des hier vorliegenden Buches. Eher als alle anderen Bände dieser Reihe ist
dieser Band eine Einführung in die Grundprobleme der Tätigkeit des Erziehens,
vor allem in dessen Grundstruktur: das Herstellen, Hervorbringen, Gestalten,
Verändern von Situationen, in denen der sich bildenden Person neue Erfahrungen
möglich sind.