Kritik an der
„emanzipatorischen Pädagogik“
Viele Erziehungswissenschaftler in die richtige Traditionslinie gestellt, diese aber falsch beschrieben
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–[125:2] Die Rationalitätszumutungen jener„emanzipatorischen Pädagogik“hätten zu einer„Bauchkultur“„didaktischem Anarchismus“
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–[125:3] Das Nachdenken über den Zusammenhang von Erkenntnis und Interesse sei in der Pädagogik„kläglich gescheitert“;
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–[125:4] Die„emanzipatorische Pädagogik“sei„ohne Sensibilität für die Emanzipation der Frau“
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Erstens:[125:8] Die„emanzipatorische Pädagogik“– wenn man denn schon dieses Etikett für im Detail ziemlich Verschiedenes verwenden will – hat sich nicht das Insgesamt dessen, was wir Erziehung und Bildung nennen, zum Thema gemacht. Vielmehr, wie in der Wissenschaft üblich, nur einige Komponenten dieser Wirklichkeit. Es ist deshalb richtig, daß es Bereiche im Felde pädagogischer Fragen gibt, die dort nicht behandelt wurden. Es ist aber merkwürdig, wenn daraus ein Vorwurf konstruiert wird.
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Zweitens:[125:9] Davon abgesehen, sind manche Vorwürfe dennoch richtig. Zum Beispiel der, daß die Geschlechterdifferenz vernachlässigt worden sei. Das aber ist nun gerade kein Charakteristikum der„emanzipatorischen Pädagogik“, wie ein Blick in die Wissenschaftsgeschichte der Pädagogik zeigt. Ähnliches gilt für„rationalistische Erziehung“.
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Drittens:[125:10]Aber vielleicht will gar nicht den wissenschaftlichen Diskurs zurechtrücken. Und die Auswahl, die er unter den zitierten Autoren trifft, ist ihm eher zufällig aus der Feder gerutscht. Vielleicht meint er ja die gegenwärtige pädagogische Praxis oder, vorsichtiger gesprochen, einige ihrer Tendenzen, die ihm mißfallen. Aber dann – das liest sich für wissenschaftsgeschichtlich aufgeklärte Kollegen ziemlich überraschend – soll die„emanzipatorische Pädagogik“Ursache sein für derart Beklagenswertes.Da ist eine ärgerliche Art von Wissenschaftsgläubigkeit im Spiel. Ich habe jedenfalls immer angenommen, daß Denken und Handeln zweierlei sind und daß deshalb auch das Handeln sich nicht schon deshalb ändert, weil hier oder dort anders gedacht würde. Wie nun aber eine Handvoll erziehungswissenschaftlicher Autoren – ohne sich auf staatliche oder ökonomische Macht zu stützen – es geschafft haben könnte, derart Schlimmes anzurichten, ist mir schleierhaft.
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Viertens:[125:11]Immerhin aber haben„manche ihrer (dereben dies sich zum Thema gemacht. Zum Beispiel war uns damals, zwischen 1966 und 1975, die Frage wichtig, wie sich das Denken häufig unauffällig jenen Verhältnissen anbequemt, die beklagenswert erscheinen. Und auch die, ob dann nicht wenigstens diejenigen, die in Akademien für das Denken bezahlt werden, aus solcher Bequemlichkeit sich lösen könnten. Und so haben sie denn – Akademiker und Praktiker – gelegentlich zusammengewirkt.‚emanzipatorischen Pädagogik‘) Vertreter“Die Akademiker versuchten, das Handeln so einzurichten, daß Einsicht und Handeln nicht so weit voneinander entfernt blieben. Wie der Übergang vom einen zum anderen von den geprüften Argumenten zur aushaltbaren Praxis, beschaffen sein mag, das zu wissen kann nur der Scharlatan behaupten. Denn dazwischen liegen – der Zustand von Familien, die ökonomischen Ungleichheiten, die Verschiedenheit von Mentalitäten, die institutionellen Bedingungen, die administrativen Vorgaben, die politischen Klimata, die Autoritätshierarchien, auch gesamtgesellschaftlich Unvorhergesehenes.
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Fünftens:[125:12]betont,„nichts soll von den Wahrheiten der‚emanzipatorischen Pädagogik‘zurückgenommen werden“„die Aufgabe zu, in der heranwachsenden Generation das Potential gesellschaftlicher Veränderungen hervorzubringen“„Instrumentalisierung“„Kinder, Schüler, Jugendliche dienen meinen, unseren Interessen“Ich denke – um meinen eigenen Satz hier noch einmal zu erläutern –, daß ich gut daran tue, meine Kinder so zu erziehen, daß sie imstande sind, ihr Handeln so einzurichten, daß die Welt besser wird, als sie ist.„Potential gesellschaftlicher Veränderung“ist eine – ich gebe es zu – etwas gestelzte Formel für diese einfache Sache. Jedenfalls aber meint sie das Gegenteil von„Instrumentalisierung“.Die preußische Schulgesetzgebung der Mitte des 19. Jahrhunderts, die Jugendpflege-Erlasse des Kaiserreichs, die Einwirkungen der Großindustrie auf die Berufsbildung der sechziger Jahre, die„wertkonservativen“Verordnungsabsichten von diesen und jenen Kulturpolitikern – das alles und ähnliches sind vielleicht„Instrumentalisierungen“des Nachwuchses für„unsere“Zwecke. Das„Potential gesellschaftlicher Veränderungen“hingegen kann sich auch gegen mich, gegen uns, gegen jedes Instrumentalisierungsinteresse richten. Und da meine Vernunftkräfte begrenzt sind, stehen bei jedem neuen Argument der jungen Generation diese auf dem Spiel. Für so riskant halte ich das Unternehmen„Demokratie“.ist der geradezu klassische Fall eines flexiblen„Neo-Konservativen“. Er will es mit keinem verderben. Hätte er doch nur nicht nur Aufsatz„Erkenntnis und Interesse“, sondern auch das gleichnamige Buch gelesen, mit den dichten Interpretationen der Psychoanalyse! Und das nicht so schräg zitiert! Manches verquere Urteil hätte er sich vielleicht erspart.
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–[125:14]„die Einseitigkeit einer rationalistischen Erziehung“
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–[125:15] die„pauschale Schwarzweißmalerei“
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–[125:16] die geschlechtsspezifische Solidarität habe ich in Forschung (ich meine„Forschung“) bis heute nicht erkennen können und vermute deshalb, daß es sich um ein allgemeineres Problem handelt. Und mit der„Scheu, Regeln, Rituale und Referees" (Was ist das? K. M.) in der Erziehung zu akzeptieren“