Dialogische Reflexionen V [Textfassung a]
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Dialogische Reflexionen V

[V89:1] Hamburger: Ich denke, daß wir die Diskussion dieser letzten beiden Beiträge verbinden können mit einer allgemeinen und einer zusammenfassenden Diskussion. Hans-Uwe Otto hat ja schon einmal einen Vorschlag gemacht, der die drei Epochen auch nochmal definieren würde. Das wäre auch so ein Teil dieser abschließenden Diskussion, daß wir versuchen, uns ein gemeinsames Verständnis des Ganzen zu erarbeiten. Aber zunächst mal, haben wir Rückfragen zu dem letzten Teil, zu dem heutigen Nachmittagsschwerpunkt?
[V89:2] Engelke: Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß die Arbeiten von Mollenhauer und Uhlendorff das weiterführen, was Alfred Adler bereits zu Beginn unseres Jahrhunderts praktiziert hat. Adler und seine Schüler haben in Erziehungsberatungsstellen und Schulen die Lebensgeschichten von Kindern und Jugendlichen aus individualpsychologischer Sicht gedeutet. Mollenhauer und Uhlendorff greifen allerdings nicht auf Adlers Thesen und die Individualpsychologie zurück, sondern benutzen andere Begriffe und Deutungsmuster.
[V89:3] Uhlendorff: Ja, das habe ich auch am Anfang gesagt, daß es nun nicht etwas Neues ist, was wir da entwickelt haben. Es ist vielleicht deutlich geworden, daß man ausgehend von diesen allgemeineren Formen der Betrachtung wieder versucht, an Problemlagen von Betroffenen anzuknüpfen. Da wird auch methodisches Rüstzeug entwickelt. Und ich denke, daß wir da etwas weitergehen. Wir sind auf der Suche nach Kategorien, mit denen man jetzt versucht, diese Problemlagen bzw. lebensweltlichen Probleme näher oder dichter zu beschreiben und auch zu verallgemeinern. Das ist ja das, was die Vertreter der Individualpsychologie kaum gemacht haben, also daß man Fälle auch mal versucht zu verallgemeinern. Daß man sagt, das sind eigentlich typische Problemlagen in bestimmten sozialen Milieus. Das ist vielleicht auch noch einmal eine andere Orientierung, die sowohl im Bereich der Praxismethoden als auch in der Forschung Eingang finden kann.
[V89:4] Hamburger: Auffällig und wichtig ist zunächst, daß Uwe Uhlendorff an das, was vorher vorgetragen wurde, in seiner Arbeit nicht anknüpfen konnte. Also das, was vorher als Methodendiskussion dargestellt worden war, das war wiederum kein Ansatzpunkt für das, was er entwickelt hat. [V89:5] Mir scheint das deshalb wichtig, weil das, was wir Methodendiskussion nennen, durchaus jetzt an ganz verschiedenen Punkten wieder anfängt. [V89:6] Wichtig ist zunächst einmal festzustellen, daß erst in der Zusammenschau wiederum Anknüpfungspunkte aus der Geschichte gefunden werden konnten.
[V89:7] Otto: Wir haben einen sehr elaborierten Bericht gehört von Uwe Uhlendorff über eine Forschungsarbeit, die die Grenzziehung zwischen Forschung und praktischen Methoden nicht immer so deutlich machte. Da will ich aber jetzt nicht einsteigen. Es handelt sich ohne Zweifel um einen Neuansatz, der hochinteressant ist, aber es |a 207|ist sicherlich auch der Weg, der heute allgemein beschritten wird. Es gibt weitere Entwicklungen, z. B. die methodische Konzentration auf den sozialen Raum unter Hinzuziehung ökologischer Modelle. Und es gibt weitere Hinweise aus anderen Bereichen, wo versucht wird, die Lücke, die durch eine verlorengegangene Methodendebatte entstanden ist, wieder zu füllen. Es wird zwar noch eine Zeit dauern, aber unter dem Aspekt der Professionalisierung kommen wir nicht darum herum, diese Lücke zu füllen. Und es wird interessant sein, ob es eine Entwicklung geben wird, die sich eines Rückbezugs versichern muß, oder aber ob es auch neue Wissensbestände aus dem Kontext der Sozialwissenschaften geben kann, die uns bislang noch nicht verfügbar gewesen sind. Man kann auch sagen, daß es für die Sozialarbeit zu einer Wiederentdeckung der Gesellschaft kommen muß, d. h. eine sozialpolitisch forcierte Unterlegung sozialpädagogischer Aktivitäten. Wir sind meiner Meinung nach erst am Anfang einer wieder erstarkenden Methoden-Debatte. Mollenhauer und Uhlendorff haben dazu einen Beitrag aus einer spezifischen Sichtweise geliefert und uns damit ermuntert, uns wieder stärker der oben ausgeführten Grundfrage der methodischen Auseinandersetzung zuzuwenden.
[V89:8] Schiller: Ich möchte in diesem Zusammenhang an eine Tagung im September 1980 erinnern, auf der haben sich Sozialwissenschaftler und Methodenexperten das erste Mal nach langer Zeit wieder getroffen. Auf dieser Tagung war man sich in folgender Aussage einig, und hier zitiere ich:
[V89:9]
Damit ist eine im Folgenden noch zu erläuternde Möglichkeit aufgezeigt, ein Methodenkonzept zu formulieren, das wissenschaftlichen Anforderungen entspricht, das die disparaten Theorieansätze ordnet und integriert. Die Weiterentwicklung grundlegender generischer Handlungsmodelle, auf denen weitere Spezialisierung aufbauen kann, ist eine entscheidende Voraussetzung für weitere Professionalisierung der Sozialen Arbeit und Erziehung.
[V89:10]
(Unveröffentl. Prot. Berliner Symposium. Zitiert nach: Nebel, G./Woltmann-Zingsheim (Hrsg.) 1997, 325).
[V89:11] L. Lowy kommt in seinem 1983 herausgegebenen Buch
Sozialarbeit/Sozialpädagogik als Wissenschaft im angloamerikanischen und deutschsprachigen Raum
Lowy, L. 1983, 131) – auch zum Thema Methoden und Handlungswissenschaften – zu folgender Aussage:
[V89:12]
SA/SP als Handlungswissenschaft steht am Anfang ihrer Entwicklung. Als Handlungsfeld hat sie bereits eine lange und stolze Geschichte und Tradition hinter sich. Als Handlungswissenschaft wird sie und muß sie das Handlungsfeld beeinflussen, indem sie Handlungskonzepte überprüft und Handlungstheorien zum Praxisvollzug entwirft. In Rückblendung und Reflexion wird das Handlungsfeld wiederum die Handlungswissenschaft beeinflussen, zu Korrekturen führen und neue Erkenntnisse bringen
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[V89:13] Als letztes wollte ich noch etwas wiedergeben aus der Bayerischen Studienordnung für Fachhochschulen von 1995, weil man auch hier von einem Handlungskonzept der Sozialarbeit spricht und folgendes darunter versteht:
[V89:14]
Konzepte/Theorien, Methoden und Verfahren des Handelns mit Einzelnen, Familien, Gruppen und Gemeinwesen in der Sozialen Arbeit. Verknüpfung von Erklärungs- und Handlungswissen. Planmäßiges, systematisches Vorgehen in der Sozialarbeit durch:
    [V89:15] Bestandsaufnahme/Sozialanamnese,
    [V89:16] Analyse,
    [V89:17] Zielklärung,
    [V89:18] Handlungsplan,
    [V89:19] Veränderungsmaßnahmen,
    [V89:20]
    Auswertung des Erreichten/Evaluation, zielgerichtete, reflektierte Vorgehensweise.
[V89:21] (Bayer. Rahmenstudienordnung vom 21. Sept. 1995)
[V89:22] Methodisches Handeln ist zu verstehen als ein dynamischer Prozeß wie eine Schnecke oder besser noch wie eine Spirale mit Nutzung dieses Sechs- oder Sieben-Schrittes, d. h. man ist ständig offen für neue Entwicklungen und Erkenntnisse während des Handlungsprozesses, der anwendbar ist im Makro-, Meso- und Mikrobereich der Sozialen Arbeit. Bei uns an der Fachhochschule nennt man das
Schillersche Schnecke
.
[V89:23] C. W. Müller: Also ich wollte genau das sagen, was Heinrich Schiller auch sagte, wenn wir nämlich den Begriff Methoden mal einen Augenblick lang ersetzen durch den eher prozeßorientierten Begriff des methodischen Arbeitens, dann gibt es in der Tat hinter dem, was Kollege Uhlendorff vorgestellt hat, und dem, woran wir uns orientiert haben, in der Rezeption der traditionellen, klassischen Methoden eine Übereinstimmung, übrigens auch in Forschungsprozessen und auch in Konstruktionsprozessen im Hinblick auf Curricula. Die folgen in der Tat ähnlichen, sehr schlichten, drei oder fünf Stufen, Prozessen, die Heinrich Schiller nochmal in Erinnerung gerufen hat, in meiner Sprache: Anamnese, Diagnose, Interventionsplanung, Evaluation.
[V89:24] Schiller: Hinter jedem dieser einzelnen Schritte ist ja eine ganze Theorie verborgen, die muß man erläutern. Aber die Schritte bleiben die gleichen.
[V89:25] Thiersch: Ja, mit den Grundmustern, das ist sicher so. Das hat mich auch beschäftigt. Ich denke aber, wenn ich jetzt auf die verschiedenen Referate zurückgucke, ist folgendes spannend: Warum war man nicht immer damit zufrieden? Denn dieses konnte man immer auch lesen, 30 Jahre lang, das stand überall. Irgendwann hatte man das auch mal gelernt, die vier Schritte, oder fünf, je nachdem, ein bißchen variiert. Das hängt damit zusammen, daß es eine Art Grundkonstruktion von menschlichem Handeln oder von Problemlösung und als solches so richtig wie trivial ist. Eigentlich interessant sind die Ausgestaltungen. Das ist wieder ein weites |a 209|Feld. Ich überlege jetzt nochmal, ob ich das richtig verstehe, jetzt auch bezogen auf die Methoden. Diese Grundmuster waren dimensioniert für den einzelnen, für die Gruppe und für das Gemeinwesen. Das ist eine sehr schlichte, allgemeine Kategorisierung. Das ging dann so nicht mehr weiter. [V89:26] Ich finde es spannend bei der Gemeinwesenarbeit, die ist ja nicht zu Ende gegangen. Die ist zwar totgesagt worden. Aber sie hat in dem, was Planung ist, partizipatorische Planung oder ökologisch orientierte Arbeit – Dinge, von denen Herr Wendt geredet hat – gemacht, und hat sich fast zu einer Art Generalansatz, jetzt nicht mehr methodisch eng gesehen, zu einem Gesichtspunkt zur Bündelung unterschiedlicher methodischer Zugänge erweitert. Bei der Beratung ist Ähnliches passiert. Die Frage nach der speziellen Handlungskompetenz war ein Versuch, das Spezielle und das Allgemeine zusammenzubinden. – Bisher hab’ ich das Gefühl, wenn ich die Referate nacheinander höre, daß es eine zunächst etwas eng geführte, klassische Methodenlehre gibt. Die hat sich dann gesprengt innerhalb der Methoden und ist dann eher in das Allgemeinere von Handlungsfähigkeit, Handlungskompetenz hineingegangen. Das führt auf die Diskussion, die wir davor gehabt haben, nochmal zurück, daß dieses Allgemeine von Handlungskompetenz offensichtlich jetzt auch diskutiert wird in einem Zusammenfall von wissenschaftlichen, sozusagen analysierend-rekonstruktiven Methoden und Handlungsmöglichkeiten. Es stellt sich die Frage, ob es nicht sich gegenseitig ergänzende Parallelen des wissenschaftlich analysierenden und des handlungsermöglichenden Wegs gibt und ob das jetzt eine neue Art der Konkretisierung oder der Weiterführung eines auf Handlungskompetenz generalisierten Modells ist. [V89:27] Die Rekonstruktion des Falles, Schützes
bescheidene Profession
hin oder her, das ist eine Dimension. Planung ist etwas völlig anderes, und sozialpolitische Einmischung ist wieder etwas völlig anderes. Und es darf nicht das eine oder das andere dominieren, wenn wir nicht Sozialpädagogik wieder entpolitisieren wollen.
[V89:28] Schiller: In diesem Zusammenhang möchte ich auf etwas Interessantes hinweisen. Von den neuen, einschlägigen Fachbüchern aus den 90er Jahren, alle übrigens im Lambertus Verlag erschienen, sind mindestens vier dabei, die wieder von methodischem Handeln sprechen und oben erwähnte methodische Handlungsschritte aufgreifen: Groddeck/Schumann 1994, Meinhold/Heiner/Spiegel/Staub-Bernasconi 1995, Heiner (Hrsg.) 1996 und B. Müller 1997. [V89:29] Die alte Methodenlehre hat insofern einfach nicht gegriffen, als sie, abgesehen von den noch unzureichenden wissenschaftlichen Begründungen, von vornherein die Arbeitsformen vorweggenommen hat, die sich eigentlich erst aus Situationsanalyse und der Zielklärung ergeben. Ist mit der Zielklärung die Ist-Soll-Situation Gegenstand der Reflexion gewesen und sind die möglichen Klienten je nach ihrer sozialen Reife an der Zielformulierung beteiligt worden, dann erst wird man die Mittel der Hilfe, zu denen auch die Arbeitsformen gehören, bestimmen können. Es können dies sozialpolitische Aktionen, Gemeinwesenmethoden, Gruppenarbeit oder |a 210|Familien- oder Einzelberatung sein, entweder einzeln oder in Kombination. Dieser Prozeß von Analyse, Zielfindung und Mitteleinsatz wird in jeder Entwicklungsphase dahingehend auszuwerten sein, ob die Ausgangslage realistisch beurteilt wurde, ob die Ziele so noch stimmen und ob die eingesetzten Mittel im Sinne des professionellen Auftrages erfolgreich gewesen sind. Von Fall zu Fall müssen also Analyse, Ziele und Mittel verändert werden. Dieses Vorgehen des methodischen Handelns muß nicht nur verstanden, sondern in vielen konkreten Situationen in der Praxis unter Supervision eingeübt werden.
[V89:30] Rawiel: Zu den Ausführungen von Herrn Oelschlägel meine ich, daß sich Lehre und Anwendung der sogenannten klassischen Methoden so schnell nicht überlebt haben. Zu Beginn der 70er Jahre, als sich in Berlin bereits zwei Fachhochschulen für Sozialarbeit etabliert hatten, waren Casework und Gruppenarbeit noch Unterrichts- und Prüfungsfächer. In den Nachbarschaftsheimen wurden Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit praktiziert, die auch heute noch, wenn auch in etwas modifizierter Form angewandt werden. [V89:31] Im ländlichen Bereich erfolgte die Anwendung der Methodenlehre vielfach erstmalig in den 70er Jahren. Ich war von 1972 bis 1980 in einem Kreisjugendamt als Supervisorin tätig, in dem gerade erst begonnen wurde, die Methodenlehre in die Praxis umzusetzen, sie wird auch heute noch unter Einzel- oder Gruppensupervision praktiziert. [V89:32] Daß sich im Blick auf den zeitbedingten, raschen Wandel auch Veränderungen für die Ausbildung und Praxis der Sozialarbeit ergeben, ist schon durch die veränderte regionale, nationale und internationale soziale Problematik bedingt, der mit veränderten, bzw. erweiterten Hilfsangeboten/-Methoden begegnet werden muß.
[V89:33] Oelschlägel: Ich würde das beantworten mit einer Sache, die Hans Thiersch gesagt hat, nämlich, daß es kein Nacheinander, sondern alles gleichzeitig gab. Es gab in den 70er Jahren gleichzeitig die Kollegen, die so gearbeitet haben, wie sie immer gearbeitet haben, wie sie schon in den 50er Jahren gearbeitet haben. Es gab die, die Sie beschrieben haben, es gab die... es gab die, die in der Politik gearbeitet haben.
[V89:34] Mollenhauer: Ich möchte auf den Beitrag von Uwe Uhlendorff zurückkommen. Ich würde im Unterschied zu Ihnen, Herr Uhlendorff, auf eine harmonisierende Bemühung, auf den inneren thematischen oder Formenzusammenhang zwischen wissenschaftlicher Forschungsmethode und praktischer Handlungsmethode kein Gewicht legen. Ich würde das entharmonisieren. Und Sie wollen es harmonisieren. Das halte ich für gefährlich. Forschungsmethoden sind gegenüber der Praxis notwendigerweise fragmentarisch, können diese Praxis niemals abbilden, egal welche Überschrift Sie dem geben. Und was Sie zitiert haben zur Untersuchung ist die Beschränkung auf einen ganz bestimmten Gesichtspunkt, nach dem niemand handeln kann. Sondern da können Sie nur forschen, haben Sie nur Erkenntnisgewinn, sonst nichts. Sie können mit den Selbstdeutungen der Jugendlichen keine Handlungsmethode entwerfen. |a 211|Geht es nun um praktische Handlungsmethoden, stehe ich vor einem anderen Problem. Dann muß ich überlegen: Welches ist der richtige Handlungsweg, um ein praktisches Problem zu lösen? Dafür ein Vorbild in der Wissenschaft holen zu wollen, ist ein Irrweg. Und wenn man beides hermeneutisch nennt, finde ich das höchst gefährlich. Also hermeneutisch nenne ich das wissenschaftliche Verfahren der Rekonstruktion zur Bedeutung von Texten. Egal, wo ich die her hab’. Jetzt ist die alte, von Habermas vorgeschlagene Unterscheidung von System und Lebenswelt hilfreich. Daran kann ich nämlich zeigen, eine Methode ist gegenüber dem notwendigen Ineinander von System und Lebenswelt in modernen Gesellschaften distanziert und neutral. Die Methode kann sich einmal nur auf Systemisches, Systemartiges, mal nur auf Lebensweltartiges oder auf irgendwas anderes konzentrieren. Praxis aber, eine Praxis, die heute auf System keine Rücksicht nimmt, ist eine hoffnungslos kulturalistisch-affirmative Praxis. Und das hab’ ich von Habermas gelernt. System und Lebenswelt, das ist ein im Sprachspiel der Frankfurter dialektisch genanntes Verhältnis. Ich liebe diesen Ausdruck nicht, weil er die Sache nicht klarer macht. Jedenfalls Handlungsentwürfe, praktische methodische Vorstellungen müssen immer System und Lebenswelt ineinander binden. Und deshalb muß das auf verschiedenen Ebenen erörtert werden, und jede Verwischung von Forschungsmethode, sei das nun Hermeneutik und Praxismethode, wäre mir höchst suspekt.
(Beifall)
[V89:35] Otto: Ich stimme dieser Aussage zu, zumal sie zeigt, daß wir in der Sache nicht unterschiedlicher Meinungen sind. Was ich auch unterstütze, ist die Definition des methodischen Handelns als professionelles Handeln, d. h. daß sozialpädagogische Fachkräfte aufgrund ihrer Ausbildung in der Lage sein sollten, wissenschaftliches Wissen, Problemanalysen und Handlungsnotwendigkeiten im Prinzip systematisch zu verknüpfen. Hier haben die alten Methoden versagen müssen, da die notwendigen Verknüpfungselemente weitgehend noch nicht verfügbar waren, die wir heute z. B. unter der Dimension des Wissens als Praxis, Profession und Disziplinorientierung benennen können. Uhlendorff ist auf dem Wege dazu, wenn er hier keine vorschnellen Verwischungen zuläßt.
[V89:36] Uhlendorff: Ich kann jetzt noch keine Antwort geben auf das hier skizzierte Problem. Was mir zur Zeit wichtig ist, ist eine andere Frage, auf die ich ja auch in meinem Studium eine Antwort gesucht habe, nämlich einen Begriff von Pädagogik, von Sozialpädagogik zu finden. In Auseinandersetzungen mit Jugendlichen oder mit den sprachlichen Selbstdeutungen von Praxismethode zu sprechen, das würde ich einschränken und sagen: Es – also die sozialpädagogisch-hermeneutische Diagnose – ist eine Methode, die sowohl Forscher als auch Praktiker anwenden können, um sozialpädagogische Perspektiven zu entwickeln. Das ist eine Form pädagogischer Selbstvergewisserung, so würde ich das eher bezeichnen. Mir geht es darum, in der Frage, was Sozialpädagogik heute noch bedeuten könnte, weiterzu|a 212|kommen. Diese Frage stellt sich für den Praktiker und den Forscher zunächst gleich. Hier können hermeneutische Fallanalysen, die von Selbstdeutungen Jugendlicher ausgehen und im Hinblick auf mögliche pädagogische Aufgabenstellungen auf die Praxis Bezug nehmen, weiterführen. Die sozialpädagogische Diagnose ist für mich eher ein Experiment, bei dem Forschung und Praxis verbunden sind. Weil es sich zunächst um eine gemeinsame Fragestellung handelt, würde ich es mit der Trennung nicht so streng nehmen. Ob das nun eine Antwort auf Ihre Frage ist, wird sich zeigen.