Soziale Bedingungen familialer Kommunikation [Textfassung A]
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Vorwort

[V44:1] Die Sachverständigenkommission zur Erstellung des 2. Familienberichts der Bundesregierung, der das Thema
Familie und Sozialisation – Leistungen und Leistungsgrenzen der Familie hinsichtlich des Erziehungs- und Bildungsprozesses der jungen Generation –
behandelt und im April 1975 von der Bundesregierung publiziert wurde 1)
1) Bericht über die Lage der Familie in der Bundesrepublik Deutschland – 2. Familienbericht – Deutscher Bundestag – Drucksache 7/3502, zu beziehen durch: Verlag Dr. Hans Heger, 53 Bonn-Bad Godesberg 1, Postfach 821 (als Bundestagsdrucksache zum Preis von DM 6.--) und durch das Bundsministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, 53 Bonn-Bad Godesberg 1, Postfach 490 (als kostenlose Broschüre).
, hat als Zuarbeiten für ihre Überlegungen eine größere Zahl von Forschungsprojekten und Expertisen vergeben. Einige davon, die auch für ein breiteres Publikum interessant sein könnten, werden in einer Reihe von
Materialbänden zum 2. Familienbericht
veröffentlicht. Sie sind im Familienbericht zum Teil noch unter vorläufigen Arbeitstiteln zitiert.
[V44:2] Die Sachverständigenkommission hat es für richtig befunden, diese Forschungsberichte und Expertisen in der von den jeweiligen Autoren vorgesehenen Fassung der Öffentlichkeit vorzulegen. Damit liegt die volle Verantwortung für die inhaltlichen Aussagen und die Bearbeitungsform dieser Studien bei den Autoren, und ihre Meinungen müssen nicht unbedingt die Auffassung der Kommission wiedergeben.
[V44:3] Im Juni 1975 Der Kommissions-Vorsitzende Prof. Dr. Friedhelm Neidhardt
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Einleitung

[V44:4] Die hier vorgelegte Untersuchung ist – in der Form ihrer Darstellung – eher ein Werkstattbericht als ein voll ausgereifter Beitrag zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung in der pädagogisch interessierten Familienforschung. Die Untersuchungsplanung – angeregt und unterstützt durch die Kommission zur Erstellung des zweiten Familienberichtes der Bundesregierung – hatte mehr im Sinn, als der Kommission bei der Auffüllung von Datenlücken behilflich zu sein. Mit ihr sollte ein theoretischer Ansatz versucht werden, der – interessant genug schien, um ihn auf die empirische Probe zu stellen. Das Vorhaben aber erwies sich im Laufe seiner Durchführung als zu komplex, als daß innerhalb der Frist von zwei Jahren solchen Ansprüchen Genüge getan werden konnte. So legen wir im Folgenden denn einen Zwischenbericht vor, der in seinem quantitativen Teil zwar abgeschlossen ist, im fallanalytisch-interpretierenden Teil aber immer noch die wesentlichen Fragen offen läßt. Der Leser wird es als einen hoffentlich anregenden Versuch betrachten müssen, empirische und hermeneutische Verfahren in pädagogischem Interesse miteinander zu verknüpfen.
[V44:5] Mit dem Charakter des Werkstatt-Berichtes hängt es zusammen, daß wir hier auf eine Darstellung der theoretischen Voraussetzungen verzichten. Eine solche Darstellung müßte ohnehin, wenn sie tatsächlich Begründung und nicht nur Zitation von Referenzen sein sollte, fast so umfangreich ausfallen, wie die Darstellung der empirisch-quantitativen Ergebnisse selbst. Indessen wollen wir doch auf einige Hinweise nicht verzichten:
[V44:6] Die Ausgangsfrage unserer Untersuchung ergibt sich aus einem dreifachen Unbehagen:
[V44:7] 1. Die Sozialisationsforschung – und die pädagogisch interessierte Familienforschung ist ein Teil von ihr – produziert im Regelfall, jedoch dort, wo sie strikt empirisch verfährt, einen speziellen Wissens-Typ: auf das pädagogische Handeln gemünzte Wenn-Dann-Empfehlungen, die nach der Art von Techniken erfolg|A 10|reich oder nicht erfolgreich befolgt werden können, für deren Befolgen aber als unterstellte Voraussetzungen gilt, daß der Handelnde sich vornehmlich Wissen, am besten psychologisches aneignen müsse. Die soziologische Version unterscheidet sich davon nicht grundsätzlich; nur ist ihr
idealisierter
Addressat nicht der einzelne Handelnde, sondern es sind planende Kollektive. In beiden Fällen kommt unseres Erachtens zu kurz, daß pädagogisches Handeln es allemal mit einer, mehr oder weniger gut gelingenden Reflexion von aktuellen Beziehungen zu tun hat. Es fragt sich natürlich, ob damit überhaupt ein möglicher Gegenstand empirischer Wissenschaft bezeichnet ist.
[V44:8] 2. Die Sozialisationsforschung hat sich ferner – und auch das gilt natürlich nur für den Regelfall – in ein
normatives Schlepptau
nehmen lassen. Sie ist, jedenfalls bei uns in Deutschland und im Umkreis der Pädagogik und Bildungsforschung, erst richtig in Gang gekommen, als es galt, der erstaunlichen Ungerechtigkeit in unserem Bildungswesen hinter die Ursachen zu kommen und einer neuen Erziehungs- und Bildungsplanung die Argumente zu liefern. Das bedeutete, daß bestimmte gesellschaftliche Erwartungen, die Standards des
Schulerfolges
, zum Kriterium (im Sinne der unabhängigen Variable) der Forschung wurden. Die im Bildungswesen institutionalisierten Lernziele präformierten damit die
Erkenntnisinteressen
der Forscher. So etwas ist sicher nützlich – allerdings nur solange, als man jene Lernziele voll akzeptiert. Interessiert sich ein Sozialisationsforscher für andere Ziele – wie das z.B. die psychoanalytische Forschung seit langem tut – erscheint ihm vielleicht jene Orientierung an den Bildungsstandards weniger nützlich. Er könnte z.B. postulieren, daß nicht die Sozialisationsforschung den Interessen des Bildungswesens, sondern dieses und unser Erziehungssystem im Ganzen anderen Zielen, anderen Kriterien folgen solle und infolgedessen auch die Sozialisationsforschung ihren Erkenntnisgegenstand umdefinieren müsse.
[V44:9] 3. Schließlich leidet die Sozialisationsforschung an einem Mangel, den wir in der hier vorliegenden Untersuchung – auf vielleicht etwas übertriebene Weise – auszugleichen suchen: sie |A 11|interessiert sich, wo sie pädagogische Sachverhalte im Auge hat, nahezu ausschließlich für
Erzieherisches
. Das ist nun auf den ersten Blick gewiß kein Mangel, dem Anschein nach aber ein ungereimter Vorwurf. Indessen: auch die Ethnologie bzw. Kulturanthropologie hat sich intensiv mit Problemen des erzieherischen Umgangs beschäftigt, allerdings nie, ohne zuvor die allergrößte Aufmerksamkeit den Erscheinungen des Erwachsenen-Daseins in einer sozialen Gruppe zu widmen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es überraschend, daß es in der pädagogischen Forschung offenbar nicht für selbstverständlich gehalten wird, im Zusammenhang, mit der Erforschung der Beziehungen zwischen den Generationen zunächst sich der Lebenswelt der erwachsenen Generation zuzuwenden. Diese Forderung nun scheint uns für die Probleme der Familienerziehung von besonderer Bedeutung zu sein, ist die Familie doch die einzige pädagogische Institution, in der noch die Kinder vornehmlich durch die Teilnahme am Leben der Erwachsenen lernen.
[V44:10] Die vorliegende Untersuchung ist ein Versuch, aus solchen Überlegungen Konsequenzen zu ziehen. Zunächst ging es uns darum, ein Kriterium zu finden, das im Hinblick auf die implizierten
Lernziele
von den schulischen Leistungserwartungen relativ unabhängig ist. Bei der Tradition des symbolischen Interaktionismus einerseits und der therapeutisch orientierten Familien- und Beziehungsforschung andererseits bot sich dafür ein Anknüpfungspunkt. Hier wurden Kategorien eines
reifen
interpersonellen Handelns entwickelt (vor allem Watzlawick u.a., Laing) mit denen das soziale Verhalten in Primärgruppen beschrieben werden kann. Die Kenntnisnahme von theoretischen Ansätzen dieser Art sind in unseren Begriff
Kommunikation
eingegangen. Dieser Begriff soll den Sachverhalt fassen, daß – was auch immer in einer Familie geschieht – es im Medium nahezu ununterbrochener Verständigungsprozesse vor sich geht. Der
Verständigungscharakter
dieser Prozesse ist freilich faktisch mehr oder weniger ausgeprägt, er kann gegen Null tendieren, wenn das innerfamiliale Handeln einen hohen Grad von Ritualisierung erreicht hat. Im |A 12|Regelfall jedoch wird sich die familiale Kommunikation aus einer Fülle von Interaktionsschritten zusammensetzen, die zu jenem Verständigungsprozeß je verschiedenes beitragen und auch in verschiedenen
Kanälen
verlaufen. Um solche Vorgänge beschreiben zu können, haben wir als Kriterium
Kommunikationsdimensionen
bestimmt, bei deren Operationalisierung wir auf interaktionistische Kategorien, auf die
Axiome menschlicher Kommunikation
(Watzlawick u.a.) und linguistische Überlegungen zurückgriffen. In diesem Zusammenhang verfolgen wir zunächst vornehmlich einen methodischen Zweck, nämlich die Klärung der Frage, ob möglich ist, das familiale erziehungsrelevante Geschehen in Kategorien einer
Kommunikationsstruktur
empirisch zuverlässig zu beschreiben.
[V44:11] Da unser Interesse sich nicht auf die Phänomenologie interpersoneller Beziehungen beschränkt, haben wir als zweite Komponente in unsere Untersuchung den Versuch einer Aufklärung der Genese familialer Kommunikationsstrukturen aufgenommen. So wie wir unterstellen, daß pädagogisches Verhalten nur verstanden und erklärt werden kann, wenn es aus der Sicht der
Lebenswelt
(Garfinkel/Schütz) der pädagogisch Handelnden betrachtet wird, unterstellen wir für diese Lebenswelt, daß sie sich nicht aus der Analyse des innerfamilialen Geschehens allein erschließt, sie hat vielmehr ihren historisch bestimmten Ort im sozialen System, dessen Komponente das System der gesellschaftlichen Arbeitsteilung ist. Seit Kohn seine Untersuchungen zum Zusammenhang von Arbeitsplatzmerkmalen und Erziehungseinstellungen vorgelegt hat, spielt in der Sozialisationsforschung die Hypothese eine bedeutende Rolle, daß mehr noch als die Schichtzugehörigkeit die Berufsrolle des Familienernährers das familiale Sozialisationsmilieu beeinflußt. Es schien für den Zweck unserer Untersuchung lohnend, dieser Hypothese zu folgen und – als den gleichsam materiellen Aspekt der Lebenswelt der untersuchten Familien – die Arbeitssituation der Väter als unabhängige Variable zu prüfen.
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[V44:12] Der Untersuchungsbericht besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil enthält die Darstellung der quantitativen Ergebnisse, d.h. die Prüfung der auf die Komplexe
Kommunikationsstruktur
und
Arbeitssituation
gerichteten Kategorien und Erhebungsverfahren, sowie die Darstellung und Diskussion der zwischen beiden Daten-Mengen gefundenen Beziehungen. Dieser Teil kann als abgeschlossen gelten, wenngleich sich gegen Ende unserer Arbeit herausgestellt hat, daß eine von uns nicht vorgenommene Regressions-Analyse möglicherweise dem Material und der Fragestellung angemessener gewesen wäre, als die durchgeführte Faktoren-Analyse.
[V44:13] Der zweite Teil des Berichts besteht aus Fall-Studien. Vorwiegend mit dem begrifflichen Instrumentarium des symbolischen Interaktionismus wurden hier vier Familien unserer Stichprobe unterschiedlich intensiv interpretiert. Wir haben uns zu dieser Unterschiedlichkeit entschlossen – der Fall A. ist ungefähr so lang geraten, wie die drei anderen zusammen – um einerseits die methodischen Probleme des interpretierenden Verfahrens ganz deutlich werden zu lassen und für den Leser nachvollziehbar zu machen, andererseits aber auch, um diskutieren zu können, ob die umständliche und für den Leser mühevolle
Langform
durch irgendeinen Erkenntnisgewinn gegenüber den knapperen Darstellungen gerechtfertigt ist. Die Bedeutung solcher Fall-Studien für die erziehungswissenschaftliche Ausbildung scheint uns unbestreitbar. Ihrer Bedeutung für die Familienforschung sind wir noch nicht so sicher, es sei denn im Hinblick auf das Entwickeln von Hypothesen. Auf jeden Fall aber scheinen für uns die Fall-Studien einen Weg anzudeuten, auf dem die wissenschaftliche Analyse in die Reflexion des praktisch Handelnden übergehen kann. Daß dafür noch andere Darstellungsformen gefunden werden müssen, ist uns deutlich.
[V44:14] Die Durchführung der Untersuchung und die Niederschrift des Berichts sind eine Gemeinschaftsarbeit. Wir danken den Studenten, die bei der Materialerhebung mitgewirkt haben. Besonderen Dank schulden wir Erika Strott und Mathias Frindte, die nicht nur in der Erhebungsphase, sondern auch bei der Entwicklung der Fragestellungen und Methoden entscheidend mitwirkten.
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[V44:15] Wir hätten diese Untersuchung nicht durchführen können, wenn nicht die in unsere
Stichprobe
aufgenommenen Familien sich bereit erklärt hätten, ungewöhnliche und zeitraubende
Befragungs
-Prozeduren über sich ergehen zu lassen und uns die die Teilnahme an ihrem Familienleben zu gestatten. Gerade aus diesem Grunde auch ist es mehr als unbefriedigend, daß die Ergebnisse von uns nicht so zur Darstellung gebracht werden konnten, daß sie wiederum gerade diesen Familien dienlich sind. Wenn es jedoch lohnend sein sollte, den von uns besonders in den Fall-Studien eingeschlagenen Weg in einer praktikableren Form weiter zu verfolgen, wäre es vielleicht möglich, diese ärgerliche Kluft zwischen erziehungswissenschaftlicher Forschung und den praktischen Problemen der Handelnden – nicht nur der professionellen Erzieher – zu überwinden.
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Teil I

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1. Materialerhebung und Stichprobe

1.1. Die Erhebungsverfahren

[V44:16] Bei der Materialerhebung waren insgesamt 16 Personen (fortgeschrittene Studenten der Pädagogik oder Sozialwissenschaften) als Interviewer eingesetzt. Die Interviewerteams bestanden jeweils aus einem weiblichen und einem männlichen Interviewer. Damit sollte auch bei starker Geschlechtsrollenfixierung der befragten Ehepartner die Chance einer dichten Kommunikation erhalten werden.
[V44:17] Die Materialsammlung lief in allen Familien wie folgt ab:
[V44:18] 1. Der Kontaktbesuch
[V44:19] Während des Kontaktbesuchs wurde den Familien der Zweck der Untersuchung in groben Umrissen erläutert. Es wurde darauf hingewiesen, daß es besonders darum ginge zu erfahren, welche Probleme für die Familien von besonderer Wichtigkeit seien und in welcher Weise sich die Probleme auf die Erziehung der Kinder auswirken würden. Diese globalen Erläuterungen wurden konkreter ausgeführt, wenn die Familien den Wunsch danach äußerten. Es wurde darauf hingewiesen, daß es bei der Zielsetzung der Untersuchung nicht genügen würde, nur die üblichen Fragebögen ausfüllen zu lassen, vielmehr sei eine intensive Auseinandersetzung mit den Familien unabdingbar. Das setze ein hohes Maß an Aufgeschlossenheit und Bereitschaft zur Mitarbeit voraus. Es wurden dann die Schritte der Materialerhebung, insbesondere auch die Notwendigkeit von Tonbandprotokollen, erläutert (vgl. Anhang). Trotz dieser für viele Familien überraschenden Anforderung war die Quote der Verweigerungen minimal. Es hatten sich auf unsere schriftliche Anfrage offensichtlich nur relativ aufgeschlossene Familien gemeldet. Der Besuch dauerte in der Regel eine Stunde. Über diesen Kontaktbesuch wurde anhand eines Leitfadens ein nachträgliches Protokoll angefertigt (vgl. Anhang).
[V44:20] Nach dem Kontaktbesuch wurden die Familien an zwei Abenden aufgesucht.
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[V44:21] 2. Erstes Interview
[V44:22] Das erste Interview sollte nach der Heimkunft des Mannes von der Arbeit stattfinden. Es dauerte in der Regel von ca. 17.30 – 21.00 Uhr und begann mit der Ausfüllung eines standardisierten Arbeitsplatz-Fragebogens (vgl. Anhang 1) durch den Vater (bei Berufstätigkeit auch durch die Mutter). Danach wurde ein Fragebogen bezüglich der wichtigsten Sozialdaten (vgl. Anhang 2) von den Eltern gemeinsam ausgefüllt. Für die Kinder hatten wir Tonpapier und Wachsmalstifte mitgebracht. Im Anschluß daran wurde für mindestens zwei Stunden das familiäre Geschehen durch Tonbandaufzeichnungen festgehalten. Es wurde eindringlich darauf hingewiesen, daß nur die Protokollierung einer möglichst normalen, unverfälschten Alltagssituation für das Untersuchungsziel von Wert sei. Die Interviewer hatten Anweisung, sich jedes direkten Eingriffs zu enthalten. Einer der beiden Interviewer hatte die Vollständigkeit des Protokolls technisch zu garantieren, der andere nach Zeiteinheiten mittels eines schriftlichen Protokolls das räumlich
setting
der Familie festzuhalten, um das spätere Verständnis der Tonbandaufzeichnungen zu erleichtern. Auch über dieses offene Tonbandprotokoll wurde nachträglich noch ein allgemeines schriftliches Protokoll angefertigt.
[V44:23] 3. Zweites Interview
[V44:24] Der zweite Interview-Besuch – im folgenden auch Gesprächsbesuch genannt – fand in der Regel von 20.00 – 22.00 Uhr statt. Die Kinder sollten dabei nicht anwesend sein. Dieser Gesprächsbesuch untergliedert sich in zwei deutlich getrennte, zeitlich gleichgewichtige Interviewteile.
[V44:25] a. Familienbiographie (Fb.)
[V44:26] Zunächst wurden die Ehepartner aufgefordert, einen Bericht über ihre Familiengeschichte zu geben. Dieser Teil wird im folgenden meist abkürzend als
Familienbiographie
bezeichnet. In den ersten 15 Minuten sollten sich die Interviewer aller strukturie|A 18|renden Interventionen enthalten, also nur als aufmerksame Zuhörer auftreten. Allenfalls sollte eingegriffen werden, um die Ehepartner zum Weitererzählen zu stimulieren, oder – dies aber frühestens nach 10 Minuten – um einen Ehepartner in die Berichterstattung einzubeziehen, wenn diese bis dahin ausschließlich von dem anderen Ehepartner übernommen wurde. Der Interviewteil
Familienbiographie
sollte die Aufgabe haben, zu erfahren, wie die Ehepartner ihre gemeinsame Biographie strukturieren, wie sich ihre Gewichtungen der familiengeschichtlichen Probleme unterscheiden und wie sie wechselseitig mit den Interpretationen vergangener Ereignisse und den Lebensperspektiven des anderen umgehen. Nach Ablauf der ersten 15 Minuten waren thematisch orientierte Interventionen der Interviewer zulässig. Dazu war der folgende Katalog von vermuteten familiären
Schlüsselproblemen
aufgestellt worden:
[V44:27] Kennenlernen der Ehepartner, Geburt der Kinder, Generationsprobleme (Verhältnis zu Eltern, Schwiegereltern), Wohnen, Beruf, Ausbildung, Nachbarschaft, Familienfreizeit und Ferien.
[V44:28] Wurde einer oder mehrere dieser Problembereiche von dem Ehepaar nicht spontan angesprochen, so sollte von den Interviewern das entsprechende Stichwort als Anregung gegeben werden. Für jedes
Schlüsselproblem
war nur eine einmalige Intervention gestattet. (Vgl. Anhang 4).
[V44:29] b. Dissens-Diskussion (DD.)
[V44:30] Der zweite Teil des Gesprächsbesuchs, im folgenden
Dissens-Diskussion
genannt, hatte das Ziel zu ermitteln, in welcher Weise die Ehepartner familiäre Probleme kommunizieren, insbesondere in den Fällen, in denen ihre Einstellungen und Problemlösungen divergieren. Dazu war ein sogenannter
Dissens-Fragebogen
entwickelt worden, der aus offenen Fragen bezüglich solcher Probleme bestand, bei denen für die Mehrzahl der Familien kontroverse oder zumindest differierende Standpunkte erwartet werden konnten. Da es in diesem Interviewteil um die Erkenntnis der Regeln ging, mit denen die Ehepartner einen Dissens verarbeiten, waren die inhaltlichen Standpunkte der Ehepartner zu den einzelnen Fragen |A 19|von nachgeordnetem Interesse. Die Fragen hatten also in erster Linie Stimulationsfunktion, um charakteristische Interaktionsformen hervortreten zu lassen.
[V44:31] Die Fragen des Dissens-Fragebogen waren:
  1. 1.
    [V44:32] Stellen Sie sich vor, Ihr Kind würde heimlich Geld aus Ihrem Geldbeutel (Haushaltskasse) nehmen. Wie würden Sie darauf reagieren?
  2. 2.
    [V44:33] Ihr Kind kommt aus der Schule heim und erzählt, der Lehrer habe es geschlagen. Was würden Sie tun?
  3. 3.
    [V44:34] Sie erfahren, daß ihr Kind mit anderen bei Sexualspielen beobachtet worden ist. Was machen Sie?
  4. 4.
    [V44:35] Ihr Kind beschimpft Sie. Wie würden Sie reagieren?
  5. 5.
    [V44:36] Ihr Ehepartner bekommt einen neuen Arbeitsplatz angeboten, wobei er wesentlich mehr verdient (und andere Gründe). Sie müßten aber in eine andere Stadt ziehen, was Ihnen nicht recht ist. Wie würden Sie sich entscheiden und warum?
[V44:37] Es wurden keine vorfixierten Antwortkategorien vorgegeben, da es fraglich schien, ob man alle möglichen Reaktionsformen auf die Stimulussituation in solchen Vorgaben adäquat berücksichtigen könnte. Außerdem hätte die Gefahr bestanden, daß die Vorgaben die Reaktionen der Befragten präjudizierten. Zudem wäre damit den Befragten bei auftretenden Differenzen der Ausweg eröffnet worden, die Differenzen auf die unzureichenden Antwortkategorien zurückzuführen. Die Stimuluswirkung des Fragebogens wäre also stark eingeschränkt gewesen.
[V44:38] Neben dem Dissens-Fragebogen mußte noch ein Fragebogen ausgefüllt werden, in dem nach der Verteilung einiger wichtiger Funktionen im Haushalt gefragt wurde (vgl. Anhang 3). Hier waren drei Antwortkategorien (überwiegend der Mann, überwiegend die Frau, überwiegend gemeinsam) vorgegeben.
[V44:39] Es wurde darauf bestanden, daß die Ehepartner die Fragebögen räumlich voneinander ausfüllten, um eine Absprache der Antworten zu verhindern und betont, daß es nicht auf eine möglichst große Übereinstimmung der Antworten ankäme. Der männliche Interviewer half dem Mann, der weibliche Interviewer der Frau |A 20|beim Beantworten der Fragen, wenn dies gewünscht wurde. Dabei hatten sich die Interviewer natürlich jeder Beeinflussung zu enthalten. Danach wurden die Ehepartner aufgefordert, sich ihre Antworten auf jeweils eine Frage vorzulesen. Die inhaltliche Strukturierung der sich regelmäßig spontan anschließenden Diskussion sollte den Befragten überlassen bleiben, die Interviewer durften also auf keinen Fall etwas neue Gesichtspunkte in die Diskussion einer Frage einführen. Erfolgten auf die Antworten der Ehepartner keine weiteren Reaktionen oder nur so knappe, daß der Eindruck entstand, es handelt sich um ein für die Familie völlig irrelevantes Problem, so sollte auf die nächste Frage übergegangen werden. Wurde eine Ungleichverteilung der Beiträge beobachtet, so wurden Stimuli von seiten des gleichgeschlechtlichen Interviewers an den weniger beteiligten Ehepartner gegeben. Insgesamt sollte der Interviewverlauf so strukturiert werden, daß alle Fragen in ungefähr gleicher Ausführlichkeit diskutiert werden konnten. Für beide Teile des Gesprächsbesuchs, besonders jedoch für die Dissens-Diskussion, galt der Grundsatz, die Interviews so zu führen, daß innerfamiliäre Konflikte deutlich wurden. Wenn der Eindruck entstand, daß ein Inhaltsproblem anstelle eines verdeckten Beziehungsproblems zum Thema wurde, so sollte das inhaltliche Problem so verstärkt werden, daß der Beziehungskonflikt abschätzbar wurde. Das Beziehungsproblem sollte auf keinen Fall von den Interviewern thematisiert werden. Grundsätzlich sollten sich andeutende Konflikte unter keinen Umständen so verstärkt werden, daß damit die Interviewsituation selbst problematisch wurde oder der Konflikt in der Sache sich zuspitzte. Die Interviewer durften keine familiären Konflikte neu schaffen.
[V44:40] Auch über den Gesprächsbesuch wurde anhand eines Leitfadens ein nachträgliches schriftliches Protokoll angefertigt. Nachdem die Datenerhebung in einer Familie abgeschlossen war, wurde noch eine allgemeine Charakteristik der Familie erstellt.
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[V44:41] Folgende Zusammenstellung soll noch einmal einen Überblick über das für jede Familie gesammelte Material geben:
  1. 1.
    [V44:42] Schriftliches Protokoll nach dem Kontaktbesuch
  2. 2.
    [V44:43] Freies Tonband-Protokoll von mindestens 2 Stunden unbeeinflußter Familieninteraktion
  3. 3.
    [V44:44] Protokoll des räumlichen
    settings
    während der freien Familieninteraktion
  4. 4.
    [V44:45] Standardisierter Arbeitsplatzfragebogen
  5. 5.
    [V44:46] Standardisierter Sozialdatenfragebogen
  6. 6.
    [V44:47] Schriftliches Protokoll nach dem ersten Interview (Protokollbesuch)
  7. 7.
    [V44:48] Tonbandprotokoll des Gesprächsbesuchs, bestehend aus Familienbiographie und Dissensdiskussion
  8. 8.
    [V44:49] Nicht-Standardisierter Dissens-Fragebogen
  9. 9.
    [V44:50] Standardisierter Fragebogen über die Verteilung der Funktionen im Haushalt
  10. 10.
    [V44:51] Schriftliches Protokoll nach dem Gesprächsbesuch
  11. 11.
    [V44:52] Schriftliche allgemeine Charakteristik der Familie
[V44:53] Es ist klar, daß die gewählten Datenerhebungsverfahren zum Teil nicht den Kriterien einer strengen Empirie genügen. Sie ergeben sich jedoch aus dem theoretischen Ansatz der Untersuchung, d.h. aus dem Interesse an der Aufklärung der Frage, ob es möglich und sinnvoll ist, das familiale Erziehungsmilieu als Kommunikationsstruktur zu beschreiben. Wenn die familiale Kommunikation in ihrer Struktur, ihrer Regelhaftigkeit erfaßt werden sollte, muß vor allen Dingen ein Weg gewählt werden, der die Beobachtung tatsächlicher Kommunikation zwischen den Familienmitgliedern ermöglichte. Verfahren der schriftlichen Befragung, ob standardisiert oder nicht, schieden damit für den Untersuchungsbereich der familialen Kommunikation aus. Dagegen bot sich die Tonbandprotokollierung für die Analyse sprachlicher Vorgänge geradezu an. Die sprachlichen Vorgänge, also der Untersuchungs|A 22|gegenstand, sind so jederzeit reproduzierbar, die Auswertung ist damit intersubjektiv kontrollierbar.
[V44:54] Kaum zu lösen war jedoch das Spannungsverhältnis zwischen dem wissenschaftlichen Postulat der Zuverlässigkeit, also der Wiederholbarkeit der Ergebnisse, und der Unabhängigkeit der Ergebnisse von den Erhebungspersonen einerseits und den durch das Untersuchungsinteresse nahegelegten Methoden der Datenerhebung andererseits.
[V44:55] Zunächst war es aufgrund der einschränkenden Bedingungen, unter denen die Untersuchung stand, notwendig, die familiale Alltagskommunikation gewissermaßen im Zeitraffer aufzunehmen. Aspekte der Familienkommunikation wie z.B. die Handhabung divergierender Meinungen oder das wechselseitige Umgehen mit unterschiedlichen Deutungen gemeinsam erfahrener Ereignisse hätten wahrscheinlich in einer längerfristig angelegten Beobachtung der Familienkommunikation auch ohne die Mittel der Familienbiographie oder der Dissensdiskussion untersucht werden können. Es hätte nur wesentlich mehr Aufwand bedeutet, der einer explorativen Untersuchung ohnehin nicht angemessen gewesen wäre.
[V44:56] Bestimmte Arrangements (wie Beschränkungen der Kommunikation auf die Ehepartner während des Gesprächsbesuchs, Aufforderung zu Strukturierung der gemeinsamen Erfahrung, Provokation von Dissens), die die Merkmale der familialen Kommunikation deutlich hervortreten lassen, schienen also notwendig. Für diese Arrangements wurde die Form des nichtstandardisierten bzw. halbstandardisierten Interviews gewählt. Stärker strukturierte Interviews hätten zwar die Zuverlässigkeit und die Unabhängigkeit von den Interviewern eher garantiert, die Kommunikation zwischen den Ehepartnern also den eigentlichen Untersuchungsgegenstand jedoch abgeschnitten. Es wäre dann etwas anderes erhoben worden, als dem Untersuchungsziel entsprach. Zudem legte das Konzept, die quantitative Analyse von familialer Kommunikation durch qualitative Einzelfallanalysen zu ergänzen, ein möglichst offenes, den spontanen |A 23|Reaktionen der Ehepartner Raum gebendes Verfahren nahe.
[V44:57] Dennoch wurden Anstrengungen unternommen, trotz der weiten Grenzen für die individuelle Gestaltung der Interviewertätigkeit diese soweit wie möglich zu vereinheitlichen. Der größte Teil der Interviewer war intensiv an der Erarbeitung des Untersuchungskonzepts beteiligt und konnte somit sein Bewußtsein für die auftretenden Probleme entwickeln. Es wurden eine Anzahl von Probeinterviews angefertigt, das Interviewverhalten wurde analysiert, kritisiert, die Interviewanweisungen präzisiert. Es wurden die Interviewteams für jedes Interview neu zusammengestellt, so daß individuelle Interviewauffassungen sich nicht verfestigen konnten bzw. ausgeglichen wurden.

1.2. Die Stichprobe

[V44:58] Die Untersuchung wurde in zwei Großstädten (über 500.000 und unter 200.000 Einwohner) durchgeführt. Die Datenerhebungsphase dauerte von Januar bis Mai 1973. Es wurden 69 Familien untersucht, davon 37 in der kleineren (B) und 32 in der größeren Stadt (A).
[V44:59] Die Stichprobe wurde nach zwei Auswahlkriterien zusammengestellt: der Stellung des Familienernährers in der Betriebshierarchie und der Berufstätigkeit bzw. Nicht-Berufstätigkeit der Frau. Bei dem Kriterium der Stellung in der Betriebshierarchie wurde ein dichotomisches Muster zugrundegelegt, um deutlich voneinander getrennte Gruppen zu erhalten. Als entscheidendes Merkmal für die Stellung in der Betriebshierarchie wurde die Verfügungsgewalt über die Arbeit anderer angesehen. Zum
oberen Stratum
unserer Stichprobe wurde derjenige gerechnet, der Weisungsbefugnisse über andere hat, die ihrerseits Befugnisse über Arbeitseinteilung und -kontrolle besitzen. Zum
unteren Stratum
wurde jeder gezählt, der keine Dispositionsbefugnis über die Arbeit anderer besitzt, sondern vielmehr den Weisungen anderer unterworfen ist. Die Zuordnung zu den beiden wurde aufgrund von Organisationsplänen, Tätigkeits- und Arbeitsplatzbeschreibungen der Betriebe vorgenommen. Eigene Arbeitsplatzbeobachtungen konnten wegen der |A 24|begrenzten finanziellen und personellen Möglichkeiten nicht durchgeführt, die Richtigkeit der Angaben der Betriebe musste also unterstellt werden, informelle Strukturen blieben unberücksichtigt.
[V44:60] In A waren sämtliche Familienernährer (Väter) in einem großen Produktionsbetrieb, in B in zwei Dienstleistungsbetrieben beschäftigt. Mit der Beschränkung auf wenige Betriebe sollte zum einen ein großer organisatorischer Aufwand vermieden, zum anderen aber gewährleistet werden, daß jeweils wenigstens von einer gewissen Einheitlichkeit der allgemeinen objektiven Erfahrungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz ausgegangen werden kann. Hätte man Beschäftigte aus einer Vielzahl von Betrieben unterschiedlicher Wirtschaftszweige in die Untersuchung einbezogen, so wäre eine genaue Arbeitsplatzbeobachtung und Analyse des jeweiligen Betriebes zur Ermittlung der je spezifischen Erfahrungskontexte unabdingbar gewesen. Die in B und in A erhobenen Daten wurden jeweils auch getrennt analysiert, so daß immer die Möglichkeit bestand, spezifische Unterschiede in der Wahrnehmungsstruktur der Beschäftigten eines privaten Produktionsbetriebes und der Beschäftigten öffentlicher Dienstleistungsbetriebe sowohl für das obere wie auch für das untere Stratum zu ermitteln.
[V44:61] Die Familien mußten zusätzlich folgenden Bedingungen entsprechen: sie sollten vollständig sein, ohne ein Stiefelternteil, es sollte ausschließlich die Kernfamilie zusammenwohnen, es sollten keine besonderen Belastungen wie Krankheit, Delinquenz, Betreuung durch das Jugendamt usw. vorhanden sein. Zu der Familie sollten mindestens zwei Kinder gehören, davon sollte zumindest eines im Vorschulalter (zwischen 3 und 6 Jahren) und eines im schulpflichtigen Alter sein.
[V44:62] Die aufgrund der Auswahlkriterien und der zusätzlichen Bedingungen in Frage kommenden Familien wurden mit der Bitte um Gewährung eines Kontaktgespräches angeschrieben. Etwa 30 % der Familien erteilten eine positive Antwort; nach dem Kontaktgespräch er|A 25|klärten sich fast alle Familien bereit, an der Untersuchung teilzunehmen. Da die von den Betrieben zur Verfügung gestellten Personalunterlagen bezüglich der oben genannten zusätzlichen Bedingungen nicht immer informativ genug waren, mußten nach dem ersten Kontaktgespräch einige Familien (meist wegen der Bedingungen in Bezug auf die Zahl und das Alter der Kinder) von der Untersuchung ausgeschlossen werden. Es ergab sich so folgende Verteilung bezüglich der Auswahlkategorien:
Oberes Stratum Unteres Stratum gesamt
Frau erwerbstätig 8 (11,6%) 18 (26,1%) 26 (37,7%)
Frau nicht erwerbstätig 24 (34,8%) 19 (27,5%) 43 (62,3%)
32 (46,4%) 37 (53,6%) 69 (100%)
[V44:63] A. Familien: 32 (46,4 %)
[V44:64] B. Familien: 37 (53,6 %)
[V44:65] Ursprünglich war ein Stichprobenumfang von 80 Familien sowie eine Gleichgewichtigkeit aller aufgrund der Auswahlkriterien möglichen Stichprobengliederung vorgesehen. Dieses Ziel konnte wegen der relativ geringen Rücklaufquote und der starken Selektionswirkung der Auswahlkriterien (insbesondere in der Kombination oberes Stratum – Berufstätigkeit der Frau) und der Zusatzbedingungen (hier besonders die Bedingung bezüglich Zahl und Alter der Kinder) nicht erreicht werden. Von einer Auffüllung und Entzerrung im Sinne der ursprünglichen Planung wurde bewußt abgesehen, um nicht als einen neuen unkontrollierbaren Faktor eine zu starke Heterogenität der Erfahrungsinhalte der Familienernährer bezüglich ihrer Arbeitssituation zu erhalten. |A 26|Stimmt das tatsächliche Verhältnis zwischen oberem und unterem Stratum noch ziemlich genau mit dem angestrebten überein, so zeigt sich bei der Verteilung der Familien auf solche mit berufstätigen Frauen eine beträchtliche Abweichung. Noch größer ist die Differenz von der erwünschten Verteilung, wenn man die mittels der Kombination der beiden Auswahlkriterien
Stellung in der Betriebshierarchie
und
Berufstätigkeit bzw. Nicht-Berufstätigkeit der Frau
gebildeten vier Untergruppierungen der Stichprobe betrachtet. Sehr stark unter der erstrebten Quote liegt die Gruppe
oberes Stratum, Frau berufstätig
, sehr erheblich darüber die Gruppe
oberes Stratum, Frau nicht berufstätig
. Dieses Ungleichgewicht wurde in Kauf genommen, um zumindest ein Gleichgewicht in der Verteilung auf die beiden Straten zu erreichen.
[V44:66] Es ist offensichtlich, daß das hier praktizierte Auswahlverfahren streng empirischen Kriterien kaum genügt. Im strengen Sinn kann man die Menge der untersuchten Familien nicht als eine Stichprobe aus einer durch die Auswahlkategorien und Zusatzbedingungen definierten Grundgesamtheit bezeichnen. Das liegt schon darin begründet, daß lediglich die Beschäftigten und ihre Familien von drei großen Betrieben in A und B die Chance hatten, in die Stichprobe aufgenommen zu werden. Diese drei Betriebe sind nicht zufallsbedingt aus einer größeren Anzahl von gleichgearteten Betrieben ausgewählt worden, auch wäre die Anzahl der ausgewählten Betriebe für eine Clusterauswahl viel zu gering. Die Untersuchung kann also auf keinen Fall als repräsentativ für die Grundgesamtheit der Familien angesehen werden, die den oben erwähnten Bedingungen entsprechen.
[V44:67] Aber selbst wenn man als zugrundeliegende Population allein diejenigen Beschäftigten der drei ausgewählten Betriebe bestimmt, die den Auswahlkriterien und Zusatzbedingungen entsprechen, kann man die untersuchten Familien nicht als eine Stichprobe aus dieser Population ansehen. Das Auswahlverfahren ist der Form nach eine disproportional geschichtete Auswahl, es wurden also nicht aus einer Grundgesamtheit direkt |A 27|die Einheiten für die Stichprobe entnommen, sondern die Grundgesamtheit wurde durch vier Bestimmungsmerkmale (abhängig tätig – leitend tätig; Berufstätigkeit – Nicht-Berufstätigkeit der Frau), von denen sich zwei jeweils gegenseitig ausschließen, in vier Untergruppierungen unterteilt. Aus diesen Unterteilungen wurden jedoch keine Stichproben im strengen Sinne gezogen. Entscheidendes Merkmal für eine Stichprobe ist, daß bei ihrer Ziehung jedes Element der Grundgesamtheit eine bekannte und von Null verschiedene Wahrscheinlichkeit hat, in die Stichprobe aufgenommen zu werden. Die angeschriebenen Familien wählten sich jedoch selbst aus, indem sie sich bereit erklärten, an der Untersuchung teilzunehmen. Daher konnte es keine vorher festgelegte oder aber berechenbare Wahrscheinlichkeit für die Aufnahme einer Familie in die Unterbrechung geben, es liegen also keine Zufallsstichproben vor. Das hat nun wiederum zur Folge, daß nicht gesagt werden kann, auf welche Gesamtheit bzw. Teilgesamtheit die gewonnenen Daten und Ergebnisse sich beziehen lassen. Im methodisch strengen Sinn stehen die ausgewählten Familien und die über sie gesammelten Daten nur für sich selbst.
[V44:68] Verallgemeinerungen der Ergebnisse sind daher mit großer Vorsicht und unter Hinweis auf ihren hypothetischen Charakter vorzunehmen. Neben den methodischen Unzulänglichkeiten beinhaltet zudem die kleine Zahl der untersuchten Familien insgesamt und die damit verbundenen geringen Größen der Untergliederungen eine weitere Begrenzung für verallgemeinerte Interpretationen. Wenn auf diese Limitierungen in der weiteren Darstellung auch nicht immer wieder hingewiesen wird, so müssen sie doch immer mitgedacht werden.
[V44:69] Die Auswahlplanung war durch die folgenden Faktoren bestimmt und eingeschränkt: der zur Verfügung stehende Untersuchungszeitraum, das Untersuchungsinteresse, die Datenerhebungsinstrumente und schließlich die Methoden der Datenauswertung. Der Untersuchungszeitraum ließ von vorneherein – bei der für dieses Projekt leitenden Fragestellung – eine groß angelegte |A 28|methodisch gut abgesicherte Erhebung nicht zu. In dieser Untersuchung wurde danach gefragt, auf welche Weise sich – im Hinblick auf zu bestimmende Merkmale und Regeln familialer Kommunikation – die Familie als Erziehungsfeld darstellt. Daß die Art, in der die Familie als Gruppe miteinander kommuniziert, für die Sozialisationsleistung der Familie von entscheidender Bedeutung ist, und daß die Kommunikation zwischen den Eltern als Vorbild, als Modell für die Kinder angesehen werden muß, wurde unterstellt. Es galt nachzuweisen, daß das familiale Kommunikationssystem (bzw. die kommunikativen Beziehungen zwischen den Eltern) als
Transmissionsriemen
fungiert, über den die sozioökonomischen Bedingungen – hier insbesondere die Bedingungen am Arbeitsplatz des Familienernährers –, denen die Familie unterworfen ist, und die individuellen Leistungen und Kompetenzen der Kinder, also die Ergebnisse der Sozialisationsleistung der Familie, miteinander vermittelt sind. Dazu mußte zunächst einmal der Nachweis geführt werden, daß überhaupt ein Zusammenhang zwischen sozioökonomischer Lage der Familie und dem Kommunikationssystem der Eltern in den von uns definierten Dimensionen besteht. Mit dieser komplexen Fragestellung begab sich die Untersuchung auf theoretisches Neuland; sie bekam damit in erster Linie explorativen Charakter. Die Untersuchung der familialen Kommunikationsstruktur verlangte andere Datenerhebungs- und -Auswertungsverfahren, als sie üblicherweise in der empirischen Sozialforschung verwendet werden. Weniger arbeitsintensive Verfahren wie standardisierte Interviews oder Auswahlfragebogen mußten als nicht adäquat für die Erforschung von Kommunikationsstrukturen verworfen werden. Arbeitsintensive Verfahren, wie die Tonbandprotokollierung freier, unbeeinflußter Familieninteraktionen und weitgehend unstrukturierte Interviews schienen dem Untersuchungsinteresse angemessener. Von daher ergab sich die Notwendigkeit, die Zahl der untersuchten Familien sehr klein zu halten. Die Schwierigkeiten bei der Auswertung von unstrukturiertem oder wenig strukturiertem sprachlichen Material verstärkten diese Notwendigkeit noch. Bei der Verwendung solcher Untersuchungsinstrumente gerät man in ein methodisches Dilemma.
|A 29|
[V44:70] Tonbandprotokollierungen von freien Familieninteraktionen setzen ein hohes Maß an Interesse, Zustimmung und Vertrauen von Seiten der untersuchten Familien voraus. Nur dann ist mit relevanten, spontanen und weitgehend unverfälschten Situationen und damit Informationen zu rechnen. Für die Berücksichtigung solcher entscheidenden subjektiven Momente ist in einem Auswahlverfahren, das sich an den Regeln der exakten Stichprobenziehung orientiert, kein Platz. Zwar würde man mit einem methodisch strengen Auswahlverfahren eine größere Generalisierung der ermittelten Ergebnisse gewinnen – man könnte sie auf eine definierte Grundgesamtheit beziehen –, wegen der notwendigen Eliminierung des Faktors der freiwilligen Teilnahme jedoch verlieren die gewonnen Ergebnisse an qualitativem Gehalt.
[V44:71] Auf dem Hintergrund dieses unvermeidbaren Dilemmas erschien das Auswahlverfahren der Selbstselektion durch die Untersuchungsbeteiligten in Anbetracht des Untersuchungsinteresses und des ohnehin explorativen Charakters der Untersuchung als ein sinnvolles und damit legitimierbares Verfahren.

2. Die Familie als Kommunikationssystem

2.1. Problemstellung

[V44:72] Wir versuchten im Einleitungskapitel zu skizzieren, daß die Verkehrsnormen der Familie ihr je besonderes Sozialisationsmilieu ausmachen und damit auch ihre Sozialisationsleistung bestimmen. Die Kommunikation in der Familie begreifen wir also als das Medium, über das außerfamiliale Bedingungen, denen die Familie unterworfen ist, zu einem sinnlich erfahrbaren und symbolisch organisierten Lernfeld umgeformt werden. Die familiale Kommunikation ist gewissermaßen das
missing link
, mit dessen Hilfe eine für die Sozialisationsforschung wesentliche Frage beantwortet werden soll. Drückt sich die soziale Situation der erwachsenen Familienmitglieder – deren eine Komponente
Arbeitsplatzsituation
1)
1)Zur näheren Bestimmung des Begriffs
Arbeitsplatzsituation
siehe 3. Kapitel.
wir in dieser Unter|A 30|suchung kontrollieren wollen – im alltäglichen Umgang der Familie aus und in welcher Form geschieht das?
[V44:73] Nun ist die Frage keineswegs neu; im Rahmen der Familien- und Sozialisationsforschung ist sie auch schon häufig gestellt und beantwortet worden, allerdings in der Regel nur für einzelne besonders markante und empirisch leicht erfaßbare Merkmale des familialen Kommunikationssystems (Wertorientierungen, Zeitbudget, Strafpraktiken, Entscheidungsprozeduren usw.).
[V44:74] Wir wollen demgegenüber prüfen, ob es möglich ist, kommunikative Grundmuster zu ermitteln, die – besonders als Merkmale des Ehesubsystems – als eine dominante Komponente des Sozialisationsmilieus angenommen werden dürfen. Es muß nun präzisiert werden, was unter
familialer Kommunikation
verstanden werden soll. Dazu ist es notwendig, sich auf Theorietraditionen zu beziehen, die menschliche Kommunikation zum Gegenstand haben, unumgänglich, normative Entscheidungen durch die Wahl der Beschreibungsdimensionen der familialen Kommunikation zu fällen, und schließlich – in einer empirischen Untersuchung mit bescheidenen Ressourcen – unvermeidlich, eine Reihe von pragmatischen Begrenzungen des Untersuchungsgegenstandes vorzunehmen.
[V44:75] Zunächst soll verdeutlicht werden, welche Probleme sich für die Familie stellen, wenn sie unter dem Aspekt der Kommunikationsgemeinschaft betrachtet wird. Ganz allgemein kann die Familie als eine Gruppe verschiedenartiger und verschiedengeschlechtlicher Individuen beschrieben werden, die für einen bestimmten Zeitraum in einem gemeinsamen, engen Lebenskontext stehen. Die spezifische Form des Zusammenlebens ist im gesellschaftlichen Wertsystem fast abgesichert, die Individuen begreifen sich in aller Regel auch selbst als Familie. Dazu wird der Zusammenhalt der Familie – zumindest in der Gründungsphase – durch eine starke emotionale Beziehung der Ehepartner zueinander gefestigt, später zudem noch durch die emotionale Bindung der Nachkommenschaft. Hinzu treten gesetzlich fixierte |A 31|Verpflichtungen (Sorgepflicht), juristische Erschwernisse der Auflösung der Familie, sowie schließlich in vielen Fällen eine grundsätzlich ungesicherte materielle Lage, die den Gedanken an eine Auflösung der Familie und einen Neubeginn irreal erscheinen lassen.
[V44:76] Für die so zusammengehaltene Gruppe
Familie
stellen sich eine Reihe spezifischer Probleme. Eltern bringen in die Familie ihre je einzigartige Biographie, damit ihren individuellen Erfahrungshorizont, ihre besonderen Deutungsschemata ein. Zwar mag es viele Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten geben, insbesondere, wenn die Ehepartner dem gleichen subkulturellen Milieu entstammen, jedoch bekommen die Divergenzen in einem so engen, zudem auf lange Frist angelegten Zusammenleben ein besonderes Gewicht. Der Zwang zur Auseinandersetzung mit dem anderen ist ungleich größer als in anderen Kontexten, wo durch ein
Aus-dem-Feld-gehen
(z.B. Wechsel des Gesprächspartners, des Freundeskreises) Konflikte vermieden werden können.
[V44:77] Die Kinder erleben als Kinder die Welt der Familie, die für sie in ihre eigene und die der Erwachsenen zerfällt – auf dem Hintergrund tradierter Rollenzuweisungen (z.B. die Frau führt den Haushalt, der Mann sorgt für die Sicherung der Existenz) – in die der Mutter und des Vaters mit jeweils
gebrochenen
Gemeinsamkeiten. (Die Rede von den
Grundrollen
Generationen und Geschlecht drückt diesen Sachverhalt terminologisch aus). Als ein Problem ergibt sich, daß die Erwachsenen zumindest idealtypisch aufgrund ihrer erworbenen Kognitionsfähigkeiten die Möglichkeit haben, sich antizipierend in die Reaktions-, Deutungs- und Handlungsmuster sowohl der Kinder als auch der anderen Erwachsenen hineinversetzen zu können, während die Kinder die Fähigkeit der wechselseitigen Rollenantizipation noch nicht in diesem Maße, ja anfangs überhaupt noch nicht, haben. Zudem muß sich die Familie als Gruppe mit den in einer von Widersprüchen gekennzeichneten Gesellschaft auch oft widersprüchlichen Anforderungen der Gesellschaft an sie auseinandersetzen (z.B. traditionelle Mutterrolle vs. Berufs|A 32|tätigkeit der Frau zur Vergrößerung der Konsumchancen), muß die Familie einerseits eine Transformationsfunktion übernehmen, den Kindern die gesellschaftlichen Wertorientierungen übermitteln, andererseits eine Individuationsfunktion erfüllen, den Kindern die eigene Persönlichkeit garantieren. Diese Vielfalt der Anforderungen und Probleme stellt sich sonst keiner anderen sozialen Gruppe. Und der enge Lebenskontext der Familienmitglieder fordert wie sonst kein anderer Kontext die Lösung der skizzierten Probleme. So scheint es – neben der Sicherung der Existenz – die erste Aufgabe der Familie zu sein, Einverständnis über die relevanten Probleme herzustellen, Verständigung über die Problemlösung zu erzielen. In welchen Merkmalen läßt sich dieser kontinuierliche Verständigungsvorgang (
Kommunikation
) empirisch erfassen?

2.2. Dimensionierung

[V44:78] Jener Prozeß der Verständigung (Kommunikation) vollzieht sich offenbar in unzähligen alltäglichen Interkationen. Da wir nun auf der Suche nach Grundmustern der Familienkommunikation sind und nicht einzelne Verhaltensmerkmale ermitteln wollen, die angesichts partieller Konstellation auftauchen (z.B.,
Welche Strafe wird gegenüber dem Kind angewendet, wenn...
), empfiehlt es sich, eine Dimensionierung des Gegenstandes vorzunehmen, von der prinzipiell vermutet werden kann, daß sie für jede beliebige Interaktion im Rahmen der Familie sinnvoll ist. Eine solche Dimensionierung (Klassifikation) enthält freilich – wie schon erwähnt – eine Art normativer Vorentscheidung, worauf hier nur hingewiesen werden soll. Für die quantitative Auswertung des erhobenen Materials haben wir uns für folgende Dimension entschieden:
  1. 1.
    [V44:79] Komplexität oder: wie reichhaltig sind die in einer Interaktion dargebotenen Informationen?
  2. 2.
    [V44:80] Reziprozität oder: wie ausgeprägt gehen die Interaktionspartner aufeinander ein (Empathie)?
  3. |A 33|
  4. 3.
    [V44:81] Konfliktgehalt oder: mit welcher Ausprägung treffen Unterschiede in Wertorientierung, Handlungszielen usw. aufeinander?
  5. 4.
    [V44:82] Problematisierung oder: wie ausgeprägt werden die Normen des interpersonellen Handelns und die in den Interaktionen geäußerten Behauptungen in Zweifel gezogen und mit Alternativen konfrontiert?
[V44:83] Da nun in der Sozialisationsforschung sich immer wieder erwiesen hat, daß innerfamiliale Machverteilung ein für die Interaktion durchschlagendes Strukturmerkmal ist, sollte auf seine Kontrolle auch in unserer Untersuchung keineswegs verzichtet werden. Wir haben deshalb das Interaktionsgeschehen auch in dieser Dimension bestimmt.
  1. 5.
    [V44:84] Dominanz: oder: wie stark überwiegen die Einflußchancen eines Ehepartners im Hinblick auf Form und Inhalt einer Interaktion?
[V44:85] Diese Dimensionen sollten im Folgenden näher bestimmt und damit zugleich ihre Wahl plausibel gemacht werden. Wir wollen das mit Hilfe von Beispielen aus dem Untersuchungsmaterial tun. Zunächst aber geben wir die Anweisung wieder, nach denen im Rating-Verfahren die protokollierten Interaktionen bestimmt, d.h. die Ausprägung in den einzelnen Dimensionen geschätzt wurden.
|A 33-34|
[V44:86]
Komplexität
  1. 1.
    Vielfalt der Themen (Kommunikations-Inhalte)
  2. 2.
    Vielfalt der Aspekte eines Themas
  3. 3.
    Vielfalt der kommunikativen Akte (I):
    1. a.
      Behauptungen
    2. b.
      Empfehlungen, Anweisungen, Verbote etc.
  4. 4.
    Vielfalt der kommunikativen Akte (II):
    1. a.
      Fragen
    2. b.
      Rechtfertigungen
    3. c.
      Deutungen
Reziprozität
  1. 1.
    Verstehende
    Kommentierung der kommunikativen Akte von Alter
  2. 2.
    Fortführung eines Themas von Alter im Kontext der Statements von Alter
  3. 3.
    Kommunikative Akte, die Alter zu eigenen Akten stimulieren
  4. 4.
    Können Sätze bzw. Gedanken zuende geführt werden oder nicht?
Dominanz
  1. 1.
    Gleich- bzw. Ungleichverteilung von Chancen, ein Thema zu wechseln
  2. 2.
    Gleich- bzw. Ungleichverteilung von Chancen, die eigene Position bei der Erörterung eines Themas zu behaupten
  3. 3.
    Gleich- bzw. Ungleichverteilung von Anweisungen, Empfehlungen, Verboten etc.
  4. 4.
    Gleich- bzw. Ungleichverteilung von abschließenden Kommentierungen der kommunikativen Akte von Alter
Konfliktgehalt
  1. 1.
    Inkongruenz der verbalen Planung
  2. 2.
    Inkongruenz der inhaltlichen Orientierung
  3. 3.
    Inkongruenz der Handlungsnormen
  4. 4.
    Inkongruenz der Beziehungsdefinition
Problematisierung
  1. 1.
    Befragung von Behauptungen
  2. 2.
    Befragung von Handlungsnormen
  3. 3.
    Entgegensetzung von Behauptungen
  4. 4.
    Entgegensetzung von Handlungsnormen
[V44:87] Beispiel einer Interaktionssequenz mit relativ hoher Komplexität:
  • F.:
    [V44:88] Wieso hat ein Mann mehr Freiheiten wie eine Frau, das verstehe ich nicht, also das verstehe ich auch nicht.
  • M.:
    [V44:89] Na also ich sehe es aus dem Grunde, weil ich Kollegen habe, wo die Frauen nicht arbeiten, weil sie es vielleicht nicht |A 35|nötig haben, die von zu Hause aus vielleicht recht gut begütert sind, die, die also, ich möchte sagen, weniger, also ein Kollege von mir hat beispielsweise drei Häuser, also wie gesagt, dem gehts sehr gut.
  • F.M.:
    [V44:90] Sprechen unverständlich durcheinander.
  • M.:
    [V44:91]
    Also es gibt doch noch welche, die vielleicht verheiratet sind und noch keine Kinder haben, wo die Frauen zu Hause sind und die Männer arbeiten und können doch noch mal ein oder zwei Stunden länger ..., na wie soll ich sagen, sich aufhalten.
    Die könnten schon mal ein Glas Bier trinken zusammen oder Skat spielen zusammen.
  • F.:
    [V44:92] Unverständlich
  • M.:
    [V44:93] Und das verstehen sie nicht, daß ich immer grundsätzlich um 1 Uhr schnellstens nach Hause muß, um auf die Kinder aufzupassen, das sehen sie nicht ein.
  • F.:
    [V44:94] Wenn ich z.B. so machen würde wie du und würde sagen, bleibst einfach 2 Stunden länger weg und laß doch die Kinder mit dem Vater machen was sie wollen, wenn ich so denken würde ...
  • M.:
    [V44:95] Hm
  • F.:
    [V44:96] Ja, was meinst du, was dann los wäre?
  • M.:
    [V44:97] Na ja, auf alle Fälle ... ich bin der Meinung, ein bißchen Freiheit muß man als Mensch schon, wenn man schon ... sowieso angebunden sein sollte, kommt nach Hause auf die Kinder aufpassen, arbeiten, abends vielleicht Fernsehen kucken und schlafen gehen, nein, ist nichts, also ...
  • F.:
    [V44:98] Das hat doch keiner gesagt ...
  • M.:
    [V44:99] Also der Meinung bin ich nicht ...
  • F.M.:
    [V44:100] Sprechen gleichzeitig
  • F.:
    [V44:101] ... ich mein, ich würde gern abends einmal in der Woche ausruhen, wo du mit deinen Kollegen zusammen bist, wo du Karten spielst und auch einmal ein Glas Bier trinkst, aber das braucht nicht ... auf die Dauer zu sein, ich mach es doch auch nicht ...
  • |A 36|
  • M.:
    [V44:102] Na ja, weg gehen wir sowieso nicht, die Kinder kann man nicht alleine lassen, man könnte zwar, klar, Nachbarn oder so, würden schon mal aufpassen, aber erstens, wenn man weggeht, das kostet nur viel Geld und das kann man sich nicht erlauben, das kann man sich an ... aber das können wir uns jede Woche nicht erlauben, daß wir jede Woche ein- oder zweimal weggehen, das ginge nicht, denn wenn man das Geld zusammenrechnet im Monat, da kommt allerhand Geld zusammen, ne. Und da ist doch wie gesagt dadurch ...
  • F.:
    [V44:103] Na ja, ich glaube, wir hören mit dem Thema auf, sonst können wir uns den ganzen Tag darüber unterhalten ...
[V44:104] Von geschlechtsspezifischen
Freiheiten
ausgehend, wird eine relativ reiche Palette von Themen angesprochen (Kollegen, Geld, Kinder, Freizeit usw.); diese Themen reihen sich nicht assoziativ aneinander, stellen keine Themenwechsel dar, sondern sind als Aspekte des zunächst angesprochenen Problems gemeint. Ähnlich vielfältig verläuft die Interaktion auf der Ebene der Sprechakte, wo Fragen, Behauptungen, Begründungen, Empfehlungen, Deutungen einander abwechseln. Diese Dimension erscheint uns als sozialisationsrelevant deshalb, weil sie ein Interaktionsmuster indiziert, durch welches den Familienmitgliedern eine Vielfalt von kognitiven Anreizen dargeboten wird, eine Vielfalt, die aber dennoch nicht chaotisch und verwirrend, sondern durch die Verwendung verschiedener kommunikativer Akte strukturiert, also zugleich die Darbietung kognitiver Schemata ist.
[V44:105] Beispiel einer Interaktionssequenz zur Veranschaulichung von Reziprozität:
  • M.:
    [V44:106] Was würdest du jetzt machen, wenn jetzt deine Töchter klauen? Z.B. dir das Geld aus dem Portemonnaie ...
  • F.:
    [V44:107] Was würdest du denn machen?
  • M.:
    [V44:108] Ja, Kurzform!
  • F.:
    [V44:109] Bestrafen ist ja sinnlos. Du mußt ja erstmal rauskriegen, warum.
  • |A 37|
  • M.:
    [V44:110] Wieso muß man rauskriegen, warum?
  • F.:
    [V44:111] Ja, warum se das gemacht haben.
  • M.:
    [V44:112] Ne, a gibt’s kein warum! Die hab’n nichts zu klauen und damit fertig! Mach du mal hin, warum klauen? Geh doch gleich mit dem Fall vor Gericht! Nein, also es ist klar; könnte man sich jetzt stundenlang darüber unterhalten ne?
  • I.:
    [V44:113] Soll’n sie auch.
  • M.:
    [V44:114] Auf alle Fälle geht’s ja ums Prinzip. (Liest noch einmal die Frage durch)
    Was würden Sie machen, wenn sie das Geld...?
    .
  • F.:
    [V44:115] Naja, ich würde erstmal versuchen rauszukriegen, warum sie’s gemopst haben.
  • M.:
    [V44:116]
    Da stellts du dich aber ganz schön bloß. Es geht nicht ums
    warum
    . Es geht darum, daß es nicht gemacht wird, fertig! Na, denn erzieh doch deine Töchter selber Mensch!
  • F.:
    [V44:117] Ja, es ist durchaus möglich, daß das Kind irgendwie von der Schule aus ... gezwungen, nicht, die brauchen bloß in die richtige Clique reinkommen, und da mußt du ja wohl versuchen rauszukriegen, warum und wieso, daß de da nbißchen hinter haken kannst. Nee, gleich mit Laschen oder so, da erreichst. ...nee, was verstehst de dann so unter bestrafen?
  • M.:
    [V44:118]
    Stubenarrest, ab ins Bett, nichts zu essen!
    Diskutier’ doch mal richtig, macht gar keinen Spaß mit dir. Naja klar, ’n Grund herauszukriegen. Dann gehste hin und bestrafst die anderen Kinder ne.
  • F.:
    [V44:119] Nö, da ja nun nicht, aber man muß ja dann deinem Kind klarmachen, warum das nicht! Und wenn de nicht weißt, warum’s jemopst hat, nur aus Jux und Dollerei nimmt bestimmt kein Kind Geld. Die in Kerstins Nebenklasse, die eine, jeden Tag ’n Zwanzigmarkschein im Portemonnaie. Die will natürlich imponieren, das ist ja durchaus möglich, daß die anderen mal hier, ich hab auch!
  • M.:
    [V44:120] Ja, du siehst das auch wieder aus ’ner ganz anderen ... |A 38|Es ist ja so, das krieg’ ich alles gar nicht mit, das sagst du mir ja gar nicht.
  • F.:
    [V44:121] Na, ja ich hab dir doch schon oft genug erzählt, wieviel Geld Babett immer mit sich rumschleppt, und daß sie ewig mit anderen Kinder imponieren ...
  • M.:
    [V44:122] Na, du vertrittst die Meinung, ich vertrete die Meinung, daß se eben sowas nicht zu tun haben!
  • F.:
    [V44:123] Ne, sie hab’n nicht zu tun, aber wenn se’s aber nun mal gemacht habn?
  • M.:
    [V44:124] Bestrafen!
  • F.:
    [V44:125] Schon, aber nicht kloppen!
  • M.:
    [V44:126]
    Ich kloppe doch gar nicht! So fragt man die Leute aus.
    Ich sage ja, wenn sowas auf einen zukommt, wie’n Brett vorm Kopf. Ich glaube die Natura, wenn’s wirklich jetzt der Fall wäre, nech, da könnte sie Recht haben, da könnte ich aber auch Recht haben.
  • I.:
    [V44:127] Was würden Sie denn machen, sehr wahrscheinlich?
  • M.:
    [V44:128] Na, auf alle Fälle würde der Vadda sich aufpusten, wie ich mich kenne. Der würde erst dunkelrot werden, ne, er würde erst mal verzweifeln. Und die Mutter würde sich quer vorstellen und sagen: nun warte erst mal, – dann kriegt die Mutter gleich welche mit (lachen) ... in so’ne Situation muß man direkt reinkommen. Ne, ist ja Gottseidank, toi toi, toi bis heute nicht passiert oder doch?
  • F.:
    [V44:129] Es kann ja schnell kommen, von heute auf morgen kannste doch feststellen, du hast doch noch nie so viel Geld gehabt, wo ist das geblieben?
  • M.:
    [V44:130]
    (lachen) ... die paar Mark, die ich immer bei mir habe! Das brauchste gar nicht zu erwähnen.
    Ja, wüßtest du noch was dazu? Man könnte noch vermerken hier – Situationen abwarten. Die kommen hier mit Fragen auf einen zu, Menschenskinder, Jesses, Maria und Josef.
    Gäbe es da noch was zu?
[V44:131] Folgt man den in unserer Definition von Reziprozität angegebenen Indikatoren, dann fällt in diesem Beispiel auf, daß – wenigstens |A 39|zu Beginn – die Partner ihre Äußerungen kaum wechselseitig kommentieren; es wird sogar vom Mann eine gewisse Schroffheit und betontes Nicht-Eingehen auf die Versuche der Frau, ihre Einstellung zu begründen, eingebracht. Dann aber verändert sich die Interaktion (
... Naja, klar, ’nen Grund herauskriegen
) und es entfaltet sich ein immer stärker werdendes Aufeinander-Eingehen (
... das sagste mir ja gar nicht
) bis hin zu einer fast selbstreflexiven Passage, in welcher mit Hilfe gleichsam indirekter Interaktionstaktiken Reziprozität hergestellt wird; nun gehen auch die Äußerungen der Partner ineinander über. Es wird eine Interaktionssituation erreicht, die – denkt man sich eine entsprechende Fortsetzung – offenbar keine der Indikatoren für Reziprozität vermissen läßt.
[V44:132] Beispiel einer Interaktionssequenz mit relativ hohem Konfliktgehalt:
  • F.:
    [V44:133] Nu, ja, das könnte ja der Mann machen, ne ... ?
  • M.:
    [V44:134] Na, ja, das könnte ich auch machen, aber ich bin doch froh, wenn ich von der Arbeit komme und mal eine Stunde ausruhen kann oder wie gesagt, ja ...
  • F.
    [V44:135] ... Ja, das ... na, ich will dazu nichts sagen...
  • M.:
    [V44:136] na, nu.
  • F.
    [V44:137] Da gibts dann ... gibts wieder Meinungsverschiedenheiten.
  • M.:
    [V44:138] Ach so, meine Frau meint, daß ich vielleicht erst mal heim komme, wenn ich einen getrunken habe oder so (lacht), das meint sie jetzt vielleicht, weil, wie soll man das sagen, von trinken, tut jeder ...
  • F.
    [V44:139] ... man kann sich normalerweise auf dich nicht verlassen.
  • M.:
    [V44:140] nu ja ...
  • F.
    [V44:141] (unterbricht) wenn man da nicht hintersitzen würde, so würde, könnte man sich nicht auf dich verlassen, dann könnte ich überhaupt nicht arbeiten gehen.
  • M.:
    [V44:142] ... also meine Frau ist der Meinung, daß ich ...
  • F.
    [V44:143] (unterbricht) also ich bin der Meinung, daß wenn ich weggehe, muß der Mann zu Hause bleiben, damit die Kinder unter |A 40|Kontrolle sind. Sie dürfen in diesem Alter noch nicht allein gelassen werden. Die, die können ja sonst was anstellen in dieser Zeit. Wer dafür verantwortlich ist, das ist in erster Linie die Mutter und deshalb bin ich da ..., also wenn ich zur Arbeit gehe, deshalb ist es so gut, wenn er von der Arbeit kommt, daß ich gehen kann. Es gibt ewig Meinungsverschiedenheiten bei uns. Dann kommt er um 1/2 3 Uhr nach Hause, oder es ist schon vorgekommen, daß um 5 Uhr, wenn ich von der Arbeit kam, dann kam er erst nach Hause. Und das klappt dann eben so ...
  • M.:
    [V44:144] Na ja, es ist eben auch ...
  • F.
    [V44:145] Da bin ich nicht mit einverstanden, sowas ...
[V44:146] Konfliktgehalt drückt sich hier vornehmlich in zwei Hinsichten aus: inhaltlich als Inkongruenz der Rollenerwartung und der damit verbundenen Handlungsorientierungen, formal als
powergame
, als Streit um die dominante Position und damit die Beziehungsdefinition, die in dieser Situation gelten soll. Es ist deutlich, daß wir in unserer Untersuchung nur expliziten Konfliktgehalt beobachten können, nicht dagegen
unterschwellige
Konflikte, die nicht offen zur Sprache kommen.
[V44:147] Beispiel einer Interaktionssequenz für relativ ausgeprägte Problematisierung:
  • M.:
    [V44:148] Na gut, man muß das mit den Schularbeiten anders regeln, daß der Junge nicht abends Schularbeiten macht.
  • F.:
    [V44:149] Das hat mit den Schularbeiten überhaupt nichts zu tun.
  • M.:
    [V44:150] Das hat auch damit zu tun. Wenn er von der Schule kommt, kann er gleich nach dem Essen seine Schularbeiten machen.
  • F.:
    [V44:151] Ja, wenn der Vater dabeisitzen würde und sagte, nun hör mal A., jetzt machst du mal die Schularbeiten und wenn du fertig bist, zeigst du mir sie mal, dann guck’ ich sie mal schnell nach, dann braucht das die Mutter abends nicht mehr zu tun, wenn sie von der Arbeit kommt, dann wäre die ganze Sache ja auch erledigt, aber du setzt ja mit |A 41|dem Jungen nicht, beschäftigst dich auch nicht mit den Schularbeiten, das ist es. Du guckst ja abends noch nicht mal nach, ob es richtig ist, oder ob er was falsch gemacht hat.
  • M.:
    [V44:152] Das sollst doch du machen ...
  • F.:
    [V44:153] Wofür bin ich noch alles da?
  • M.:
    [V44:154] Wie gesagt, er kann ja seine Schularbeiten mittags machen, und abends werden sie nachgeguckt.
  • F.:
    [V44:155] (unverständlich)
  • M.:
    [V44:156] Ab Montag kannst du das machen, das habe ich dir schon gesagt vorhin, ne, daß, wenn er aus der Schule kommt als erstes macht er seine Schularbeiten, und dann werden sie abends nachgeguckt, ne. Nicht, daß er jetzt stundenlang bis achte sitzt und denn Schularbeiten macht.
  • F.:
    [V44:157] Na, ist gut. Jetzt ist nur einer da. Nächstes Jahr kommt der zweite in die Schule, und ich setz mich dann mit dem zweiten auch hin und mach auch Schularbeiten mit ihm, gucke nach und ...
  • M.:
    [V44:158] Dann kann er die Schularbeiten schon alleine machen.
  • F.:
    [V44:159] Das muß doch nachgeguckt werden. (Reden gleichzeitig) Kann ihn nicht so losschicken am Morgen ...
  • M.:
    [V44:160] Ja, da braucht ... sie nicht mehr beaufsichtigen, da weiß er selbst, was er zu tun hat, es ist ja nur eben ...
  • F.:
    [V44:161] Nein, du vergleichst eben, der ist sieben Jahre, der muß eben, und kann das schon. Das hat nichts zu tun, der ist praktisch auch noch ein Kind. Du kannst das nicht wie der Große, nein, der Kleine hat genau so was zu tun wie der Große auch, der muß nun eben Schularbeiten machen.
  • M.:
    [V44:162] Na ja, und abends?
  • F.:
    [V44:163] Ich hab noch nie erlebt, wenn wir für den T. was gesagt haben, daß er gesprungen ist.
    Warum muß ich das schon wieder machen, warum kann das nicht der A. machen?!
[V44:164] Ausgangspunkt dieser Interaktionssequenz ist ein Problem, (die von der Frau als zu groß empfundene Belastung durch ihre Er|A 42|werbstätigkeit einerseits und die unverkürzt in der Familie aufrecht erhaltene Verpflichtung im
Erziehungsbereich
andererseits); über dessen Lösung kein Konsensus erreicht worden ist. Nicht einmal über die Definition des Problems herrscht Einigkeit (
... hat mit den Schularbeiten überhaupt nichts zu tun
). Jedoch wird die Geltung der eingespielten Regeln (z.B. der familialen Rollentrennung) nicht mehr naiv vorausgesetzt, sondern befragt. Das Beispiel zeigt, daß diese Befragung nicht nur im Hinblick auf die Handlungsnormen (der Vater könnte sich in Zukunft anders verhalten
... Na gut, man muß das mit den Schulaufgaben anders regeln
) vorgenommen wird. Auch die in diesem Zusammenhang auftretenden Behauptungen (z.B. über ursächliche Zusammenhänge) werden in Frage gestellt: der Vater behauptet, das Problem sei durch Absprachen zu lösen, die Mutter setzt dem entgegen, dass hinter solchen Absprachen Einstellung und Verhalten des Vaters die eigentliche Ursache bilden und infolgedessen das Problem nur auf dieser Ebene lösbar ist. Sie entwirft sogar antizipierend eine komplette soziale Situation – mit Interaktion und Begründung – als Alternative zum Gegenwärtigen. Die ganze Sequenz läßt die idealtypische
Diskurs
-Situation durchscheinen: Ein bis dahin in Geltung gewesenes naives Einverständnis wird zum Problem erhoben, Problemdefinitionen werden in Entgegensetzungen und Befragungen von Behauptungen, Normen und ihren Begründungen gegeneinander abgewogen und dabei die Wiederherstellung eines neuen Einverständnisses angezielt.
[V44:165] Beispiel einer Interaktionssequenz für ausgeprägte Dominanz des Ehemannes:
  • I.:
    [V44:166] Stellen Sie sich vor, Ihr Kind würde heimlich Geld aus der Haushaltskasse oder ihrem Geldbeutel oder ähnliches nehmen. Was würden Sie tun?
  • F.:
    [V44:167] Ich würde darauf hinweisen, daß man sowas nicht darf, und daß das Stehlen bedeutet.
  • M.:
    [V44:168] Gut, also du würdest das total unterbinden. Bestrafst du sie auch?
  • |A 43|
  • F.:
    [V44:169] Nein, bestrafen nicht, im Gegenteil, ich würde sagen, wenn du was brauchst, kannst du zu mir kommen, was er schon getan hat, oft genug.
  • M.:
    [V44:170] Ich kann mich da nicht erinnern, weil ich den ganzen Tag unterwegs bin.
  • F.:
    [V44:171] Ich hab dir das erzählt.
  • M.:
    [V44:172] Ja, schon, aber nicht so genau. Ich will noch sagen in dem Fall, beide Kinder besitzen selbst Geld. Ich würde bei dem Kind, welches Geld gestohlen hat, das Geld wieder verlangen von dem eigenen Geld. Und eine Bestrafung bei mir ist fraglich. Also in dem Fall kann ich es mir wirklich nicht so genau vorstellen, weil es bei mir nicht passiert ist.
  • F.:
    [V44:173] Aber es schon mal passiert, das habe ich dir schon erzählt. Es ist auch eigenmächtig, wenn er einkaufen geht, sich irgendetwas mitbringt, wo er auch nicht gefragt hat, das macht er auch.
  • M.:
    [V44:174] Also das ist ein Thema, wo wir wirklich in den nächsten Tagen zu klären haben, was wir in dem Fall zu machen haben. Jetzt können wir auf die zweite Frage übergehen.
[V44:175] Der Ehemann hat in diesem kurzen Gesprächsabschnitt eindeutig die Führungsrolle inne und ist auch offenbar bereit, sie im Konfliktfall zu verteidigen. Er stellt (abgesehen von der Eingangsfrage des Interviews) die Fragen, kommentiert die Äußerungen seiner Frau abschließend, bestimmt den Themenwechsel. Auch der Versuch der Frau, durch Erörterung einer konkreten Situation eigene Erfahrungen und mehr Komplexität in die Interaktion einzubringen (
...Aber es ist schon mal passiert...
), wird von ihm erfolgreich abgewiesen. (
... Also das ist ein Thema...
). Hier scheint auch die Funktion deutlich zu werden, die die eindeutige Dominanz des Mannes in dieser Situation hat: Sicherung des eingespielten Konsenses, Abwehr von Problematisierung, Bestätigung der Rollentrennung (
... weil ich den ganzen Tag unterwegs bin...
) und Reduktion von|A 44|Komplexität. Man könnte daraus – dem Gang unserer Untersuchung vorgreifend – die Hypothese folgern, daß ausgeprägte Dominanz eines Ehepartners mit geringer Komplexität der Interaktion variiert.

2.3. Auswertungsverfahren

[V44:176] Für jede Familie lag in zwei Interviewsituationen (Familienbiographie-Interview, Dissens-Diskussion) und einer unbeeinflußten Beobachtungssituation auf Tonband aufgenommenes sprachliches Material von 5–6 Stunden Dauer vor. Eine systematische Auswertung des gesamten sprachlichen Materials aller Familien hätte die Auswertergruppe (identisch mit der Interviewergruppe) allein schon wegen des damit verbundenen enormen Arbeitsaufwandes völlig überfordert. Die quantitative Auswertung wurde daher auf das Material aus dem Familienbiographie-Interview und der Dissens-Diskussion beschränkt. Diese Beschränkung findet ihre Begründung in der vorrangigen Zielsetzung dieser Untersuchung: Es sollte der Nachweis geführt werden, daß ein Zusammenhang zwischen den Bedingungen am Arbeitsplatz des Familienernährers und der familialen Kommunikationsstruktur besteht. Diese außerfamilialen Bedingungen werden über den Familienernährer in das familiale Kommunikationssystem eingebracht; es erscheint daher sinnvoll, den Nachweis des genannten Zusammenhangs zunächst nur anhand der Analyse eines Teils des familialen Kommunikationssystems, jenes zwischen dem Familienernährer und seinem Ehepartner, zu führen, zumal dieser Ausschnitt als Lernmodell für die Kinder begriffen werden kann. Läßt sich schon hier kein Zusammenhang zu den Bedingungen am Arbeitsplatz nachweisen, so wird er auch nicht für das familiale Kommunikationssystem insgesamt nachweisbar sein. Ob die Art und Weise, wie die Eltern miteinander kommunizieren, tatsächlich ein
Vorbild
für die Kinder darstellt, hätte u.U. eine systematische Analyse des in der unbeeinflußten Beobachtersituation gewonnenen Materials klären können, über das eigentliche Ziel der Untersuchung wäre damit |A 45|jedoch weit hinausgegangen worden. Die Möglichkeit einer Ausdehnung des Untersuchungsinteresses sollte nicht schon durch eine eingeschränkte Materialerhebung abgeschnitten werden; dies war vor allem der Grund für die Protokollierung einer freien Familieninteraktion. Die Untersuchung hat, das sei vorweggenommen, gezeigt, daß das Verhältnis von Arbeitsplatzsituation und Struktur der Elternkommunikation noch wesentlich genauerer Erforschung bedarf; es schloß sich auch von daher eine Ausweitung des unmittelbaren Untersuchungsinteresses aus. Das in der freien Beobachtungssituation gewonnene Material ist deshalb lediglich unsystematisch, gleichsam als
Hintergrundmaterial
in die Fallanalysen eingegangen.
[V44:177] Das Auswertungsverfahren sah nun wie folgt aus: Die Tonbandprotokolle des Familienbiographie-Interviews und der Dissens-Diskussion wurden von drei Auswertern abgehört und in Auswertungseinheiten unterteilt. Diese Einheiten sollten dem Ablauf des Interaktionsprozesses angepaßt sein, sie wurden also als Sinneinheiten, nicht als gleichbleibende Zeiteinheiten bestimmt. Es galt lediglich die Richtlinie, daß die Einheiten eine Länge von etwa 3 Minuten haben sollten. Danach wurde jede Auswertungseinheit von jedem Auswerter in einer fünfrangigen Beurteilungsskala (0–4) in jeder der sechs Dimensionen der familialen Kommunikation eingeschätzt.1)
1)Die Dimensionen Dominanz-Vater und Dominanz Mutter schlossen sich natürlich auf der Ebene der einzelnen Auswertungseinheiten gegenseitig aus. Es mußte also bestimmt werden, von welcher Seite Dominanz mit welcher Stärke ausgeübt wurde.
[V44:178] Die Einschätzung bestimmte sich danach, wieviele der Indikatoren einer Dimension (siehe oben) in einer Untersuchungseinheit identifiziert werden konnten. Konnten z.B.
Sätze bzw. Gedanken zu Ende geführt werden
(Reziprozität, Indikator 4) und gab es
kommunikative Akte, die Alter zu eigenen Akten stimulieren
(Reziprozität, Indikator 3), dann wurde diese Auswertungseinheit in der Dimension Reziprozität in der Beurteilungsskala mit 2 eingeschätzt. Es kam dagegen nicht |A 46|darauf an, wie oft ein Indikator einer Dimension in einer Auswertungseinheit identifiziert werden konnte, ein einmaliges Auftreten genügte. Die Differenziertheit der Kommunikation in den einzelnen Dimensionen was also Objekt der Beurteilung. Von den Skalenwerten wurden die Mittelwerte errechnet, getrennt nach den einzelnen Dimensionen, nach Familienbiographie-Interview und Dissens-Diskussion und nach Auswertern. Schließlich wurden aus den entsprechenden Mittelwerten der drei Auswertungen jeweils Gesamtmittelwerte ermittelt; diese gingen als Basisdaten in die statistische Verarbeitung ein.
[V44:179] Die Wahl dieses Auswertungsverfahrens unterstreicht noch einmal den explorativen Charakter dieser Untersuchung. Die Zahl der Indikatoren für die einzelnen Dimensionen war sehr klein, es wurde nicht überprüft, ob die Indikatoren sich gegenseitig ausschließen, Vollständigkeit und Eindimensionalität wurden unterstellt, das Problem der Gewichtung der Indikatoren wurde vernachlässigt. Für eine ausreichendere Strukturierung des Objektbereiches fehlten jedoch die Voraussetzungen; sie sollten ansatzweise mit dieser Untersuchung erst geschaffen werden. Ein besonderes Problem stellte die Reliabilität der Einschätzungen (Codierungen) dar. Die wenig präzise Definition der Indikatoren, ihr teilweise hoher Abstraktionsgrad (dazu näheres unten) schloß eine Äquivalenz prinzipiell aus. Um dennoch nicht der Beliebigkeit zu weiten Raum zu geben, kam es in besonderem Maße darauf an, über die Zuordnungsregeln einen intersubjektiv geltenden Konsens zwischen den am Auswertungsprozeß Beteiligten herzustellen. Dazu mußte jeder sein Vorverständnis explizieren, darüber wurde dann diskutiert, schließlich ein vorläufiges, gemeinsames, eingespieltes Hintergrundverständnis geschaffen. Dieses wurde noch vor der Endauswertung an
Spielmaterial
geprüft. Zum Vergleich zweier Auswerter wurde folgendes Reliabilitätsmuster benutzt: Anzahl der von beiden gleich eingeschätzen Auswertungseinheiten dividiert durch die Summe der Auswertungseinheiten.
[V44:180] Außer in den Dimensionen Konfliktgehalt wurden gleich zu Anfang befriedigende Quotienten erreicht. Nachdem für die Dimension Konfliktgehalt klargestellt wurde, daß nur die |A 47|expliziten, nicht aber die latenten, nicht offen zur Sprache kommenden Konflikte bei der Einschätzung berücksichtigt werden sollten, wurde auch hier ein befriedigender Grad an Übereinstimmung erreicht. Um dennoch letzte Unterschiede in den Auswertungsauffassungen auszugleichen, wurde die Auswertergruppe während der Endauswertung ständig neu zusammengesetzt.
[V44:181] Es bleibt festzuhalten, daß in die Auswertung ein nicht rekonstruierbares und explizierbares Hintergrundverständnis der Auswertergruppe eingegangen ist.

2.4. Ergebnisse der quantitativen Analyse

[V44:182] In diesem Kapitel sollen ausschließlich die empirischen Ergebnisse aus dem Untersuchungsbereich
familiale Kommunikation
dargestellt und interpretiert werden. Es sollen also noch keine Beziehungen zu dem Untersuchungsbereich
Arbeitsplatzsituation
hergestellt werden, vielmehr soll es hier zunächst darum gehen zu untersuchen, ob sich spezifische Beziehungsstrukturen zwischen den einzelnen Beschreibungsdimensionen der familialen Kommunikation ergeben haben.
2.4.1. Betrachtung der Mittelwerte der Dimensionen der familialen Kommunikation
[V44:183] Eine erste, wenn auch noch wenig detaillierte Information über die Ausprägung in den Kommunikationsdimensionen läßt sich aus der Betrachtung der Mittelwerte der Ausprägungen gewinnen.
Tabelle 1: Mittelwerte Kommunikations-Dimension
Familienbiographie
Komplexität Reziprozität Dominanz
Mutter
Vater
Konfliktgehalt Problematisierung
2,10 1,78 0,53
0,90
0,85 0,84
Dissens-Diskussion
1,90 1,80 0,60
0,88
1,17 1,18
|A 48|Auffallend sind die deutlichen Unterschiede zwischen den Mittelwerten der Dimensionen Komplexität, Reziprozität und auch Dominanz 1)
1)Hier muß man sich vergegenwärtigen, wie die Daten für die einzelnen Familien in den beiden Dimensionen Mutter-Dominanz, Vater-Dominanz errechnet werden. Es müssen die Mittelwerte beider Dominanz-Dimensionen addiert werden, wenn man sie mit den Mittelwerten der anderen Dimensionen vergleichen will.
einerseits und denen der Dimension Konfliktgehalt und Problematisierung andererseits, sowohl für den Familienbiographieteil, als auch für die Dissens-Diskussion. Entsprechen die Mittelwerte für Komplexität, Reziprozität und Dominanz in etwa dem erwarteten Mittelwert normalverteilter, zwischen 0 und 4 variierender Daten, so lassen die Mittelwerte Konfliktgehalt und Problematisierung eine nach dem Ende der Skala verzerrte Verteilung der zugrundeliegenden Daten erkennen. Dies kann später bei der Interpretation der korrelativen Beziehungen zwischen den einzelnen Dimensionen relevant werden. Für dieses Ergebnis können mehrere Gründe verantwortlich sein. Ein sicher wichtiger Faktor ist die Konstruktion der Indikatoren für die einzelnen Dimensionen. Die Indikatoren der Dimensionen Komplexität, Reziprozität und Dominanz sind leicht erkennbar und damit registrierbar, sie erfassen z.T. lediglich den formalen Gesprächsablauf, bedürfen damit keiner hermeneutischen Anstrengung, keines besonderen Einfühlungsvermögen in die Gesprächssituation. Diese Indikatoren sind auf einer recht konkreten Ebene formuliert (z.B. ....
Können Sätze und Gedanken zu Ende geführt werden?
); konkrete Gesprächssituationen müssen also nicht auf eine abstraktere Ebene transportiert werden. In diesen Punkten unterscheiden sich die Indikatoren der Dimensionen Konfliktgehalt und Problematisierung aber beträchtlich. So sind z.B.
Inkongruenzen der Beziehungsdefinition
ohne eine Sensibilisierung der Auswerter für solche Inkongruenzen nur selten |A 49|registrierbar. Zudem haben Begriffe wie
Handlungsnorm
und
Beziehungsdefinition
einen hohen Abstraktionsgrad, die Subsumtion eines konkreten Gesprächsverlaufs verlangt somit ein hohes Maß an Interpretier- und Abstraktionsleistung von den Auswertern. Auch die kontinuierlichen Bemühungen innerhalb des Auswerterteams um Intersubjektivität bezüglich der Bedeutung der verschiedenen Indikatoren konnten wohl das angesprochene Problem nicht beseitigen. Eine weitere Ursache für die Unterschiede zwischen den Mittelwerten könnte die Interviewsituation selbst gewesen sein. Die Interviewten definierten die Situation vermutlich in der Weise (jedenfalls können wir das für den Regelfall nicht ausschließen), daß sie eine möglichst ausgewogene und harmonische Darstellung ihrer selbst und der Familie geben wollten. Solche Situationsdefinitionen haben natürlich die
normale
Kommunikationsstruktur in ganz spezifischer Weise verändert: Während Komplexität und Reziprozität wahrscheinlich eine stärkere und
realistischere
Ausprägung erfahren haben, wurden die Ausprägungen in den Dimensionen Konfliktgehalt und Problematisierung im Vergleich zur alltäglichen Kommunikation abgeschwächt. So spiegelt das Verhältnis der Mittelwerte der einzelnen Dimensionen das Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren wider.
[V44:184] Die Betrachtung der Mittelwerte macht weiterhin eine unterschiedlich starke Abhängigkeit der Ausprägung in den einzelnen Dimensionen von der Interviewsituation deutlich. Die Komplexität der Kommunikation zwischen den Ehepartnern verringert sich in der Dissens-Diskussion gegenüber der dem Familienbiographieteil, während Konfliktgehalt und Problematisierung sichtlich ansteigen. Die Dominanz seitens der Mutter steigt für die Dissens-Diskussion leicht an, Vater-Dominanz und Reziprozität bleiben dagegen in beiden Interviewteilen in ihren Ausprägungen praktisch konstant. Dieses Bild überrascht kaum. Daß die Komplexität der Kommunikation in der Dissens-Diskussion geringer als in dem Familienbiographieteil ist, mag daran liegen, daß nur die Themen vorgegeben waren, die Themenvielfalt damit notwendigerweise eine Einschränkung erfuhr. Zudem wurde durch die Vorgabe der Diskussionsthemen sehr wahrscheinlich ein Teil der |A 50|Interviewten mit Problemen konfrontiert, die sich in ihrer Familie noch nie gestellt hatten (z.B. die Frage nach der Reaktion auf die Mitteilung eines Kindes, der Lehrer habe es geschlagen), die Interviewten sich also – ganz im Gegensatz zu den konkreten Begebenheiten aus ihrer Familiengeschichte – in hypothetische Situationen hineinversetzen mußten. Auch die Veränderungen bei den Kommunikationsvariablen Konfliktgehalt und Problematisierung waren zu erwarten, war doch die Dissens-Diskussion gerade daraufhin angelegt, möglicherweise kontroverse Themen anzusprechen, damit u.U. Konflikte zwischen den Ehepartnern zutagetreten zu lassen und zu Problematisierungen anzuregen.
[V44:185] Die – wenn auch nur geringe – Erhöhung der Mutter-Dominanz im Dissens-Diskussionsteil hat wahrscheinlich ihren Grund darin, daß in diesem Interviewteil in erster Linie Erziehungsprobleme zur Diskussion gestellt wurden. Bei traditioneller Rollenverteilung wurde dann der Frau von Seiten des Mannes eine größere Kompetenz in den reinen Erziehungsfragen zugebilligt. Bemerkenswert ist, daß die Ausprägung in den Kommunikationsvariablen Reziprozität und auch Vater-Dominanz offensichtlich durch die Veränderung in der Interviewsituation – Vorgabe der Themen statt weitgehend freier Gestaltung, häufigere Strukturierung seitens der Interviewer statt betonter Zurückhaltung – kaum beeinflußt wurden. Sowohl Reziprozität als auch Vater-Dominanz erscheinen damit als relativ stabile Kommunikationsmodi, die nur geringen situationsabhängigen Schwankungen unterliegen. Solche Deutungen haben allerdings – das sei zugegeben – einen teils spekulativen Charakter. Es muß daher die Aufgabe der weiteren Datenanalysen sein, diese Spekulationen zu prüfen.
|A 51|
2.4.2. Betrachtung der Häufigkeitsverteilung in den Dimensionen der familialen Kommunikation
[V44:186] Um zu einer, im Vergleich zu der Betrachtung der Mittelwerte, schon detaillierten Analyse der gewonnenen empirischen Daten der familialen Kommunikation gelangen zu können, wurden Häufigkeitsverteilungen für die einzelnen Dimensionen erstellt. Das Kontinuum von 0 bis 4, in dem sich die Werte für die einzelnen Familien bewegen konnten, wurde in 8 Klassen mit einem einheitlichen Klassenintervall von 0,5 unterteilt. Die unteren Grenzen der Klassenintervalle liegen bei 0; 0,5; 1,0; 1,5; 2,0; 2,5; 3,0 und 3,5.
[V44:187]
Tabelle 2: Häufigkeitsverteilung Komplexität
1 2 3 4 5 6 7 8 N 1)
1)Die unterschiedliche Stichprobengröße für Familienbiographie und Dissens-Diskussion ergibt sich daraus, daß aufgrund technischer Probleme bei der Gesprächsaufnahme die Dissens-Diskussion zweier Familien nicht auswertbar war. Bei weiteren vier Familien mußten aus unterschiedlichen Gründen beide Interviewteile entfallen, von daher ergibt sich also die Differenz zur eigentlichen Stichprobe (N = 69).
Schlüssel für die Klassen
1 = 0 – 0,49; 2 = 0,5 – 0,99; 3 = 1,0 – 1,49;
4 = 1,5 – 1,99; 5 = 2,0 – 2,49; 6 = 2,5 – 2,99;
7 = 3,0 – 3,49 8 = 3,5 – 3,99
Familienbiographie 3 23 22 12 1 2 63
Dissens-Diskussion 1 10 27 19 6 2 65
|A 52|
[V44:188] Hier bestätigt sich, was schon aus der Gegenüberstellung der Mittelwerte von Familienbiographie und Dissens-Diskussion erkennbar war: die mit der Dimension Komplexität abgegriffenen Merkmale der familialen Kommunikation sind relativ situationsabhängig. In dem Dissens-Diskussionsteil findet eine gegenüber der Familienbiographie beachtliche Reduktion der Komplexität statt. Trotz dieser Verschiebung zum unteren Ende der Skala ist aber immer noch eine der Normalverteilung sehr nahe Häufigkeitsverteilung konstatierbar.1)
1)Für die Variable Komplexität wurden die Mittelwerte von Familienbiographie und Dissens-Diskussion auf einen signifikanten Unterschied hin mittels des t-Tests (zweiseitig) für unabhängige Stichproben aus normal verteilten Grundgesamtheiten überprüft. (Es wurde das bei G. Claus, H. Ebner (1971), S. 184f. beschriebene Verfahren zur Schätzung von 0 verwendet. Die Varianzen für die Kommunikationsvariablen finden sich im Anhang). Da bei der maschinellen Datenaufbereitung und -verarbeitung die Überprüfung der Mittelwertunterschiede in Familienbiographie und Dissens-Diskussion nicht enthalten war, (ein nachträglich erst bemerktes, ärgerliches Versäumnis) mußten die t-Tests
per Hand
gerechnet werden. Zudem konnte nicht der eigentlich angemessene t-Test für korrelierende Stichproben verwendet werden, weil die Wertpaare für jede Familie erst mühsam aus dem Urmaterial hätten herausgesucht werden müssen. Die Gefahr ist nun, daß ein Mittelwertunterschied sich aufgrund des t-Tests für unabhängige Stichproben als nicht signifikant erweist, der bei Anwendung des angemesseneren t-Tests für korrelierende Stichproben noch signifikant gewesen wäre. Dies gilt u.U. für die Mittelwertdifferenz der Variablen Komplexität, denn hier ergab sich mit dem t-Test für unkorrelierte Stichproben eine Irrtumswahrscheinlichkeit von größer als 10 %. Der Mittelwertunterschied muß also als nicht signifikant bezeichnet werden.
|A 53|
[V44:189]
Tabelle 3: Häufigkeitsverteilung Reziprozität
1 2 3 4 5 6 7 8 N
Familienbiographie 18 22 14 8 1 63
Dissens-Diskussion 1 17 24 16 5 2 65
[V44:190] Hier wird die schon aufgrund der Konstanz der Mittelwerte beider Interviewteile vermutete sehr hohe Stabilität des mit der Variablen Reziprozität erfaßten Ausschnittes der familialen Kommunikation bestätigt. Im Dissens-Diskussionsteil ist lediglich eine leichte Verdichtung der Werte um den Mittelwert (bzw. in den mittleren Klassen) zu erkennen. Dies ist vielleicht zu erklären mit dem während der Dissens-Diskussion stärkeren Eingreifen der Interviewer in Form von Aufforderungen an den in die Diskussion weniger involvierten Ehepartner, doch auch seine Meinung zu äußern. Es bleibt festzuhalten, daß die Dimension der Reziprozität bei weitem die größte Situationsabhängigkeit von allen untersuchten Dimensionen der Kommunikation aufweist, selbst die völlige Umstrukturierung einer Situation – wie die Interviewer sie von den Befragten in der Diskussion forderten – vermochte diesen Kommunikationsmodus nicht zu beeinflussen.
[V44:191]
Tabelle 4: Häufigkeitsverteilung Mutter-Dominanz
1 2 3 4 5 6 7 8 N
Familienbiographie 39 10 6 4 3 1 63
Dissens-Diskussion 39 6 9 7 3 1 65
|A 54|
[V44:192] Hier zeigt sich eine – schon vorher durch den niedrigen Mittelwert erkennbar gewordene – sehr starke Konzentration der Häufigkeiten am unteren Ende der Skala. Diese sehr deutliche Abweichung der Häufigkeitsverteilung von der Normalverteilung ist sicher zum größten Teil die Folge des Berechnungsverfahrens für die Werte in den Dimensionen Mutter- (bzw. Vater-) Dominanz. Vater- und Mutter-Dominanz schlossen per Definition auf der Ebene der einzuschätzenden einzelnen Gesprächssequenzen einander aus. Um die in erster Linie interessierende Vergleichbarkeit zwischen den beiden Dominanz-Dimensionen zu garantieren, wurden die Summenwerte der Einschätzwerte in beiden Dimensionen auf die Gesamtzahl der analysierten Gesprächssequenzen bezogen. Das hat allerdings zur Folge, daß die Endwerte für die einzelnen Familien (und natürlich die aus ihnen errechneten Mittelwerte) sich mit den Endwerten in den anderen Kommunikationsdimensionen nicht vergleichen lassen, und daß sich zudem eine atypische Häufigkeitsverteilung ergibt.
[V44:193] Beim Vergleichen der Häufigkeitsverteilung für den Familienbiographieteil und die Dissens-Diskussion fällt auf, daß zwar die Häufigkeit in der niedrigsten Klasse (0–0,49) konstant bleibt, sich jedoch eine, wenn auch nicht sehr starke, Verlagerung in die höheren Klassen für das Dissens-Interview ergeben hat.
[V44:194] Die aufgrund des Vergleichs der Mittelwerte gewagte Vermutung, daß die Anlage der Dissens-Diskussion bei traditioneller Rollenverteilung in der Familie der Frau eine im Vergleich zum Familienbiographieinterview größere Chance zur gleichberechtigten Kommunikation einräumte, bedarf hier einer Differenzierung. Für einen weit überwiegenden Anteil der Frauen bot sich diese Chance aufgrund einer festgefügten Vater-Dominanz wohl doch nicht. Nur eine relativ kleine Zahl von Frauen vermochte in der Dissens-Diskussion den Gesprächsverlauf stärker in ihrem Sinne zu gestalten. In diesen Fällen kann – mit aller Vorsicht – auf eine traditionelle Rollenverteilung mit |A 55|gleichzeitiger flexibler, an die Rollen und Situationen gebundener Dominanzstruktur in der Familie geschlossen werden.
[V44:195]
Tabelle 5: Häufigkeitsverteilung Vater-Dominanz
1 2 3 4 5 6 7 8 N
Familienbiographie 23 15 7 10 3 4 1 63
Dissens-Diskussion 30 12 8 4 7 1 1 2 65
[V44:196] Die für die beiden Interviewteile sehr große Häufigkeit in der niedrigsten Klasse ist überraschend. Verbleibt man auf der hier vorliegenden Ebene der Datenaggregation, dann lassen sich natürlich nur Vermutungen über das Zustandekommen der ermittelten Häufigkeitsverteilungen anstellen. Wollte man den Gründen wirklich nachgehen, dann müßte man für jede einzelne Familie das Verhältnis von Vater- und Mutter-Dominanz, zwischen Dominanzstruktur und dem jeweiligen situativen Kontext bzw. den damit verbundenen Rollenverteilungen untersuchen. Unsere auf quantifizierenden Verfahren basierende Analyse kann jedoch nicht den Prozeßcharakter, den dynamischen Aspekt solcher Verhältnisse erfassen. Aus diesem Grund schließen sich auch in dieser Untersuchung den quantitativen Analysen qualitative, interpretative Fallanalysen an, in denen u.a. die Dominanzstrukturen in den angedeuteten Verhältnissen auf ihre prozeßhafte Entfaltung hin beschrieben werden sollen.
[V44:197] Hier läßt sich zunächst nur vermuten, daß die große Zahl der Familien, in denen die Vater-Dominanz nur eine schwache Ausprägung zeigte, sich in drei Untergruppen aufteilen läßt:
  1. 1.
    [V44:198] Familien mit allgemein nur schwach ausgeprägten Dominanzstrukturen;
  2. 2.
    [V44:199] Familien mit stark ausgeprägter Mutter-Dominanz;
  3. 3.
    [V44:200] Familien mit situationsspezifischer Dominanzstruktur.
|A 56|
[V44:201] Über die Anteile dieser Untergruppen läßt sich aufgrund der Häufigkeitsverteilung in den Dimensionen Vater- und Mutter-Dominanz kaum eine Aussage machen. Die im Vergleich zur Familienbiographie stärkere Besetzung der untersten Klassen im Dissens-Diskussionsteil legt die schon für die Variable Mutter-Dominanz gewählte Interpretation nahe: daß zumindest bei einem Teil der Familien die besondere Form und insbesondere der vorgegebene Inhalt der Dissens-Diskussion (hauptsächlich auf Erziehungsprobleme bezogene Fragestellung) bei traditioneller Rollenverteilung in der Familie der Frau eine besondere Chance zur Strukturierung der Diskussion eröffneten.
[V44:202] Da diese These einer genaueren Prüfung würdig erschien, wurden die Einzelwerte jeder Familie jenen oben definierten Dominanzstrukturtypen gegenüberstellt.
[V44:203] 1. Familien mit allgemein nur schwach ausgeprägten Dominanzstrukturen (Definition Vater-Dom., Mu.Dom. < 0,5)
[V44:204] Diese Struktur wiesen 6 Familien auf. In diesen Familien scheint eine auch in unterschiedlichen Situationen sich durchhaltende Gleichheit in den Chancen der Gestaltung der Kommunikation zu bestehen. Es muß ein stabiler Konsens bei beiden Ehepartnern in Bezug auf die Ablehnung bzw. Vermeidung aller anmaßenden kommunikativen Aspekte bestehen. Man kann hier vielleicht von einem
idealen
Muster sprechen.
[V44:205] 2. Familien mit stark ausgeprägter Mutter-Dominanz
[V44:206] (Definition Mu.-Dom. > 0,5; Va.-Dom. < 0,5)
[V44:207] Dieser Definition entsprachen 15 Familien.
[V44:208] 3. Familien mit situationsspezifischer Dominanzstruktur
[V44:209] (Definition im Familienbiographieteil Va.-Dom. > 0,5; Mu.-Dom. < 0,5; im Dissens-Diskussionsteil Va.-Dom. < 0,5; Mu.-Dom. > 0,5).
|A 57|
[V44:210] Dieser Dominanzstrukturtyp ist also nach der oben entwickelten These definiert worden, daß bei einem Teil der Familien eine situationsabhängige Dominanzstruktur auf dem Hintergrund einer traditionellen Rollenaufteilung vermutet werden muß.
[V44:211] Die genaue Zuordnung der Familien erbrachte indes keinen schlüssigen Beweis für die Vermutung. Der Definition entsprachen nur 5 Familien von den 63 Familien insgesamt. Nur bei 5 Familien kam es also in den beiden Interviewteilen zu einer vollständigen Umkehr in den Dominanzbeziehungen zwischen den Ehepartnern. Die Differenzen zwischen den Mittelwerten und den Häufigkeitsverteilungen des Familienbiographieteils und der Dissens-Diskussion in den Dimensionen Vater- bzw. Mutter-Dominanz beruhen also offensichtlich doch auf wesentlich differenzierteren Verschiebungen in den Dominanzstrukturen, als dies zunächst den Anschein hatte. Die quantitative Analyse ist mit dieser Feststellung an ihrer Grenze angelangt, was jedoch nicht heißt, daß es überhaupt unmöglich ist, Dominanzstrukturen in den kommunikativen Beziehungen von Ehepartnern in ihrem komplexen Wechselspiel mit den situativen Gegebenheiten, den Situationsdefinitionen, den Rollenverteilungen etc. auch quantitativ zu erfassen. Nur in dieser mit ihrem sehr eingeschränkten Instrumentarium arbeitenden Untersuchung ist die Grenze erreicht. Sie wird jedoch in den qualitativen Fallanalysen überschritten werden können.
[V44:212] In Ergänzung zu den drei angeführten Dominanztypen wurde noch ein vierter definiert, weil er offensichtlich mit großer Häufigkeit auftrat:
[V44:213] 4. Familien mit stark ausgeprägter Vater-Dominanz
[V44:214] (Definition: Va.-Dom. > 0,5; Mu.-Dom. < 0,5)
[V44:215] Dieser Definition entsprachen 25 Familien. Rechnet man die Familien mit stark ausgeprägter Vater-Dominanz und die mit hoher Mutter-Dominanz zusammen, so ergibt sich, daß in über 60 % der interviewten Familien ein Ehepartner allein weitgehen die Kommunikation bestimmte.
|A 58|
[V44:216] Unter die vier Dominanzmuster ließen sich 51 und 63 Familien subsumieren. Die restlichen Familien zeigten sehr unterschiedliche Muster; jede daran angeknüpfte Interpretation wäre nur noch Spekulation gewesen. Es könnte allerdings sehr interessant sein, in einer Fallanalyse zwei Familien mit identischen Mustern (z.B. hohe Dominanz in beiden Interviewteilen bei beiden Elternpartnern) zu untersuchen. In unserer Untersuchung sind allerdings die Schwerpunkte der Fallanalysen anders gesetzt worden.
[V44:217]
Tabelle 6: Häufigkeitsverteilung Konfliktgehalt
1 2 3 4 5 6 7 8 N
Familienbiographie 15 21 23 1 2 1 63
Dissens-Diskussion 9 16 22 11 5 2 65
[V44:218] Die große Zunahme der Häufigkeit in der Klasse 4 (1,5 – 1,99) und die Abnahme der Klassen 1 (0 – 0,49) und 2 (0,5 – 0,99) im Vergleich zwischen Familienbiographie und Dissens-Diskussion deutet darauf hin, daß es tatsächlich gelungen ist, bei einer Reihe von Familien kontroverse Stellungnahmen der Ehepartner zu provozieren und damit Zugang zu den Formen der Konfliktbearbeitung in den Familien zu erhalten.
[V44:219] Zur Prüfung, ob der Unterschied der Mittelwerte von Familienbiographie (0,85) und Dissens-Diskussion (1,17) signifikant ist, wurde ein zweiseitiger t-Test durchgeführt 1)
1)Hier gilt das Gleiche, was zum t-Test für die Variable Komplexität ausgeführt wurde.
. Die Nullhypothese, daß kein signifikanter Unterschied besteht, konnte mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von kleiner als 2 % ver|A 59|worfen werden.
[V44:220] Damit hat sich bestätigt, daß die mit der Variablen Konfliktgehalt erfaßten Aspekte der familialen Kommuniaktion eine besondere Situationsspezifität und Abhängigkeit von den zur Sprache kommenden Themen haben. Die von den Interviewern mit dem Dissens-Interview bewirkte Veränderung der Situationsdefinition gegenüber dem Familienbiographieteil und die eingebrachten inhaltlichen Problemstellungen bewirkten wohl gemeinsam die signifikante Veränderung in der Dimension Konfliktgehalt. Diese Unterscheidung in zwei unterschiedliche Wirkfaktoren ist jedoch nur eine analytische; mit der gegebenen Untersuchungsanlage ist eine empirische Validierung dieser Unterscheidung nicht möglich gewesen.
[V44:221] Eine generelle Einschränkung muß noch gemacht werden: Auch für den Dissens-Diskussionsteil zeigt die Häufigkeitsverteilung eine gegenüber der Normalverteilung (und auch den Häufigkeitsverteilung der Variablen Komplexität und Reziprozität) deutliche Verschiebung an das untere Ende der Skala. Dafür mögen die schon erwähnten Unterschiede in der Abstraktheit und damit auch Erkennbarkeit der Indikatoren ein Teil der Erklärung sein. Zudem ist es aber auch für den Dissens-Diskussionsteil nicht gelungen, die Angst der meisten Interviewten vor einer allzu offenen Austragung von Divergenzen in Anwesenheit Dritter zu überspielen. Zwar stieg das Niveau des Konfliktgehaltes in der Dissens-Diskussion gegenüber dem Familienbiographieteil signifikant an, blieb – in Relation zu den Ausprägungen in den Variablen Komplexität und Reziprozität – dennoch sehr niedrig. Es gibt also offensichtlich in den meisten Familien eine Grenze für das offene Aussprechen von divergierenden Meinungen vor Dritten (die zudem alles auf Tonband aufnehmen!).
[V44:222] Dies äußerte sich sehr häufig dadurch, daß ein oder auch beide Ehepartner die Diskussion mit dem Hinweis abbrachen,
nun ist aber genug darüber diskutiert worden
oder
das gehört jetzt nicht zur Sache
. Das muß noch lange nicht heißen, daß die familiale |A 60|Beziehungsstruktur durch Überkonformität und Zwangsintegration (pseudo-mutuality, vgl. L.C. Wynne u.a. in: G. Bateson u.a., 1969, S. 45 f.) bestimmt ist, sondern kann als Ausdruck von
Privatideologien
gedeutet werden.
[V44:223]
Tabelle 7: Häufigkeitsverteilung Problematisierung
1 2 3 4 5 6 7 8 N
Familienbiographie 18 23 14 5 2 1 63
Dissens-Diskussion 9 14 19 18 3 2 65
[V44:224] Hier gilt das für die Variable Konfliktgehalt Gesagte analog. Es zeigt sich lediglich eine noch stärkere Verschiebung zu höheren Ausprägungen in der Dissens-Diskussion als bei der Dimension Konfliktgehalt. Allgemein ist wahrscheinlich, daß das Befragen von Behauptungen oder Handlungsnormen (zwei der Indikatoren der Variablen Problematisierung) vor Dritten nicht in der gleichen Weise tabuisiert ist, wie das offene Herausstellen von Konflikten. Zudem wurde in vielen Fällen die Interviewsituation im Dissensteil von den Ehepartnern offenbar so interpretiert, daß sie sich besonders um ein differenziertes Erörtern der Fragen zu bemühen hätten. Auch für die Variable Problematisierung wurden die Mittelwerte von Familienbiographie und Dissens-Diskussion auf einen signifikanten Unterschied hin mittels des t-Tests überprüft. Es ergab sich, wie bei der Dimension Konfliktgehalt, daß mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von kleiner als 2 % die Nullhypothese, daß kein signifikanter Unterschied bestehe, abgelehnt werden konnte.
|A 61|
2.4.3. Betrachtung der Korrelation zwischen den Dimensionen der familialen Kommunikation
[V44:225] Bisher haben wir die Dimension der familialen Kommunikation einzeln diskutiert; nun sollen die Beziehungen zwischen den Dimensionen analysiert werden. Dafür bietet sich die Prüfung der Korrelationskoeffizienten an. Diese wurden für alle 12 Kommunikationsvariablen (je 5 für Familienbiographie und Dissensdiskussion) errechnet. Für die Analyse spalten wir die vollständige Korrelationsmatrix in zwei Teilmatritzen, die jeweils nur die Korrelationen zwischen den Variablen des Familienbiographie- bzw. des Dissens-Diskussionsteils enthalten.
[V44:226] Die schon anhand der Mittelwerte und Häufigkeitsverteilungen beschriebene Situationsabhängigkeit einiger Dimensionen der familialen Kommunikation kann auch mit Hilfe der Korrelation beschrieben werden.
Tabelle 8: Korrelationskoeffizienten Familienbiographie (Fb.) – Dissens-Diskussion (DD.)
Kompl.DD. Rez.DD. Dom.M.DD. Dom.V.DD. Konfl.DD. Probl.DD.
Kompl.Fb. 0,68
Rez.Fb. 0,74
Dom.M.Fb. 0,75
Dom.V.Fb. 0,78
Konfl.Fb. 0,69
Probl.Fb. 0,70
Die Zahl der Freiheitsgrade: n – 2 = 63 – 2 = 61
Die Zufallshöchstwerte betragen bei einem Freiheitsgrad von 60 für die Irrtumswahrscheinlichkeit:
5 % – 0,25
1 % – 0,33
0,1 % – 0,41
|A 62| Die Korrelationen für sämtliche Dimensionen der Kommunikation unterscheiden sich also hochsignifikant von Null. Das bedeutet jedoch nicht, daß damit die mit der Betrachtung der Mittelwerte und Häufigkeitsverteilungen gewonnenen Einsichten bezüglich der Situationsabhängigkeit der einzelnen Dimensionen zu revidieren wären. Es ist damit lediglich klar, daß der Grad des Zusammenhangs zwischen den Meßwerten in den jeweiligen Dimensionen nicht durch Zufall (Stichprobenvariabilität) erklärt werden kann, sondern vielmehr ein systematischer Zusammenhang angenommen werden muß. Daß ein solcher Zusammenhang zwischen den zwei Meßwerten (der aus der Familienbiographie und der aus der Dissens-Diskussion) aller Kommunikationsvariablen besteht, kann als ein Nachweis der Zuverlässigkeit der Messungen interpretiert werden, wenn man die jeweiligen Meßwerte für die Familienbiographie und Dissens-Diskussion als Meßwerte bei wiederholten Messungen des gleichen Sachverhalts auffaßt. Zwar wurde durch die Variation der Interviewsituation gleichsam ein Meßfehler provoziert, doch war dieser nicht so groß, daß die Meßwerte für beide Interviewsituationen unabhängig voneinander streuten. Die Höhe der Korrelationen spiegelt das schon bekannte Bild bezüglich der unterschiedlichen Situationsabhängigkeit der Kommunikationsdimension wider. Die sehr stabilen Kommunikationsmodi Reziprozität, Mutter-Dominanz und Vater-Dominanz zeigen die höchsten Korrelationen, die relativ situationsabhängigen Dimensionen Komplexität, Konfliktgehalt und Problematisierung weisen etwas niedrigere Korrelationen auf.
[V44:227] Es sollen nun die Beziehungen zwischen den einzelnen Kommunikationsdimensionen im Familienbiographieteil untersucht werden.|A 63|
Tabelle 9: Korrelationsmatrix Kommunikationsdimensionen (Fb.)
Kompl. Rez. Dom.-Mu. Dom.-Va. Konfl. Probl.
Kompl. 1,00
Rez. ,90 1,00
Dom.-Mu. ,54 ,50 1,00
Dom.-Va. ,48 ,38 ,18 1,00
Konfl. ,77 ,65 ,47 ,47 1,00
Probl. ,78 ,71 ,49 ,35 ,87 1,00
Es fällt auf, daß alle Korrelationen bis auf die zwischen Vater- und Mutter-Dominanz sehr hoch sind und sich mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von <1,0 % von 0 unterscheiden. Das gibt zu denken. Es besteht immerhin die Gefahr, daß man nur Artefakte interpretiert, daß die hohen Korrelationen Ausdruck von schon in die Variablendefinition eingebauten
künstlichen
Zusammenhängen sind, daß eine Reihe von Indikatoren verschiedener Kommunikationsdimensionen den gleichen Aspekt der familialen Kommunikation abdecken.
[V44:228] Analysiert man die Indikatoren unter diesem Gesichtspunkt, so fällt in der Tat auf, daß einige von ihnen ziemlich deckungsgleich sind. Dies ist insbesondere zwischen den Indikatoren der beiden Variablen Konfliktgehalt und Problematisierung der Fall. So wird bei einer
Entgegensetzung von Behauptungen
(= Indikator für Problematisierung) in aller Regel von den Auswertern der Tonbandprotokolle auch eine
Inkongruenz der inhaltlichen Orientierung
(= Indikator für Konfliktgehalt), bei einer
Entgegensetzung von Handlungsnormen
(= Indikator für Problematisierung) meist auch eine
Inkongruenz der Handlungsnormen
(= Indikator für Konfliktgehalt) konstatiert worden sein, trotz der Auswertungsanweisungen, die eine solche Gleichsetzung an sich ausschalten sollten. Auch zwischen den Indikatoren der Variablen Komplexität und Reziprozität |A 64|bestehen gewisse Berührungspunkte. Die kommunikativen Akte des Empfehlens, Anweisens, sowie des Fragens (= zwei der Indikatoren für Komplexität) sind wohl häufig Akte,
die Alter zu eigenen Akten stimulieren
(= Indikator für Reziprozität). Auch zwischen den Dimensionen Komplexität und Dominanz (Vater, Mutter) sowie Reziprozität und Dominanz sind gewisse Überschneidungen, auch wenn sie nicht so offensichtlich sind, nicht ganz auszuschließen.
[V44:229] So müssen die Dimensionen weniger als streng voneinander unterschiedene, sondern vielmehr als sich überlappende Aspekte der familialen Kommunikation interpretiert werden. Bei der Analyse der korrelativen Beziehungen muß diese Einschränkung der Interpretierbarkeit immer mitgedacht werden.
[V44:230] Als erstes fällt die außerordentlich hohe Korrelation von 0,90 zwischen den Variablen Komplexität und Reziprozität auf; es ist die höchste Korrelation überhaupt. Dieser Grad des Zusammenhangs kann kaum auf Überschneidungen bei den Indikatoren beruhen, es wird damit in jedem Fall die Vermutung bestätigt, daß es zu einer die Reaktionen des anderen antizipierenden, seine Perspektiven mit einbeziehenden Kommunikation eines ausdifferenzierten, komplexen sprachlichen Instrumentariums und einer vielfältigen inhaltlichen Orientierung bedarf.
[V44:231] Es mag jedoch auch noch eine mittelschichtspezifische Wahrnehmungsstruktur bei den Auswertern zu der hohen Korrelation beigetragen haben, obwohl dies gerade durch die Auswahl der Indikatoren vermieden werden sollte. Übernimmt man einmal die auf B. Bernstein zurückgehende Unterscheidung zwischen zwei Arten zu reden, – stark kontextgebunden, mit impliziten, bei dem Zuhörer also als bekannt vorausgesetzten Bedeutungen – und ordnet die Art der impliziten Bedeutungsstrukturierung der Unterschicht, in unserem Fall dem unterem Stratum, die Art der expliziten Bedeutungsstrukturierung dagegen der Mittel|A 65|schicht bzw. dem oberen Stratum zu 1)
1)Die Problematik solcher Zuordnungen soll hier ausgeklammert werden. Zumindest kann man – das bestätigen die konkreten Interviewerfahrungen – ihnen einen gewissen deskriptiven Wert zubilligen.
, so wird deutlich, daß ein ganzer Bereich denkbarer reziproker Kommunikation, nämlich der auf einem gemeinsamen Bedeutungshintergrund sich implizit darstellenden Reziprozität, mit den gegebenen Indikatoren und der gegebenen Untersuchungssituation – (die Interviewer als außenstehende Beobachter, ohne Kenntnis des den Ehepartner gemeinsamen Bedeutungshorizontes, die Auswerter mit mittelschichtspezifischen Wahrnehmungsstrukturen, d.h. mit einer weitgehenden Unfähigkeit, implizite Reziprozität aufzuspüren) überhaupt nicht oder nur sehr eingeschränkt erfaßbar war. Es wurde vielmehr nur die explizit sich darstellende Reziprozität (z.B. die Fortführung eines Themas, die verstehende Kommentierung, die Anregung zu kommunikativen Akten als die Indikatoren) ermittelt, und diese ist mit den in der Dimension der Komplexität erfaßten Aspekten von Kommunikation eng verbunden, denn diese beinhalten hauptsächlich die explizit,
zur Sprache gekommene
Themenvielfalt und -differenzierung. Die Stichhaltigkeit dieses Einwandes läßt sich indessen durch unsere Untersuchung nicht weiter erhärten; es bedürfe dazu eines besonderen methodischen Arrangements.
[V44:232] Als nächstes bedürfen die ebenfalls sehr hohen Korrelationen zwischen Komplexität und Konfliktgehalt (0,77) sowie Komplexität und Problematisierung (0,78) einer Interpretation. Eigentlich unerwartet ist der starke Zusammenhang zwischen der Komplexität und dem Konfliktgehalt der Kommunikation. Hätte man an sich vermuten können, daß ein hoher Konfliktgehalt, also Divergenzen in inhaltlichen Orientierungen, in den Handlung- bzw. Wertorientierungen, in den wechselseitigen Beziehungsdefinitionen eine differenzierte sprachliche Auseinandersetzung über ein |A 66|Thema eher abschneiden würde, so deutet die hohe Korrelation auf einen gegenteiligen Zusammenhang hin. Bei geringem Konfliktgehalt eines Themas ist schnell ein Konsens gefunden und man kann die Erörterung abschließen. Manifestieren sich in der Behandlung eines Themas immer schon latente Divergenzen zwischen den Ehepartnern, so scheint man bei den meisten Familien nicht so schnell das Thema aufgegeben zu haben, sondern versuchte vielmehr, die Divergenzen über den Aufweis der vielfältigen Aspekte eines Themas wieder in einen Konsens zu überführen. Zumindest für die relativ
entspannte
Situation des Familienbiographieinterviews schien dies die hauptsächliche Verarbeitungsform von Konflikten gewesen zu sein. Daß dabei die Interviewsituation selbst von eigenem Einfluß war, kann vermutet werden. Die sonst sicher häufiger auftretende Konfliktbewältigung durch Abbrechen der Diskussion, das Verbannen der Konflikte in die Sprachlosigkeit, schien in einer Situation, wo man reden mußte oder dies zumindest glaubte, kein gangbarer Weg. Es wird darauf zu achten sein, wie das Verhältnis von Komplexität und Konfliktgehalt in der
stressgeladeneren
Atmosphäre der Dissens-Diskussion sich darstellt.
[V44:233] Ganz in das erwartete Bild über die Beziehungen der Dimension zueinander paßt die hohe Korrelation zwischen Komplexität und Problematisierung. Daß dieses Verhältnis besteht, war der entscheidende Grund für die Aufnahme der Dimension Komplexität in die Untersuchung. Eine hohe Komplexität der Kommunikation wurde als eine der Voraussetzungen angesehen, die gegeben sein müssen, wenn überhaupt die Chance gegeben sein soll, sich gegenüber eingelebten und normativ gesicherten Sprachspielen, gegenüber naiv als geltend vorausgesetzten Handlungsregeln zu distanzieren. Die ermittelte Korrelation zwischen Komplexität und Problematisierung unterstützt diesen theoretisch formulierten Zusammenhang empirisch.
[V44:234] An dieser Stelle scheint ein Hinweis angebracht. Da die Werte für die einzelnen Familien Durchschnittswerte darstellen, kann man bei der Analyse der Daten im Grunde nicht davon ausgehen, daß eine Gleichzeitigkeit des Auftretens spezifischer Ausprägungen in den Kommunikationsdimensionen vorgelegen hat. Wenn also z.B. die Daten für eine Familie |A 67|eine hohe Komplexität und einen hohen Konfliktgehalt ausweisen, so ist damit noch nichts über die eigentliche Interaktion dieser beiden Dimensionen ausgesagt. Es kann durchaus sein, daß in den konkreten Kommunikationssequenzen diese beiden Dimensionen niemals gleichzeitig in hoher Ausprägung aufgetreten sind. Die konkrete Interaktion der Kommunikationsvariablen ist ein prozeßhafter Vorgang und soll in unserer Untersuchung in Form der Fall-Analyse zur Darstellung kommen.
[V44:235] Die Korrelation zwischen der Komplexität der Kommunikation und der Stärke der sich in der Kommunikation manifestierenden Dominanzbeziehungen zwischen den Ehepartnern sind nicht so hoch, wenn auch noch statistisch signifikant. Daß sowohl bei Dominanz der Mutter (r = 0,54), als auch bei Dominanz des Vaters (r = 0,48) die differenzierte Erörterung eines Themas mit differenzierten sprachlichen Mitteln häufig noch möglich zu sein scheint, ist auf zwei Weisen zu erklären: entweder wird die Komplexität der Kommunikation allein durch den dominanten Partner hergestellt, oder es besteht auch in einseitig strukturierten kommunikativen Beziehungen, zumindest unter den situativen Gegebenheiten eines Interviews, genügend Freiheitsraum für die Entfaltung sprachlicher Komplexität. Die Frage ist nicht zu entscheiden, jedoch ist aufgrund der für die beiden Kommunikationsvariablen verwendeten Indikatoren die erste Erklärung die wahrscheinlichere. Der Unterschied in der Höhe der Korrelationen zwischen Komplexität und Vater- bzw. Mutter-Dominanz (0,54 und 0,48) ist zu gering, als daß man daraus noch Schlüsse ziehen könnte.
[V44:236] Die Dimension Reziprozität ist – wie Komplexität – mit den Dimensionen Konfliktgehalt und Problematisierung hoch korreliert. Aufgrund der äußerst engen Beziehung zwischen Komplexität und Reziprozität ist dieses Ergebnis nicht verwunderlich.
[V44:237] Nimmt man die bisher zu den Beziehungen zwischen den Variablen Komplexität und Reziprozität sowie Komplexität und Konfliktgehalt versuchten Erläuterungen zusammen, dann wird auch der auf den ersten Blick überraschende, enge Zusammenhang zwischen Reziprozität und Konfliktgehalt erklärlich. Sind tatsächlich in erster Linie Konflikte durch explizites Eingehen auf die vielfältigen Facettierungen des konfliktträchtigen Themas einzugrenzen bzw. zu verarbeiten versucht worden, ist zudem die Reziprozität nur in ihren expliziten, |A 68|dem außenstehenden Beobachter zugänglichen Dimensionen erfaßt worden, so ergibt sich daraus fast mit Notwendigkeit ein dichter Zusammenhang zwischen Reziprozität und Konfliktgehalt. Es ist allerdings zu vermuten, daß dieser Zusammenhang sich lockert, wenn die wirkliche Alltagskommunikation in den Familien unverzerrt zur Verfügung stünde und dies mit qualitativen, interpretativen, fallanalytischen, sich auf die Lebenswelt der einzelnen Familien stärker einlassenden Verfahren untersucht würde.
[V44:238] Das Verhältnis zwischen den Variablen Reziprozität und Problematisierung ist durch einen engen Zusammenhang gekennzeichnet. Jedes Befragen von Behauptungen und Handlungsnormen setzt als ersten Schritt ein Eingehen auf eine Auseinandersetzung mit den entsprechenden Behauptungen und Handlungsnormen des anderen voraus. Reziprozität kann also als eine Basisqualifikation verstanden werden, die überhaupt erst die sozial-affektive Grundlage für das Hinaustreten aus sonst unbefragt sich durchsetzenden Geltungsansprüchen schafft. Dieses Verhältnis zwischen Reziprozität und Problematisierung scheint sich in der empirisch ermittelten korrelativen Beziehung widerzuspiegeln.
[V44:239] Die Beziehung zwischen den Dimensionen der Mutter- und der Vater-Dominanz ist durch eine negative Korrelation (-0,18) gekennzeichnet, die jedoch keinen ausreichenden Wert erreicht. Dies ist sicher ein doch überraschendes Ergebnis. Es kann nur erklärt werden durch das schon mehrfach erwähnte besondere Berechnungsverfahren für diese beiden Dimensionen. Schließen sich Mutter- und Vater-Dominanz zwar in den einzelnen analysierten Sprachabschnitten per Definition aus, so doch nicht bei der
Endabrechnung
für jede Familie. Wenn nun eine nur niedrige negative Korrelation für das Verhältnis von Mutter- und Vater-Dominanz ermittelt wurde, so bedeutet das, daß es eine relativ große Zahl von Familien gegeben haben muß, bei denen nicht eine hohe Ausprägung in dem einen Dominanzbereich mit einer niedrigen in dem anderen verknüpft war, sondern Vater- und Mutter-Dominanz entweder beide stark oder beide schwach ausgeprägt waren. Das widerspricht jedoch den aufgrund der empirischen Daten bisher gewonnenen Ergeb|A 69|nissen bezüglich der Dominanzstrukturen in den untersuchten Familien. Für den Bereich der Familienbiographie war ermitteln worden, daß in 45 von 63 Familien ein Ehepartner dominierte. (Das Kriterium dafür war: Dominanz Ehepartner A kleiner als 0,5, Dominanz Ehepartner B größer als 0,5). Offensichtlich war das dort verwendete Kriterium für einseitige Dominanz nicht scharf genug gefaßt. 1)
1)Dort sollte in erster Linie nur die Verschiebung in der Dominanzstruktur zwischen Familienbiographie und Dissens-Diskussion analysiert werden. Für diesen Zweck reichte das Kriterium aus. Es mußte dort aus den vorliegenden Daten auf ein komplexeres Verhältnis zwischen Dominanzstruktur, situativem Kontext, Rollendefinition und -verteilungen geschlossen werden, als es sich aus den Mittelwerten und Häufigkeitsverteilungen schließen ließ.
Die Tatsache, daß die beiden Dominanz-Variablen relativ unabhängig voneinander streuen, kann man vielleicht so interpretieren, daß sich in der Strukturierung der Kommunikation in vielen Familien relativ häufig die Ehepartner einander ablösten, daß die Dominanzstruktur für den Familienbiographieteil also relativ themenspezifisch war. Zumindest ist zu konstatieren, daß die Dominanzbeziehungen den verwirrendsten und in sich widersprüchlichsten Aspekt der von uns erfaßten Aspekte familialer Kommunikation darstellen.
[V44:240] Die Korrelationen zwischen Mutter-Dominanz und Konfliktgehalt (0,47) und Problematisierung (0,49) sind nicht mehr ganz so hoch, aber haben immerhin noch eine Irrtumswahrscheinlichkeit von kleiner als 0,1%. Zwischen Vater-Dominanz und Konfliktgehalt besteht exakt der gleiche Zusammenhang (0,47) wie bei Mutter-Dominanz, dagegen liegt die Korrelation mit der Dimension Problematisierung (0,35) deutlich niedriger, ist aber dennoch signifikant. Der Versuch zur Etablierung einer dominanten Kommunikationsstruktur, gleich ob er von Seiten der Mutter oder aber des Vaters kam, provozierte wohl in vielen Fällen eine besondere Konfliktträchtigkeit. In der gegenüber dem Alltag abweichenden Interviewsituation bot sich für den beherrschten Partner auch eher die Möglichkeit, sich gegen die Beherrschung aufzulehnen. Er konnte die Unterstützung seitens der Interviewer und mit der Scheu des dominanten Partners rechnen, den Konflikt auf die Spitze zu treiben.
|A 70|
[V44:241] Wenn Problematisierung sowohl mit Mutter- als auch mit Vater-Dominanz in einem Zusammenhang steht, so bedeutet das noch nicht, daß die jeweilige durch Dominanz bestimmte Beziehungsstruktur Gegenstand der Problematisierungen gewesen ist. Aber sicher ist in vielen Fällen, in denen Dominanz die Beziehung der Ehepartner bestimmte, die Auseinandersetzung nicht nur auf der Ebene des Konflikts stehengeblieben, sondern wurde auch in der Dimension der Problematisierung geführt, d.h. die Gestaltungsansprüche werden nicht nur ignoriert, oder unmittelbar durch eigene neue ersetzt, sondern sie wurden in Zweifel gezogen, befragt, eigene inhaltliche Orientierungen und Handlungsnormen als Alternativen in die Diskussion gebracht. Daß die Korrelation von Vater-Dominanz und Problematisierung geringer ist als die zwischen Mutter-Dominanz und Problematisierung läßt mit allem Vorbehalt auf einen stärkeren Herrschaftscharakter der Vater-Dominanz schließen.
[V44:242] Für den Bereich des Familienbiographieinterviews muß als letzte Korrelation jene zwischen den Dimensionen Konfliktgehalt und Problematisierung (0,85) betrachtet werden. Sie ist außerordentlich hoch, spiegelt also einen sehr engen Zusammenhang zwischen diesen beiden Dimensionen wider. Doch hier ist gerade, wie oben schon mehrfach angesprochen, die Gefahr am größten, lediglich ein Artefakt zu interpretieren. Die Indikatoren beider Variablen haben, wenn man die Auswertungshinweise nicht beachtet, eine sehr große Deckungsgleichheit. Es ist also durchaus möglich, daß eine Reihe von Auswertern die beiden Dimensionen nicht sorgfältig zu trennen vermochte, daß sie z.B. ein einmaliges Entgegensetzen einer Behauptung, ohne daß über die Behauptung weiter verhandelt worden wäre, schon als Problematisierung eingeschätzt haben. Doch selbst wenn man einen solchen, in den Definitionen der Variablen Konfliktgehalt und Problematisierung steckenden Zusammenhang als gegeben unterstellt, muß aufgrund der äußerst hohen Korrelation doch angenommen werden, daß auftauchende Inkongruenzen inhaltlicher und |A 71|normativer Art nur selten tabuisiert, vielmehr in der Regel auch thematisiert und ausgehandelt worden sind.
[V44:243] Wir wenden uns nun den Beziehungen zwischen den Kommunikationsdimensionen im Interviewteil
Dissens-Diskussion
zu
.
[V44:244]
Tabelle 10: Korrelationsmatrix Kommunikationsdimensionen (DD.)
Kompl. Rez. Dom.-Mu. Dom.-Va. Konfl. Probl.
Kompl. 1,00
Rez. ,81 1,00
Dom.Mu. ,40 ,38 1,00
Dom.Va. ,32 ,27 ,34 1,00
Konfl. ,55 ,45 ,32 ,49 1,00
Probl. ,69 ,64 ,38 ,35 ,82 1,00
[V44:245] Es fällt auf, daß bis auf wenige Ausnahmen die Korrelationen deutlich niedriger sind als im Familienbiographieteil. Das läßt den allgemeinen Schluß zu, daß einerseits die Indikatoren für die veränderte Kommunikationssituation im Dissens-Interview größere Diskriminierungsleistungen erbrachten, und daß andererseits die veränderten situativen Umstände eine deutliche Verschiebung in den Beziehungen der meisten Kommunikationsvariablen bewirkten.
[V44:246] Diese Verschiebungen sollen nun um einzelnen untersucht werden. Der Zusammenhang zwischen Komplexität und Reziprozität ist auch in der Dissens-Diskussion außerordentlich eng geblieben (r =0,81); auch unter Berücksichtigung der oben schon begründeten Einschränkungen bezüglich der Interpretierbarkeit dieses Zusammenhangs müssen die Dimensionen der Komplexität und der Reziprozität als sehr stark aufeinander verwiesene, miteinander vermittelte Ausschnitte aus dem Gesamtkomplex Kommunikation begriffen werden. Dieses Verhältnis zueinander ist weitgehend unabhängig von den situativen Umständen, unter denen kommuniziert wird. Der Zusammenhang zwischen Komplexität |A 72|und Mutter-Dominanz (r = 0,40) als auch Vater-Dominanz (r =0,32) ist deutlich geringer gegenüber den Familienbiographie-Interviews geworden. So ist die Korrelation von Vater-Dominanz und Komplexität nun noch auf dem 5 %-Niveau signifikant. Wenn es einmal erlaubt ist zu spekulieren, dann kann man in diesen Veränderungen der Korrelationshöhen die Widerspiegelung einer Veränderungsprozesses in den Dominanzverhältnissen sehen: aus der
wohlwollenden
Dominanz, die mehr Ausdruck von Überlegenheit als von Beherrschung war, ist unter den
Stressbedingungen
des Dissens-Interviews eine mehr repressive, die Entfaltung des anderen abschneidende, sich selbst auch nicht mehr rechtfertigende Dominanz geworden.
[V44:247] Der Zusammenhang zwischen Komplexität und Konfliktgehalt ist für die Dissens-Diskussion ebenfalls wesentlich lockerer geworden (r =0,55), dennoch ist die Korrelation noch hochsignifikant.
[V44:248] Es scheint also bei einer Anzahl von Familien gegenüber dem Familienbiographieteil die Gleichsinnigkeit der Ausprägungen von Komplexität und Konfliktgehalt verloren gegangen zu sein. Die zum Teil unerwarteten Fragen konfrontieren die Ehepartner mit Problemen, die sich ihnen teilweise noch nicht gestellt hatten. So tauchten häufig auch für die Ehepartner selbst überraschende Divergenzen auf, denen sie ratlos gegenüber standen. Zudem war natürlich durch die Anlage des Dissens-Interviews eine gewisse Einschränkung der möglichen Themenvielfalt gegeben. Daß sich diese von außen gesetzten Bedingungen auf den Zusammenhang der Dimension Komplexität und Konfliktgehalt ausgewirkt haben, zeigt sich in dem deutlich niedrigeren Korrelationseffizienten. Das Verhältnis von Komplexität und Konfliktgehalt ist also gekennzeichnet von einer gewissen Situationsabhängigkeit.
[V44:249] Zwischen den Variablen Komplexität und Problematisierung bestand auch in der Dissens-Diskussion eine sehr enge Kovariation (r =0,69). |A 73|Sie unterscheidet sich nur geringfügig von der für die Familienbiographie ermittelten. Dadurch wird wiederum die These unterstützt, daß eine hohe Komplexität der Kommunikation in dem von uns definierten Sinn eine der Voraussetzungen für die Problematisierung von Sinnzusammenhängen ist.
[V44:250] Für die Beziehungen zwischen der Variablen Reziprozität und den Variablen Mutter-, Vater-Dominanz, Konfliktgehalt und Problematisierung zeigt sich das schon von der Variablen Komplexität her bekannte Muster, was allerdings wegen des engen Zusammenhangs von Reziprozität und Komplexität auch nicht verwundert. Es gelten also alle dort getroffenen Aussagen analog. Auffallend ist die sehr große Stabilität des engen Zusammenhangs von Reziprozität und Problematisierung (r =0,64) über die sehr unterschiedlichen Interviewsituationen hinweg.
[V44:251] Die Korrelation zwischen den beiden Dominanz-Dimensionen (-0,34) zeigt für das Dissens-Interview die erwartete Richtung und Höhe, sie ist – anders als für die Familienbiographie – auf dem 1 %-Niveau signifikant. Unter den Bedingungen der Dissens-Diskussion haben die jeweils dominanten Partner gleichsam ihr
wahres Gesicht
gezeigt. Billigten sie für den Familienbiographieteil, in dem relativ entspannt und zwanglos aus der Vergangenheit der Familie berichtet wurde, dem unterlegenen Partner noch bereitwillig einige Strukturierungsmöglichkeiten zu, so machten sie in der Dissens-Diskussion deutlich, wer bei divergierenden Meinungen das entscheidende Wort hat. Die Fassade der relativen Harmonie aus dem Familienbiographieteil zerbröckelte, und es kamen wahrscheinlich die
normaleren
Strukturen zum Vorschein. Bemerkenswert ist noch, daß die Korrelation zwischen Vater-Dominanz und Konfliktgehalt (0,49) bzw. Problematisierung (0,38) sich dagegen verringert haben.
[V44:252] Die höchste Korrelation überhaupt (0,82) für den Bereich der Dissens-Diskussion weisen die Variablen Konfliktgehalt und Problematisierung auf; sie ist praktisch ebenso hoch |A 74|wie im Familienbiographieinterview. Diese erstaunliche Konstanz verstärkt den Verdacht, daß es den Auswertern nicht gelungen ist, diese beiden Aspekte der Kommunikation zu diskriminieren. Ansonsten gilt das zu diesem Zusammenhang schon Ausgeführte, nur eben mit noch größeren Vorbehalten.
2.4.4. Zusammenfassende Bemerkungen über die Beziehungen zwischen den Kommunikationsdimensionen
[V44:253] Unter dem Gesichtspunkt der Stärke des Zusammenhangs zeichnen sich die Beziehungen zwischen den Kommunikationsdimensionen ab:
  1. a.
    [V44:254] Komplexität – Reziprozität
  2. b.
    [V44:255] Komplexität – Problematisierung
  3. c.
    [V44:256] Komplexität – Konfliktgehalt für den familienbiographischen Teil
  4. d.
    [V44:257] Reziprozität – Problematisierung
  5. e.
    [V44:258] Konfliktgehalt – Problematisierung
[V44:259] Die Korrelationen sind jedoch zwischen sämtlichen Kommunikationsvariablen so hoch, daß sie als signifikant unterschieden von 0 (Irrtumswahrscheinlichkeit mindestens 5 %) angesehen werden müssen. Das deutet darauf hin, daß die Indikatoren der Kommunikationsvariablen keine große Diskriminierungsfähigkeit besitzen, daß sie ermittelten Zusammenhänge sich zumindest zu einem Teil durch Bedeutungsüberschneidungen bei den Indikatoren der Variablen hergestellt haben. Die Kommunikationsvariablen müssen also als sich überlappende Aspekte der familialen Kommunikation interpretiert werden.
[V44:260] Die Dimensionen Komplexität, Reziprozität und Problematisierung stehen untereinander in einem sehr engen Zusammenhang, sie können zusammen als ein komplexeres Kommunikationsmuster aufgefaßt werden. Sinne der theoretischen Vorerwägungen können die Dimensionen Reziprozität und Komplexität als die Basis für eine zweite Ebene der Kommunikation, der Problematisierung, verstanden werden. Die theoretischen Vorüberlegungen haben – mit den oben genannten Einschränkungen – eine empirische Validierung erfahren.Es können die Dimensionen Reziprozität und Komplexität als die Basis für eine zweite Ebene der Kommunikation, die Problematisierung, verstanden werden. Die theoretischen Vorüberlegungen haben – mit den oben genannten Einschränkungen – eine empirische Validierung erfahren.
|A 75|
[V44:261] Unter dem Gesichtspunkt der Situationsabhängigkeit zeichnen sich wiederum die Beziehungen zwischen den Dimensionen Komplexität, Reziprozität und Problematisierung aus. Sämtliche Beziehungen zwischen diesen zwei Variablen bewahrten in zwei sehr unterschiedlich strukturierten Interviewsituationen mit sehr verschiedenen thematischen Schwerpunktsetzungen ihren sehr engen Zusammenhang. Sie müssen daher als weitgehend kontextunabhängig gelten.
2.4.5. Ergebnisse der Faktorenanalyse über die Dimension der Kommunikation
[V44:262] Um vielleicht noch komplexere Beziehungsmuster zwischen den Dimensionen der Familienkommunikation ermitteln zu können, wurde eine Faktorenanalyse nach der Hauptachsenmethode mit Varimax-Rotation 1)
1)Programm-Name: PAFA, Autoren: P. Schnell, F. Gebhardt, Deutsches Rechenzentrum, Darmstadt.
durchgeführt.
Vorbemerkung
[V44:263] Ausgangspunkt einer Faktorenanalyse 2)
2) vgl. zum Problem der Faktorenanalyse: P. Hofstätter, D. Wendt (1963), S. 189f., K. Überla (1971, 2).
ist die Annahme, oder der Nachweis, daß mehrere gemessene Variablen sehr eng miteinander zusammenhängen und stark korreliert sind. Diese Variablen besagen dann weitgehend dasselbe, und man kann annehmen, daß sie sich einander wechselseitig bestimmen oder aber gemeinsame Entstehungsbedingungen haben, die nicht direkt meßbar sind, sich aber in den Variablen ausprägen. Das faktorenanalytische Modell basiert auf der letzteren Annahme, geht also davon aus, daß die vorliegenden statistischen Zusammenhänge sich nach hinter ihnen stehenden Haupteinflußrichtungen, Faktoren charakterisieren lassen, die selbst der unmittelbaren Beobachtung nicht zugänglich oder aber gar |A 76|noch unbekannt sind. Diese Annahme ist in vielen Fällen realistisch, so auch für unsere Untersuchung. Es hatten sich eine Reihe von hochsignifikanten Korrelationen zwischen verschiedenen Kommunikationsvariablen ergeben. In dieser Menge der signifikanten Beziehungen ließen sich schon einige strukturelle Zusammenhänge erkennen wie z.B. die enge, situationsabhängige Vermitteltheit der Variablen Komplexität, Reziprozität und Problematisierung. Es schien also sinnvoll zu sein, danach zu fragen, ob sich aus den Variablen, die beobachtet worden waren, bestimmte Größen, Faktoren isolieren lassen, die die beobachteten Zusammenhänge erklären könnten. Dabei ist allerdings zu beachten, daß die Faktorenanalyse selbst nur ein mathematisches Verfahren ist, dazu ein immer noch umstrittenes, daß also die ermittelten Faktoren mathematische Größen sind, sich aus den Beobachtungen ableiten. Für diese Ableitung wird das Kriterium der Einfachstruktur eingesetzt, d.h. die durch die Faktorenanalyse ermittelten Größen oder Faktoren sollen möglichst einfach sein hinsichtlich des strukturellen Aufbaus und Zusammenhangs, dabei aber die beobachteten Beziehungen zwischen den Variablen möglichst genau reproduzieren. Führt man also eine Faktorenanalyse durch, dann unterstellt man gleichzeitig, daß die einfachste Struktur auch die dem Untersuchungsgegenstand angemessenste ist.
[V44:264] Da die Faktoren lediglich mathematische Größen sind, die mit einem mit bestimmten Kriterien arbeitenden mathematisch-statistischen Modell gewonnen wurden, sprechen die Faktoren nicht
für sich selbst
, sondern bedürfen der Interpretation; die Faktorenanalyse selbst kann nur ordnende, strukturierende Funktion haben. Die Entscheidung, ob die ermittelten Faktorstrukturen interpretiert werden können, welche Hypothesen sich aus ihnen gewinnen lassen, bleibt allein dem Forscher überlassen. Soviel als einleitende Bemerkung zu einem Verfahren, das in der pädagogischen Forschung bisher kaum verwendet wird.
|A 77|
[V44:265] Die Zahl der zu extrahierenden Faktoren war auf 20 festgelegt worden für die unrotierte Faktoren-Matrix, auf 10 für die rotierte Faktoren-Matrix (vgl. Anhang).
[V44:266] Zunächst ist zu entscheiden, wieviel der 10 extrahierten Faktoren in die Interpretation einbezogen werden sollen. Als weit verbreitetes Kriterium für die Zahl der zu extrahierten Faktoren gilt, nur Faktoren mit einem Eigenwert (Summe der Quadrate der Faktorenladung oder Spaltenquadratsumme) größer als 1 zu extrahieren (vgl. K. Überla, 1971², S. 125). Da die Zahl der zu extrahierenden Faktoren in der durchgeführten Faktorenanalyse vorher festgelegt worden war, kann dieses Kriterium in diesem Fall verwendet werden für die Entscheidung, wieviele der 10 Faktoren interpretiert werden können.1)
1)Überla (a.a.O.) verweist auf die Schwächen des genannten Kriteriums. Darauf einzugehen ist in unserem Fall aber nicht notwendig, da sich die Zahl der Faktoren sehr eindeutig ergibt, also nicht mehrere Faktoren mit Eigenwerten nahe 1 vorliegen.
Nach diesem Kriterium ergibt sich sehr eindeutig, daß die Faktoren 1 bis 5 für eine Interpretation herangezogen werden können, sie haben alle deutlich über 1 liegende Eigenwerte. Diese ersten 5 Faktoren haben einen Anteil von 96,2 % an der Gesamtkommunalität bzw. 80,2 % an der Gesamtvarianz. Der nächste (6.) Faktor hat dagegen nur noch einen Eigenwert von 0,17 und trägt zur Gesamtkommunalität mit 1,6 % bei, muß daher von der Interpretation ausgeschlossen werden. Es sollen nun die einzelnen Faktoren betrachtet werden: |A 78|
Tabelle 11: Faktorladungen Kommunikationsdimensionen, Faktor 1
Variable Faktorladung
Kompl.Fb. 0,68
Kompl. DD. ,19
Rez. Fb. ,58
Rez. DD. ,20
Dom.-Mu.Fb. ,39
Dom.-Va. Fb. ,25
Dom.-Mu. DD. ,10
Dom.-Va. DD. ,12
Konfl. Fb. ,80
Konfl. DD. ,30
Probl. Fb. ,81
Probl. DD. ,34
Spaltenquadratsumme 2,63
Anteil an der Gesamtkommunalität: 25,1 %
Dieser Faktor kann fast als ein Generalfaktor bezeichnet werden, denn er weist durchweg beträchtlich sich von Null unterscheidende Ladungen auf. Es muß jedoch noch bestimmt werden, wann eine Faktorladung als signifikant angesehen werden soll. Ein allgemeiner, in der Forschung häufig verwendeter Richtwert ist ± 0,30. Dies ist jedoch ein rohes Maß, bei dem nicht die Anzahl der Variablen und Stellung des Faktors in der Reihenfolge der Faktoren berücksichtigt wird. Bei D. Child1)
1)Child, D., 1970, S. 99
findet sich eine Tafel, die dem Rechnung trägt. Danach sind bei 10 Variablen und einem Signifikanzniveau von 5 % Ladungen größer als 0,262, bei 1 % Signifikanzniveau Ladungen größer als 0,346 als signifikant für den 1. Faktor anzusehen.
|A 79|
[V44:267] Demnach laden die Variablen Problematisierung Fb. (0,81), Konfliktgehalt Fb. (0,80), Komplexität Fb. (0,68), Reziprozität Fb. (0,58), Dominanz-Mutter Fb. (0,39), Problematisierung DD. (0,34) und Konfliktgehalt DD. (0,31) den Faktor 1 mindestens auf dem 5%-Signifikanzniveau. Es fällt sogar auf, daß fast alle hochladenden Variablen solche aus dem familienbiographischen Teil sind. Von den Variablen aus diesem Teil fehlt nur die Vater-Dominanz (0,24), deren Ladung auch nun knapp unterhalb der Signifikanzgrenze liegt. Dazwischen haben sich lediglich zwei Variablen (Problematisierung, Konfliktgehalt) aus dem Dissens-Diskussionsteil geschoben. Dieser Faktor reproduziert damit in einer erstaunlichen Schärfe die Tatsache, daß zwei sich stark unterscheidende Interviewsituationen getrennt voneinander mit dem gleichen Set von Variablen der familialen Kommunikation untersucht worden sind, daß also praktisch eine Messung mit Wiederholungsmessung (unter differierenden Meßbedingungen) vorgenommen worden ist. Wenn sich diese Trennung in dem ersten Faktor wiederfindet, so ist damit ein überragender Einfluß der verschiedenen Meßbedingungen (d.h. also der Interviewsituation) auf die Struktur der Daten anzunehmen. Immerhin entfällt über ein Viertel der aufgeklärten Varianz auf diesen Faktor. Es soll deshalb dieser Faktor die Situationsabhängigkeit der Dimension der familialen Kommunikation genannt werden. Daß die Interviewsituation von großem – wenn auch unterschiedlichem – Einfluß auf die Ausprägungen in den Dimensionen der familialen Kommunikation gewesen ist, legten schon die Analysen der Mittelwerte, Häufigkeitsverteilungen und Korrelation nahe.
[V44:268] Die Ladungshöhen zeigen ein ebenfalls vertrautes Bild. Man kann Ladungshöhen als Korrelationen der Variablen mit den Faktoren interpretieren. Mit dem Faktor Situationsabhängigkeit sind demnach bei weitem am stärksten die Variablen Problematisierung und Konfliktgehalt korreliert. Schon die Prüfung der Mittelwertunterschiede auf Signifikanz hatte für diese beiden Variablen ein hochsignifikantes Ergebnis erbracht. Auch die am dritthöchsten ladende Variable Komplexität hatte schon deutliche, |A 80|wenn auch nicht mehr signifikante Unterschiede in den Mittelwerten für das Familienbiographierinterview und die Dissens-Diskussion gezeigt. Etwas aus dem vertrauten Bild fällt dagegen die noch relativ hohe Ladung der Variablen Reziprozität. Diese Variable mußte bisher als äußerst stabil und kontextunabhängig gelten. Das könnte Zweifel an der
Namensgebung
für den ersten Faktor wecken. Dennoch erscheint insgesamt die Struktur des Faktors so eindeutig, daß dieser
Schönheitsfehler
hingenommen wird. Denn auch die niedrigen Ladungen der situationsstabilen Vater-Dominanz, sowie die signifikante Ladung der Variablen Mutter-Dominanz (Fb.), die sich vorher als etwas situationsabhängiger (vgl. Mittelwertunterschied) erwiesen hatte, fügen sich in das Bild.
[V44:269]
Tabelle 12: Faktorladungen Kommunikationsdimensionen, Faktor 2
Variable Faktorladung
Kompl.Fb. – 0,27
Kompl. DD. – ,19
Rez. Fb. – ,14
Rez. DD. – ,16
Dom.-Mu. Fb. ,20
Dom.-Va. Fb. – ,80
Dom.-Mu.. DD. ,27
Dom.-Va. DD. – ,82
Konfl. Fb. – ,28
Konfl. DD. – ,34
Probl. Fb. – ,12
Probl. DD. – ,14
Spaltenquadratsumme 1,80
Anteil an der Gesamtkommunalität: 17,1 %
[V44:270] Für den zweiten Faktor sind nach der Tafel bei D. Child (a.a.O.) folgende Ladungshöhen signifikant: 0,276 (5 %), 0,364 (1 %). |A 81|Dieser Faktor weist negative und positive Ladungen auf, ist also bipolar. Es wird bei weitem am höchsten von den beiden Vater-Dominanz Variablen (negativ) geladen (–0,82, –0,80). Signifikante Ladungshöhen weisen noch die beiden Variablen des Konfliktgehalts (–0,34, –0,28) auf. Knapp unterhalb der Signifikanzgrenze (5 %) liegen die Ladungen der Variablen Dominanz-Mutter (DD.) und Komplexität (Fb.). Der Faktor 2 ist also nicht von der gleichen Komplexität wie der Faktor 1, er deckt auch nur einen geringeren Anteil (17,1%) der aufgeklärten Varianz ab.
[V44:271] Dieser Faktor bezeichnet ein vom Vater dominiertes, restriktives, nicht-reflexives Kommunikationsmuster. Diese Charakterisierung wurde gewählt trotz der aufgrund der positiven Ladungen durch die Variable Mutter-Dominanz (Fb., DD.) leicht bipolaren Struktur. Wegen der fehlenden Signifikanz der Ladungshöhen bei den Variablen der Mutter-Dominanz können sie jedoch nicht für die Bestimmung des Faktors herangezogen werden. Das sich im Faktor 2 ausdrückende Kommunikationsmuster kann wie folgt näher beschrieben werden: Es ist fast vollständig bestimmt durch die Variablen der Vater-Dominanz. Ihre Ladungen liegen über doppelt so hoch wie die der nächstladenden Variablen. Die Ladung der Dominanz-Variablen aus der Dissens-Diskussion liegt über der der Dominanz-Variablen aus dem familienbiographischen Teil. Dieses Verhältnis zeigt sich euch für die nächsthöheren Ladungen der beiden Konfliktgehalt-Dimensionen. Daraus kann geschlossen werden, daß dieses Kommunikationsmuster mit besonderer Deutlichkeit in der durch Zwang zur Auseinandersetzung mit dem Ehepartner gekennzeichneten Situation während des Dissens-Interviews zutage getreten ist. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß als Gegenpol zu den Dimensionen Dominanz und Konfliktgehalt die Variable Mutter-Dominanz aus dem Dissensteil mit höherer Ladung als aus dem Familienbiographieteil auftritt. Der Faktor 2 bezeichnet ein Kommunikationsmuster, in dem die Dominanz des Vaters alles bestimmt. Ein verstehendes Eingehen auf den Ehepartner gibt es kaum (Faktorladung Reziprozität: |A 82|–0,14 Fb., –0,16 DD.), eine gewisse Themenvielfalt und differenzierte Behandlung der Themen wird nur in unproblematischen Situationen wie dem Familienbiographie-Interview zugelassen (Faktorladung Komplexität Fb: –0,27); hier hat die Dominanz vielleicht noch einen wohlwollenden Charakter. Wird dagegen die dominante Position in Frage gestellt, wie z.B. in dem Dissensteil durch die Interviewanlage, so wird zur Sicherung der eigenen Position dem Partner alle sprachliche und thematische Entfaltungsmöglichkeit abgeschnitten (Faktorladung Komplexität DD: –0,19). Dieses sich zwischen Familienbiographie und Dissens-Interview verändernde Verhältnis der Vater-Dominanz und Komplexität war auch schon aus der Analyse der Korrelation ersichtlich geworden. Zu diesem vom Vater dominierten, restriktiven Kommunikationsmuster trägt die Variable Mutter-Dominanz für den Bereich des Familienbiographie-Interviews leicht, für den des Dissens-Interviews etwas stärker (fast signifikant) negativ bei. Dies ist exakt das gleiche Bild, das sich auch schon bei den korrelativen Beziehungen zwischen Vater- und Mutter-Dominanz gezeigt hatte. Das sich im Faktor 2 widerspiegelnde Kommunikationsmuster ist neben seinen restriktiven, rigiden Zügen durch ein starkes Konfliktpotential gekennzeichnet. Dieses wird stärker, wenn die dominante Position bedroht erscheint (Faktorladung Konfliktgehalt: –0,34 (DD.), –0,28 (Fb.)). Waren alle diese Zusammenhänge auch schon bei der Analyse der Korrelation erkennbar, so zeigt sich im Faktor 2 bezüglich der Variablen Problematisierung ein in dieser Deutlichkeit bisher noch nicht erkennbarer Zusammenhang: zu der Restriktion der kommunikativen Chancen auf Seiten der Mutter tritt die Restriktion der Möglichkeit, Gestaltungsansprüche zu problematisieren. Wenn also diese Kommunikationsstrukturen ebenfalls durch einen großen Konfliktgehalt bestimmt sind, so kann es sich dabei nur um latent bleibende, nicht austragbare (wohl: Beziehungs-) Konflikte handeln, oder aber solche, die nur kurz aufbrechen (z.B. kurzes Aufbegehren der Mutter), aber nicht ausgetragen werden können.
|A 83|
[V44:272] Der Faktor 2 beinhaltet sozusagen das Negativbild einer
idealen
Kommunikationsstruktur, die Kommunikation wird allein vom Vater strukturiert, es fehlt das verstehende Eingehen auf den Partner, es tauchen immer wieder Konflikte auf, die aber nicht thematisiert werden können, weil Problematisierungen nicht zugelassen sind, oder aber die Fähigkeit dazu fehlt. Es drängt sich die Vermutung auf, daß ein solches restriktives, rigides, nicht-reflexives Kommunikationsmuster mit bestimmten Restriktionen der Erfahrungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz einhergehen könnte. Diese Frage gilt es für die Interpretation einer ebenfalls durchgeführten Faktorenanalyse über Merkmale der Kommunikation und des Arbeitsplatzes im Auge zu behalten.
[V44:273]
Tabelle 13: Faktorenladung Kommunikationsdimensionen, Faktor 3
Variable Faktorladung
Kompl.Fb. – 0,57
Kompl. DD. – ,78
Rez. Fb. – ,61
Rez. DD. – ,84
Dom.-Mu. Fb. – ,19
Dom.Va. Fb. – ,23
Dom.-Mu. DD. – ,26
Dom.-Va. DD. – ,14
Konfl. Fb. – ,15
Konfl. DD. – ,20
Probl. Fb. – ,25
Probl. DD. – ,47
Spaltenquadratsumme 2,53
Anteil an der Gesamtkommunalität: 24,1 %
|A 84|
[V44:274] Der Anteil des Faktors 3 an der aufgeklärten Varianz liegt mit 24,1 % fast so hoch wie der des Faktors 1. Für den dritten Faktor sind die folgenden Ladungshöhen signifikant: 0,292 (5 %) und 0,386 (1 %). Dieser Faktor wird durch die Variablen Reziprozität (Fb., DD.), Komplexität (Fb., DD.), sowie Problematisierung (nur DD.) bestimmt. Es soll daher als reziprok-reflexives Kommunikationsmuster bezeichnet werden. Es fällt auf, daß die beiden Variablen Reziprozität und Komplexität für den Dissens-Diskussionsteil deutlich höher laden als für den familienbiographischen Teil. Daraus kann man schließen, daß dieses Muster desto klarer hervortritt, je mehr es durch den situativen Kontext verlangt wird. Das wird auch an der Variablen Problematisierung deutlich, sie lädt auf dem Faktor 3 mit signifikanter Höhe nur für den Dissens-Diskussionsteil (–0,47). Das reflexiv-reziproke Kommunikationsmuster kann man also – vorsichtig spekulativ – als ein flexibles, den jeweiligen Erfordernissen der Situation sich anpassendes Muster beschreiben.
[V44:275] Das sich in Faktor 3 ausdrückende Muster kennzeichnet gleichsam ein
Idealbild
familialer Kommunikation. Es findet eine intensive Auseinandersetzung der Kommunikationspartner über ihre jeweiligen Perspektiven und Intentionen statt, diese Auseinandersetzung ist ausgezeichnet durch eine hohe Differenziertheit auf der inhaltlichen und sprachlichen Ebene. Der Konfliktgehalt in der Kommunikation ist gering (Ladungshöhen: Fb.: –0,15, DD: –0,20) und wirkt sich unter
Stress
-Bedingungen wie im Dissens-Interview nicht prägend auf die Kommunikationsstruktur aus. Es können die inhaltlichen Orientierungen in Zweifel gezogen werden, ohne daß dies Konflikte induziert. Vielmehr wird auf die Problematisierungsversuche wechselseitig eingegangen, sich mit ihnen auseinandergesetzt. Es wird nicht versucht, Problematisierungen über eine einseitige Beherrschung der Kommunikationssituation zu ersticken oder im eigenen Sinne zu entscheiden. Es fällt jedoch auf, daß die Ladungshöhe der Variablen Mutter-Dominanz für den Dissensteil (–0,26) relativ nahe an das signifikante Niveau heranreicht; dies |A 85|gilt in geringem Maße auch für die Variable Vater-Dominanz des Familienbiographieinterviews (–0,23). Dies könnte – mit viel spekulativer Phantasie – dahingehend gedeutet werden, daß die Dominanz sich je nach situativem Kontext in ihrer Erscheinungsform und damit auch in ihren Beziehungen zu den anderen Kommunikationsdimensionen ändert. Die schon erwähnte
wohlwollende
Dominanz des Vaters in entspannten Situationen schlägt in repressive Machtausübung um, die in ausgeglichenen Situationen kaum in Erscheinung tretende Mutter-Dominanz wird erst unter dem Zwang zur Auseinandersetzung deutlicher, jedoch auch dann mit den Dimensionen Reziprozität, Komplexität und Problematisierung verbunden, dürfte also mehr eine aus einem differenzierten Problembewußtsein entspringende Überlegenheit der Frau über den Mann darstellen.
[V44:276] An dieser Stelle ist es angebracht, darauf hinzuweisen, daß natürlich solche differenzierten
ausschmückenden
Interpretationen von Faktorstrukturen höchst problematisch sind. Aus den Faktorladungen selbst entspringen solche Interpretationen selbstverständlich nicht, es fließen vielmehr auch die Erkenntnisse aus den anderen quantitativen Daten, aber auch die konkreten Erfahrungen der Verfasser aus ihrer Interview- und Auswertungspraxis unkontrolliert mit ein. Es kann deshalb leicht der Vorwurf unzulässiger Spekulation gemacht werden. Doch würde man nur die
dürren
Faktorstrukturen auflisten, dann wäre der Leser zur Spekulation gezwungen. Und die wäre noch weniger kontrolliert. Zusammenfassend kann das mit dem Faktor 3 beschriebene Kommunikationsmuster als das Vorbild-Modell angesehen werden, das am ehesten von allen Kommunikationsmustern die Ausbildung von Subjekten erwarten läßt, die auf der Basis normgerechten Verhaltens sich normativen Erwartungen gegenüber zu distanzieren vermögen, die zu reflektierter und autonomer Sinnverständigung fähig sind.
|A 86|
[V44:277]
Tabelle 14: Faktorladung Kommunikationsdimensionen, Faktor 4
Variable Faktorladung
Kompl.Fb. – 0,01
Kompl. DD. – ,30
Rez. Fb. – ,11
Rez. DD. – ,18
Dom.-Mu. Fb. – ,01
Dom.Va. Fb. – ,12
Dom.-Mu. DD. – ,21
Dom.-Va. DD. – ,23
Konfl. Fb. – ,32
Konfl. DD. – ,78
Probl. Fb. – ,32
Probl. DD. – ,70
Spaltenquadratsumme 1,56
Anteil an der Gesamtkommunalität: 14,9 %
[V44:278] Für den 4. Faktor sind die folgenden Ladungshöhen signifikant: 0,312 (5 %) und 0,413 (1 %). Dieser Faktor deckt 14,9 % der von den Faktoren insgesamt aufgeklärten Varianz ab, ist also nicht ganz so gewichtig wie die Faktoren 1 und 3. Er wird durch die beiden Variablen Konfliktgehalt und Problematisierung bestimmt, die für beide Interviewbereiche auf diesem Faktor mit signifikanter Höhe laden. Dabei sind die auf die Dissens-Diskussion bezogenen Variablen die bei weitem höchstladenden. Es kommen noch die Variablen Komplexität, Mutter-Dominanz und Vater-Dominanz, – alle aus dem Dissens-Interview – mit erwähnenswerten, aber nicht mehr signifikanten Ladungen hinzu. Dieser Faktor soll daher als konfliktbestimmt-reflexives Kommunikationsmuster bezeichnet werden.
[V44:279] In diesem Muster sind Konfliktgehalt und Problematisierung eine enge Verbindung eingegangen. Es unterscheidet sich daher grundlegend von dem Muster 2, bei dem die Problematisierung |A 87|durch die Dominanz des Vaters abgeschnitten war und dadurch eine latente Konfliktträchtigkeit erzeugt wurde, und von dem Muster 3, bei dem Problematisierung Ausdruck reflektiver Problemerschließung war und keine Konflikte induzierte. Das Kommunikationsmuster 4 dagegen beschreibt ein Kommunikationsgeschehen, das durch permanente Austragung von Konflikten charakterisiert ist. Dieses Muster prägt sich unter situativen Gegebenheiten, die zusätzlich Konfliktpotential beinhalten, noch stärker aus. Die Ladungshöhen für die Dissens-Diskussion liegen bei beiden Variablen über doppelt so hoch wie für das Biographie-Interview. Unter solchen Bedingungen wird zur Konfliktbearbeitung wahrscheinlich ein komplexeres sprachliches und inhaltliches Repertoire eingesetzt, wie die (nicht mehr signifikante) Ladungshöhe von –0,30 der Variablen Komplexität (DD.) zeigt. Die Ladungshöhen sowohl für die Mutter- (–0,23) als auch Vater-Dominanz (–0,21) im Dissensteil sind zwar nicht signifikant, aber doch noch so hoch, daß sie zumindest eine Vermutung über die Ursache des Konfliktgehalt-Problematisierungs-Syndroms erlauben. Die Ladungen der beiden Dominanz-Dimensionen sind gleichgerichtet, sowohl durch Mutter- wie durch Vater-Dominanz entstehen die Konflikte, aber auch gleichzeitig der Zwang, sich mit ihnen auseinanderzusetzen.
|A 87-88|
[V44:280]
Tabelle 15: Faktorladungen Kommunikationsdimensionen, Faktor 5
Variable Faktorladung
Kompl.Fb. 0,21
Kompl. DD. –,19
Rez. Fb. ,19
Rez. DD. ,19
Dom.-Mu. Fb. ,76
Dom.-Va. Fb. – ,18
Dom.-Mu. DD. ,79
Dom.-Va. DD. – ,23
Konfl. Fb. ,21
Konfl. DD. ,20
Probl. Fb. ,17
Probl. DD. ,15
Spaltenquadratsumme 1,57
Anteil an der Gesamtkommunalität: 14,9 %
[V44:281] Für den 5. Faktor sind die folgenden Ladungshöhen signifikant: 0,357 (5 %) und 0,446 (1 %). Der Faktor entspricht mit seinem Anteil an der aufgeklärten Varianz exakt dem Faktor 4. Signifikant sind nur die Ladungen der Variablen Mutter-Dominanz für beide Interviewberichte. Das durch Faktor 5 ausgedrückte Kommunikationsmuster soll demnach Mutter-bestimmtes Kommunikationsmuster genannt werden.
[V44:282] Trotz der noch hohen Anteile für diesen Faktor an der Gesamtkommunalität ist er sehr amorph, keine Variable außer Mutter-Dominanz lädt auf einem signifikanten Niveau, die Ladungen schwanken vielmehr alle um 0,20, sie können damit selbst für eine vorsichtige Interpretation nicht herangezogen werden. Zu konstatieren ist lediglich, daß die Ladungen der Dimension Vater-Dominanz die erwartete negative Richtung haben. Damit scheint festzustehen, daß die Variable Mutter-Dominanz relativ isoliert von den anderen Dimensionen der familialen Kommunikation ist.
|A 89|

3. Die Arbeitssituation der Väter

3.1. Dimensionierung der Arbeitssituation

[V44:283] Die herausragende Bedeutung der Arbeitssituation für die Erklärung einzelner Merkmale des Sozialisationsgeschehens wird in der gegenwärtigen sozialisationstheoretischen Diskussion generell unterstützt 1)
1)Thomae 1972; Fröhlich/Wellek 1972; Kohn 1969
. Dabei zeigt sich in der Verwendung der
Berufsposition
als Indiz für die soziale Schichtenzurechnung ebenso wie für die Lokalisierung der konkreten
empirisch-operativen Kommunikationszusammenhänge
2)
2)Oevermann, 1972
eine befriedigende Bestimmungsgröße für Art und Ausmaß der zu analysierenden Bedingungsfaktoren des familialen Milieus.3)
3)Caesar 1972; Kohn 1969; Oevermann 1972
Die in der Beschreibung der beruflichen Stellung enthaltene Mitteilung über die soziale Situation im Betrieb und speziell am Arbeitsplatz läßt sich als Hinweis auf soziale Zusammenhänge begreifen, deren subkulturelle Orientierungen dabei als Reaktionsmuster sozialer Lebenslagen vorstellbar sind. Insbesondere kommt der beruflichen Position im System der Arbeitsteilung und speziell in der Betriebshierarchie eine Schlüsselfunktion für den täglichen Erfahrungsbereich und den daraus abzuleitenden Erwartungshorizont zu. Es ist anzunehmen, daß die hierdurch eröffneten sozialen Perspektiven zu Reaktionsmustern führen, die einerseits sich auch in der familialen Kommunikation darstellen, andererseits als Stabilisierungsfaktor der objektiven Lage wirken können. 4)
4)Caesar 1972, S. 27; Hack u.a. 1972, S. 15 f.
[V44:284] Die zur Prüfung dieser Annahme zumeist an anglo-amerikanischen Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Arbeitsplatz und familialen Sozialisationsmilieus als bedeutsam hervorgehobenen |A 90|Merkmale lassen sich als Beschreibung der Handlungsräume und Erfahrungsfelder typischer Berufe von Unterschicht- bzw. Mittelschichtangehörigen vereinfacht klassifizieren. 1)
1)Caesar 1972, S. 27 f.
Danach werden als konstitutiv für typische Mittelschichtberufe folgende Merkmale bestimmt: vorwiegend nicht-manuelle Beschäftigungsformen; zumeist Umgang mit Symbolen, Ideen und Konzeptentwicklung betreffend; ebenso auch vorwiegender Umgang mit Personen; die berufliche Situation eröffnet relativ viel eigenen Entscheidungsspielraum. Davon unterscheiden sich die typischen Unterschichtberufe: die typischen Handlungsorientierungen sind bestimmt durch kollektive Unterordnung unter fremdbestimmte und standardisierte Regeln. Die zumeist den Umgang mit Dingen ohne nennenswerten Entscheidungsspielraum betreffenden Arbeitsvollzüge erfordern wenig qualifikatorische Eignung, bieten neben beschränkten Aufstiegsmöglichkeiten kaum Einsicht in die betrieblichen sowie gesellschaftlichen Strukturzusammenhänge. Neben diesen Merkmalen werden weiterhin die durch die moderne Technostruktur und ihre kapitalistische Nutzung beschleunigten hohen Mobilitätsanforderungen als Kennzeichen der untergeordneten Position sichtbar. Die damit verbundene Sicherheit bzw. Unsicherheit des Arbeitsplatzes und die grundsätzliche Einstellung zu Arbeitsinhalt und Arbeitsvollzug können als dominierender Problemzug der Unterschichtenexistenz vermutet werden. 2)
2)Kern/Schumann, 1970, S. 245 ff.
[V44:285] Im Gegensatz dazu erlaubt die typische Mittelschichtsituation aufgrund ihrer ständig durch Ausbildungsniveau und Beruf gebotenen Chancen zur Ausbildung individueller Interessen die Integration aktueller Pläne und Zielvorstellungen in einen weitreichenden
Lebensplan
. Dabei wird eine ethische Grundhaltung sichtbar, die über eine hohe Verinnerlichung von Selbstdisziplin zu Triebbeherrschung und Impulssteuerung |A 91|zugunsten zweckrationalen Handelns führt. Die Entsprechung zwischen der durch die Berufssituation eröffneten Entfaltungsmöglichkeiten von Autonomie und Dispositionsbefugnis, der erweiterten Planungsperspektive und der aktiv-manipulativen Orientierung läßt eine verhaltensprägende Wirkung des Freiheitsspielraums und der Dispositionsbefugnis im Beruf auf die leitenden Wertorientierungen und Interaktionsmuster vermuten. In einer Untersuchung der Beziehungen zwischen Klassenlage und elterlichen Wertvorstellungen und -haltungen 1)
1)Kohn, 1969 S. 10 ff. Klassenlage wird bei Kohn weitgehend synonym mit einer wesentlich durch die Berufssituation, Ausbildungshöhe (Erziehung) und materielle Lage charakterisierten Schichtenzuordnung verwandt.
konnte deshalb auf eine erstaunliche Parallele zwischen den für jede Klasse charakteristischen Beschäftigungsverhältnissen und den von den Eltern hoch bewerteten Verhaltensorientierungen hingewiesen werden. Als kritische Variable wurde dabei in der jeweiligen Arbeitssituation der zugelassene bzw. erforderte Grad an Selbstbestimmung und Verfügungsgewalt ermittelt.
[V44:286] Ähnlich versucht der am objektiv-faktischen Rollensubstrat im Kontext der gesellschaftlich organisierten arbeitsteiligen Produktion anknüpfende Ansatz von Oevermann die Zuordnung von Interaktionsverpflichtungen und -möglichkeiten und Berufsrollen. Diese Zuordnung geschieht mit der Absicht, durch eine Analyse des an Berufsrollen geknüpften Problemkontextes Handlungs- und Interaktionsspielräume angeben zu können, die unter dem Gesichtspunkt des instrumentellen Handelns an soziale Positionen gebunden sind. 2)
2)Oevermann, 1972, S. 384
Objektive Problemkontexte lassen sich nach Maßgabe der in ihnen zugelassenen bzw. geforderten kommunikativen Anteile und Interaktionsverpflichtungen unterscheiden; dabei erscheint uns der Aspekt positionsgebundener interpersonaler oder mehr instrumentaler Berufsrollen fruchtbar, um die Dimensionierung der Arbeitsplatzsituation im Rahmen unserer Fragestellung zu operationali|A 92|sieren. Damit versuchen wir dem Vorschlag zu folgen
Situationen des Symbolgebrauchs daraufhin zu untersuchen, welche instrumentellen Problemlösungsstrategien (technologisches Mittel-Zweck-Handeln) der Problemkontext, in den das Rollenhanden eingebettet ist, dem Handelnden abfordert, und welche Formen symbolischer Kommunikation in Abhängigkeit davon ausgebildet werden müssen
.1)
1)
Oevermann, 1972, S. 384
[V44:287] Wir unterstellen also, daß es eine auf der Ebene der familialen Kommunikation nachweisbare Beziehung zwischen dem am Arbeitsplatz vorwiegend herrschenden kommunikativen Milieu (in relevanten Dimensionen) und der familialen Kommunikationsstruktur gibt; den Nachweis und die Diskussion dieser Annahme versuchen die einzelnen Interpretationsteile der empirischen Befunde gleichsam in einer Zusammenschau zu stützen. Darüber hinaus erlauben uns industriesoziologische Befunde zum Zusammenhang zwischen Arbeitssituation und Verhaltensorientierung der Industriearbeiter auf eine bereits erprobte inhaltsanalytische Dimensionierung für den Bereich der Arbeitsplatzerfahrung zurückzugreifen. Diese Ergänzung zu der rollenanalytischen Dimensionierung des Arbeitsplatzbereichs wird notwendig, um zu einer größeren Konkretisierung aktueller Handlungsspielräume und Interaktionsformen zu gelangen.
[V44:288] Die Bedeutung der Arbeitserfahrung hinsichtlich ihrer belastenden Inhalte für die Einstellung der befragten Industriearbeiter wird dabei als durchgängige Erklärung für die Urteile über die empfundene Zufriedenheit oder Unzufriedenheit ermittelt. 2)
2)Kern/Schumann, 1970, S. 270 f.
Belastungserfahrungen aus der Arbeit erklären aktuelle Einschätzungen sowohl der gegenwärtigen Lage als auch der Entwicklungsperspektiven. Die |A 93|relevanten Belastungsfaktoren lassen sich nach einer ersten Grob-Klassifizierung unterteilen in muskuläre und sinnlich-nervliche Belastungsmomente. Arbeitsbelastung allgemein wird definiert als Beanspruchung des muskulären Leistungsvermögens und des nervlichen Leistungsvermögens. 1)
1)Kern/Schumann, 1970, I, S. 68
Die Verteilung der einzelnen Belastungsmerkmale über die Arbeitszeit hinweg ist mitausschlaggebend für die Einschätzung der Gesamtbelastung.
[V44:289] In unserer Untersuchung greifen wir jene Fragestellungen, die dort entwickelten Kategorien und Variablen-Konstruktionen auf, allerdings nicht, um die objektiven Merkmale der Arbeitssituation eindeutig zu ermitteln, sondern vielmehr, um deren subjektive Wahrnehmung und Einschätzung zu erfragen. So sind unsere durch einen Arbeitsplatzfragebogen ermittelten Daten im Ganzen nur geeignet, Informationen über die Reaktion auf objektive Situationselemente bzw. die Gesamtsituation zu erhalten. Wir unterscheiden daher zwei Fragekategorien:
  1. 1.
    [V44:290] solche, die ermöglichen sollen, die Grundstruktur der Arbeitsplatzsituation zu erschließen – und zwar ohne direkte Beobachtung dieser Situation;
  2. 2.
    [V44:291] solche, mit deren Hilfe subjektive Wahrnehmungen, Einstellungen, Erwartungen in Bezug auf den Arbeitsplatz erschlossen werden können.
[V44:292] In der notwendigen Beschränkung unserer Erhebung der Daten auf die subjektiv vermittelten Erfahrungsdaten – die als Reflex auf die unterliegende Situation gelten müssen – liegt allerdings eine Einschränkung der Interpretierbarkeit dieser Daten. Den daraus abzuleitenden Vorwurf mußten wir allerdings bewußt in Kauf nehmen. Es war uns nicht möglich, im Rahmen dieser Untersuchung eine detaillierte Beschreibung der objektiven Arbeitssituation z.B. über Arbeitsplatzbeobachtungen zu geben (vgl. die Forderung an objektivierbare Arbeitsplatzbeobachtungen bei Baethge2)
2)Baethge, 1973, S. 78
; vgl. auch die Begründung für das Vorgehen von Kern/Schumann.3)
3)ebd., S. 30, 44 ff.
)
|A 94|
[V44:293] Bei der Dimensionierung der Arbeitsplatzfaktoren stützen wir uns auf die detaillierten Untersuchungsergebnisse von Kern/Schumann über die Bedingungen der Arbeitssituation. Den dadurch unternommenen hypothetischen Vorgriff auf die
objektiven
Situationselemente des Arbeitsplatzes glaubt unsere Studie mit der Zusammensetzung des Samples u.a. auch aus den von Kern/Schumann untersuchten Produktionsbereichen 1)
1)Kern/Schumann, 1970, S. 61
abstützen zu können. 2)
2) Für die Übertragung der von Kern/Schumann gefundenen Zusammenhänge auch auf Tätigkeitsbereiche nicht-industrieller Art spricht auch die Untersuchung von Beuse/Körner (1973, S. 31)
[V44:294] Die von uns vorab durchgeführte Dimensionierung der Arbeitsplatzfaktoren umfaßt folgende Bereiche:
Entscheidungsspielraum
[V44:295] Unter diesem Begriff fassen wir zwei Gruppen von Merkmalen zusammen, die hinsichtlich der Gruppenbeziehungen einerseits und der Konsistenz der Gruppen untereinander andererseits zu befragen sind. Zunächst versuchen wir mit der Merkmalsgruppe
Verfügungsgewalt
den unmittelbaren Dispositionsspielraum hinsichtlich der Gestaltungsfreiheit im Arbeitsablauf zu erfassen. Dabei sollen uns jene Aspekte der Arbeitssituation interessieren, aus denen wir Aufschluß über die Arbeitsgeschwindigkeit, über die häufigste Form der Arbeitszuteilung, über den Interventionszeitpunkt und die Bestimmung der Reihenfolge einzelner Arbeitsabschnitte erhalten. Darüber hinaus wollen wir prüfen, ob die räumliche Mobilität in einem deutlichen Zusammenhang mit restriktiven Arbeitsbedingungen steht.
[V44:296] Die zweite Merkmalsgruppe betrifft die Kontrollen im Arbeitsprozeß. Dabei sollen ermittelt werden Art und Unmittelbarkeit |A 95|der Kontrollformen, Strenge der Unterordnung unter die Arbeitseinteilung, Einhaltung der Arbeitszeit und der Pause.
[V44:297] Wir stützen unsere Überlegungen dabei auf die Charakterisierung der Elemente der Dispositionsspielräume in der Arbeit, 1)
1)Kern/Schumann, 1970, S. 67
deren Unterscheidung für Grade der Autonomie bzw. Dispositionsmöglichkeiten der Arbeiter folgende Typen abgrenzte:
  1. 1.
    [V44:298] Grad der Vorbestimmtheit des Arbeitseinsatzes;
  2. 2.
    [V44:299] Grad der Vorbestimmtheit von Arbeitsmittel- und -methoden;
  3. 3.
    [V44:300] Grad der Vorbestimmtheit von Geschwindigkeit des Arbeitsganges;
  4. 4.
    [V44:301] Grad der Vorbestimmtheit von Produktqualität und -quantität;
  5. 5.
    [V44:302] Grad der Vorbestimmtheit von räumlicher Mobilität.
[V44:303] In einer Weiterführung dieser Unterscheidung nach Graden von Dispositionschancen glauben wir annehmen zu dürfen, daß zwischen beiden Merkmalsgruppen ein inhaltlicher Zusammenhang besteht; bei zunehmender Entscheidungsbefugnis über die Vorbestimmtheit des Arbeitsprozesses ist auch mit einer Verminderung der Kontrolle zu rechnen. Eigenverantwortlichkeit tritt zunehmend an die Stelle von kontrollierter Unterordnung. Interaktionsmöglichkeiten und deren Unabhängigkeit von instrumentellen Prozeßerfordernissen werden größer.
Arbeitsanforderungen
[V44:304] Die aus den Qualifikationsforderungen an den Beschäftigten resultierenden spezifischen Arbeitsinhalte sollen analysiert werden unter den Gesichtspunkten der intellektuellen Anforderungen, der Flexibilität, des Reaktionsvermögens, des Systematisierungs- und Organisationstalents, des sprachlichen Ausdrucksvermögens sowie der Gruppe von Anforderungsmerkmalen, die körperliche Arbeit indizieren (physische Belastung, monotone Arbeit, Fließbandarbeit). Anforderungen an nervliche Verausgabung, an die Wahrnehmungsleistung werden gleichfalls mit erfragt.
|A 96|
Arbeitszufriedenheit
[V44:305] Diese Dimension, so legen es die zuvor betrachteten Untersuchungen zum Arbeitsbewußtsein nahe 1)
1)Kern/Schumann, 1970, I, S. 184 f.
, ist zu differenzieren hinsichtlich der Zufriedenheit mit arbeitsinhaltlichen Bedingungen und anderen Arbeitsbedingungen wie Sozialkontakten; deren gegenseitige Abhängigkeit kann zunächst unberücksichtigt bleiben. Die Verläßlichkeit ermittelter Arbeitszufriedenheit ist dann am größten, wenn in die Interpretation dieser Zufriedenheit auch andere Arbeitsplatzbedingungen integriert werden. So zeigt die genannte Studie 2)
2)Kern/Schumann, 1970, I, S. 184; Beuse/Körner, 1973, S. 34
, daß erst die differenzierte Betrachtung der Arbeitszufriedenheit nach Ausprägungsgraden verständlich wird auf dem Hintergrund objektiver Arbeitsbedingungen. Darüberhinaus läßt die Alternativlosigkeit bestimmter stark restriktiver Arbeitsinhalte und Bedingungen, damit auch verbunden bestimmter Lebensbedingungen, in der geäußerten Zufriedenheit nur ein Sich-Arrangiert-Haben mit dem als unabänderlich Betrachteten erkennen 3)
3)Kern/Schumann, 1970, I, S. 184
. Aus diesem Grund erscheint es problematisch, in der geäußerten Zufriedenheit mehr zu sehen als eine Differenzierungsmöglichkeit hinsichtlich der Arbeitseinstellung. Erst eine präzise Ermittlung objektiver Arbeitsbedingungen könnte den vermuteten Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Arbeitseinstellung erhärten 4)
4)Kern/Schumann, 1970, I, S. 187
.
Empfundene Belastung
[V44:306] Die von den Autoren der Studie über
Technik und Industriearbeit
5)
5)Kern/Schumann, 1970, I, S. 251
festgestellte Schwierigkeit hinsichtlich der empfundenen wie der künftig erwarteten Belastungsform zu differenzieren, bestärkt uns darin, den ermittelten Formen der Arbeitszufriedenheit einen Komplex entgegenzuhalten, den wir als Belastungsformen bezeichnen. Dieser Komplex umfaßt spezifische Anforderungsmerkmale wie körperliche und nervliche Verausgabung. Zu ihm ge|A 97|hören Merkmale der Monotonie, der nervlichen Belastung, der Umgebungsplatzeinflüsse wie Hitze, Staub, Lärm etc., gegenseitige Unterstützung und Sozialkontakte.
Stratifizierung
[V44:307] Die zentrale Annahme unserer Untersuchung betrifft die aus den Arbeitsplatzbedingungen des/der Ernährer der Familie herrührenden Auswirkungen auf Struktur und Charakter familialer Kommunikation.
[V44:308] Wie insbesondere die Arbeiten zum
linguistischen Code
zeigen, kommen neben den durchgängig als Verortung in einem 3-Schichtenmodell definierten Merkmalen auch anderen des außerfamilialen Kommunikationszusammenhangs entscheidendes Gewicht zu; allerdings werden diese Faktoren nicht auf ihre Auswirkung im Hinblick auf familiale Kommunikationsstrukturen untersucht. Aus den als relevant anzusehenden Faktoren des außerfamilialen Kommunikationsgeschehens wählen wir solche Faktoren aus, die für die Beschreibung der Verkehrsformen am Arbeitsplatz uns hinlänglich begründet erscheinen. Wir wählen zwei deutlich unterscheidbare Gruppen aus: Die Gruppe der im Produktionsbereich tätigen und diejenige der im Leitungsbereich tätigen. Dabei soll uns als wesentliches Unterscheidungskriterium für die Gruppeneinordnung das Merkmal der Dispositionsbefugnis dienen, also der Verfügungsgewalt über die Arbeit anderer. Die Relevanz und Trennschärfe dieses Kriteriums läßt sich folgendermaßen begründen: die im Bereich der Leitungstätigkeit anzutreffende Hierarchisierung der Dispositionsbefugnis läßt sich als graduelle Einschränkung der wirklichen Dispositionsbefugnis darstellen. Damit wird die Leitungstätigkeit selber wieder in eine große Zahl von Einzeltätigkeiten aufgespalten, deren Positionsdefinition innerhalb der betrieblichen Hierarchisierung dadurch erschwert wird. Durch diese Stärkung innerbetrieblicher Hierarchisierung über eine arbeitsteilige Aufspaltung der Leistungsbefugnis und -tätigkeit lassen sich schon sehr eingeschränkte Dispositionsbefugnisse als Leitungsfunktionen interpretieren. Wir vermuten in dieser Restriktion von |A 98|Dispositionsbefugnis bei gleichzeitig beibehaltener Abgrenzung für die realen Interaktions- und Kommunikationsmöglichkeiten ein wichtiges Merkmal.
[V44:309] Für die Gruppe der weisungsgebundenen Produktionsarbeiter oder Dienstleistenden dagegen muß der annähernd gänzliche Ausschluß von Verfügungsgewalt als charakteristisch angesehen werden bei gleichzeitig minimaler Aufstiegschance. Die Bedingung des Arbeitsplatzes, so ist unsere Annahme, sind wenig kommunikationsfördernd. Ihr Einfluß auf das subkulturelle Milieu im Arbeitsbereich wird geprägt durch das Vorhandensein instrumenteller, nur gegenstandsbezogener Problemkontexte.
[V44:310] Als allgemeine diskriminierende Regel diente uns, daß derjenige, der Befugnisse über andere hat, Befugnisse über Arbeitseinteilung und -kontrolle ausübt, zur Gruppe der Leitungstätigen zu rechnen ist. Bei der Einstufung der Positionseigenschaften griffen wir zurück auf detaillierte Betriebspläne, die uns freundlicherweise von den untersuchten Betrieben zur Einsicht gestellt worden sind. Daraus ließen sich die Art der vorwiegenden Tätigkeit, Umfang der Dispositionsbefugnis, Direktionsbefugnis gegenüber Untergebenen, sowie weitere arbeitsinhaltliche Merkmale, die eine Eingruppierung in die Gruppe der Leitungstätigkeiten erlaubten, entnehmen. Analog dazu konnte die Zuweisung zu der Gruppe der Weisungsabhängigen und ohne Verfügungsgewalt ausgestatteten Arbeiter und Angestellten vorgenommen werden.

3.2. Ergebnisse

3.2.1. Stratenzugehörigkeit
[V44:311] Zur Überprüfung unserer Einteilung in die beiden Gruppen
Unteres Stratum
und
Oberes Stratum
verknüpften wir die Gruppenzugehörigkeit mit jenen Merkmalen, die hauptsächlich die Leitungsbefugnis, das Weisungsrecht und den Typ der vorwiegenden Arbeitszeit erfragten. Außerdem berücksichtigten wir das Kriterium des Abiturs für weisungsbefugte oder entsprechende Tätigkeit mit |A 99|Eigenverantwortlichkeit, sowie die bereits besprochene Reduzierung der 2 Kohn’schen Tätigkeitsformen in die Gruppe, die vorwiegend mit der Herstellung oder Verarbeitung von Gegenständen/Dingen zu tun hat und die Gruppe der vorwiegend mit der Entwicklung von Ideen und Konzepten Beschäftigten.
[V44:312]
Tabelle 16: Korrelationsmatrix Stratum – Leitungstätigkeit
Merkmal 1 4 5 26 34 37 63 65 68 70
1 Zugehörigk. z. unterem Stratum -.69 -.72 .59 -.36 -.83 -.48 -.42 .50 -.66
4 Schulbildung .81 -.47 .42 .60 .36 .49 -.26 .47
5 Berufsabschluß -.46 .39 .67 .38 .52 -.28 .53
26 Arbeitszeittyp .-47 -.56 -.44 -.37 .18 -.45
34 Arbeitszuteilung an andere .50 .68 .46 .07 .28
37 Tätigkeitseinschätzung: leitend .60 .53 -.33 .64
63 Untergebene: ja .45 -.02 .40
65 Autonomieeinschätzung -.38
68 Umgang mit Dingen, Verarbeitung von Gegenständen .02 .35
70 Entwicklung von Ideen und Konzepten
|A 100|
[V44:313] Am deutlichsten läßt sich den Merkmalen
Arbeitszeittyp
,
Einschätzung der Tätigkeit als leitend
,
Zahl der Untergebenen
und
Schulabschlußgrad
eine Bestätigung unserer Einteilung entnehmen; gleichfalls bestätigt – wenn auch mit geringerer immer noch signifikanter Ausprägung – das Merkmal
Arbeitszuteilung
die von uns vorgenommene Stratenbildung. Für die Tätigkeitstypen
Umgang mit Dingen
(r = .50) und
Ideen und Konzepte
(r = -.66) läßt sich mit ausreichender Sicherheit die Griffigkeit des von uns verwendeten Einstufungsmodus nachweisen. Demnach gehört es also eher zum oberen Stratum, Abitur als Schulabschluß vorzuweisen, einen höher qualifizierten Schulabschluß zu haben, freie Arbeitszeiteinteilung zu haben; ferner zeichnet sich diese Tätigkeit durch eine Selbstdefinition als leitend aus; diese erhält ihre Berechtigung aus der Weisungsbefugnis gegenüber Untergebenen, speziell im Rahmen der Arbeitszuteilung an andere. Von daher ist es nicht verwunderlich, wenn die Beziehung zwischen oberem Stratum und der Gruppe
Ideen und Konzepte
hoch lädt; entsprechend umgekehrt (negativ) wenn auch etwas geringer ausgeprägt ist die Beziehung zwischen oberem Stratum und der Gruppe
Umgang mit Dingen
.
[V44:314] Auch die arbeitsinhaltlichen Merkmale, die die größere Dispositionsbefugnis anzeigen, wie M 28, 30, 32, 33, 35 bestätigten allesamt deutlich die Charakterisierung der Straten.
[V44:315] Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob die Vorüberlegungen, die zur Formulierung von 5 konsistent gedachten Fragekomplexen geführt haben, durch die Ergebnisse der Auswertung bestätigt werden konnten. Dabei ziehen wir zunächst die Korrelationen zwischen den einzelnen Merkmalen/Items zur Bildung von Zusammenhängen der beschriebenen Art heran; in einem anschließenden Schritt sollen die über 90 Merkmale aus dem Arbeitsplatzfragebogen erstellten Faktorstrukturen geprüft werden, um über diese Datenaufbereitung zu einer engeren Strukturierung möglicher Faktoren zu kommen, die über unsere Vorüberlegungen hinausweisen.
|A 101|
3.2.2. Soziale Position
[V44:316] In diesem Komplex faßten wir einerseits Merkmale zusammen wie
Schulabschluß
,
berufliche Qualifikation
,
Merkmale der sozialen Herkunft
(Schulbildung der Mutter, des Vaters) und
Höhe des Familieneinkommens
.
[V44:317]
Tabelle 17: Korrelationsmatrix soziale Position
Merkmal 1 5 10 11 61
1 Stratenzugehörigkeit -.72 -.22 -.40 -.48
5 Berufsabschluß .38 .58 .56
10 Schulbildung der Mutter .68 .40
11 Schulbildung des Vaters .53
61 Familieneinkommenshöhe --
[V44:318] Die korrelativen Beziehungen zwischen den einzelnen Merkmalen bestätigen auf den ersten Blick die Annahme einer eigenständigen Datenstruktur. Allerdings fällt in dieser Datenstruktur auf, daß die Korrelation zwischen der Stratenzugehörigkeit – also dem Indikator für die Arbeitsplatzposition des Vaters – und der
Schulbildung-Mutter
beträchtlich niedriger ist, als alle übrigen Korrelationen in Tabelle 17.
[V44:319] Dieser Tatbestand scheint auf die noch immer vorhandene patriarchalische Struktur unserer Gesellschaft zu verweisen, in der die soziale Kontinuität entscheidend durch die soziale Position des Mannes weitergegeben wird. Deutlich wird dies an dem Zusammenhang zwischen dem eigenen
Schulbildungsgrad
und dem der Eltern, wobei für den Koeffizienten der Beziehung zwischen
Stratum
und
Schulbildung-Vater
und
Berufsabschluß
und
Schulbildung-Mutter
eine jeweils um ca. .20 stärkere Ausprägung gilt als für den betreffenden Wert der
Schulbildung-Mutter
.
|A 102|
[V44:320] Für einen engen Zusammenhang zwischen der Schulbildung beider Elternteile spricht der hohe Korrelationskoeffizient, der für diese Beziehung größer als 0.66 ist.
[V44:321] Hervorzuheben ist nochmals, daß der Wert des Koeffizienten für sämtliche Korrelationen des Merkmals
Schulabschluß-Vater
deutlich über dem Wert des
Schulabschluß-Mutter
-Merkmals liegt.
3.2.3. Entscheidungsspielraum
[V44:322]
Tabelle 18: Korrelationsmatrix – Entscheidungsspielraum
Merkmal 28 29 30 31 32 33 34 35 37 63 65
28 Einhaltung d. Arbeitszeit kontrolliert .41 -.43 -.32 -.52 -.31 -.20 -.41 -.50 -.24 -.34
29 Stechuhrkontrolle .01 .06 -.16 -.30 .04 -.20 -.34 .05 -.15
30 Verlassen d. Arbeitsplatzes während der Arbeitszeit .72 .61 .20 .47 .54 .46 .49 .35
31 Möglichkeiten d. Bestimmung d. Reihenfolge einzelner Arbeitsschritte .66 .07 .54 .41 .30 .46 .28
32 Festlegung d. Arbeitsgeschwindigk. .37 .42 .65 .41 .51 .35
33 häufigste Form d. Arbeitsaufteilung .15 .14 .45 .35 .38
34 Tätigkeitsmerkmal: Arb.zuweisung an andere .50 .50 .68 .46
35 Art d. Arbeitseinteilung .48 .45 .31
37 Tätigkeitseinschätzung: leitend Art .60 .53
63 Untergebene .45
65 Autonomieeinschätzung --
|A 103|
[V44:323] Auf der Ebene der korrelativen Beziehungen lassen sich nur relativ undifferenzierte Betrachtungen über den Zusammenhang der Variablen anstellen. Eine genauere Betrachtung wird auf der Ebene der Faktorstrukturdiskussion möglich sein. Für die vorliegenden Korrelationsdaten zeigt sich, daß der Zusammenhang zwischen den Merkmalen, die zeitliche und räumliche Dispositionsspielräume abgreifen (M 30, 31, 32) auf eine deutlich sich abzeichnende Struktur hinweist. Mittels dieser Merkmale lassen sich also die Eingriffsmöglichkeiten in den Arbeitsprozeß erfassen. Damit einher geht auch ein Zusammenhang mit jenen Merkmalen, die Kontrolle durch Vorgesetzte oder Maschineneinteilung betreffen (M 28, 29, 33). Untergebene (34, 37, 63, 65) lassen sich mit den bereits genannten Beschreibungselementen genügend verknüpfen; insgesamt deutet die oben wiedergebende Korrelationsmatrix auf eine übergreifende Struktur hin, die besonders deutlich für die beschriebenen Merkmale der Bestimmung über Arbeitseinteilung und Zeitpunkt des Eingriffes hervortritt. (M 29) dagegen scheint nicht hinreichend mit diesen Merkmalen verknüpft zu sein; die Koeffizienten dieses Merkmals mit denen aus dem Arbeitsplatz sind insgesamt bis auf wenige Merkmale sehr niedrig. Davon ausgenommen ist einmal M3, 20, 62 und 68. Daraus läßt sich entnehmen, daß mit diesem Merkmal eine für bestimmte Bedingungen des Samples typische Information gegeben worden ist, die geknüpft zu sein scheint an das Vorliegen von
Akkordlohn
,
Arbeit in Montagehallen
, bei
vorwiegendem Umgang mit Dingen
.
[V44:324] Vergleichen wir M 29 mit den vier Tätigkeitsformen nach Kohn (M 67, 68, 69, 70) so fällt auf, daß der
Umgang mit Dingen
mit diesem Merkmal relativ hoch korreliert (0,53). Auch (M 33) zeigt deutlich an, daß für die Tätigkeitsgruppe der Ideen- und Konzept-Entwickler weniger eingeengte Arbeitsbedingungen zu erwarten sind; dagegen können Handarbeiter mit geringeren Planungsperspektiven in der Arbeitseinteilung rechnen.
|A 104|
[V44:325] Die von uns zunächst in der Anlage der Befragung unterstellten vier Tätigkeitstypen haben sich nur in zwei Typen als deutlich voneinander abgrenzbar gezeigt. Darauf ist noch gesondert einzugehen. Es soll hier zunächst auf die vermutete Ursache hingewiesen werden, die sich aus der Besonderheit der Kategorie
vorwiegender Umgang mit Menschen
ergibt. Durch die für das B.-Sample typische Häufung der Busfahrer im unteren Stratum sind Arbeitsplatzmerkmale in die Untersuchung eingegangen, die – jedenfalls in der Interpretation durch die Befragten – nicht typisch zwischen den Straten diskriminieren. Die bei Kohn noch vorwiegend mit qualifizierteren Arbeitsbedingungen gleichsinnig beschriebenen Merkmale dieser Kategorie sind bei uns durch das Dominieren der Berufsgruppe der Busfahrer anders verteilt. Dafür sprechen auch die korrelativen Beziehungen zwischen M 68 und Merkmalen restriktiver Arbeitssituation.
3.2.4. Belastung am Arbeitsplatz
[V44:326] Mit nur sehr gering ausgeprägten Korrelationen hat sich die Konsistenz dieser Variable nicht bestätigen lassen. Wir beschränken die Variable auf Merkmale erschwerter Arbeitsbedingungen, ungünstiger Arbeitszeit und hoher Monotoniebelastungen, mußten aber dennoch feststellen, daß zwischen diesen Merkmalen nur schwach interpretierbare korrelative Beziehungen auftreten. Sie betreffen das Merkmal des Arbeitszeittyps, der in Verbindung mit erschwerten Arbeitsplatzbedingungen, negativen Umgebungseinflüssen und hoher Monotonieanforderung immerhin eine vorsichtige Verknüpfung dieser Daten zu einem Belastungssyndroms bekräftigt. Auch bei dieser Datenform gilt, was bei dem Faktor der Entscheidungsbefugnis schon angeklungen ist: eine präzisere Betrachtung wird erst bei der Faktordiskussion zu erwarten sein.
|A 105|
[V44:327]
Tabelle 19: Belastung am Arbeitsplatz
Merkmal 26 27 40 52 57 60
26 Arbeitszeittyp .00 -.15 .20 .38 .34
27 Arbeitszeit -.06 -.19 .05 -.03
40 Konkurrenzsituation -.06 -.17 -.24
52 schwere körperliche Arbeit verrichten .36 .18
57 u. erschwerten Bedingungen (Hitze, Lärm...) .43
60 hohe nervliche Belastbarkeit ertragen können --
[V44:328] Auch im Vergleich dieser Merkmale mit den 4 Tätigkeitstypen (nach Kohn) werden nur die ohnehin plausiblen Beziehungen zwischen dem Nichtauftreten restriktiver Arbeitsplatzmerkmale und der vorwiegenden Tätigkeitsform des Ideen- und Konzeptentwickelns bekräftigt. Deutlicher als die Kohn’schen Typen sind jedoch Stratenzugehörigkeit und Schulabschluß sowie Berufsabschluß mit diesen Belastungsitems verknüpft. Vollkommen aus dem Belastungssyndrom scheint M 27 zu fallen; in keiner der untersuchten Zusammenhänge haben sich interpretationswürdige Korrelationswerte ergeben.
3.2.5. Einschätzung typischer beruflicher Anforderungen
[V44:329] Unter diesem Konstrukt sind zunächst alle Merkmale subsumiert, die die für wichtig gehaltenen Merkmale beruflicher Anforderungen beinhalten. Dabei lassen sich zunächst diejenigen Merkmale leicht zu gruppenhaften Synonymen zusammenschließen, die gleichlautende Tätigkeitsmerkmale angeben. Trotz relativ niedriger Korrelationswerte ergeben sich somit cluster-ähnliche Zusammenfassungen dicht zusammenliegender Tätigkeitsmerkmale, die sich zumindest grob zweiteilen lassen.
|A 106|
[V44:330] Dabei entspricht auch diese Zweiteilung den zuvor schon gefundenen Beziehungen zwischen relativ restriktiven Arbeitssituationen (körperlich schwere Arbeit, genau und gewissenhaft arbeiten können, sich Anordnungen und Vorschriften fügen zu können, hohe nervliche Belastungen bei eintöniger Arbeit ertragen können, schnell reagieren können, unter erschwerten Umgebungseinflüssen arbeiten zu können) und zwischen jenen qualifizierteren Arbeitsbedingungen, wie sie durch M 45, 46, 54 und 59 beschrieben werden. Auffällig ist, daß sich doch zwei Anforderungsgruppen bei den restriktiven Arbeitsmerkmalen festmachen lassen. Einmal scheinen die Anforderungen an die Körperlichkeit der Arbeit verbunden zu sein mit strikter Unterordnung unter Anordnungen und Vorschriften, bei genauer und gewissenhafter Befolgung dieser Arbeitsanweisungen; die Anforderungen an nervliche Belastbarkeit durch Monotonie in der Arbeit dagegen treffen zusammen mit Anforderungen an das Reaktionsvermögen und an die Belastbarkeit durch erschwerende Umgebungseinflüsse wie: Lärm, Schmutz, Hitze und dgl.. Damit scheint jedoch die Anforderungstypik der nervlichen Arbeit nicht frei zu sein von solchen Anforderungen, die sich in der erhöhten Belastung des Organismus durch Lärm, Schmutz, Hitze u.ä. niederschlagen. Auch hinsichtlich der Überprüfung der Anforderungsmuster mit den 4 Tätigkeitstypen zeigen sich nur Bestätigungen der bisher beobachteten Zusammenhänge.
|A 107|
[V44:331]
Tabelle 20: Korrelationsmatrix berufliche Anforderungen
Merkmal 44 45 46 47 48 49 50 51 53 54 55 56 58 59 60
44 Fähigkeit guten Eindruck zu machen .12 .24 -.06 -.06 .16 .11 -.01 -.08 .07 .33 .16 -.08 .23 .28
45 gutes Gedächtn. haben .35 .12 .13 .02 .09 .17 .09 .34 .26 .27 .03 .30 .03
46 viel u. schnell denken .27 .21 .05 -.01 -.05 .06 .07 .21 .09 -.07 .28 .18
47 systematisch organisieren .36 .23 .04 -.09 .05 .07 -.01 -.07 .07 .17 -.18
48 neue Wege u. Methoden ausdenken .49 -.20 -.32 -.10 .05 -.27 .17 .05 .18 -.36
49 in d. Zukunft planen .02 -.12 -.24 .12 .02 .16 .18 .11 .02
50 gut m. Menschen umg. können .09 -.01 .14 .22 -.13 -.01 -.02 .01
51 Anord. und Vorschriften fügen .32 -.02 .22 -.01 -.09 -.06 .23
53 genau u. gewissenh. arbeiten -.07 -.01 .23 -.04 .05 -.02
54 sich klar u. deutlich ausdr. .22 .18 .19 .29 -.02
55 schnell reagieren können -.13 .06 .31 .46
56 langj. Erfahrung haben .08 .09 .17
58 gutes fachliches Können besitzen .27 -.03
59 gute theoret. Ausb. haben .24
60 hohe nervl. Belastbark. b. eint. Arbeit etragen --
|A 108|
3.2.6. Einstellung zur Arbeit: Zufriedenheitseinstufungen
[V44:332] Auch bei diesem übergroßen Konstrukt sind zunächst nur alle Zufriedenheitseinstufungsfragen addiert.
[V44:333] Ebenso wie bei dem Faktor der typischen Anforderungsmerkmale lassen sich aus den meist nur schwach ausgeprägten Korrelationskoeffizienten sogenannte Bedeutungscluster herauslesen; bei zuweilen hoher Bedeutungsaffinität bewegen sich dennoch die Korrelationskoeffizienten selten um oder gar über .50. Gänzlich uninterpretierbar fällt M 76 aus diesen Unterkomplexen heraus. M 88 dagegen ist sehr häufig in diesen kleineren Mustern vertreten. Es läßt sich jedoch vermuten, daß die Bedeutungsschärfe dieses Items nicht allzu hoch zu bewerten ist. Konkreter dagegen scheinen uns jene Zufriedenheitsbekundungen zu sein, die arbeitsplatzinhaltliche oder unmittelbar damit zusammenhängende organisationstechnische Merkmale, auch solche der Gefährdung am Arbeitsplatz, der technischen Ausrüstung und der Umgebungseinflüsse betreffen.
[V44:334] Auch hierbei bestätigen sich unsere Vorüberlegungen in folgender Richtung. Es fallen solche Merkmale zusammen, in denen die Arbeitssituation als angenehm und interessant beschrieben, der Entscheidungsspielraum und die Möglichkeit vorwärts zu kommen positiv geschätzt wird und keine restriktiven Elemente berichtet werden. Allerdings korrelierten auch Zufriedenheitsitems mit anstrengenden und restriktiven Elementen der Arbeitssituation. Es läßt sich daraus folgen, daß Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz offenbar keine eindeutige Folge objektiver Bedingungen der Arbeitssituation ist und eher einen Anpassungsmodus darstellt, der wesentlich differenzierter untersucht werden müßte, als das durch uns geschehen ist.
|A 109|
3.2.7. Ergebnisse der Faktorenanalyse
[V44:335] Die Überprüfung der Daten auf jene Zusammenhänge, die in den korrelativen Beziehungen zwar angelegt sind, aufgrund der Vielfalt der zu berücksichtigenden Beziehungen jedoch eine mehrdimensionale Beziehungsverknüpfung erschwerten, wird uns erleichtert durch die rotierte Faktorenanalyse. In ihrer Aufbereitung der Daten durch die Zusammenfassung von Faktorladungen zu abgegrenzten Komplexen von Merkmalen (Faktorenmatrix) lassen sich Beziehungszusammenhänge erkennen, die in ihrem Sinngehalt folgende Interpretationsversuche zulassen:
[V44:336] 1. Als deutlich abgrenzbare Antwortmuster sind erkennbar einmal ein Typ von Leistungstätigkeit aus A-Stadt (Faktor I), dessen Merkmalskombination eine eindeutige Beschreibung gehobener Berufspositionen darstellt. In einer Verknüpfung von Dispositionschancen hoher Entscheidungskompetenz, hoher beruflicher Qualifikation und dementsprechender Autonomie am Arbeitsplatz mit Einkommenshöhe, -form und der für Leitungstätigkeiten üblichen Nicht-Mitgliedschaft in Gewerkschaften stellt sich dieser Antworttyp als Bestätigung unserer Vorüberlegung zum Entscheidungsspielraum dar. Charakteristisch für diesen Leitungstyp scheint uns darüberhinaus die deutliche Konkurrenz am Arbeitsplatz zu anderen Kollegen zu sein. Auch die in unserer Überlegung zur Strateneinteilung angestellte Vermutung von eingeschränkten informellen Sozialkontakten und Kommunikationsmöglichkeiten für obere Leitungsfunktionen wird zumindest teilweise durch die geringe Vielfalt der Gesprächsthemen belegt.
|A 110|
[V44:337]
Tabelle 22: Faktor I
Merkmal Ladungshöhe
5 Beruflicher Abschluß .7864
11 Schulbildung des Vaters .7308
4 Eigene Schulbildung .7251
61 Familieneinkommen .6911
12 Mitgliedschaft in Gewerkschaften -.6322
10 Schulbildung der Ehefrau .6178
65 Autonomie am Arbeitsplatz .5372
1 Stratum (o.S. = +; u.S. = -) -.5232
37 Einschätzung der Tätigkeit als leitend .5190
34 Arbeitszuteilung an andere .4850
70 Vorwiegend Entwicklung von Konzepten und Ideen .4469
3 Untersuchungsort .4363
60 Hohe nervliche Belastung -.4267
48 Neue Wege und Methoden entwickeln .4226
43 Vielfalt der Gesprächsthemen am Arbeitsplatz -.3753
51 Sich Anordnungen und Vorschriften fügen können -.3751
40 Konkurrenz .3656
|A 111|
[V44:338] 2. Faktor III zeigt in seiner Merkmalstypik einen anderen Leitungstyp, der gleichfalls deutlich orts- bzw. betriebsspezifisch zu sein scheint. Ihn kennzeichnet nämlich gerade, nicht in A-Stadt beheimatet zu sein, eine sichere Kündigungsfrist, keine direkte Zeitkontrolle über die Anwesenheit am Arbeitsplatz (Steckkontrolle) zu haben, ferner zum oberen Stratum zu gehören; auch hier handelt es sich – belegt durch zwar schwächere Nennungen von typischen Leitungsmerkmalen als in F. I – um einen gehobenen Tätigkeitstyp, der jedoch nicht unmittelbar dem Leitungstyp von F. I entspricht. Vielmehr scheint es sich um eine Berufsposition gesicherter Art mit explizitem Ausschluß von restriktiven Arbeitsinhalten zu handeln, für die Gehaltsform, Tätigkeitsort und die schon genannte Kündigungssicherheit die Zurechnung zur Gruppe der Verwaltungstätigkeiten in dem für B-Stadt kennzeichnenden Dienstleistungssektor plausibel zu machen. Auch die genannten Anforderungsmerkmale am Arbeitsplatz bestätigen – wenn auch mit schwächeren Ladungen – diese Annahme. Typisch für diese Gruppe der mittleren Leitungsfunktion scheint auch der Ausschluß von Gruppenarbeits- sowie -kontrollformen zu sein. Dem entspricht auch, daß nur geringe Gesprächsmöglichkeiten und Themenvielfalt der Gespräche angegeben werden. Damit bestätigt sich auch für diesen Leistungstyp die für F. I bereits konstatierte Einschränkung für Kontaktmöglichkeiten und informellen Gesprächsbeziehungen am Arbeitsplatz. Als weiterhin kennzeichnend für Verwaltungstätigkeit in Leitungsfunktion können trotz geringer Ladungshöhe auch die Angabe des Tätigkeitsortes (Kleinraumbüro) sowie der strikte Ausschluß von körperlichen Tätigkeitsmerkmalen und der Verarbeitung oder des Transportes von Gegenständen gelten.
|A 112|
[V44:339]
Tabelle 22: Faktor I
Merkmal Ladungshöhe
68 Vorwiegend Umgang mit Gegenständen -.7408
71 Lange Kündigungsfrist .6992
29 Arbeitszeitkontrolle -.6869
3 Untersuchungsort -.6807
1 Stratum (o.S. = +; u.S. = -) -.5291
62 Art des Einkommens .5233
2 Ehefrau nicht berufstätig .5038
42 Möglichkeit der Unterhaltung mit Arbeitskollegen .-4335
70 Vorwiegend Entwicklung von Konzepten, Ideen .3545
37 Einschätzung der Tätigkeit als leitend .3478
43 Vielfalt der Gesprächsthemen am Arbeitsplatz -.3110
67 Vorwiegend Umgang mit Personen .2868
|A 113|
[V44:340] 2. Ein weiterer Faktor thematisiert zumindest die Gruppe der Leitungsfunktionen von einem anderen Gesichtspunkt aus. Im Sinne unserer Zuordnung zu autonomen Arbeitsbedingungen und relativ selbstbestimmten Arbeitsprozessen und deren Eingriffsmöglichkeiten läßt sich F. IV interpretieren. Darin wird die Disposition über Arbeitseinteilung und den Eingriff in den Arbeitsablauf sowie dessen Geschwindigkeit erfaßt. Die Merkmale der Weisungsbefugnis sowie der Kontrolle in der Arbeit lassen uns auch diesen Faktor als Form einer
Leitungstätigkeit
interpretieren. Damit bestätigt sich eine weitere unseren Überlegungen zur Strateneinteilung zugrundeliegende Annahme, nach der schon graduelle Verschiebungen der Weisungsbefugnis zu interpretieren sind; diese Einschätzung wird von den Befragten selbst geteilt, was sich in ihren Selbsteinschätzungen hinsichtlich Autonomie und Leitungscharakter ihrer Arbeit widerspiegelt.
[V44:341] Im Ganzen scheint es sich bei diesem um einen flexiblen aufstrebenden Tätigkeitstyp zu handeln, für den das bisherige
Up-Grading
im Beruf genau so entscheidend sein wird, wie die künftige aktiv-manipulative Einstellung zur Arbeit und zum zukunftsgesicherten Planen. Dafür stehen die Angaben über den Besuch von Fortbildungskursen, die Bewertung der Fähigkeit, in die Zukunft planen zu können und neue Wege und Methoden auszudenken. Wesentlich für diese Struktur der Daten erscheint eine insgesamt aktiv-manipulativ getönte Orientierung, für die wiederum neben der schon erwähnten Planungsperspektive, dem deutlichen beruflichen Aufstieg auch die Unzufriedenheit mit der für die Arbeitsdurchführung notwendigen Information steht. Wir glauben damit die Vermutung begründen zu können, daß es sich hierbei um ein mittelschichttypisches aufstiegsorientiertes Verhaltenssyndrom handelt.
|A 114|
[V44:342]
Tabelle 24: Faktor IV
Merkmal Ladungshöhe
30 Verlassen des Arbeitsplatzes während der Arbeitszeit ist möglich .7992
32 Selbständige Festlegung der Arbeitsgeschwindigkeit .7783
31 Selbständige Bestimmung der Arbeitsschritte .7769
35 Selbständige Arbeitseinteilung .6554
63 Untergebene haben .6554
6 Qualifikationsverbesserung im Laufe bisheriger Erwerbstätigkeit .6192
26 Arbeitszeit-Typ (stabil = -; Schichtarbeit, Nachtschicht = +) -.6066
34 Arbeitszuteilung an andere .5902
48 Neue Wege und Methoden entwickeln .5512
47 Systematisch organisieren können .4977
37 Einschätzung der Tätigkeit als leitend .4847
1 Stratum (o.S. = -; u.S. = +) .4414
38 Alle notwendigen Informationen stehen zur Verfügung -.3610
9 Besuch von Fortbildungskursen .3310
|A 115|
[V44:343] 4. Neben den drei bisher diskutierten Faktoren, deren Struktur sich um je spezifisch berufliche Qualifikationen in der Dimension
leitend – nicht leitend
herum bildet, fallen – unter den insgesamt 10 – drei weitere Faktoren auf, in denen eher bestimmte Zufriedenheits-Einstellungen enthalten sind. In diesen Arbeitsplatzbedingungen zu überwiegen, d.h. in ihnen ist vor allem die soziale Wahrnehmung der eigenen Arbeit und der Arbeitsplatzsituation ausgeprägt.
Tabelle 25: Faktor II
Merkmal Ladungshöhe
77 Zufrieden damit, wie anstrengend die Arbeit ist .7082
86 Zufrieden mit der Arbeitsplatz-Umgebung .7069
83 Zufrieden mit betrieblichen Sozialleistungen (außertariflich) .6480
85 Zufrieden mit Arbeitsschutz .6170
82 Zufrieden mit tariflichen Sozialleistungen .5723
89 Zufrieden mit technischer Ausrüstung des Arbeitsplatzes .5153
88 Zufrieden mit Mitbestimmungsmöglichkeiten .5152
87 Zufrieden mit der Bezahlung .4824
78 Zufrieden mit der Bewertung der Arbeit .3329
84 Zufrieden mit dem Arbeitsklima .3150
58 Gutes fachliches Können ist für den Arbeitsplatz wichtig .2484
73 Zufrieden damit, wie interessant die Arbeit ist .2037
|A 116|Dieser Faktor enthält vor allem
normative
Aspekte der Zufriedenheit. Weniger die technischen Merkmale der Arbeitsfunktion vermitteln hier Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit, sondern eher der institutionelle Rahmen. Besonderes Gewicht kommt dabei jenen Variablen zu, in denen belastende bzw. entlastende Merkmale der Arbeitssituation erfaßt sind (körperliche Anstrengung, soziale Sicherheit, Arbeitsschutz). Neben dieser
Belastungsverdünnung
ist dieser Faktor aber auch – wenngleich geringer ausgeprägt – durch eine
Konfliktverdünnung
charakterisiert (zufrieden mit Mitbestimmung, Bezahlung, Bewertung der Arbeit, Arbeitsklima). Die Merkmale
fachliches Können
und
Zufrieden damit, wie interessant die Arbeit ist
laden schon nur noch unterhalb der Signifikanz-Grenze. In dem Einstellungssyndrom, das hier zum Vorschein kommt, dominiert also vermutlich – nach einer Formulierung von Kern/Schumann 1)
1)
Kern/Schumann, I, 1970, S. 195
die Bedrohung der elementaren Lebensinteressen des Lohnarbeiters
, die nur durch den institutionellen Schutz vor einer
frühzeitigen Zerstörung seiner Arbeitskraft
abgewendet werden kann.
[V44:344] 5. Davon unterscheidet sich recht deutlich ein Typus, der im Faktor V erkennbar wird. Zwar stehen auch hier Zufriedenheitseinstufungen im Vordergrund, inhaltlich aber beziehen sie sich gerade auf jene Merkmale des Arbeitsplatzes, die im Faktor II nahezu ausgeschlossen waren. Statt der institutionellen Sicherung geht es in diesem Faktor vorwiegend um die Arbeitsinhalte. Daß es sich dabei um ein der Tendenz nach positives Identifizierungs-Syndrom handelt, geht daraus hervor, daß nicht nur die Arbeit als besonders interessant erscheint, gerade auch unter Berücksichtigung der je eigene Fähigkeiten, sondern daß auch Aufstiegschancen – wenngleich allerdings nur andeutungsweise – positiv eingeschätzt werden.
|A 117|
[V44:345]
Tabelle 26: Faktor V
Merkmal Ladungshöhe
73 Zufrieden damit, wie interessant die Arbeit ist .7138
81 Zufrieden mit der Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten einzusetzen .6535
79 Zufrieden mit Entscheidungsspielraum .5910
38 Alle notwendigen Informationen stehen zur Verfügung .5452
27 Wöchentliche Arbeitszeit mehr als 48 Stunden .4699
88 Zufrieden mit Mitbestimmungsmöglichkeit .3259
80 Zufrieden mit den Möglichkeiten, vorwärts zu kommen .3091
9 Besuch von Fortbildungsveranstaltungen -.2959
36 Arbeit in Gruppen -.2892
40 Konkurrenz am Arbeitsplatz -.2765
|A 118|
[V44:346] 6. Im Vergleich zu den beiden zuvor diskutierten bereitet der Faktor VII für die Interpretation Schwierigkeiten. Einerseits liegen die Ladungen erheblich niedriger, was bedeutet, daß die hier versammelten Merkmale bedeutend schwächer miteinander korrelativ verbunden sind. Andererseits mischen sich eher
institutionelle
mit eher
instrumentellen
Aspekten der Arbeitssituation. Ins Auge springend sind allein die durchweg negativen Ladungen; d.h. daß es sich um den einzigen von uns eindeutig ermittelten
Unzufriedenheits-Faktor
handelt. Bei flüchtiger Betrachtung könnte man versucht sein, hier ein der Arbeitssituation des Lohnarbeiters realistisch angepaßtes Syndrom zu konstatieren, wird doch die Reihe der Merkmale durch die Unzufriedenheit mit den Möglichkeiten, vorwärts zu kommen, angeführt, gleich gefolgt von der als schlecht empfundenen Bewertung der eigenen Arbeit. Eine solche Interpretation wäre jedoch voreilig. Das Merkmal der Stratum-Zugehörigkeit nämlich hängt nur äußerst schwach mit den anderen Merkmalen zusammen. Möglich wäre, daß es sich hier um einen, durch die Anlage unserer Untersuchung nur nicht hinreichend erfaßten, politischen Einstellungsfaktor handelt. Mit einiger Sicherheit läßt sich jedoch nur behaupten, daß die hier miteinander verbundenen Merkmale vornehmlich auf die restriktiven Bestandteile der Arbeitssituation verweisen und eine nahezu völlig fehlende Identfikation sowohl mit dem Arbeitsinhalt wie auch mit dem institutionellen Rahmen der Arbeitssituation anzeigen.
|A 119|
[V44:347]
Tabelle 27: Faktor VII
Merkmal Ladungshöhe
80 Zufrieden mit den Möglichkeiten vorwärts zu kommen -.5830
78 Zufrieden mit der Bewertung der Arbeit -.5763
49 In die Zukunft planen zu können ist für den Arbeitsplatz wichtig .-4883
84 Zufrieden mit dem Arbeitsklima -.4717
72 Der Meinung, daß die Bezahlung leistungsgerecht ist -.4684
56 Langjährige Erfahrung zu haben ist für den Arbeitsplatz wichtig -.4430
66 Die Aufstiegschancen werden als gut eingeschätzt -.4236
40 Konkurrenz am Arbeitsplatz -.4203
41 Gegenseitige Unterstützung am Arbeitsplatz -.4178
88 Zufrieden mit Mitbestimmungsmöglichkeiten -.3839
52 Schwere körperliche Arbeit verrichten zu können ist für den Arbeitsplatz wichtig -.3482
74 Zufrieden mit den Vorgesetzten -.3242
37 Tätigkeit wird als eher leitend eingeschätzt -.3061
58 Gutes fachliches Können zu besitzen ist für den Arbeitsplatz wichtig -.2703
12 Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft .2424
|A 120|
[V44:348] Damit haben wir die Analyse der Arbeitsplatzsituation der Familienväter unserer Stichprobe abgeschlossen. Es ist nun weiter zu prüfen, ob die von uns gefundenen Zusammenhänge sich auf die Kommunikationspraxis der Familien beziehen lassen. Im Sinne der Haupt-Hypothese dieser Untersuchung müßte das möglich sein; d.h. es müßten sich gerade die für die Arbeitssituation ermittelten typischen Merkmal-Kombinationen als
unabhängige Variable
für die einzelnen Dimensionen der familialen Kommunikation erweisen.

4. Stratum, Arbeitssituation und Familienkommunikation

[V44:349] Bei der Beschreibung und Deutung korrelativer Beziehungen zwischen Dimensionen familialer Kommunikation einerseits sowie Stratum und Arbeitsplatzbedingungen des Familienernährers andererseits wollen wir als Ausgangspunkt für die Betrachtung die im vierten Kapitel untersuchten Frage- bzw. Variablenkomplexe nehmen. Im einzelnen soll der Frage nachgegangen werden, ob und welche Zusammenhänge zwischen den Merkmalen der Arbeitssituation, Zugehörigkeit zum oberen oder unteren Stratum und den Kommunikationsdimensionen bestehen. Dabei wollen wir uns nur auf signifikante Korrelationskoeffizienten stützen. D.h. wir beschränken uns auf solche korrelativen Beziehungen, deren Koeffizienten mindestens einen Wert von .23 (5 % Signifikanzniveau) aufweisen bzw. darüber hinausgehen. Unter .23 liegende Ausprägungen sollen allenfalls zur Unterstützung interpretativer Versuche oder als richtungsweisende Anhaltspunkte herangezogen werden.

4.1. Soziale Position und Familienkommunikation

[V44:350] Zunächst wollen wir mögliche Zusammenhänge zwischen den unter dem Variablenkomplex
Soziale Position
gefaßten Items und den Kommunikationsdimensionen untersuchen. Obwohl, wie im vorangegangenen Kapitel gezeigt, die korrelativen Beziehungen zwischen den Daten der sozialen Position die Annahme der Datenstruktur bestätigen, lassen sich augenscheinlich kaum |A 121|interpretierfähige Korrelationen mit Kommunikationsvariablen sichten.
[V44:351]
Tabelle 28 Korrelationsmatrix Soziale Position – Kommunikationsdimension
Kompl. Rezipr. V.-Dom. M.-Dom. Konfl. Probl.
Fb. DD. Fb. DD. Fb. DD. Fb. DD. Fb. DD. Fb. DD.
71 72 73 74 76 78 75 77 79 80 81 82
Fam.eink. .07 .07 .06 -.07 -.02 .04 -.01 -.04 .11 .07 .07 -.01
Stratum (M1) -.19 .-18 -.16 -.17 -.05 -.08 .06 .18 -.03 .07 -.08 -.03
Berufsqualifizierend. Abschluß (M4) .14 .17 .03 .06 -.08 -.00 -.02 -.11 .07 .11 .06 -.04
[V44:352] Wir teilen diese Daten dennoch mit, da der Befund überraschend genug ist. In der Anlage der Untersuchung gingen wir durch die Halbierung der Stichprobe in untere und obere Positionsinhaber innerhalb der Betriebshierarchie davon aus, daß gerade diese Unterscheidung einen relativ großen Varianz-Anteil der Kommunikationsdimension aufklären würde. Das ist nicht der Fall, denn keiner der Koeffizienten erreicht auch nur das 5 %-Signifikanz-Niveau. Das mag daran liegen, daß die Merkmale, nach denen wir die beiden Stichproben-Hälften ausgelesen haben, doch nicht deutlich genug die beiden Gruppen voneinander schieden. Wie wir später noch sehen werden, hat jedoch diese Annahme nicht viel für sich. Wahrscheinlich ist, daß für unser Kriterium (Familienkommunikation) der soziale Status wenig ausschlaggebend ist. Die fast bei Null liegenden Korrelationen mit dem Familien-Einkommen unterstützen diese Annahme, desgleichen der fehlende Zusammenhang mit dem status-relevanten Merkmal des berufsqualifizierenden Ausbildungsabschlusses.
|A 122|
[V44:353] Im Hinblick auf die Komplexität und Reziprozität der Kommunikation deutet sich jedoch eine Abhängigkeit von den Statusmerkmalen leicht an, ebenso bei dem familialen Struktur-Merkmal
Mutter-Dominanz
, und zwar bezogen auf die Dissens-Diskussion, d.h. denjenigen Teil der Interviewprotokolle, in dem es um die Erörterung von Erziehungsfragen geht. Tatsächlich handelt es sich um diejenigen Variablen, deren Varianz durch unsere Untersuchungsanordnung noch am ehesten aufgeklärt werden konnte, freilich in einem anderen als in unserer Grundhypothese angenommenen Sinn.

4.2. Entscheidungsspielraum am Arbeitsplatz und Familienkommunikation

[V44:354] Merkmale, die wir unter dem Variablenkomplex
Entscheidungsspielraum
zusammengefaßt haben, geben zum einen Aufschluß über
autonome Arbeitsplatzbedingungen
und beschreiben zum anderen Momente der
Unterordnung und Kontrolle
, außerdem die vier Tätigkeitsformen nach Kohn. Schließlich kontrollieren wir hier auch, wie weit der Unterschied zwischen den beiden Untersuchungsorten sich an den Merkmalen ausprägt. Ausgehend von dieser groben Klassifizierung lassen einige Merkmale aussagekräftige Korrelationen mit Dimensionen familialer Kommunikation erkennen:
|A 122-124|
[V44:355]
Tabelle 29: Korrelationsmatrix Entscheidungsspielraum am Arbeitsplatz – Familieneinkommen
71 72 73 74 76 78 75 77 79 80 81 82
Verlassen d. Arb.pl. möglich (M 10) .11 .05 .06 -.00 -.07 .08 -.05 -.15 -.03 -.10 -.01 -.03
Möglichk. d. Bestimm. einzelner Arb.abschn. (M 11) .11 .04 .12 -.01 -.02 .07 -.14 -.24 .02 -.04 -.05 .00
Eigene Festleg. d. Geschw. eines Arb.ganges (M 12) .11 .04 .12 -.01 .07 .08 -.14 -.27 -.00 -.20 .14 -.13
selbst. Arbeitseinteil. (M 15) .09 .05 .02 .07 .08 .06 -.17 -.30 -.18 -.29 -.10 -.16
Genaue Einhaltung d. Arb.zeit (M 8) -.15 -.07 -.13 -.07 -.03 -.01 -.05 .04 -.11 -.02 -.22 -.09
Arb.zeitkontrolle d. Stechuhr (M 9) -.20 -.14 -.20 -.09 -.20 -.13 -.10 -.02 -.17 -.09 -.19 -.11
Arb.zuteilung (M 14) .29 .24 .11 .14 .04 .05 -.04 -.10 .03 -.04 .06 .06
Einsch. d. Tätigk. als eher leitend (M 17) .20 .14 .13 .08 .08 .14 -.03 -.16 .12 .01 .14 .02
Untergeb.haben (M 42) .23 .18 .12 .12 .14 .20 -.07 -.23 .09 -.06 .16 .06
Einsch. d. eigen. Autonomie (M 44) .03 .01 -.02 -.10 -.16 -.08 -.03 -.09 -.03 -.17 .05 -.07
Untersuch.ort (M 3) -.22 -.25 -.36 -.22 -.30 -.17 -.16 -.19 -.33 -.29 -.36 -.31
Vorwieg. Umgang m. Pers. (M 46) .13 .18 .11 -.01 .28 .25 -.08 -.08 .30 .32 .22 .14
Vorwieg. Verarb. v. Material (M 47) -.16 -.13 -.16 -.13 -.24 -.22 -.03 .06 -.18 -.12 -.15 -.11
Vorwieg. Büroarb. (M 48) -.06 -.22 -.10 -.13 -.04 -.04 -.00 -.19 -.12 -.27 -.11 -.25
Vorwieg. Entwickl. v. Ideen (M 49) .07 .09 .00 .10 .10 .09 -.07 -.08 -.05 -.06 -.01 .01
[V44:356] Wir hatten bei der Diskussion der Korrelationen mit den Merkmalen sozialer Position festgestellt, daß ein Einfluß auf die Familienkommunikation nicht nachweisbar ist. Danach wäre zu erwarten, daß auch andere zwischen Status- und Einkommenshöhe in der Regel diskriminierende Merkmale wenig oder nichts von der uns interessierenden Varianz aufklären. Das ist nun allerdings nicht ganz der Fall. Das Merkmal
Untergebene haben
beispielsweise erreicht in seinen Korrelationen wenigstens gerade eben die 5 %-Signifikanz-Grenze, und zwar in Beziehung zu
Komplexität
und
Mutter-Dominanz
; eine ähnliche Tendenz zeigt sich, wenn die eigene Tätigkeit eher als leitend eingeschätzt wird, wenngleich in noch schwächerer Ausprägung. Aufs Ganze gesehen ist jedoch eine Regelmäßigkeit nicht nachzuweisen; vielmehr bestätigt sich eher die oben bereits geäußerte Vermutung, daß der Komplex von status-spezifischen Variablen ohne systematischen Einfluß auf die Dimensionen familialer Kommunikation bleibt.
[V44:357] Wenn also auch im Ganzen die Annahme, daß der Entscheidungsspielraum am Arbeitsplatz mit der Art der Familienkommunikation zusammenhänge, womöglich diese sogar direkt beeinflusse, durch unsere Daten kaum gestützt werden kann, sollen doch einige Zusammenhänge wenigstens noch erwähnt werden: je qualifizierter und
ranghöher
in der Betriebshierarchie ein Arbeitsplatz ist, umso wahrscheinlicher ist es auch, daß die Kommunikation der |A 125|Ehepartner eher als
komplex
eingeschätzt wurde (vgl. die Variablen 29, 34, 37 und 63); außerdem scheint das
Durchsetzungsvermögen
der Mütter in der Familienkommunikation (also Mutter-Dominanz) umso größer zu sein, je weniger Dispositionsspielraum der Ehemann am Arbeitsplatz hat (obwohl nur wenige Werte signifikant sind – 31, 32, 35 – ist auffallend, daß jedenfalls nahezu alle Koeffizienten negativ sind). Diese Feststellung, so schwach sie auch belegt sein mag, ist uns wichtig, weil wenigstens für unser Untersuchungsobjekt die Meinung, Arbeiterväter behaupteten in der Regel in der Familie die dominante Position, nicht gestützt werden kann.
[V44:358] Schon gar nicht läßt sich nach diesen Befunden die Meinung vertreten, daß restriktive Arbeitsbedingungen gleichsam mit Notwendigkeit auch restriktive Formen der Kommunikation in der Familie – etwa nach dem Muster des Frustrations-Aggressions-Theorems – nach sich ziehen müßten. Eine solche Verknüpfung
materieller Bedingungen
mit den Merkmalen des pädagogischen Milieus der Familie erscheint nun doch als zu naiv. Das scheint jedoch weniger für solche Arbeitsplatzmerkmale zu gelten, die schon gleichsam größere Chancen für persönliche Interaktionen enthalten. Die Vermutung, daß die Bedingungen der Arbeitssituation auch für das innerfamiliale Geschehen folgenreich sind, muß also nicht vollends aufgegeben werden. Dafür gibt uns auch die in den signifikanten Werten mit weitem Abstand rangierende Variable
Untersuchungsort
einen Anhaltspunkt; auf dem 1 %-Niveau signifikant sind die Korrelationen mit Komplexität (DD), Reziprozität (DD), Vater-Dominanz (Fb), Konfliktgehalt und Problematisierung; die Differenz zwischen den Orten ist zugleich die Differenz zwischen den Arbeitnehmern öffentlicher Dienstleistungsbetriebe und einem produzierenden Großbetrieb. Die Vermutung liegt nahe, daß die mit dem Arbeitsplatz verknüpfte sozio-kulturelle Gesamtsituation für Veränderungen in der Familienkommunikation verantwortlich ist. Wie weit in diesem Komplex dennoch einzelne Variablen besonders bedeutsam werden, soll im Folgenden noch geprüft werden.
|A 126|

4.3 Belastung und Zufriedenheit am Arbeitsplatz

[V44:359] Bei einer Faktorenanalyse der Beziehungen zwischen den Variablen des Arbeitsplatzes hat sich gezeigt, daß kein Faktor zu finden war, auf den sich die verschiedenen von uns erhobenen Aspekte der Belastung durch den Arbeitsplatz (nervliche Anspannung, körperliche Arbeit, Schichtarbeit, überlange Arbeitszeit usw.) mit signifikanten Ladungshöhen versammelten. Das bestätigt unsere Vermutung, daß nicht schlechterdings eine lineare Abhängigkeit der Familienkommunikation von mehr oder weniger restriktiven Arbeitsbedingungen angenommen werden kann. Die Belastungs-Variablen verteilen sich nämlich auf verschiedene Faktoren und verschwinden in der Over-All-Analyse, d.h. einer Faktoren-Analyse, die sich sowohl über die Arbeitsmerkmale wie auch über die Kommunikations-Dimensionen erstreckt, fast ganz. Obwohl sich also die Belastungsvariablen in der Faktor-Struktur nicht eindeutig lokalisieren lassen, wollen wir hier doch einen korrelativen Zusammenhang, und zwar den zwischen Arbeitszeit und Kommunikation, diskutieren.
Tabelle 30: Belastung am Arbeitsplatz und Kommunikations-Dimensionen
71 72 73 74 76 78 75 77 79 80 81 82
Arbeitszeittyp (M 6) -.18 -.13 -.15 -.08 -.17 -.25 .15 .26 -.01 .01 -.18 -.04
Wöchent. Arb.zeit> über 48 Std. (M 7) -.09 -.03 -.13 -.13 .11 .05 -.16 -.15 -.07 -.25 -.06 -.21
Ein Einfluß belastender Arbeitsbedingungen auf die familiale Kommunikation darf hier insofern vermutet werden, als der Arbeitszeittyp
Nachtschicht
oder auch
wechselnde Schicht
deutlich einen Zusammenhang mit
Mutter-Dominanz
im Dissens-Teil bei gleichzeitig niedriger Vater-Dominanz aufweist.
|A 127|
[V44:360] Zur Bekräftigung dieser These können die – zwar schwachen – Koeffizienten des Arbeitszeittyps mit den Dimensionen Mutter-Dominanz und Vater-Dominanz im Biographieteil herangezogen werden. Auch scheint eine
wöchentliche Arbeitszeit
, die 48 Stunden übersteigt, eine Vermeidung von Konflikten und Auseinandersetzungen insbesondere mit Fragen der Kindererziehung zwischen den Ehepartnern zur Folge zu haben. Wahrscheinlich liegt hier ein bestimmter Kommunikationstyp der
Unterschichtfamilie
vor. Die dominierende Stellung der Mutter in der Familie hängt wohl mit der durch die Arbeitszeit bedingten häufigen Abwesenheit des Familienernährers zusammen. Während der Mann arbeiten geht, um die materielle Existenz der Familie abzusichern, verbleiben der Frau Haushalt und Kindererziehung. Der Mann scheint weitgehend (vgl. Korrelation des M 27 mit Konfliktgehalt) ihre Kompetenz im Haushalt und in Fragen der Kindererziehung zu akzeptieren. Ebenso regen sich scheinbar keine Widerstände gegen die bestehende Rollenverteilung in der Familie seitens der Frau. Der Ausschluß von Konfliktgehalt in der Familienkommunikation läßt eine relativ übereinstimmende Definition ihrer sozialen Situation – wie sie meist in traditionellen Arbeiterfamilien vorzufinden sind – vermuten.
[V44:361] Aus dem Komplex der direkten Belastungsmerkmale ragt also einzig die Schichtarbeit deutlich hervor, ein Ergebnis, das vielleicht auch ohne statistische Prüfung plausibel gemacht werden könnte: Schichtarbeit bedeutet in jedem Fall einen gravierenden Eingriff in die Organisation des Familienalltags; entsprechende Folgen für Struktur (z.B. Rollendefinitionen) und Prozeß (z.B. Interaktion) liegen
auf der Hand
. Daß jedoch auch bei einer solchen Interpretation Vorsicht geboten ist, zeigt die geringe Höhe der Korrelation: sie klärt maximal 6,3 % der Varianz auf (für die Beziehung zwischen Schichtarbeit und Mutter-Dominanz)! Aber auch, wenn wir
indirekte
Belastungsmerkmale heranziehen, ändert sich das Bild nicht. Zum einen verteilen sich die entsprechenden Variablen – wenn wir in diesem Sinne einmal alle
Unzufriedenheit
-Items zusammen|A 128|fassen – nach unserer Faktoren-Analyse auf drei Faktoren; andererseits finden wir unter denjenigen Arbeitsplatzmerkmalen, die innerhalb eines Faktors relativ gut platziert sind (signifikant sind und große Ladungshöhen haben) nur verschwindend wenige, für die zugleich eine signifikante Korrelation mit einer Kommunikations-Dimension nachgewiesen werden konnte. Die folgende Tabelle drückt diesen Sachverhalt aus:
Tabelle 31: Korrelationsmatrix Zufriedenheit – Kommunikations-Dimension
71 72 73 74 76 78 75 77 79 80 81 82
Zufrieden m. Aufst.chancen; Ladungshöhe in Fakt. IX: -0,42 .20 .00 .11 .00 .24 .24 .03 -.11 .15 .05 .15 .00
Zufrieden damit, wie interessant d. Arbeit ist; Ladungshöhe in Fakt. VI: 0.71 .14 .12 .09 .04 .16 .27 .05 -.17 .14 -.08 -.11 -.07
Zufrieden m. Entscheidungsspielraum; Lad.höhe in Fakt. IX: -.025 .32 .24 .23 .09 .14 .14 .31 .14 .35 .20 .32 .21
Zufrieden m. Arbeitsplatzumg.; Ladungshöhe in Fakt. II: 0.71 .03 -.15 .03 -.07 .12 .16 -.12 -.24 -.07 -.18 -.07 -.20
|A 129|Die Daten der Tabelle veranschaulichen das Dilemma, in dem wir uns befinden. Der Hypothese folgend, daß die Arbeitssituation des Familienernährers sich auf die Art des Umgangs der Familienmitglieder (Familienkommunikation) in den von uns definierten Dimensionen auswirkt, haben wir zunächst die Beziehungen zwischen den Variablen des Arbeitsplatzes bzw. der Wahrnehmung desselben untersucht; sowohl auf der Ebene der Korrelationen wie auch auf der Ebene der Faktoren-Analyse ergab sich eine bestimmte Struktur, die als Faktorstruktur statistisch zu sichern war. Nun aber zeigt sich, daß diese für die Arbeitssituation unserer Stichprobe als gültig anzunehmende Struktur im Hinblick auf die familiale Kommunikation relativ irrelevant bleibt: die Varianz, die jeweils von den Faktor-spezifischen Variablen aufgeklärt wird, ist minimal.

4.4. Besondere berufliche Anforderungen des Arbeitsplatzes

[V44:362] Was hier unter dem Namen
berufliche Anforderungen
zusammengefaßt ist, ist nicht leicht zu interpretieren, zumindest ist die Bezeichnung mißverständlich. Die Namengebung scheint zu suggerieren, daß es sich um Anforderungen handelt, die von den Arbeitsvollzügen oder von den Repräsentanten der Arbeits-Institution als Erwartungen an den Arbeitnehmer gerichtet sind. Das kann aber – nach der Art des Items – nicht der Fall sein. Vielmehr handelt es sich um Annahmen, die der Inhaber eines Arbeitsplatzes im Hinblick auf die an ihn gerichteten Erwartungen hegt; er ist der Meinung, daß eine bestimmte Fähigkeit für seinen Arbeitsplatz mehr oder weniger wichtig ist. Das Subjekt solcher Erwartungen bleibt dabei durchaus unbestimmt. Auf jeden Fall aber repräsentieren die Antworten die subjektive Einschätzung der für seinen Arbeitsplatz erforderlichen Fähigkeiten. Sofern sich also ausgeprägte Zusammenhänge finden lassen, dokumentieren sie also eine systematische Variation zwischen sozialer Wahrnehmung und der Kommunikation in der Familie. In dieser Wahrnehmung mag durchaus
objektiv |A 130|Richtiges
enthalten ein. Es fällt schwer, sich vorzustellen, daß zwischen der Einschätzung der für einen Arbeitsplatz wichtigen Fähigkeiten durch den Inhaber dieser Position und den von den Arbeitsfunktionen bzw. -Inhalten her notwendigen Diskontinuität herrschen sollte. Im vorliegenden Fall können wir indessen diese Beziehung nicht kontrollieren. Unter diesem Vorbehalt müssen wir die Daten der Tabelle 32 diskutieren.
[V44:363] Betrachten wir zunächst die unabhängigen Variablen auf die Breite ihrer vermuteten Auswirkung hin – immer vorausgesetzt, daß die Richtung der Verursachung tatsächlich so verläuft – dann fällt die besondere Bedeutung der Fähigkeit,
sich klar und deutlich ausdrücken zu können
auf. Mit Ausnahme der Vater-Dominanz erzielt sie in jeder Kommunikations-Dimension mindestens einen signifikanten Wert (auf dem 5 %-Niveau). Allerdings ist ein Zusammenhang im familienbiographischen Teil des Interviews durchweg dichter. Für die Interpretation dieses Befundes ist es wichtig, daß diese Variable in keiner der ermittelten Faktorstrukturen auftaucht, d.h. also von uns nicht als arbeitsplatz-spezifisch interpretiert werden darf. Sie kann also nicht zur Stützung unserer allgemeinen Hypothese herangezogen werden. Die Vermutung liegt nahe, daß es sich um die
Projektion
einer allgemeinen Verhaltensqualität, für die der Befragte situationsunabhängige Geltung beansprucht, auf die Situation am Arbeitsplatz handelt. Deshalb auch ist die Beziehung zu der Art des familialen Kommunizierens so dicht. Bei dieser Annahme unterstellen wir also das Vorhandensein eines Faktors, der nicht Gegenstand der Materialerhebung war, also nur erwägungsweise angesprochen werden soll. Die zur Diskussion stehende Variable wäre dann allerdings als abhängige bestimmt, möglicherweise sogar abhängig von der Art der familialen Kommunikation. Daß eine solche Vermutung eines Bedingungsgefüges von allgemeinen (evtl. subkulturellen) normativen Erwartungen, die auf die Arbeitssituation nur angewandt werden, nicht aber |A 131|dort entstehen, nicht ganz abwegig ist, wird leicht dadurch bestärkt, daß auch die Merkmale
einen guten Eindruck machen
und
genau und gewissenhaft arbeiten
eine ähnliche Tendenz haben. Da jedoch die Richtung der Korrelationen in den letzten beiden Fällen sich umkehrt (negativ), wäre anzunehmen, daß es sich dabei um ein zwar ebenso normatives aber anders strukturiertes kulturelles Orientierungsmuster handelt; die Inhalte der Items lassen das jedenfalls plausibel erscheinen.
[V44:364] Von diesen Variablen unterscheiden sich jene, die offenbar tatsächliche Anforderungen des Arbeitsplatzes deutlicher enthalten. So liegen z.B. für das Merkmal
schwere körperliche Arbeit verrichten
keine Korrelationen mit dem Ausprägungsgrad von Komplexität und Reziprozität vor. Dagegen ist der Zusammenhang mit Mutter-Dominanz beträchtlich. Diese Beobachtung ist aus zwei Gründen interessant: es zeigte sich schon an früherer Stelle unserer Analyse, daß eindeutig restriktive Arbeitsbedingungen mit großer Wahrscheinlichkeit sich mit einer dominanten Position der Mutter – jedenfalls in der Dissens-Diskussion – verbinden; andererseits können wir auch aus diesem Datum folgern, daß es sich mindestens bei
Mutter-Dominanz
um ein familiales Struktur-Merkmal handelt, das anders variiert, als die im engen Sinne kommunikativen Qualitäten der Familie.
|A 131-133|
[V44:365]
Tabelle 32: Korrelationsmatrix Berufliche Anforderungen – Kommunikations-Dimensionen
71 72 73 74 76 78 75 77 79 80 81 82
Fähigk., einen guten Eindruck zu machen ist sehr wichtig (23) -.26 -.36 -.29 -.32 -.06 -.04 -.18 -.10 -.19 -.10 -.18 -.22
Fähigk., ein gutes Gedächtn. zu haben (M 24)
Lad.: -0.55
-.18 -.07 -.22 -.14 .00 -.06 -.09 -.01 -.14 -.05 -.27 -.23
Fähigk., viel u. schnell denken zu können (M 25)
Lad.: -0.64
-.13 -.13 -.13 -.06 .03 -.01 -.25 -.22 -.16 -.24 -.22 -.29
Fähigk., schwere körperl. Arbeit verricht. zu können (M 31) .04 .07 .03 -.03 .04 -.03 .21 .35 .13 .06 .07 .04
Fähigk., genau u. gewissenhaft zu arbeiten (M 32) -.21 -.16 -.21 -.25 -.15 .00 -.11 -.06 -.00 .13 -.13 -.07
Fähigk., sich klar u. deutl. ausdrücken zu können (M 33)
Lad.: -0.34
.35 .29 .27 .25 .13 .00 .37 .32 .26 .13 .23 .07
Fähigk., langj. Erfahr. zu haben (M 35) -.22 -.25 -.23 -.32 .06 .04 -.09 -.14 .08 .04 -.00 -.19
Fähigk., neue Wege u. Methoden auszudenken M 27) -.00 .07 -.03 .00 -.00 -.03 -.19 -.26 -.10 -.27 -.12 -.17
Fähigk., eine gute theoretische Ausbild. zu haben (M 38)
Lad.: -0.57
.07 -.05 -.01 -.11 -.02 -.14 .14 .02 .10 -.09 -.04 -.17
Fähigk., hohe nervl. Belast. bei eintöniger Arbeit ertragen zu können (M 39) -.18 -.23 -.11 .05 -.03 -.06 .02 .10 .06 .03 -.10

4.5. Ergebnisse der Faktorenanalyse über Kommunikations-und Arbeitsplatzvariablen

[V44:366] Abschließend wurde eine Faktorenanalyse über 98 Variablen aus den Bereichen der familialen Kommunikation, des Arbeitsplatzes und der inhaltlichen Orientierung in Bezug auf die im Dissens-Interview gestellten Erziehungsfragen durchgeführt. Aus dem Bereich der familialen Kommunikation wurden alle 12 Variablen aus dem Bereich Arbeitsplatz ausgewählt, bezüglich des Nachweises eines Bedingungszusammenhanges zwischen Arbeitsplatzsituation und familialer Kommunikation als besonders relevant angesehene Variablen in die Faktorenanalyse einbezogen. Die Variablen der inhaltlichen Orientierung zu den Erziehungsfragen des Dissens-Interviews wurden im Verlaufe des weiteren Diskussionsprozesses als ein unzulänglicher Versuch erkannt, die inhaltliche Dimension von Kommunikation quantitativ zu erfassen. Diese Variablen erscheinen daher in dieser Veröffentlichung nicht mehr, haben allerdings sicherlich die Ergebnisse der Faktorenanalyse beeinflußt.
[V44:367] Die Zahl der zu extrahierenden Faktoren war für die unrotierte Faktoren-Matrix auf 20, für die rotierte auf 10 festgelegt.
|A 134|
[V44:368] Im folgenden sollen nur die Faktoren analysiert werden, bei denen sich signifikante Ladungshöhen für die Variablen der familialen Kommunikation ergeben haben. Es wäre sinnlos, wenn man alle 10 Faktoren einer genauen Betrachtung unterziehen würde, denn über Zusammenhänge zwischen den Variablen des Arbeitsplatzes gibt die für diesen Bereich allein durchgeführte Faktorenanalyse ein besseres Bild, da dort alle Arbeitsplatzvariablen eingingen. Die Variablen der Erziehungseinstellungen sind ohnehin eliminiert worden.
[V44:369] Um dennoch einen Überblick über die Gewichtigkeit der einzelnen Faktoren gewinnen zu können, sollen die Spaltenquadratsummen, die Anteile an der Gesamtkommunalität, sowie deren Anteil an der Gesamtvarianz aufgeführt werden:
[V44:370]
Tabelle 33:
Faktor Spaltenquadratsumme Anteil in % an der Gesamtkommunalität
1 10.86 21.72
2 7.71 15.41
3 5.45 10.89
4 4.67 9.33
5 3.56 7.11
6 3.66 7.32
7 3.73 7.46
8 3.19 6.38
9 3.63 7.25
10 3.56 7.11
Anteil der Gesamtkommunalität an der Gesamtvarianz: 40,71 %
|A 135|
[V44:371] Aus dieser Aufstellung wird ersichtlich, daß bis auf die ersten 4 Faktoren alle übrigen annähernd gleichgewichtig sind. Dies deutet darauf hin, daß zu wenig Faktoren extrahiert worden sind. Der Anteil der Gesamtkommunalität an der Gesamtvarianz ist relativ gering, es wird durch die Faktoren also nur wenig mehr als ein Drittel der Gesamtvarianz aufgeklärt. Das schränkt natürlich die Aussagefähigkeit der Faktoren erheblich ein. 1)
1)Eine generelle Einschränkung der Ergebnisse dieser Faktorenanalyse ergibt sich daraus, daß der zugrundeliegende Datenkörper nicht einheitlich aus Intervall-, Ordinal- oder Nominalskalen aufgebaut ist. Für die Korrelationsmatrix wurden Maßkorrelationskoeffizienten errechnet, jedoch haben allein die Daten aus dem Kommunikationsbereich Intervallskalenniveau (das zudem auch nur künstlich geschaffen wurde, indem durch Mittelwertbildung rangskalierter Daten eine Transformation in die Intervallform geschah). Über die Auswirkungen gemischter Daten auf das Ergebnis der Faktorenanalyse ist jedoch nichts genaues bekannt (vgl. K. Überla, 1971/2, S. 303).
[V44:372] Faktor 1:
[V44:373] Für den 1. Faktor können nach D. Child 2)
2)1970, S. 99
Ladungshöhen von 0,262 (5 %) bzw. 0,346 (1 %) als signifikant gelten.
[V44:374] Als einzige Variable aus dem Bereich der familialen Kommunikation weist die Variable Mutter-Dominanz (Dissens-Diskussion) eine signifikante Ladungshöhe auf (-0.28).
[V44:375] Dieser Faktor entspricht fast genau dem Faktor I (Leitungsfunktion) der Faktorenanalyse über Arbeitsplatzmerkmale. Er wird bestimmt durch die Merkmale Stratum (M 1; -0.28) 3)
3)Man muß bei der Interpretation der Faktorenladung die Definition der Alternative des entsprechenden Merkmals beachten. In diesem Fall bedeutet die negative Ladung des Merkmals Stratum, daß die Alternative
oberes Stratum
mit dem Faktor positiv korreliert ist, die Alternative
unteres Stratum
dagegen negativ.
, Einschätzung der Tätigkeit als eher leitend (M 37; 0.82), der Wichtigkeit, neue Methoden und Wege auszudenken (M48; 0.72), der eigenen Einteilung der Arbeit (M 35; 0.71), der hohen |A 136|beruflichen Qualifikationen (M 5; 0,71), der eigenen Festlegung der Geschwindigkeit eines Arbeitsganges (M32; 0,71), der freien bzw. gleitenden Arbeitszeit (M 26; -0,70), das Merkmal, Untergebene zu haben (M 63; 0,67), der Möglichkeit des Verlassens des Arbeitsplatzes (M 30; 0,66), der Zeiteinteilung von Arbeit für andere (M 34; 0,65), der vorwiegenden Entwicklung von Ideen und Konzepten (M 70; 0,63), sowie der Einschätzung, mehr Arbeitsanweisungen zu geben als zu erhalten (M65; 0,61). Der Faktor bezeichnet also einen hohen Dispositionsspielraum, hohe Entscheidungskompetenz, Leitungsfunktion, hohe berufliche Qualifikation und hohe Autonomie am Arbeitsplatz. Dieser Faktor kann also, wie Faktor 1 der Arbeitsplatz-Faktorenanalyse als Faktor der Leitungsfunktion begriffen werden. Daß zu diesem Faktor auch die Zugehörigkeit zum oberen Stratum gehört, bestätigt wiederum die von uns vorgenommene Zuordnung der untersuchten Familien zu den beiden Straten. Daß die Variable Mutter-Dominanz (DD.) auf diesem Faktor signifikant hoch lädt, läßt die Vermutung zu, daß bei Leitungsfunktion des Vaters Mutter-Dominanz tendenziell gering ist und umgekehrt. Dieses Verhältnis scheint insbesondere in Situationen deutlich zu werden, in denen die Auseinandersetzung mit den Perspektiven des anderen (z.B. Dissens-Diskussion) gefordert ist. Über das Zustandekommen dieser Beziehung kann indes keine Aussage gemacht werden, denn sie muß als vermittelt über die Kommunikationsmuster des Mannes gesehen werden. Die Variable Vater-Dominanz zeigt jedoch auf dem Faktor 1 praktisch keine Ladung. Es kann also keine Bedingungskette Leitungsfunktion des Vaters – Dominanz des Vaters – fehlende Dominanz bei der Mutter angenommen werden.
[V44:376] Faktor 2:
[V44:377] Als signifikante Ladungshöhen für den 2. Faktor gelten: 0,263 (5 %) und 0,349 (1 %) 1)
1)Die Tabelle der signifikanten Ladungshöhen bei D. Child gibt nur Werte für Faktorenanalysen über maximal 50 Variablen an. Für 98 Variablen dürften die Werte noch geringfügig niedriger liegen.
|A 137|
[V44:378] Hier sollen alle signifikanten Ladungshöhen (5 %) tabellarisch aufgeführt werden, da dieser Faktor der wichtigste in Bezug auf die Überprüfung der leitenden Fragestellung dieser Untersuchung, nämlich, ob sich ein Bedingungszusammenhang zwischen Merkmalen der familialen Kommunikation und außerfamilialen Bedingungen wie der Arbeitsplatzsituation des Vaters empirisch nachweisen läßt, zu sein scheint.
|A 137-138|
[V44:379]
Tabelle 34: Faktor 2
Merkmal Ladungshöhe
Kompl. Fb. 0,88
Kompl. DD. ,79
Rez. Fb. ,83
Rez. DD. ,76
Dom.-Mu. Fb. ,57
Dom.-Va. Fb. ,49
Dom.-Mu. DD. ,48
Dom.-Va. DD. ,39
Konfl. Fb. ,81
Konfl. DD. ,77
Probl. Fb. ,81
Probl. DD. ,84
Untersuchungsort (A.-Stadt) -,42
Zufriedenheit mit dem Entscheidungsspielraum ,33
Wichtigkeit der Fähigkeit, sich klar und deutlich ausdrücken zu können ,31
Wichtigkeit der Fähigkeit, einen guten Eindruck auf andere zu machen -,28
Arbeitszeitkontrolle durch Stechuhr -,26
Häufigkeit der Änderung des Arbeitsortes im Laufe des Arbeitstages ,26
[V44:380] Dieser Faktor wird fast vollständig durch die Variablen der familialen Kommunikation bestimmt. In den Ladungshöhen der Kommunikationsvariablen läßt sich kaum eine Struktur entdecken, lediglich die Ladungen der Dominanz-Variablen sind etwas niedriger, aber immer noch, insbesondere wenn man die große Zahl der in die Faktorenanalyse eingegangenen Variablen berücksichtigt, hochsignifikant. Die wenigen Arbeitsplatzvariablen, die auf diesem Faktor ebenfalls signifikante Ladungen zeigen, scheinen in keinen sinnvollen Zusammenhang mit dem Bereich der familialen Kommunikation gebracht werden zu können.
[V44:381] Dieser Faktor bestätigt allgemein, was schon bei der Betrachtung der einzelnen korrelativen Beziehungen zwischen den Merkmalen des Arbeitsplatzes und denen der Kommunikation z.T. konstatiert werden mußte: ein Zusammenhang, wie ihn diese Untersuchung unterstellte und empirisch zu erhärten suchte, läßt sich aus den Ergebnissen aus der Faktorenanalyse und damit insgesamt nicht nachweisen. Auf der Ebene der Einzelbeziehungen zwischen Variablen der Kommunikation und der Arbeitsplatzsituation traten noch einige wenige interpretierfähige Ergebnisse auf, auf der Ebene komplexerer struktureller Beziehungen, die mit einer Faktorenanalyse auffindbar gewesen wären, können, wie der Faktor 2 zeigt, keine Ergebnisse im Sinn der Generalhypothese dieser Untersuchung mehr erwartet werden, denn dieser Faktor isoliert die Bereiche der familialen Kommunikation und des Arbeitsplatzes praktisch vollständig voneinander.
[V44:382] Auffallend ist lediglich die hohe (negative) Ladungshöhe der Variablen Untersuchungsort. Dies kann sehr vorsichtig dahingehend interpretiert werden, daß in A.-Stadt allgemein die Ausprägungen in allen Kommunikationsdimensionen geringer waren. Dies könnte wiederum auf eine unterschiedliche Interviewauf|A 139|fassung in den beiden Interviewteilen zurückzuführen sein.
[V44:383] Faktor 7:
[V44:384] Dieser Faktor ist der letzte der 10 Faktoren, bei dem signifikante Ladungshöhen von Variablen der familialen Kommunikation sich finden. Die Signifikanzgrenze liegt für den 7. Faktor bei 0,278 (5 %) und 0,368 (1 %).
[V44:385]
Tabelle 35: Faktor 7
Merkmal Ladungshöhe
Dom.-M. Fb. .63
Dom.-V. Fb. -.55
Dom.-M. DD. .59
Dom.-V. DD. -.65
Zufriedenheit mit den Vorgesetzten .41
Wichtigkeit der Fähigkeit, sich klar und deutlich ausdrücken zu können .41
Länge der Wohndauer bei den Schwiegereltern nach der Heirat .41
Zufriedenheit mit den Möglichkeiten, seine Fähigkeiten voll einsetzen zu können .37
Häufigkeit der Änderung des Arbeitsortes im Laufe des Arbeitstages -.37
Zufriedenheit mit den Arbeitskollegen .28
Möglichkeit, der Unterhaltung mit Kollegen außerhalb der offiziellen Pausen .28
|A 140|
[V44:386] Mit diesem Faktor wird deutlich, daß die Dominanzvariablen einen von den anderen Kommunikationsvariablen deutlich getrennten Bereich familialer Kommunikation abgreifen. Schon in der Faktorenanalyse über die Dimensionen der familialen Kommunikation hatte sich dieses Verhältnis mit dem Faktor II (vom Vater dominiertes, restriktives, nicht-reflexives Kommunikationsmuster) und dem Faktor V (Mutter-bestimmtes Kommunikationsmuster) gezeigt. Auch im Faktor 2 der Faktorenanalyse über Arbeitsplatz und familiale Kommunikation, auf dem alle Variablen der familialen Kommunikation signifikant luden, zeigten die vier Dominanz-Variablen dennoch die geringsten Ladungshöhen.
[V44:387] Zunächst zeigt sich in dem Verhältnis der Variablen Vater- und Mutter-Dominanz das vertraute bipolare Muster. Die signifikant ladenden Variablen des Arbeitsplatzbereichs sind in erster Linie Einstellungsfragen. Ihre Verknüpfung mit dem Ausschluß der Dimension Vater-Dominanz aus der gesamten Kommunikationsstruktur überrascht kaum. Denn in beiden Bereichen läßt sich aus der jeweiligen Merkmalskombination die fehlende Vater-Dominanz als durchgängige Thematisierung erkennen. Betrachten wir die aufgeführten Merkmale aus dem Bereich des Arbeitsplatzes, so stellt sich eine positive Identifikation mit der Berufssituation als Hauptinhalt der Zufriedenheitseinstufungen dar. Dies betrifft einmal die Zufriedenheit mit den Vorgesetzten, zum anderen auch mit den Arbeitskollegen, mit der Möglichkeit die eigenen Fähigkeiten voll einsetzen zu können. Einziges Merkmal inhaltlicher Arbeitsanforderung stellt die Bewertung der Fähigkeit dar, sich klar und deutlich ausdrücken zu können, so daß von den Arbeitsinhalten her kaum Rückschlüsse über den Zusammenhang zwischen Grad der Identifikation mit der Arbeit und den speziellen Arbeitsanforderungen zu treffen sind. Trotz eingeschränkter Mobilität am Arbeitsplatz scheint die von uns konstatierte positive Identifikation mit der Arbeit davon unberührt zu sein.
|A 141|
[V44:388] Wenn wir davon ausgehen können, daß sich in der konfliktverdünnten Arbeitssituation – ersichtlich an den Zufriedenheitseinstufungen – ein Moment gelingender Identifikation mit der Berufstätigkeit zeigt, so erhält dieses
Verträglichkeitssyndrom
seine Unterstützung auch für den Bereich der Familie durch die dort herrschenden Dominanzverhältnisse. Dafür steht vor allem das Fehlen von ausgeprägter Vater-Dominanz. Wir entnehmen daraus zweierlei: einerseits erfaßt die Dimension
Dominanz
offenbar ein familiales Strukturmerkmal, das mit den Kommunikationsweisen in einer Familie keineswegs zwingend verknüpft ist; andererseits stellt sich immer deutlicher heraus, daß kaum sogenannte
objektive
Bedingungen der Arbeitssituation, sondern allenfalls die subjektive Form der Wahrnehmung dieser Bedingungen, Einstellung zur und Identifikation mit der eigenen Arbeit die kommunikativen Dimensionen des familialen Sozialisationsfeldes beeinflussen. Wir wollen dieser Frage noch in einem letzten zusammenfassenden Analyse-Schritt nachgehen.

4.6. Zusammenfassung der Ergebnisse

[V44:389] Im Verlauf unserer Analysen hat sich gezeigt, daß die Beziehungen zwischen den beiden Hauptvariablen unserer Untersuchung, den Arbeitsplatzmerkmalen und den familialen Kommunikationsstrukturen, im strengen Sinne der Hypothese nicht nachweisbar waren. Nimmt man die Arbeitssituation sowohl in ihrer objektiven Struktur, soweit diese durch unsere Form der Datenerhebung überhaupt zu ermitteln war, wie auch in ihrer subjektiven Struktur, d.h. nach Maßgabe der Wahrnehmung der Arbeitsplatzsituation durch die befragten Personen, dann ist ein systematischer und durchgehender Einfluß auf die Familienkommunikation nicht zu beobachten. Etwas anderes ist jedoch zum Vorschein gekommen: für eine ganze Reihe der erhobenen Merkmale der Arbeitssituation zeigen sich Zusammenhänge, zwar nicht mit allen Kommunikationsdimensionen, aber doch mit einigen. Es ist zu vermuten, daß die Familie auf einzelne mit dem Arbeitsplatz zusammenhängende Bedingungen durch|A 142|aus in ihrem kommunikativen Verhalten reagiert, wenn auch nicht in einem systematischen, d.h. das ganze Kommunikations-System beeinflussenden Sinne. Außerdem ist deutlich geworden, daß die subjektive Wahrnehmung und Einschätzung der Arbeitssituation wesentlich bedeutsamer für den uns interessierenden Zusammenhang ist, als die objektiven Merkmale jener Situation. Freilich können wir mit unserer Untersuchungsanlage nicht schlüssig prüfen, ob nicht vielleicht und wieweit die subjektive Wahrnehmung der Arbeitssituation durch andere nicht-subjektive Faktoren erzeugt wird. Jedenfalls scheint sich zunächst wieder einmal das
Thomas-Theorem
zu bestätigen, wonach die Situations-Definition, die ein Subjekt oder eine Gruppe von Subjekten (Familie) vornimmt, nicht weniger real ist, d.h. nicht minder reale Folgen zeitigt, als sogenannte subjektunabhängige soziale Bedingungen.
[V44:390] Um nun aber den substantiellen Kern dessen, was wir an Beziehungen aufklären konnten, deutlich zu machen, sollen abschließend diejenigen Beziehungen noch einmal skizziert werden, die durch unsere Untersuchung als erwiesen gelten können – freilich mit den Einschränkungen, die an der Stichprobendefinition und Methodenwahl ohnehin hängen. Wir tun das mit einem abermaligen statistischen Auswertungsschritt, und zwar greifen wir – nach der zuletzt diskutierten Faktorenanalyse – noch einmal auf die Produkt-Moment-Korrelationen zurück, nun aber mit der Absicht, auch Mehrfach-Korrelationen wenigstens ansatzweise zu erörtern. Es spricht ohnehin einiges dafür, daß ein solches Verfahren sozialwissenschaftlichen Gegenständen angemessener ist als die Faktorenanalyse, da es die Verzweigtheit und Differenziertheit von Kausalverhältnissen im sozialen Bereich eher abbilden kann.
|A 143|
Hier ist ein Schaubild der Dissens-Diskussion mit der Komplexität als abhängige Variable zu sehen.
|A 144|
[V44:391] Der größte Varianzteil konnte für die Kommunikations-Dimension
Komplexität
aufgeklärt werden. Wir illustrieren das im Schema 1. Freilich kann bei 36,2 % keine Rede davon sein, daß die Variation des Kriteriums (Komplexität der Kommunikation) in der Dissens-Diskussion unserer Interviewanordnung zureichend aufgeklärt ist. Deutlich wird aber, daß die mit der Arbeitssituation des Vaters zusammenhängenden Variablen einen beträchtlichen Anteil an der Gesamt-Varianz beanspruchen können, und zwar im Sinne einer Korrelation von r = .6.
[V44:392] Das vorliegende Schema enthält drei Analyse-Schritte. Zunächst wurden alle Variablen ermittelt, die mit dem Kriterium signifikant (0,05) bzw. hochsignifikant (0,01) korrelieren. Da eine Addition der von den einzelnen Variablen aufgeklärten Varianzen nur möglich ist, wenn diese untereinander nicht korrelieren, wurde für solche Variablen, für die das nicht zutrifft, durch eine Mehrfach-Korrelations-Berechnung der gemeinsame Varianz-Anteil ermittelt. 1)
1)Nach der Formel \text{ Formel }R^2_{ k \text{ }12 }= \frac{ ^{ r2 } k1 + \text{ }^{ r2 } k2 - 2 \text{ }^{ r } k1 \text{ }^{ r } k2 \text{ }^{ r } 12 }{ 1 - r_{ 1 } \text{ }^{ 2 }_{ 2 } } (Vgl. J.P. Guilford, Fundamental Statistics, N.Y. 1956). K=Kriterium bzw. abhängige Variable, 1 bzw. 2 – unabhängige bzw. miteinander nicht korrelierende Variable.
Im Schema 1 betrifft das die beiden Variablen
sich klar und deutlich ausdrücken können
und
mit dem Entscheidungsspielraum zufrieden
. Beide zusammen klären 11,1 % der Varianz des Kriteriums auf. In einem dritten Schritt nun wurden solche Variablen ermittelt, für die vermutet werden kann, daß sie als
Suppressor-Variablen
fungieren, d.h. das Gewicht der unmittelbar mit dem Kriterium korrelierenden Variable unterstützen. Zu diesem Zweck wurden – ohne die Annahme selbst noch einmal statistisch zu prüfen – Variablen ermittelt, die mit den unabhängigen Variablen hoch, mit dem Kriterium dagegen nicht korrelieren. In unserem Schema sind das die in der jeweils obersten Zeile aufgeführten und |A 145|mit den unabhängigen Variablen durch gestrichelte Linien verbundenen Merkmale:
zufrieden mit dem Arbeitsklima
,
schnell reagieren können
und
mit der Arbeitszeit zufrieden
(r = Korrelation mit der unabhängigen Variable; rₖ = Korrelation mit dem Kriterium). Diese Zusammenhänge können in unserem Fall nur hypothetisch unterstellt werden. Wir erhalten auf diese Weise eine
Struktur
miteinander verbundener Variablen, die an der Aufklärung der Komplexität familialer Kommunikation beteiligt ist.
[V44:393] Daß der aufgeklärte Varianzanteil bei der Komplexität der Familien-Kommunikation am größten ist, und zwar in dem ausdrücklich erziehungsbezogenen Teil des Interviews (DD.) erscheint uns insofern interessant, weil es sich hier um die am ehesten bildungsrelevante Variable handelt. Mit
Komplexität
wurde ja nicht nur die Vielfalt kommunikativer Akte und damit der Variationsrichtung des Interaktionsstils gemessen, sondern auch die Vielfalt von Themen, die in die Interaktion aufgenommen wurden. Es besteht deshalb Grund zu der Vermutung, daß mit
Komplexität
ein Aspekt des kognitiven Anregungspotentials erfaßt wurde, das die Eltern dem Kind präsentieren. Dies Anregungspotential – so scheint uns – ist in starkem Maße abhängig von der Bewertung der normativen Aspekte des Arbeitsplatzes. In dem ganzen Variablen-Cluster fehlen völlig solche Merkmale, die eindeutig als objektiv gegebene Bestandteile der Arbeitssituation angesehen werden können.
[V44:394] Ähnlich liegen die Verhältnisse bei der Variable
Reziprozität
(Schema 2). Die eindeutig subjektiv-normative Variable
einen guten Eindruck machen
(als für den Arbeitsplatz für wichtig gehaltene Anforderung) ist hier sogar mit noch |A 146|
Hier ist ein Schaubild der Dissens-Diskussion mit der Reziprozität als abhängige Variable zu sehen.
|A 147|größerem Nachdruck vertreten. Die bei der Aufklärung von Komplexität gefundene Abhängigkeit von der Anforderung
sich klar und deutlich ausdrücken zu können
, die gewiß einen kognitiven Bestandteil hat, tritt jedoch hier stark zurück zugunsten der Kombination von langjähriger Erfahrung mit Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit in der Arbeit. D.h. der normative Aspekt im Sinne nicht-instrumenteller Arbeitstugenden kommt stärker ins Spiel.
[V44:395] Ein ganz anderes Bild von der Variablen-Struktur vermittelt Schema 3, in dem die Dominanz der Mutter als abhängige Variable definiert ist. Auch hier ist der aufgeklärte Varianz-Anteil relativ hoch; allerdings müssen wir selbstkritisch anmerken, daß die Addition der Varianz-Anteile von
schwere körperliche Arbeit verrichten
und
sich klar und deutlich ausdrücken zu können
im strengen Sinne nicht zulässig ist, da die Korrelation zwischen beiden (r = .15) viel zu weit von Null entfernt ist. Die tatsächlich aufgeklärte Varianz liegt deshalb vermutlich nur bei höchstens 30 %. Inhaltlich ist hier ein deutlicher Unterschied zu
Komplexität
und
Reziprozität
zu beobachten: diejenigen Variablen, in denen noch am ehesten objektive Merkmale des Arbeitsplatzes erfaßt worden sind, überwiegen hier. Auch die hypothetisch aufgeführten Suppressor-Variablen bestätigen das in der Tendenz. Was schon in der einfachen Korrelationsanalyse angesprochen wurde, tritt hier recht deutlich hervor: die Dominanz der Mutter im Bereich des Erziehungsgeschehens ist umso ausgeprägter, je stärker die Arbeitssituation des Vaters als
restriktiv
zu bezeichnen ist: zugeteilte Arbeit, vorwiegend manuell und unter körperlich schweren Bedingungen, Abhängigkeit von Vorgesetzten und relativ kurze Kündigungsfristen. Interessant ist, daß dieser sehr deutliche Unterschied im Vergleich mit den anderen Kommunikations-Dimensionen gerade bei jener Variable sich zeigt, die nicht eigentlich ein Merkmal von Interaktions-Verläufen erfaßt, sondern vielmehr ein Struktur-Datum der Familie. Bei der Diskussion |A 148|der Kommunikations-Dimensionen im dritten Kapitel wiesen wir schon darauf hin. Das ist uns ein Beleg dafür, daß es durchaus sinnvoll ist, zwischen
Struktur
- und
Prozeß
-Daten im Sinne von zwei verschiedenen Realitäts-Ebenen zu unterscheiden. In diesem Sinne sei die Vermutung gewagt, daß Struktur-Merkmale der Familie, wie z.B. die Dominanz-Verhältnisse, stärker an die materiell-soziale Situation gebunden sind als diejenigen Merkmale, in denen die Interaktions-Charakteristik sich darstellt; hier schlagen subjektive bzw. psycho-soziale Faktoren wesentlich stärker durch.
|A 149|
Hier ist ein Schaubild der Dissens-Diskussion mit der Mutter-Dominanz als abhängige Variable zu sehen.
|A 150|
[V44:396] Die Variablen-Struktur, die – wenn es erlaubt ist, kausal zu reden – den Konfliktgehalt verursacht, erscheint im Vergleich zu den anderen Kommunikationsdimensionen komplexer und schwerer zu interpretieren (Schema 4 und 5). Zunächst: es handelt sich hier um die einzige Variable, für die sowohl in der Dissens-Diskussion (DD.) als auch in der Erörterung der Familienbiographie (Fb.) ein nennenswerter Anteil der Varianz aufgeklärt werden konnte. Wir können daraus – das gesamte Datenmaterial mit einbeziehend – schließen, daß für das Eltern-Kind-System innerhalb der Familie zwar mit Recht generell davon ausgegangen werden kann, daß mit der Arbeitssituation zusammenhängende Einstellungen, in einigen Fällen auch objektive Merkmale dieser Situation, relevant werden, daß das Gleiche aber für das Ehe-System nicht gilt. Dabei ist zu beachten, daß wir ja in beiden Fällen nur die Kommunikation zwischen den Ehepartnern als Beobachtungsgegenstand hatten. Was zwischen beiden Interview-Situationen variierte, waren nicht etwa die Interaktions-Partner, sondern die Interaktions-Inhalte: im einen Fall die gemeinsame Biographie, im anderen Probleme zwischen Eltern und Kindern. Die Annahme des damit zusammenhängenden Unterschieds in den Abhängigkeiten von arbeitsplatzbezogenen Merkmalen läßt sich jedoch für den Konfliktgehalt nicht eindeutig bestätigen. Die unabhängigen Variablen haben allerdings eine andere Struktur als in den vorgenannten Fällen: eine Mischung aus objektiven Merkmalen der Arbeitssituation mit solchen, in denen ihre kommunikativen Qualitäten eingeschätzt werden.
|A 151|
Hier ist ein Schaubild der Familienbiographie mit dem Konfliktgehalt als abhängige Variable zu sehen.
|A 152|
Hier ist ein Schaubild der Dissens-Diskussion mit dem Konfliktgehalt als abhängige Variable zu sehen.
|A 153|
[V44:397] Unzufriedenheit mit den kommunikativen Merkmalen des Arbeitsplatzes (mit dem Entscheidungsspielraum bei gleichzeitigem Mangel von Personen-Kontakten und Unzufriedenheit mit Arbeitskollegen) erhöht offenbar den Konfliktgehalt (Fb.) bei Interaktionen mit ehe-relevanter Thematik. Hier zeigt sich indessen, wie problematisch eine kausale Interpretation der Korrelationen ist. Auch die umgekehrte Deutung wäre nach der Datenlage möglich und inhaltlich plausibel: eine konfliktreiche, unbewältigte Ehe-Situation – die ihrerseits wiederum andere systematische Ursachen haben mag – bewirkt entsprechende problematische Kommunikation auch in anderen Handlungsfeldern, also am Arbeitsplatz und in der Beziehung zu den Schwiegereltern (vgl. die Suppressor-Variable). Anders stellt sich das Bild bei Konflikten dar, die thematisch im Erziehungsbereich liegen: hier scheint eine kausale Deutung im Sinne unseres Schemas eher plausibel; außerdem treten die kommunikativen Merkmale stark hinter den eher objektiven zurück. Man könnte auch hier versucht sein, weiter ausgreifende Vermutungen anzustellen, und zwar im Anschluß an unsere Feststellung, daß Strukturmerkmale der Familie eher durch objektive Bedingungen, Interaktionsprozeß-Merkmale eher durch subjektive Bedingungen beeinflußt werden: da auch bei der Aufklärung von Konflikt-Varianz (im Hinblick auf die Erörterung von Erziehungsfragen) objektive Merkmale dominieren, ist anzunehmen, daß der Konfliktgehalt – so wie wir ihn definiert haben – vorwiegend auf Struktur-Probleme der Familie zurückzuführen ist. Diese Annahme wird, wenngleich nicht eindeutig, dadurch gestützt, daß in unserem Material das Struktur-Merkmal
Mutter-Dominanz bei der Erörterung von Erziehungsfragen
mit dem Konfliktgehalt der Kommunikation hochsignifikant (r = .49) korreliert.
[V44:398] Den hypothetischen Charakter solcher Folgerungen müssen wir indessen noch einmal ausdrücklich hervorheben, besonders deshalb, weil in der sogenannten Aufklärung der Konflikt-Varianz ein beträchtlicher Unsicherheitsfaktor steckt: in der Variable |A 154|
Umgang mit Personen
, ebenso im
Untersuchungsort
, ist die schon in früheren Abschnitten diskutierte Verzerrung unserer Stichprobe verborgen: der unverhältnismäßig große Anteil von Busfahrern in einem der beiden Untersuchungsorte.
[V44:399] Wir fassen unsere Ergebnisse noch einmal in der Form knapper Hypothesen zusammen:
  1. 1.
    [V44:400] Objektive Merkmale der Arbeitssituation sind weniger im Bereich familialer Kommunikation folgenreich als vielmehr im Hinblick auf die Familien-Struktur.
  2. 2.
    [V44:401] Im Hinblick auf die familiale Kommunikation, begriffen als Reziprozität, Komplexität und Problematisierung (im letzten Fall allerdings, vermutlich durch nicht gelungene Operationalisierung bedingt, am wenigstens belegt), sind vor allem die Einstellungen zur Arbeit, die Selbsteinschätzung und die Identifikation mit dem Arbeitsplatz bzw. dem Arbeitsinhalt von Bedeutung.
  3. 3.
    [V44:402] Komplexität und Reziprozität variieren vor allem nach Maßgabe der Bewertung normativer Dimensionen des Arbeitsplatzes, also vor allem nicht-instrumenteller, von arbeitsinhaltlichen Qualifikationen unabhängiger Arbeitstugenden.
  4. 4.
    [V44:403] Die Variation des Konfliktgehalts familialer Kommunikation ist offenbar von einer Pluralität von Faktoren abhängig, wobei die erziehungs-relevanten Konflikte eher objektiven, die lediglich ehe-relevanten eher mit als kommunikativ bewerteten Merkmalen der Arbeitssituation variieren.
[V44:404] Das wichtigste Resultat unserer Untersuchung ist jedoch Skepsis: angesichts der Tatsache, daß wir auch im günstigsten Fall nur wenig mehr als ein Drittel der Varianz eines Kriteriums aufklären konnten, scheint uns Skepsis geboten gegenüber Behauptungen, die einen unmittelbaren Zusammenhang von Arbeitsplatzsituation und dem interpersonellen Geschehen in der Familie als plausibel oder gar als gesichert unterstellen. Das bedeutet allerdings nicht, daß kein Zusammenhang bestünde. Will man also – trotz dieser Befunde – an der globalen Hypothese |A 155|festhalten, die Lokalisierung von Individuen oder Gruppen im System gesellschaftlicher Produktion
bedinge
Form und Inhalt der Interaktion solcher Individuen und Gruppen, ist offenbar eine wesentlich differenziertere und präzisere Formulierung der Hypothese vonnöten. Wir hoffen, daß die folgenden Fall-Studien zur Ausarbeitung solcher Differenzierungen dienlich sind, insbesondere auch deshalb, weil die quantitative Analyse uns in der Annahme bestärken konnte, daß die Untersuchung familialer Kommunikation empirisch sinnvoll und für die Aufklärung problematischer Sozialisationsmilieus erfolgreich ist. Vermutlich aber sind noch wesentlich mehr als die im Folgenden vorgelegten Fallstudien nötig, um auch ein für quantitative Analysen befriedigendes Untersuchungskonzept entwickeln zu können.
|A [156]| |A [157]|

Teil II

|A 158|

Einleitung zu den Fall-Studien

[V44:405] Wir können davon ausgehen, daß sich die erzieherische Leistungsfähigkeit einer Familie zusammensetzt aus ihren objektiven Lebensbedingungen und aus den subjektiv von den Familienmitgliedern als relevant erlebten Aspekten dieser Bedingungen, die sich in Form und Inhalt der Familienkommunikation niederschlagen. Dieser – zugegebenermaßen nicht sehr anspruchsvollen – Zweiteilung folgen unsere Studien.
[V44:406] In einem ersten Schritt skizzieren wir die soziale Situation der Familie: soziale Herkunft, Ausbildung, Arbeitsplatz; ferner evtl. Erwerbstätigkeit der Frau, die Wohnungsbedingungen; in einzelnen Fällen schildern wir außerdem einen durchschnittlichen Tagesablauf.
[V44:407] In den sich anschließenden Darstellungsschritten geht es um die Bestimmung des kommunikativen Milieus, wir versuchen mittels einer Interaktionsanalyse des sprachlichen Materials die Bedeutung der kommunikativen Akte für das interpersonale System zu rekonstruieren. Wir ermitteln zunächst den sachlogischen Inhalt1)
1)Dieser Begriff wurde einem unveröffentlichen Manuskript der Forschergruppe Oevermann, Frankfurt 1974 entnommen.
einer Mitteilung, das heißt die Aussage, die im Regelfall aus einer Äußerung herausgelesen wird. Mit Hilfe einer solchen
Paraphrasierung
können wir die Argumentationskette einer Kommunikation feststellen. Dieses Nachvollziehen der inhaltlichen und formalen Dimension der Interaktion ermöglicht außerdem eine Erschließung der Problembereiche, die die Kommunikationspartner selbst als relevant definieren. Zusammengefaßt erhalten wir also Aufschluß über den argumentativen Gesprächsverlauf und damit auch Hinweise auf mögliche Brüche in der Argumentationslogik; weiterhin Problemdefinition, die den Zugang zum Verständnis der aktuellen familialen Interaktionssituation ermöglichen und schließlich Anhaltspunkte für die folgende Analyse.
|A 159|
[V44:408] Diese Anhaltspunkte (in der Regel Konfliktbereiche) sind zunächst nur ein erster Schritt zur Erfassung, Rekonstruktion und Bestimmung des kommunikativen Milieus. Es handelt sich, und das scheint uns wichtig hervorzuheben, um Problemdefinitionen, die nicht den von vornherein gesetzten Erwartungen an den Untersuchungsgegenstand entsprechen, sondern von den Familien selbst vorgenommen und als relevant bezeichnet werden. Doch bleibt dieser Schritt bislang nur eine Summation von Konfliktbereichen, die in je unterschiedlichen Kontexten zum Ausdruck kommen. Nichts ist ausgesagt darüber, wie die Familie bzw. zunächst die Eheleute mit diesen Konflikten umgehen, wie sie bei der Thematisierung dieser verfahren. Dies zu ermitteln, soll das Interesse der nächsten Untersuchungsschritte sein: detaillierte Interpretation einer ausgewählten Interaktionssequenz und zusammenfassende Interpretation unter Verwendung des gesamten Materials des jeweiligen Falles.
[V44:409] Bei der Detail-Interpretation ausgewählter Sequenzen bedienen wir uns eines Schemas, das kurz erläutert werden soll: Wir unterscheiden – neben der Paraphrasierung, bei der die Interaktionsinhalte im Vordergrund stehen – vier Interpretationsebenen: die Rekonstruktion der Sprecher-Intention für möglichst jedes Statement, die Beschreibung der mit bestimmten Interaktionsmitteln (interpersonellen Taktiken) hergestellten Situationsdefinition, die Bestimmung der in die Situation eingehenden Problematisierungen und die Ermittlung des reflexiven Gehaltes einer Rede und Gegenrede. Aus der Schritt-für-Schritt-Interpretation mag deutlich werden, wie weit die von uns verwendeten Kategorien sinnvoll waren.
[V44:410] Da die hier verwendeten Gesichtspunkte mit denen der quantitativen Analyse nicht identisch sind – nur in der Kategorie
Problematisierung
liegt eine Überschneidung vor – schließen wir jeden Fall mit einer zusammenfassenden Beschreibung naoh Maßgabe der Kommunikationsdimensionen ab und vergleichen den Fall jeweils mit den Mittelwerten der zugehörigen Subgruppe unserer Stichprobe.
[V44:411] Bei der Auswahl der Fälle haben wir uns für Familien mit erwerbstätigen Müttern entschieden. Die Erwerbstätigkeit |A 160|der Ehefrau scheint insofern ein bedeutsames Kriterium für die Auswahl der einzelnen Fälle zu sein, als in einschlägiger Literatur der Einfluß der Berufstätigkeit der Mutter auf die innerfamilialen Beziehungen hervorgehoben wird, sich jedoch in unserer quantitativen Analyse kaum signifikante Ergebnisse hinsichtlich eines Zusammenhanges zwischen Berufstätigkeit und Kommunikation ergaben. Das gilt für die Korrelations-Analyse. Eine Betrachtung der Mittelwerte jedoch gibt wenigstens einige Anhaltspunkte (vgl. Teil I, Kap. 2): Bei den Mittelwerten der Dimensionen Komplexität, Dominanz, Konfliktgehalt und Problematisierung ergibt sich in den vier Subgruppen unserer Stichprobe ein deutlicher Unterschied zwischen den Werten der Familienbiographie und den Werten der Dissensdiskussion. Daraus läßt sich folgern, daß ein Einfluß der Interviewsituation auf die Ausprägung der Kommunikation angenommen werden kann. In den Familien mit berufstätiger Ehefrau steigen im Dissensteil Konfliktgehalt und Problematisierung deutlich an. Die Werte für diese beiden Dimensionen liegen jeweils über den Werten für Familien mit nicht berufstätiger Mutter, während die Reziprozität geringer ausgeprägt ist. Dies läßt einerseits vermuten, daß die veränderte Kommunikationsstruktur der Frau die Möglichkeit gibt, stärker ihre Meinung ins Gespräch einzubringen, wobei die Berufstätigkeit eine stützende und verstärkende Rolle spielen kann. Aus einer Betrachtung der Mittelwerte kann aber geschlossen werden, daß die Veränderung von der Biographie zum Dissensteil stärker auf die Berufstätigkeit als auf die Stratenzugehörigkeit zurückzuführen ist. Da diese Veränderung im unteren Stratum stärker ausgeprägt ist als im oberen, wählen wir drei Familien aus dem unteren und zum Vergleich eine aus dem oberen Stratum aus. Hierbei beanspruchen wir keineswegs Repräsentativität in der Aussage zu erreichen, vielmehr geht es darum, am Einzelfall die unterschiedlichen Bedingungen, welche die Art der Auswirkungen der Berufstätigkeit auf die familiale Kommunikation beeinflussen, in ihrem wechselseitigen Wirken aufzuspüren und zu illustrieren. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Berufstätigkeit selbst im Mittelpunkt der Interaktion steht.
|A 161|
[V44:412] Diese wird z.B. in zweien unserer Fälle kaum thematisiert. Hier steht die Frage im Vordergrund, wie diese Familien das Problem der Berufstätigkeit der Mutter bewältigen bzw. die dadurch bedingte Umstrukturierung im Haushalt so auffangen können, daß die innerfamilialen Beziehungen nicht
negativ
beeinflußt werden.

Fall A

1. Soziale Situation der Familie

[V44:413] 1. Der Familienvater (Herr A.) ist in leitender Stellung als Textil-Ingenieur in der chemischen Großindustrie tätig. Neben seinem Gehalt erhält er Zuschüsse, die sich zum einen aus zusätzlichen Sozialleistungen der Firma, zum anderen aus nicht näher beschriebenen Sonderbeiträgen aufgrund erhöhter Arbeitsanforderung, wie etwa Dienstreisen, zusammensetzen. Seine berufliche Mobilität ist durch ein stetiges Aufsteigen innerhalb der betrieblichen Hierarchie gekennzeichnet: Nach einer abgeschlossenen Lehre und Fachhochschulausbildung erlernte er den Beruf eines Färbers, qualifizierte sich zum Textil-Ingenieur, arbeitete sich zum Betriebsleiter empor und bekleidet heute eine leitende Stellung als Verfahrenstechniker. Auch sein Vater ist Färber bzw. Textil-Ingenieur gewesen, während seine Mutter eine Haushaltungsschule besuchte und später ausschließlich im Haushalt tätig war.
[V44:414] Die Frau arbeitet seit drei Jahren als kaufmännische Aushilfskraft in Heimarbeit. Ihr Einkommen beläuft sich auf weniger als 300 DM monatlich und wird ihr als gleichbleibendes Gehalt ausgezahlt. Sie hatte die Schule mit der Mittleren Reife abgeschlossen bzw. besuchte sie bis zur Unterprima, um anschließend im Geschäft der Eltern ohne weitere Ausbildung als kaufmännische Kraft tätig zu werden. Ihr Vater hatte den Beruf des Kaufmannes gelernt, ihre Mutter nach Abschluß der Mittleren Reife eine Ausbildung als Krankenschwester erfahren und diesen Beruf praktiziert.
[V44:415] Herrn A.’s Arbeitsplatz befindet sich teils im Büro, teils im Labor und teils im Außendienst, wobei der Ort der Tätigkeit im Laufe eines Tages sowohl innerhalb der Abteilung wie auch innerhalb des Betriebes häufig gewechselt werden muß. Der Außendienst regelt sich je nach Auftrag; es gibt also keine bestimmten Zeiten, in denen er auf Dienstreisen ist. Seine gewöhnliche Arbeitszeit dauert von 8⁰⁰ bis 17⁰⁰, die Wochenstundenzahl |A 163|beträgt etwa 42 Stunden. Ist er im Außendienst, so kann die geleistete Arbeitszeit nicht genau erfaßt werden, dementsprechend sind Angaben über Überstunden nicht möglich.
[V44:416] Der Inhalt der Arbeit bestimmt sich durch Beratertätigkeit bezüglich Anwendungstechniken von Färberei-Verfahren der chemischen Industrie des In- und Auslandes. Das Arbeitsgebiet ist vorwiegend durch den Umgang mit Personen gekennzeichnet, jedoch bildet die geistige Auseinandersetzung und Weiterentwicklung der Materie die Voraussetzung für Informationsvermittlung und Beratung.
[V44:417] Seine Entscheidungsbefugnisse erstrecken sich von der Selbstbestimmung der einzelnen Arbeitsschritte, der eigenmächtigen Zeiteinteilung der einzelnen Arbeitsgänge, die er täglich für sich zu treffen hat und die jeweils vom Umfang eines Auftrages bestimmt sind, bis hin zur Arbeitszuweisung für seine Untergebenen. Dementsprechend stuft er seine Tätigkeit als eher leitend ein, obgleich ein Vorgesetzter, ebenfalls Textil-Ingenieur, seine Entscheidungsbefugnis, mindestens formal, beschränken kann. Unter körperlicher Belastung am Arbeitsplatz, wie etwa unter erschwerten Bedingungen (Lärm, Schmutz, Hitze) arbeiten zu müssen, leidet Herr A. nicht. Dagegen empfindet er den starken Wettbewerb, in welchem er mit seinen Kollegen steht und auch die hohe Verantwortung als recht bedeutsam für seine Tätigkeit.
[V44:418] Herr A. hat die Möglichkeit, sich während der Arbeit mit Kollegen zu unterhalten; der Inhalt der Gespräche ist nicht allein auf die Arbeit beschränkt, sondern weitet sich auf allgemeine Fragen der Lebensgestaltung und -bewältigung aus. Die Durchführung der Arbeit kann ohne Absprache mit Kollegen erfolgen, die Arbeitsanweisungen werden von dem Vorgesetzten sowohl schriftlich wie mündlich gegeben. Dennoch empfindet er diese Anweisungen als mit zu wenig informativem Gehalt ausgestattet, so daß er häufig unnötige Arbeit zu verrichten glaubt. Herr A. arbeitet sowohl allein wie auch in einer Arbeitsgruppe, wobei die Einzelarbeit wie auch die Gesamtergebnisse der Gruppe kontrolliert werden. Häufig findet kooperative Unterstützung von Seiten der Kollegen untereinander statt.
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[V44:419] Seine weiteren Aufstiegschancen hält er für recht mäßig. Die Kündigungsfrist beträgt von seiten der Firma mindestens ein Jahr, allerdings mit der Einschränkung, daß sie sein volles Geahlt weitere drei Jahre an ihn zu zahlen hat, so daß die soziale Sicherheit gewährleistet ist. Er selbst kann innerhalb eines halben Jahres kündigen, darf dann jedoch nicht mehr in der gleichen Branche bei einem anderen Arbeitgeber tätig sein.
[V44:420] Frau A. arbeitet seit drei Jahren als kaufmännische Hilfskraft in Heimarbeit. Da sie ausschließlich im Hause arbeitet, sind freie Arbeitszeiten, freie Arbeitseinteilung und weitgehend autonome Entscheidungen bezüglich der Geschwindigkeit, in der bestimmte Arbeitsgänge erledigt werden müssen, möglich. Ihre Tätigkeit unterliegt keinem Kündigungsschutz. Der Inhalt der Arbeit bestimmt sich durch Büroarbeiten, wie Schreiben, Registrieren etc. Die Arbeitszuteilung ist abhängig vom Umfang des gesamten Geschäftsauftrages, wird also nicht zu bestimmten Zeiten gegeben. Die Arbeitszeit pro Tag ist nicht festgelegt, pro Monat übersteigt sie nicht 20 Stunden. Körperliche Belastungen sind nicht zu verzeichnen, nervliche fallen ebenfalls nicht ins Gewicht. Fragen bezüglich der Kommunikation sind für diese spezielle Tätigkeit irrelevant. Dies trifft auch auf den Kooperativen Bereich zu, da sie allein arbeitet. Ihre berufliche Perspektive schätzt sie als sehr beschränkt ein, aus diesem Grund plant sie einen Berufswechsel, und zwar auf der Grundlage eines kaufmännischen Abschlusses, den sie in Fortbildungskursen erwerben möchte.
[V44:421] 2. Seit etwa 1,6 Jahren wohnt Familie A. im Ballungsbereich einer westdeutschen Großstadt, und zwar in einer zwischen Industrieansiedlung und Autobahnkreuzen angelegten Wohnsiedlung. Sie wohnen, wie die meisten ihrer Nachbarn, in einer von der Großindustrie für ihre Mitarbeiter bereitgestellten Werkwohnung. Frau A. charakterisiert die Situation so:
... in diesen Wohnstädten, da ist das so allgemein gehalten, daß da so eine |A 165|Einkommensschicht ist, dann der gleiche Arbeitgeber, alle haben so im großen und ganzen die gleichen Sorgen. Das ist so die Kinderzahl, alles so gleich, Alter der Kinder plus/minus zwei Jahre. Das ist ein sehr steriles Wohnen.
(Protokoll: 93.40.F.)
[V44:422] Um auf die Allgemeinheit dieser Problematik hinzuweisen, sei ein Zitat aus einer einschlägigen Untersuchung angeführt.1)
1)
Zapf, Katrin, Bevölkerungsstruktur und soziale Dienstleistungen in Münchner Neubauvierteln. In: Müller-Nimmermann, Stadtplanung und Gemeinwesenarbeit. München 1971, S. 66/67
. Vgl. hierzu ebenfalls: Mitscherlich, A., Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Frankfurt/M. 1965, S. 86/87/88.
[V44:423]
Alle Probleme in den neuen Siedlungen ergeben sich aus der Randlage zur Stadt und aus dem einheitlich niedrigen Lebensalter der Eingezogenen: die außerordentlich hohen Kinderzahlen, die hohen Erwerbsquoten, der große Bedarf an Kinderkrippen, Kindergärten, Kinderhorten und Schulraum, die relativ starke Nachfrage nach Konsumgütern, die relativ hohe Autodichte und der Mangel an sozialen Verflechtungen lassen sich unmittelbar daraus ableiten ... Zu den unmittelbaren Folgen des Altersaufbaus gehört der hohe Anteil der Berufstätigen an der neuen Bevölkerung. Die erwachsenen Männer sind nahezu alle berufstätig, und auch ein Teil der Frauen geht zeitweilig einem Erwerb nach. Doch in den Siedlungen werden kaum Arbeitsplätze geboten. Dies bedingt den allmorgendlichen Auszug der Männer. Sie können den ganzen Tag die Wohnungen, die Haushalte und die Kinder hinter sich lassen. Für die Frauen, die gleichzeitig Kinder und einen Haushalt zu versorgen haben und einem Beruf nachgehen, erwachsen daraus große Probleme. Da ihnen das Auto, sofern es im Haushalt vorhanden ist, in der Regel nicht zur Verfügung steht, sind sie auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, was die Dauer ihrer Abwesenheit von zu Hause erheblich verlängert. Viele Frauen schrecken aufgrund dieser Konstellation überhaupt vor weiterer beruflicher Tätigkeit zurück.
[V44:424] Die von Familie A. bewohnte Werkswohnung befindet sich in einem größeren Wohnblock, dessen Berufsstruktur durch den vorwiegenden Anteil an Akademikern gekennzeichnet ist, wodurch sich eine relativ gleiche Einkommenslage ableiten läßt. Die Alters|A 166|struktur der Bewohner ist ebenfalls recht homogen, vorwiegend junge Familien mit kleinen Kindern.
[V44:425] Nachbarschaftliche Kontakte werden bei der untersuchten Familie vor allem von der Frau sehr stark gesucht, obgleich sie starke Barrieren von seiten der Mitbewohner zu überwinden hat:
Ich hab’s versucht, zum Beispiel als unser jüngster Sohn keinen Kinderspielplatz hatte und ich hier verschiedene Kinder im gleichen Alter entdeckt hatte, wollte ich hier einen Spielkreis machen ... Es ist mir nicht gelungen. Die haben alle gedacht, ich spinn’, als ich mit dem Vorschlag rausgerückt bin. Und dann hab’ ich mich auch zurückgezogen. Es will jeder für sich sein.
(Protokoll: 97.42.F)
[V44:426] Meist beschränken sich die Anknüpfungspunkte auf Probleme der Kinderbetreuung. So tauscht sie z.B. mit einer der benachbarten Familien die Wohnungsschlüssel aus, um während ihrer Abwesenheit den Kindern die Möglichkeit zu geben, in die Wohnung zu gelangen. Außerhalb dieser Betreuungsprobleme im Sinne gegenseitiger tätiger Hilfe sind bislang noch keine weiteren freundschaftlichen Kontakte entstanden.
[V44:427] Eine von der Gemeinde eingerichtete Singschule, in der beide Kinder der Familie aktiv beteiligt sind, könnte die Grundlage für weitere soziale Kontakte sowohl für die Eltern wie auch für die Kinder bilden. Kommunikation zwischen den einzelnen Familien findet jedoch kaum statt, nachbarschaftliche Kontakte bleiben auf einem Minimum beschränkt. Dadurch konzentriert sich das Leben mehr und mehr auf die Kernfamilie. Die Wohnung wird zum Konvergenzpunkt sozialer Beziehungen. Diese Überbetonung der Familienbeziehung kann sehr leicht zu einer Überbelastung an gegenseitigen Ansprüchen sich entwickeln. Über die möglichen Ursachen und Motive der Kontaktarmut in diesen Wohn-, Schlaf- oder Trabanten-Städten schreibt Mitscherlich:
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[V44:428]
Es gilt zu unterscheiden, ob die kontaktvermeidende Tendenz als Verhaltenseigentümlichkeit so vieler Städter etwa eine Reaktion auf die drangvolle, monotonisierte Nähe zahllos anonymer Mitmenschen ist ... [V44:429] In keinem Fall kann die idiosynkratische Abneigung gegen Nahkontakte einfach als freiwillige Entscheidung angesehen werden. Vielmehr muß diese Tendenz im Zusammenhang des
Strukturwandels der Öffentlichkeit
gesehen werden. Gewaltige gesamtgesellschaftliche Kräfte haben das Individium ergriffen und saugen es in die Ballungszonen und ihre von der manipulativen Beherrschung der Natur und des Menschen bestimmte Lebensweise ein. Die Berührung mit dem Nachbarn wie dem Staat ist zur Berührung mit etwas weithin Fremdem geworden. In Reaktion auf die unüberschaubare Größe der Institutionen hat sich ein
unpolitisches
Verhältnis von
anspruchsvoller Gleichgültigkeit
hergestellt.
[V44:430]
Die Absättigung eines menschlichen Verlangens nach Affekt- und Meinungsaustausch von Person zu Person wird begrenzt auf die primäre Bezugsgruppe, womit diese ihrer Anlage nach potentiell befriedigend erlebte Einheit der affektiven wie im weitesten Sinne interessierten kommunikativen Einheit in ihren realen Möglichkeiten überlastet wird.
1)
1)Mitscherlich, A., Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Frankfurt/M. 1965, S. 75
[V44:431] Wie bereits erwähnt, bewohnt Familie A. eine 4 1/2 Zimmer-Neubauwohnung in einem Wohnblock, der etwa 5–8 Stockwerke umfaßt. Die Größe der Wohnung entspricht durchaus den Bedürfnissen einer vierköpfigen Familie, sie ist sogar so geräumig, daß die von Frau A. einmal geplante Kindergruppe untergebracht werden könnte. Jedem der beiden Jungen steht ein Zimmer zur Verfügung, darüber hinaus hat die Wohnung ein Elternschlafzimmer und ein geräumiges Wohnzimmer, an da sich eine Eßecke anschließt. Küche und Bad genügen ebenfalls den Ansprüchen. Die Benutzung des Wohnzimmers steht allen Familienmitgliedern offen. Da der Fernsehapparat hier plaziert ist, bietet es sich als gemeinsamer Aufenthaltsraum an. Die Ausstattung der Wohnung entspricht angemessenen Ansprüchen, für Komfort ist gesorgt.
[V44:432] 3. Die verwandtschaftlichen Kontakte werden nicht allzu intensiv gepflegt. Man schreibt sich gelegentlich, telefoniert miteinander und besucht sich hin und wieder, doch wird dem nicht viel Gewicht beigemessen. Selbst als die Familie sich in ihrer |A 168|Aufbauphase befand, d.h. als die Kinder klein waren und sicherlich ein Erfahrungsaustausch bereichernd und erleichternd gewesen wäre, wurde ganz bewußt auf verwandtschaftliche Hilfe verzichtet, auch auf die Gefahr hin, daß die Familien vor den Kopf gestoßen wurden. Hierzu folgende Äußerung:
... wir haben auch absichtlich alle Verwandten ausgeschlossen. Also – wir haben uns bewußt auf uns alleine gestellt und wollten das auch so haben. Haben vielleicht die lieben Eltern manchmal schockiert, aber fanden’s ganz gut und finden’s heute auch gut, daß wir das tun, was wir für richtig halten ...
(Protokoll 7.3.F.)
[V44:433] Dieser Entscheidung lag offensichtlich das Bedürfnis zugrunde, aus eigener Kraft einen Lebensbereich aufzubauen, den eigenen Bedürfnissen, Vorstellungen und Wertorientierungen zu folgen. Was letztlich zu dieser Einstellung geführt hat, kann aufgrund des beschränkten Materials nicht gesagt werden, doch scheint es plausibel, die Biographie der beiden Ehepartner dafür verantwortlich zu machen, eine Biographie – wie noch ausgeführt wird –, die stark von den Entscheidungen der Eltern wider den Willen des Kindes strukturiert ist.
[V44:434] Besonders wichtig scheint bei Familie A. der Bildungsgang für die Darlegung und Erklärung des innerfamiliären Milieus zu sein. Der Mann besuchte die Volksschule, ging anschließend in eine Lehre und qualifizierte sich mit diesem Abschluß für den jetzt ausgeübten Beruf. Die Berufswahl stand offensichtlich im Zusammenhang mit dem Beruf seines Vaters, der ebenfalls in der Branche tätig war. Schon sehr früh setzte er sich mit starkem Engagement in seinem Beruf ein und ermöglichte sich ein ständiges Hochklettern in der Betriebshierarchie. Großer Ehrgeiz und wohl auch Kompensationsdrang für nicht erhaltene Schulausbildung sicherte zwar seine Stellung in einflußreicher Position seiner Branche, verhinderte jedoch die Möglichkeit des Erwerbs dessen, was man gemeinhin mit dem Begriff
Bildung
zu umschreiben versucht.
... Ich habe nur Volksschule, und es fehlen natürlich dann, rein allgemeinbildend fehlt sehr, sehr viel..... Also ich geb’ mich nicht damit ab, einfach |A 169|mitzulaufen, sondern ich möchte an der Spitze stehen. Und dann bleibt natürlich automatisch ... das andere zurück und heutzutage sind vielleicht Komplexe da, daß man sagt,
ja, auf der einen Seite bist du was und auf der anderen Seite mußt du zugeben, daß du das nicht weißt! ...
(Protokoll 21.7.M.)
[V44:435] Frau A. beendete ihre Schulbildung mehr unfreiwillig mit der Unterprima und arbeitete dann als ungelernte kaufmännische Kraft im Geschäft ihrer Eltern. Die Eltern hielten es nicht für nötig, ihre Tochter in eine Lehre zu schicken, bzw. sie stellten sie nicht einmal vor die Wahl eines anderen Berufes. So mußte Frau A. zum einen einen Beruf ergreifen, den sie freiwillig nie gewählt hätte, zum anderen wurde ihr nicht die Möglichkeit einer fachlichen Qualifikation gegeben. Dies beeinflußte natürlich ganz entscheidend ihren beruflichen Werdegang und ist vor allem für die heute noch anstehende Problematik von großer Bedeutung.1)
1)Vergleiche hierzu die Ausführungen von Pross, Helge, Über die Bildungschancen von Mädchen in der Bundesrepublik. Frankfurt/Main 1969
Dennoch konnte sie vor ihrer Heirat recht selbstständig als kaufmännische Kraft ihre Fähigkeiten entfalten, was sie als sehr befriedigend empfand.
[V44:436] Nach der Geburt ihres ersten Kindes widmete sie sich ganz den familiären Pflichten, der Sorge für Kinder und Ehemann im Rahmen des privaten Haushalts. Da diese Ausschließlichkeit für sie jedoch allmählich unerträglich wurde, übernahm sie vor etwa drei Jahren kaufmännische Hilfsarbeiten für eine Firma, die sie in Heimarbeit ausführt. Über die Art dieser Arbeit sagt sie an einer Stelle des Gesprächs (nach Ausfüllen des Arbeitsplatzfragebogens) auf die Frage des Interviewers, was sie denn mache:
Popelarbeit, Kram, Popelarbeit! Nein das ist ´ne Heimarbeit, das hat sich einfach so ergeben. Im Geschäft Hilfsarbeiten, und eben das konnte ich in den letzten Jahren neben dem Haushalt hier zu Hause ausüben. Aber das ist natürlich nichts, was einen ausfüllt oder befriedigt ...
[V44:437] Entsprechend dieser Charakterisierung betrachtet sie diese Tätigkeit lediglich als Übergangslösung für eine kontinuierliche Tätigkeit, allerdings müsse sie sich erst noch qualifizieren. Deshalb plante sie zunächst das Abitur nachzumachen, |A 170|stieß mit diesem Plan jedoch auf heftigsten Widerstand von seiten ihres Mannes. Daraufhin faßte sie, ein wenig gegen ihren eigenen Willen und mehr dem Druck des Mannes nachgebend, den Vorsatz, zunächst den Kaufmannsgehilfenbrief zu erwerben. Zur Zeit der Untersuchung sollte dieser Plan durch einen Besuch beim Arbeitsamt konkretere Formen annehmen.
[V44:438] 4. Ein durchschnittlicher Tagesablauf verläuft ungefähr so: Morgens steht die Familie gemeinsam um 7⁰⁰ auf. Ist der Familienvater auf einer Dienstreise, verzögert sich dieser Zeitpunkt etwas. Die Frau richtet das Frühstück und sorgt für das leibliche Wohl der Familie. Der ältere Sohn muß für die Schule gerichtet werden, der jüngere zum Kindergarten. Nach dem Auszug des Mannes und der Kinder widmet sich Frau A. den haushaltlichen Pflichten. Ein Morgen, der sich durch nichts von den Morgen anderer Haus- und Familienfrauen unterscheidet. Lediglich die gelegentliche Heimarbeit lockert die morgendliche Form der Arbeitsgestaltung auf. Mittags kommen die Kinder nach Hause, der Mann bleibt ohne Unterbrechung im Betrieb. Sie werden mit interessierten Fragen bezüglich des schulischen und kindergartlichen Erlebens konfrontiert, die häufig nicht zur vollen Befriedigung der Mutter beantwortet werden. Nach dem Essen werden die Hausaufgaben gemacht bzw. überwacht. Gelegentlich wird auch gemeinsam gespielt oder spazierengegangen, bis der Vater von der Arbeit um 17⁰⁰ nach Hause kommt. Dieser, müde und erzählungsunlustig, setzt sich vor den Fernsehapparat und versucht, von der Arbeit abzuschalten, während die Kinder noch spielen. Die Frau ist den ganzen Tag vornehmlich auf Hausarbeit und Kinderbetreuung reduziert gewesen und stellt nun Ansprüche an ihn, die er jedoch aufgrund seiner beruflichen Ermüdung nicht mehr erfüllen kann. Folglich sinken die Chancen einer Verständigung unter den Ehepartnern, die dann den Abend fernsehend verbringen. Befindet sich der Vater auf einer Dienstreise, so verändert sich das tägliche Ablaufen nur geringfügig, da ja die häuslichen Pflichten die gleichen bleiben. Lediglich die Sonntage, die sonst durch gemeinsame Unternehmungen das tägliche Einerlei unterbrechen, werden zu signifikanten Tagen, an denen die Frau mit aller Härte die |A 171|Isolation einer Kleinfamilie empfindet, die sich bewußt von anderen Familien und Institutionen distanziert hat:
Also während der Woche geht es, weil ich – die Kinder haben so ihren bestimmten Ablauf und ich richt’ mir’s dann so ein, daß ich die großen Arbeiten so im Haushalt mache, wenn er weg ist. Und dann hab ich ja auch noch diese kleine Nebenbeschäftigung, das mache ich dann auch in der Zeit hauptsächlich.
Entsetzlich sind die Wochenenden, wo die ganzen Familien so in sich geschlossen sind, wo jede Familie so was für sich unternimmt, und ich schleudere mit meinen beiden Kindern alleine durch die Gegend ...
(Protokoll 66.27.F.)
[V44:439] 5. Wir haben eine Familie vor uns, die man, bei aller Problematik dieses Begriffes zur
Mittelschicht
zählen kann,
... sofern objektive Faktoren wie Berufsposition, Einkommen und Ausbildungsniveau als Indikatoren verschiedener Aspekte des distributiven Systems von Macht (der skalaren Organisation des Arbeitsplatzes, Einkommensverteilung, Ausbildungssystem) gelten können, die letztlich auch die Bewertungskriterien abgeben werden.
1)
1)Caesar, Beatrice, Autorität und Familie. Hamburg 1972, S. 25.
[V44:440] Der Familienvater ist in leitender Stellung als Verfahrenstechniker für chemische Produkte tätig, nachdem er mit dem durchdringenden Zielbezug, durch individuelle Leistung voranzukommen, sich vom einfachen Textil-Ingenieur hochgearbeitet hat. Die berufliche Position ist gekennzeichnet durch nicht-manuelle Tätigkeit, die aus Manipulation von Symbolen und Ideen oder Umgang mit Personen besteht. Diese Tätigkeit ermöglicht einen Spielraum für die selbstständige Einflußnahme auf Arbeitsbedingungen und Ablauf und ermöglicht Einsicht in die Struktur des Arbeitsplatzes und in komplexere gesellschaftliche Zusammenhänge. Die berufliche Tätigkeit ist deshalb für ihn Objekt positiver Identifikation und Quelle subjektiver Befriedigung. Sie gewährt ihm langfristig weitgehend gesichertes Einkommen und bietet die Möglichkeit individuellen Aufstiegs.
|A 172|
[V44:441] Seine berufliche Stellung bringt es mit sich, daß er häufig außer Hause auf Dienstreise ist und so dem familiären Geschehen fernbleibt. Da ihn der Beruf stark absorbiert, zieht er es vor, während der Freizeit vollkommen abzuschalten, wodurch die Familie und insbesondere die Frau nur selten die Möglichkeit hat, sich in seinen Tätigkeitsbereich/Arbeitswelt, zumindest gedanklich, hineinzuversetzen. Wir finden hier also eine Lebensweise, die die private Sphäre in raumzeitlicher Hinsicht scharf von der Berufswelt und anderen sekundären Bereich abgrenzt. Dies beinhaltet einen ständigen Wechsel zwischen den für die beiden Sphären typischen Sozialbeziehungen, die stark voneinander differieren. So kennt Frau A. zwar rein formal die Arbeitswelt ihres Mannes, bleibt jedoch über den Inhalt der Arbeit weitgehend uninformiert.
[V44:442] Gemäß dem Prinzip der familialen Arbeitsteilung lebt die Frau ganz auf Haushalt und Familie bezogen und konzentriert sich mit sehr viel Sorgfalt auf die Erziehung der zwei Söhne, von denen der ältere bereits die zweite Klasse besucht. An ihre Aufgabe als Ehefrau und Mutter stellt sie sehr hohe Ansprüche qualitativer Art: als Hauslehrer für das schulpflichtige Kind, dem sie notfalls Nachhilfe bieten muß, als eine über Erziehungsfragen bezüglich der täglichen Praxis informierte Fachkraft, als eine für Ernährungsfragen zuständige Kraft, die darüber informiert ist, welche Lebensmittel und welche Zubereitung der Gesundheit der Familienmitglieder am zuträglichsten ist. Den Anforderungen an Sauberkeit in der Wohnung und bei der Kleidung möchte sie genügen. Dadurch nimmt die Belastung durch stundenweise Erwerbstätigkeit zu, die sie in Heimarbeit für eine Firma ausübt. Diese Arbeit kann sie jedoch nicht über eine gewisse Leere hinwegtäuschen, die sie angesichts ihres eingeengten Erfahrungshorizontes empfindet.
[V44:443] Aus diesem Grund strebt sie eine Weiterbildung ihrer kaufmännischen Fähigkeiten an, wenngleich sie sehr starkes Interesse an pädagogischen Fragen entwickelt hat und lieber das Abitur nachmachen möchte, um dann Pädagogik zu studieren. Dieser Plan stößt jedoch auf allerheftigsten Widerstand von seiten des Mannes, |A 173|der eher der Ansicht ist, sie solle doch ihr, wenngleich auch gegen ihren damaligen Willen bereits erworbenes Ausbildungspotential pflegen. Diese auseinanderklaffenden Berufspläne und -Vorschläge stehen in engem Zusammenhang mit der Biographie der beiden Ehepartner: Er ein Self-made-man hat sich ohne Abitur und entsprechender Ausbildung mit ungeheurem Ehrgeiz in eine leitende Position hochgearbeitet und setzt nun alle seine Kraft im Beruf um; sie hingegen wurde aus der Unterprima herausgenommen, um im elterlichen Geschäft als kaufmännische Kraft tätig zu werden. Zwar konnte sie auch ohne entsprechende Ausbildung, die die Eltern ihr aus Gründen der Rentabilität verweigerten, selbstständig bis zu ihrer Heirat arbeiten, doch erweist sich bis heute gerade diese Einschränkung in der individuellen Berufswahl und einer damit verbundenen Emanzipation als einer der gewichtigsten Gründe für die angestrebte Weiterbildung. 1)
1)Vgl. hierzu ebenfalls die Ausführungen von Wurzbacher, Gerhard, Die junge Arbeiterin. München 1958, S. 54, der zu dieser Problematik Stellung nimmt.
[V44:444] Die Aufgabenzuweisung innerhalb der Familie erfolgt nach traditionellem Muster, gemäß welcher der Vater für den extrafamilialen Bereich zuständig ist, die Frau hingegen weitgehend auf die private Sphäre beschränkt bleibt. Da die Kontakte zu außerfamilialen Bezugsgruppen äußerst bescheiden sind, bei Herrn A. auch diesbezüglich keine allzugroßen Bedürfnisse bestehen, bleibt die Konzentration auf die Kernfamilie in all ihrer Unausweichlichkeit bezüglich der gegenseitigen Erwartungen und Ansprüche bestehen.
[V44:445] Den durch die häufige Abwesenheit ihres Mannes entstandenen Freiraum kann Frau A. aufgrund ihrer gewissenhaften Einstellung zu Kinder- und Haushaltsbetreuung nicht für persönliche Interessen bezüglich erweiterter zwischenmenschlicher Kontakte oder beruflicher Weiterbildung nutzen, vielmehr fühlt sie sich in diesen Zeiten noch mehr in ihren Möglichkeiten eingeschränkt – der Mann hat den Wagen, die gesamte Organisation lastet auf ihr, die Erziehung bereitet zusätzliche Schwierigkeiten, die soziale Isolation macht sich mit aller Härte bemerkbar –.
[V44:446] Entgegen einer aktiven Bewältigung der Situation verfällt sie in Wunschvorstellungen, die dann in keinem Fall eingelöst werden |A 174|können:
... Wenn mein Mann weg ist, dann sag’ ich mir,
wenn er wiederkommt, dann machst du’s ihm klar, dann wird alles anders und besser
. Und dann kommt er wieder, und dann ist genau der gleiche sture abendliche Ablauf wie eh und je, ... und dann sag’ ich,
also, wenn er weg fährt, wirst du aktiv, dann holst du alles nach, was du versäumt hast
, und wenn er dann weg ist, dann sag ich mir,
also wenn er wiederkommt, wird alles wieder anders
. – Es ist für mich, ich fühl’ mich manchmal wie ’ne Katze, die sich in den Schwanz beißt und find’ da nicht raus.
(Protokoll: 105.44.F.) 1)
1)Daß es sich hier nicht um ein singuläres und individuelles Problem dieser Frau handelt, ist offensichtlich. Weitere Aufführungen zu dieser Problematik finden sich unter anderem in:
    Schrader-Klebert, Karin, Die kulturelle Revolution der Frau. Kursbuch 17, 1969, S. 27
    Pross, Helge, Kapitalismus und Demokratie, Studien über westdeutsche Sozialstrukturen. Frankfurt 1972, S. 73
    Zapf, Katrin, Bevölkerungsstruktur und soziale Dienstleistungen in Münchner Neubauvierteln, a.a.O., S. 72/73
    Beauvoir, Simone, Das andere Geschlecht. Hamburg 1968
[V44:447] Die Wirtschaftsführung des Haushalts liegt in ihren Händen, sie bekommt jedoch von ihrem Mann ein Haushaltsbudget über einen bestimmten Betrag zugewiesen, über den sie verfügen kann. Der Lebensstandard scheint den finanziellen Möglichkeiten angepaßt und entspricht dem einer Familie, die sich keine finanziellen Sorgen machen muß. Die langfristigen Planungen wie z.B. Urlaub werden gemeinsam gemacht, d.h. die Vorschläge werden gemeinsam besprochen und nach Rentabilität entschieden. Gemeinsame Hobbies sind nicht explizit vorhanden. Während der freien Zeit werden Ausflüge gemacht und man widmet sich gemeinsam den Kindern. Die Anteilnahme an den Interessen des anderen scheint nicht allzu groß zu sein, dennoch fühlt man sich kompetent, über die Interessen des anderen urteilen zu können, was natürlich häufig zu Mißverständnissen führt.
|A 175|

2. Interaktionsanalyse

[V44:448] In dem nun folgenden Untersuchungsschritt geht es um die Bestimmung des pädagogischen Milieus, und zwar versuchen wir mittels einer Interaktionsanalyse des vorliegenden sprachlichen Materials die Bedeutung der kommunikativen Akte für das interpersonale System der Familie zu rekonstruieren.
[V44:449] Eine Paraphrasierung sämtlicher im Laufe der Interaktion geäußerten Mitteilungen gibt uns die Möglichkeit, den argumentativen Verlauf des Gesprächs nachvollziehen zu können. Ausserdem erhalten wir Aufschluß über die Problembereiche, die die Interaktionspartner als solche definieren, und die für die weitere Analyse leitend sind. Diese Paraphrasierung steht also an erster Stelle der Interaktionsanalyse, im folgenden unter 2.1.
[V44:450] Konzentrierten wir uns bislang auf die inhaltliche Dimension der Kommunikation, so steht nun der Beziehungsaspekt im Vordergrund der Analyse, dargestellt am Beispiel einer ausgewählten Interaktionssequenz unter 2.3. Unter den Begriff
Beziehungsaspekt
subsumieren wir folgende analytischen Schritte: Wir versuchen zunächst, den Verwendungssinn einer Äußerung bzw. den Ausdrucks- und Bedeutungsgehalt zu ermitteln, um dann die Situationsdefinitionen der einzelnen Interaktionspartner zu bestimmen. Unser Interesse ist hier vor allem darin begründet, Situations-Managements bzw. interpersonelle Taktiken zu eruieren, mit deren Hilfe die Partner versuchen, die Ziele oder Verhaltens- und Handlungsspielräume des anderen den eigenen Interessen gemäß zu beeinflussen. Wenn Undeutlichkeit in der Situation und der in der Situation enthaltenen Geltungsansprüche bestehen, so kann diese Undeutlichkeit im Rahmen des kommunikativen Prozesses befriedigend beantwortet werden. Falls die Information keine Deutlichkeit der Situation und der in ihr behaupteten Sachverhalte gibt bzw. einen Dissens über die in der Situation enthaltenen Geltungs- und Handlungsansprüche herbeiführt, so muß sich die Kommunikation auf die Ebene des Diskurses begeben. Wir unterscheiden zwei Ebenen des Diskurses: |A 176|die Ebene, in der verfestigte Normen und Regeln problematisiert werden – also im Hinblick auf die Gegenstände, über die sich verständigt wird –; und die Ebene, in der die wechselseitige Beziehungsdefinition reflektiert wird. Wir nennen diese Ebenen
Problematisierung
und
Reflexivität
.
[V44:451] Um die analytische Trennung dieser Interpretationsschritte zu unterstreichen, wählen wir eine Darstellungsform – Falttext – , die zu ungunsten einer flüssigen Lesbarkeit ausfällt. Wir meinen, dies aus methodischen Gründen rechtfertigen zu können.
|A 177-190|
2.1. Paraphrasierung der sprachlichen Äußerungen
[V44:452]
Protokoll argumentativer Verlauf des Gesprächs
1.1.I.: Vielleicht erzählen Sie mal, wie Sie sich kennengelernt haben und wie das dann weitergegangen ist. Ganz egal, was Sie sagen. Der männliche Interviewer regt die Ehepartner an, sich über ihre gemeinsame Geschichte zu unterhalten, gleichzeitig gibt er den thematischen Rahmen des folgenden Gesprächs an, gibt jedoch zu erkennen, daß keine weiteren Einschränkungen oder Strukturierungen erfolgen.
2.1.M.: Du weißt ja das am besten, ich hab’ das schon wieder vergessen! Der Mann verweist auf sein schlechtes Gedächtnis und fordert die Frau als die in diesem Bereich kompetentere auf, sich hierzu zu äußern.
3.1.F.: Kennengelernt haben wir uns in einer Situation, die wohl ein bißchen ungewöhnlich ist. Mein Mann befand sich gerade inmitten der Scheidung seiner ersten Ehe. Und dann haben wir ganz schnell geheiratet, weil ein Kind unterwegs war. Und haben in X neu begonnen, also Haushalt aufgebaut, Familie aufgebaut.
Kleine Pause
Die Frau greift sofort das Thema auf: Sie stellt die Lage ihres Mannes dar, bringt dann die Schilderung ihrer Situation ein und spricht anschließend von dem gemeinsamen Aufbauen eines Hausstandes, der einen Neuanfang darstellte.
Die sprachlichen Äußerungen sind wie folgt durchnumeriert:
1. Die erste Zahl bezeichnet die Abfolge der im laufenden Gespräch gemachten Statements.
1.1. Die zweite Zahl bezeichnet die Anzahl der von einem Interaktionspartner gemachten Statements.
1.1.M. bezeichnet den jeweiligen Interaktionspartner: F für Frau, M für Mann, I für Interviewer.
4.2.M.: Ohne irgendwelche Unterstützung. Das ist vielleicht ganz wesentlich. Nach kurzer Pause ergänzt er ihre Darstellung mit der Bemerkung, daß die gemeinsame Familien- und Haushaltsgründung ohne anderweitige Unterstützung erfolgte und bezeichnet diese Zusatzinformation als wesentlich.
5.2.F.: Alleine, ja! Sie bestärkt seine Aussage.
6.3.M.: Absolut aus eigener Kraft, ja! Nochmalige Betonung der eigenen Kraft, mit deren Hilfe man alles schaffte. Ein bekräftigendes
ja
beendet dieses Statement.
7.3.F.: Und auch absichtlich alle Verwandten ausgeschlossen. Also – wir waren auch bewußt auf uns alleine gestellt und wollten das auch so haben. Haben vielleicht die lieben Eltern manchmal schockiert, aber fanden’s ganz gut und finden’s heute auch gut, daß wir das tun, was wir für richtig halten. Und so auf der anderen Seite ist’s heute meine Erkenntnis, es ist vielleicht doch manchmal ganz gut, wenn man jemand hat, bei dem man sich so ein bißchen Hilfe holen kann. Vor allem als Frau mit kleinen Kindern, ohne Erfahrung und – aber es ist dann eben die Konsequenz aus dem Verhalten. Der Aspekt der bewußten und absichtlichen Loslösung von den Familien wird eingebracht. Heute noch billigen sie diesen und ihre damalige Einstellung und würden wieder so handeln, wenngleich sie die Schwierigkeiten heute realistischer einschätzen würde und deshalb auf gelegentliche Ratschläge dankbar reagieren würde. Doch glaubt sie, die einmal getroffenen Entscheidungen konsequent durchhalten zu müssen.
8.2.I.: Waren Sie berufstätig vorher? Eingreifen des Interviewers, der das Thema auf die frühere Berufstätigkeit der Frau lenkt.
9.4.F.: Ich war berufstätig vorher und war sehr selbständig berufstätig, hatte ein Geschäft geleitet, und das war, – ist für mich heute noch das Problem, daß ich diese Selbständigkeit aufgegeben habe. Und so ist die Befriedigung meiner Bedürfnisse innerhalb der Familie nicht zu finden. Sie beschreibt ihre berufliche Tätigkeit, weist auf ihre damalige Selbständigkeit hin und spricht dann von dem Problem des Verlustes dieser Selbstständigkeit, was sie heute sehr belastet, und zwar insofern, als ihre Bedürfnisse innerhalb der Familie nicht mehr befriedigt werden können. Die Betonung liegt auf dem Aspekt ihrer individuellen Bedürfnisse und der Unmöglichkeit, daß eine Familie dies leisten könne.
10.3.I.: Ja und – Ihre Eltern waren nicht einverstanden mit der Heirat? Der weibliche Interviewer spricht die Abhängigkeit von ihren Eltern an – in bezug zur Entscheidung des Heiratens.
11.5.F.: Ja doch, na also, woll’n wir so sagen, ich hab’ sie gar nicht gefragt, d.h. ich war damals bereits so selbstständig in meinen Entscheidungen, daß ich das, was ich für richtig gehalten habe, immer durchgesetzt habe. Und das ist wohl auch jetzt das Problem in unserer Ehe, daß ich mich ein bißchen an die Wand gedrückt fühle. Etwas zögernd, verneint sie jegliche Abhängigkeit, betont wieder ihre damalige Selbständigkeit, die jede diesbezügliche Einmischung verbot. Mit Nachdruck weist sie darauf hin, daß sie immer das getan habe, was sie persönlich für richtig gehalten habe. Nach kurzer Pause kommt sie wieder auf das Kernproblem, wie sie meint, ihrer Ehe zurück, das darin besteht, daß sich sich übergangen fühlt.
12.4.M.: Gilt jetzt nicht so wie bei Deinen Eltern? Er greift ihren versteckten Vorwurf auf und informiert sich, ob sie ihn und seine Haltung ihr gegenüber der ihrer Eltern gleichsetzt.
13.6.F.: Nein, das stimmt nicht. Ich – nein wir verstehen unter Partnerschaft etwas Gegensätzliches. Sie verneint lachend, zögert und spricht dann von ihrer gegensätzlichen Auffassung von Partnerschaft.
14.4.I.: Können Sie das ein bißchen erklären, worin die Gegensätzlichkeit besteht? Bittet um weitere Erklärung bezüglich der aufgestellten Behauptung.
15.7.F.: Ja, also mal ganz kraß ausgedrückt, seh’ ich meinen Mann so, daß er Geld verdient, sehr hart Geld verdient, sich vom Geldverdienen ausruht, um am nächsten Tag wieder erneut gut Geld verdienen zu können. Und das genügt mir nicht! Und nun hab’ ich versucht, meinen Interessen soweit es geht und soweit ich mich aufraffen kann, selbst und allein nachzugehen. Aber ich hab’ meinem Mann auch gesagt, daß ich mich damit immer weiter von ihm entferne. Ich geh’ allein ins Kino, alleine ins Theater. Ich lese auch – hm – Sie überzeichnet bewußt ihre Sichtweise im Hinblick auf die alltägliche Lebenspraxis ihres Mannes. Grenzt sich hingegen als jemand ab, der eigene, außerhalb des nackten Gelderwerbs liegende Interessen hat, deutet jedoch gleichzeitig auf die Beschränktheit ihrer eigenen Möglichkeiten innerhalb des gegebenen Rahmens hin. Den gemeinsamen Aspekt bringt sie zum Ausdruck, indem sie auf die gegenseitige Entfremdung hinweist, die durch die verschiedenen Orientierungen entsteht.
16.5.M.: Kino? Mit ungläubigem Unterton überzeugt er sich, ob sie tatsächlich Kino gesagt hat.
17.8.F.: Nun, hin und wieder geh’ ich auch mal alleine ins Kino – doch! Ungewöhnlich heftig reagiert sie auf seine Frage und betont, daß sie durchaus auch alleine ins Kino gehen würde.
18.6.M.: Murmelt unverständlich. Er murmelt etwas vor sich hin.
19.9.F.: ... Wir lesen auch zum Beispiel kein Buch gemeinsam, über das wir mal reden könnten. Und – hm, das Fernsehen allein genügt mir nicht als einziger Lebensinhalt – innerhalb der Freizeit. Und das ist das Hauptproblem unserer Ehe! Den thematischen Faden von vor der Unterbrechung durch die Bemerkung des Mannes nimmt sie mit der leicht klagend hervorgebrachten Äußerung wieder auf, daß sie auch nie gemeinsam ein Buch lesen würden, an das sich eine Diskussion anschließen könnte. Das Fernsehen als einzige erfüllende Freizeitaktivität zu betrachten, weist sie entschieden als unbefriedigend ab. Diese Unterschiedlichkeit in der Interessenlage bezeichnet sie zusammenfassend als das Hauptproblem in ihrer Ehe.
20.5.I.: Und wie sehen Sie diesen, Ihren Aspekt innerhalb der Problematik? Die Interviewerin fordert den Mann zu einer persönlichen Stellungnahme auf.
21.7.M.: Ich mein’, eh, ich mein’, es liegt daran, es liegt etwas weiter zurück, liegt das alles zurück.
Wie Sie an dem ersten Fragebogen gesehen haben, habe ich nur Volksschule, – und – es fehlen natürlich dann, rein allgemeinbildend – fehlt sehr sehr viel. Und – eh – wie meine Frau schon sagte, eh – tu ich allerhand für Geld. Ja? Weil ich mir sage, ich möchte zumindest so leben, wie es mir behagt. Und im Laufe der Zeit hat mich natürlich dann der Beruf aufgefressen, eh – daß man die freien Kräfte, die man hat, die steckt man in den Beruf, um im Beruf an der Spitze zu stehen. Also, – ich geb’ mich nicht damit ab, einfach mitzulaufen, sondern ich möchte an der Spitze stehen und dann, – bleibt natürlich automatisch, blieb, woll’n mer mal sagen, das andere zurück. Und heutzutage sind vielleicht sogar, eh – Komplexe da, daß man sagt, ja auf der einen Seite bist du was und auf der anderen mußt du zugeben, daß du das nicht weißt! Also wird es abgetan. Ja, das ist sehr wahrscheinlich die Ursache dafür.
Etwas zögernd, sich mehrere Male räuspernd, setzt er wiederholt zum Sprechen an. Schließlich beginnt er seinen Bildungsgang zu erklären und die damit eng verknüpfte mangelnde Allgemeinbildung abzuleiten. Nach kurzer Pause, sehr langsam, bestätigt er die Aussage seiner Frau bezüglich seines Geld-Engagements, rechtfertigt sich hingegen mit seinem Bedürfnis nach einem qualitativ anspruchsvollen Lebensstandard.
Schnell und fließend, beinahe suggestiv spricht er dann von seinem beruflichen Einsatz, der getragen von dominierendem Ehrgeiz, superiore Positionen zu erringen, ihm sehr wenig Zeit für private Interessen läßt bzw. ließ. Heute, so betont er, sei sein Engagement nicht mehr in dem Maße erforderlich; dennoch hätten sich möglicherweise Komplexe entwickelt, deren Ursache in dem Bewußtsein läge, einerseits eine hochqualifizierte Fachkraft zu sein, andererseits jedoch mit recht mäßigen privaten Interessen ausgestattet zu sein.
22.9.F.: Ja, – und da hak’ ich dann ein, daß ich sage, wir könnten, – es gibt doch heute so viele Möglichkeiten, – es liegt doch an einem selbst, und man kann doch nicht 25 Jahre später oder 30 Jahre später sagen, ich hab’ nur Volksschule und begnüge mich damit.
Mit offensichtlicher Erregung, die erhöhte Stimmlage läßt darauf schließen, entgegnet die Frau, daß sie erwarten würde, daß man nicht resignativ die einmal erkannten
Defizite
beläßt, wie sie sind, sondern vielmehr die sich mannigfaltig bietenden Möglichkeiten wahrnehmen müßte, um sich weiter zu entwickeln.
Beim Atemholen wir sie von ihm unterbrochen.
23.8.M.: Nein, nein, sicherlich nicht! Aber das ist es eben, allmählich ... Aufbrausend stimmt er ihr zwar zu, möchte jedoch noch etwas ergänzend hinzufügen, wird dabei aber von ihr unterbrochen.
24.9.M.: Aber, – allmählich ist das, ist das da hochgegangen und eh – es ist tatsächlich heute so, ich bin vom Beruf so eingespannt, daß ich abends dann ehrlich die Schnauze so voll habe, daß ich nichts hören und sehen will. Und wenn dann meine Frau noch kommt, –
komm, mach’ dies, mach’ jenes
, da explodiere ich sogar.
Auch er läßt sich in seiner verbalen Planung nicht beirren und ergänzt den unvollständig gebliebenen Satz. Wichtig scheint ihm zu sein, das Prozeßhafte dieser Entwicklung zum Ausdruck zu bringen.
Er wiederholt erneut den Aspekt seiner beruflichen Anspannung, die es ihm nicht erlaubt, weitreichendes Engagement im privaten Bereich zu investieren.
Deshalb, allerdings mit geringer emotionaler Ausdrucks- und Überzeugungskraft dargelegt, sei er sogar zu unkontrolliertem Verhalten fähig, wenn sie ihn am Feierabend mit Ansprüchen konfrontieren würde.
25.11.F.: Ja, aber ich sag’ ihm eben dann, er muß dann akzeptieren, daß ich mich dann immer weiter von ihm entferne. Denn ich kann nicht den ganzen Tag auf ihn warten, und ich tu das, ich freu’ mich auf ihn, und abends da tut sich nichts – und – ich kann mich damit nicht zufrieden geben.
Und die Kinder alleine, die genügen mir jetzt im Kontakt nicht. Es ist doch, ne – den ganzen Tag sehr anstrengend, und ich glaub’, daß ich mich schon mit den Kindern verantwortungsvoll beschäftigte und auseinandersetze. Aber dann, dann ist einfach mal Schluß, da will man auch mal Ansprüche haben dürfen. Ich weiß, daß ich nicht allein bin in dieser Situation.
Sie entgegnet darauf, daß diese Einstellung und Praxis eine stete Entfremdung zur Konsequenz habe. Dieses Argument illustrierend, schildert sie ihre Situation als Hausfrau und Familienmutter und betont ihre Bedürfnisse nach Anregung und Kontakten, die sie im Rahmen der häuslichen Tätigkeiten nicht finden könnte.
Anschließend, beinahe fordernd, besteht sie darauf, daß auch sie Ansprüche nicht nur haben, sondern auch ein Recht zu diesen Ansprüchen und deren Realisierung hat. Nach kurzer Pause, quasi ein wenig ironisch hingeworfen, deutet sie an, daß sie über die Allgemeinheit dieses Problems informiert sei.
26.6.I.: Hm, hm. (bejahend)
Ja, wenn Sie so im Beruf angespannt sind und sehr viel für Ihren Beruf tun, da gibt es doch auch wahrscheinlich Probleme, Diskussionsstoff, den man mit nach Hause nehmen könnte, im Beruf?
Bejaht zunächst durch aufmunterndes Nicken ihre Ausführungen. Wendet sich dann dem Mann mit der Frage zu, ob nicht gerade die berufliche Situation eine gute Ausgangsbasis für Diskussionen zu Hause in der Familie wäre.
27.10.M.: Den gäb’ es auch! Der Mann bejaht diese Möglichkeit.
28.7.I.: Den man im Beruf und in der Familie diskutieren könnte, einfach darüber reden könnte. – Oder wenn Sie auf Reisen gehen, da haben Sie doch sicher auch bestimmte Erfahrungen gemacht, die man dann austauschen könnte. Ja, man könnte auch sagen, daß diese Berufsbelastung nicht so, – gerade ein Anreiz sein könnte für das Familienleben und nicht so sehr eine Belastung dafür. Er führt diese Punkt weiter aus. Ergänzt durch den Aspekt der Geschäftsreisen, die doch sicherlich viel Anregungen bringen können, so daß die Berufsbelastung sogar ein Anreiz für das Familienleben darstellen könnte. Und damit nicht mehr als Belastung empfunden würde. Diese Argumente bringt er mit starkem Engagement vor.
29.11.M.: Ja, eh – ich finde, was soll ich meine Frau noch mit diesem Zeug belasten, was sie doch nicht begreifen kann. Das sind, das sind, das sind oft Ursachen, die eine Frau wirklich nicht begreifen kann. Und bis ich das auseinandergesetzt habe, und – eh – das ist nicht drin! Das würde sie, würde sie doch gar nicht verstehen. Ich mein’, das haben Ansatzpunkte gezeigt. Ausweichend nimmt er Stellung hierzu: Seiner Ansicht nach sollte man soweit wie möglich Frauen nicht mit Problemen belasten, die sich auf technische, chemische o.ä. Zusammenhänge beziehen, da sie per definitionem Schwierigkeiten hätten, diese zu erfassen. Außerdem bedürfe es langwierige Erläuterungen, die letztlich doch fruchtlos blieben. Als Beweis dafür erwähnt er seine Frau, die auch nicht begriffen habe, die mit seinem Beruf zusammenhängenden Probleme zu verstehen.
30.12.F.: Ich bin diesen chemischen Dingen sehr entfernt, ich habe dazu keine Beziehung. Lachend stimmt sie ihm zu, daß sie bezüglich seines speziellen Fachgebietes recht unbedarft sei.
31.13.M.: Dann kommt eben automatisch noch, daß ich mir sag’, gut sie hat mit den Kindern auch viel am Hals, was soll ich sie da noch zusätzlich belasten. Er fügt noch den Aspekt der zusätzlichen Belastung hinzu, denn sie habe ohnehin genügend mit den Kindern zu tun.
32.13.F.: Das Argument hab’ ich nie akzeptiert! eh – hinzu kommt eben noch, J., daß du im allgemeinen sehr viel in dich hineinfrißt, wenig, eh – also – und die geistige Auseinandersetzung, die liegt dir überhaupt nicht, in – auch in privaten Dingen nicht. Die Dinge auf uns zukommen lassen, und wenn’s dann explodiert, gut, dann werden die Scherben beiseite geräumt. Aber so – ehm ...
Diesmal verwirft sie energisch sein Argument und weist darauf hin, daß dies noch nie stichhaltig genug gewesen wäre, um sie zu überzeugen.
Sie führt einen weiteren Punkt ein, mit dem sie versucht, seine Haltung zu erklären – nämlich seine Persönlichkeitsstruktur, der mehr das Schweigen entspräche, weniger die aktive Auseinandersetzung. Sie verwendet den Ausdruck – geistige Auseinandersetzung und deutet damit sein Konfliktmanagement an, seine passive Haltung, die solange anhält, bis der Konflikt offen zutage liegt und einer Lösung bedarf.
33.14.M.: Ja, das ist ungefähr so meine Einstellung, weil sie ungefähr auch mit dem Beruf zusammenhängt: Es hat ja doch keinen Zweck, sich vorher den Kopf heiß zu machen, über irgendwelche Dinge. Ein Wenn und ein Aber und tagelang darüber zu diskutieren, es kommt ja doch ganz anders als man denkt. Er unterbricht sie durch seine Bestätigung, fügt noch ergänzend hinzu, daß diese Strategie bzw. Einstellung eng mit dem Beruf zusammenhinge. Zusammenfassend folgende Lebensweisheit, die für ihn handlungsleitend ist:
Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt
. Folglich suspendiert man sich jeder möglicherweise unnötigen Überlegungen und wartet ab.
34.14.F.: Ja, aber, ich glaub’, man kann auch die ganzen Möglichkeiten erwägen, die kommen können. Sie lacht auf, unterbricht ihn und versucht, ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen, die eher in Richtung einer Erfassung der Komplexität von Handlungs- und Entscheidungsspielräumen und Alternativen geht.
35.15.M.: Ich stehe lieber vor der Tatsache als solcher und und reagiere dann in dem Moment.
Eh, vielleicht Beispiele: Meine Frau hat mal sämtliche Papiere mit Geld und allem Möglichen verloren. Sie dachte, ich würde sonst was vom Stapel lassen –
Er führt das unterbrochene Statement zu Ende. Er ist für spontanes Reagieren im aktuellen Moment. Hierzu zitiert er ein Beispiel aus dem Ehealltag, in dem es im wesentlichen darum geht, wie er sich in Konfliktsituationen verhält, die sie verursacht hat.
36.15.F.: Nein, eh ... Sie will unterbrechen, um ihn zu berichtigen.
37.16.M.: Das sind, eh – das sind Dinge, die sind passiert, was soll ich jetzt darüber rumschreien oder etwas machen. Das ist passiert, jetzt schauen wir zu, wie kommen wir aus der Misere raus. Da gibt’s auch keinen Vorwurf oder dergleichen dann später mal, daß ich sage, jetzt hast du ja ’ne Lehre gezogen. Dagegen in Kleinigkeiten, da kann ich schon mal eher aufbrausen, aber in so großen Dingen, noch nie gewesen, oder? Er läßt sie nicht zu Worte kommen und beendet seine Darstellung. Er expliziert noch einmal deutlich seine Ansicht, wie in Konfliktsituationen vorzugehen sei, wobei diese normative Setzung leicht selbstherrlich wirkt. Sich selbst dann relativierend stellt er noch fest, daß er zwar in großen Dingen sehr großzügig sei, jedoch in Kleinigkeiten hingegen auch mal aufbrausen könnte. Ein fragendes
oder
beendet die Äußerung.
38.16.F.: Natürlich nicht, des is, des is jetzt auch ein Vergleich, der hinkt. Leicht ungeduldig bejaht sie ihn, weist darauf hin, daß das Beispiel nicht geeignet sei, um die Unterschiedlichkeit ihrer Planungsstrategie zu verdeutlichen.
39.17.M.: Wieso hinkt der? Ihm ist nicht klar, warum sein Beispiel nicht richtig ist.
40.17.F.: Ich, meine Einstellung ist ja auch, daß Dinge, die geschehen sind und – wo man nichts mehr dran ändern kann, ... Sie geht kurz auf das von ihm Gesagte ein, wobei sie den Akzent auf Vergangenes, das man nicht ändern kann, legt und kennzeichnet diese Ansicht auch als die ihrige. Er unterbricht sie, beide sprechen gleichzeitig, heftig erregt.
41.18.M.: Nein, auch Dinge, auch Dinge, die man in etwa absehen kann. Fühlt sich mißverstanden, ergänzt seinen Standpunkt dahingehend, daß er auch diejenigen Dinge miteinbezieht, die bereits abzusehen sind.
42.18.F.: Daß man sich darüber nicht mehr aufregt, – nein, aber – ... Sie führt das nicht gesagte Statement zu Ende, bezieht sich nocheinmal auf Vergangenes, das man belassen sollte.
43.19.M.: Was hat das für einen Zweck, kannst es so machen oder so machen. Is’ doch Blödsinn! Und das ist das, was meine Frau nicht verstehen kann. Er spricht weiter von Zukünftigem, über das man sich nicht den Kopf zerbrechen sollte. Lehnt solch ein Verhalten kategorisch als Blödsinn ab. Nach kurzer Pause kommt er auf den Ausgangspunkt des Gesprächs zurück, nämlich auf die Kontroverse mit seiner Frau, welcher er unterstellt, daß sie ihn in diesem Planungsverhalten nicht verstehen kann.
44.19.F.: So diese gewisse Planung und Voraussicht – und – doch! Ich brauch, ich muß, – ich brauch diese Ansprache. Und ich fühl mich oft dadurch sehr isoliert, weil ich ...
Sie betont ihr Bedürfnis nach Planung, das für sie gleichzeitig ein Ausweg aus ihrer Isolation ist.
Er unterbricht sie.
45.20.M.: Sicherlich, ich mein’, ich mein’, das wirkt ... Spricht über die Wirkung, die sein Verhalten bei ihr auslösen könnte, sie unterbricht ihn.
46.20.F.: Ich mein’, ich kann, – ich find’ in meinem Mann gar kein Gegenüber, der mit mal zuhört, – der sagt, woll’n mer mal sehen, woll’n mer mal abwarten, damit ist die ganze Sache erledigt. Und damit finde ich mich nicht zurecht. Sie beklagt sich über die mangelnde partnerschaftliche Orientierung ihres Mannes, findet sich nicht genügend beachtet und beantwortet in ihren Bedürfnissen. Sie bekräftigt mit Nachdruck, daß sie sich damit nicht zurecht finden kann.
47.8.I.: Können Sie mal ein Beispiel geben, was für Themen sind das dann, wo Sie dann darüber reden wollen. Bittet um Beispiele.
48.21.F.: Ja, ach, das fängt von den banalsten Dingen an, – was wir am Wochenende machen. Und mein Mann sagt, schaun wir erst mal wie das Wetter wird.
Und ich würd’ halt erst mal ’nen Plan machen für Schnee und für Regen und für Sonnenschein. Und mein Mann sagt, müssen wir mal gucken, wie’s Wetter wird. Wenn der Himmel bedeckt ist, sagt er, ach, machen wir doch nichts, es regnet ja doch heute. –
Sie schildert als Beispiel die Wochenendplanung, bei der er von vornherein jede Planung abwürgt.
Lachend stellt sie ihre eigene Position dar, indem sie eindrucksvoll sämtliche Planungsmöglichkeiten aufzählt, die jeder Wetterlage gerecht würden. Ist dann das Wochenende da und das Wetter ist nicht eindeutig, so weist er auf möglichen Regen hin und lähmt damit alle Aktivitäten.
49.21.M.: Und dann regnet´s auch! Er betont, wie recht er meistens hat.
50.22.F.: Und wenn’s Wetter schön ist, sagt er, ne, es wird zu heiß, können wir auch nichts machen. Ist das Wetter hingegen strahlend, so bedeutet er, daß die Hitze zu groß würde und man doch lieber nichts tun sollte.
51.22.M.: Das stimmt nicht! Hier stimmt er nicht mehr zu, aufgebracht leugnet er die Richtigkeit.
52.23.F.: Und so fühl ich mich immer so in ’ne passive Rolle gedrängt. Und ich – em –, das ist jetzt das banalste Beispiel, aber es gibt ja auch größere Probleme.
Eines, das mich sehr belastet, ist, daß ich eines Tages für die Altersversorgung meiner Eltern gerade stehen muß. Und daß ich das schon jetzt irgendwie mal angepackt haben möchte und – mein Mann sagt: Och, woll’n mal sehen! Also so unausgesprochen, vielleicht sterben sie doch vorher, und dann haben wir uns Gedanken gemacht und brauchen gar nicht zu bezahlen.
So in dem Stil findet das alles statt. Also das war jetzt ’ne große Spanne von dem einen zum anderen. Aber so ist das mit allen Dingen.
– Daß wir überhaupt keine Wellenlänge haben.
Dieses Beispiel als eines der banalsten abwertend, deutet sie an, daß es größere zu bewältigen gäbe. Sie spricht von den Verpflichtungen, ihren Eltern eine Altersversorgung zu gewährleisten. Auch hier verhält sich ihr Mann abwartend, obgleich sie stark auf eine Inangriffnahme dieser Verpflichtung drängt.
Implizit unterstellt sie ihm, er hoffe, die Eltern mögen doch vorher sterben, bevor man etwas unternehmen müßte.
Von diesen Beispielen ausgehend generalisiert sie auf sämtliche Bereiche, in denen Planung notwendig ist und fügt distanziert hinzu, daß sie eben nicht auf der gleichen Wellenlänge lägen.
53.23.M.: Oder zum Beispiel, nehmen wir, nehmen wir den Urlaub, ja? Da sagt meine Frau: Ja, wo fahren wir denn hin? Ich sag’, ja das gibt sich schon. Und dann kommt sie, kommt sie nach Hause und sagt: Die vermieten da Häuschen in Dänemark, hol’ mal Prospekte ran, – ja, und dann wird das von einer Stunde zur nächsten entschieden. Es folgen weitere Beispiele, vor allem im Bereich der Freizeitgestaltung. Freizügig erzählt er, wie schnell und problemlos er Urlaube plant und die Planung durchführt.
54.24.F.: Und da fehlt mir was.
Also ich muß erst mal mit dem Finger um die Welt gefahren sein und dann irgendwo hängen bleiben, aber so einfach dann sagen: Gut, da gibt’s Häuschen, fahren wir halt hin, das ist mir zu wenig.
Sie bemerkt hierzu, wie übergangen sie sich fühlt, daß ihr ein wesentlicher Aspekt, nämlich die
Qual der Wahl
fehle. Sie würde lieber lange hin und her erwägen und dann abschätzen, für was sie sich entscheidet. Doch kann sie sich nicht realisieren, da er aufgrund von gegebenen Gegebenheiten bereits entschieden hat.
Sie immitiert seine Sprechweise auf gemein-ironische Weise.
55.24.M.: Wieso, dann bringt se da, bringt se da irgendwelche Häuschen an, und dann sag’ ich: Wie? in so ’ne Hütte willst du ziehn? Jetzt geh’ ich mal zu dem und guck mir das an. Ja, und dann in ’ner halben Stunde haben wir den schönsten Urlaub, dann. Ja?! Ihm ist dies nicht begreiflich. Er führt seine Einwände weiter aus.
56.25.F.: Womit nicht gesagt sein soll, daß wir auf meine Art nicht auch mal ’nen schönen Urlaub gehabt hätten, nicht? Sie beharrt auf ihrem Standpunkt und macht geltend, daß noch nicht entschieden sei, ob nicht ein von ihr geplanter Urlaub mindestens genauso schön gewesen wäre.
57.25.M.: Dann, tja, dann mußt du mal alleine fahren, wenn das nicht deine Art ist. Leicht suffisant rät er ihr, dann doch lieber alleine zu fahren. In etwa so: Du wirst ja schon sehen, daß ich recht habe.
|A 191|
[V44:453] Bereits nach der Paraphrasierung der ersten sechzig aufeinanderfolgenden Statements kristallisieren sich schwerpunktmäßig einige divergierende, teilweise weit auseinanderklaffende inhaltliche Orientierungen heraus, die den Leitfaden für den argumentativen Gesprächsverlauf zu bilden scheinen.
[V44:454] Da sich der weitere Ablauf im wesentlichen entlang dieses Leitfadens bewegt, verzichten wir auf eine Statement-für-Statement-Paraphrasierung zugunsten einer Vorgehensweise, durch die nur noch die von den Interaktionspartnern angesprochenen Konfliktbereiche herausgehoben werden. Dies bedeutet, daß wir lediglich diejenigen Interaktionssequenzen paraphrasieren, in denen, unserer Kenntnis über die vorhandenen Problemstellungen entsprechend, für das pädagogische Milieu bedeutsame Inhalte angesprochen werden und Formen sich ausdrücken. Die übrigen Äußerungen werden sinngemäß zusammengefaßt.
|A 191-200|
[V44:455]
59.9.I.: Der Interviewer greift den schon einmal angesprochenen Gesprächsgegenstand
Geschäftsreisen
wieder auf und erkundigt sich nach der Dauer der Abwesenheit von der Familie.
60.26.M.: Gibt genaue Auskunft über die Dauer der Reisen, indem er die maximale Zeitspanne nennt.
61.25.F.: Berichtigt ihn, bezeichnet die Dauer als länger.
Sie spricht parallel zu ihm.
62.27.M.: Einlenkend präzisiert er ihre Äußerung, bezeichnet die von ihr angesprochene Zeitspanne als einmalig.
63.26.F.: Sie geht auf ihn ein, akzeptiert seine Berichtigung.
64.28.M.: Wiederholt die bereits gegebene Auskunft durch eine Differenzierung.
65.10.I.:
bis
70.29.F.:
Nach kurzer Gesprächspause leitet der Interviewer das Thema auf die Präzisierung der familialen Gestaltung bei Abwesenheit des Vaters. Die Frau läßt ihn die Frage nicht zu Ende formulieren, sondern unterbricht ihn mit dem empathischen Ausbruch, daß es entsetzlich sei. Im weiteren beschreibt sie den normalen Tagesablauf und ihre in dieser Zeit besonders zu absolvierenden Pflichten, wie etwa die Heimarbeit. Ganz besonders hebt sie die Gestaltung der Wochenenden hervor, an denen sie mit ihren Kindern etwas unternimmt, wobei jedoch bereits durch technische und organisatorische Schwierigkeiten ihr Engagement gelähmt und ihre Lust gemindert wird. Weiterhin wirke sich die Abwesenheit des Vaters sehr ungünstig auf das pädagogische Milieu und damit auch auf die emotionale Atmosphäre aus; die Kinder, sonst die
feste Hand
des Vaters gewohnt, verhalten sich anders als eigentlich erlaubt und gewünscht und sie, die Frau, sei demgegenüber recht hilflos. Bedauernd stellt sie fest, daß in dieser Zeit kein allzu gutes Verhältnis zwischen ihr und den Kindern herrsche, lenkt jedoch sofort ein mit dem Hinweis, daß sie nicht nur die negativen Dinge erwähnen wolle. Die Bemerkung ihres Mannes, daß die
feste Hand
fehle, greift sie bestätigend auf und fügt noch hinzu, daß damit auch der
Orientierungspunkt
nicht vorhanden sei.
71.11.I.:
bis
101.43.F.:
Auf die Frage des Interviewers, ob die Familie keine Freunde habe, folgt eine längere Erörterung über die sozialen Kontakte zu anderen Familien, zu Freunden, zu Nachbarn, an die sich einige Bemerkungen über die Wohnsituation anschließen. Zunächst sprechen sie über die Situation der Familien an Wochenenden allgemein, edRef="#a" n="193"/>die charakterisiert sei durch die Auffassung, daß
am Wochenende die Familie sich selbst gehört
. Infolgedessen gebe es keine wechselseitige Anteilnahme der Nachbarfamilien an den einsamen Wochenenden in Form von gemeinsamen Ausflügen und Unternehmungen. Diese Auffassung sei wohl speziell beschränkt auf diesen Wohnbereich, denn an dem früheren Wohnort, obgleich ebenfalls in einer Schlafstadt, hätten sehr gute nachbarschaftliche Hilfen bestanden, die eine Stütze zur Überbrückung dieser Wochenenden waren. Der Mann fügt hinzu, daß aufgrund der Tatsache, daß die Nachbarschaft beinahe ausschließlich aus Akademikern bestünde, er persönlich keine allzu große Ambitionen für freundschaftliche Kontakte hätte. Er habe während seiner Arbeitszeit genügend mit ihnen zu tun, und diese Erfahrungen wären keine Motivationen für intensivere Freundschaften. Er bezeichnet kurz seine Nachbarn als
hochgestochen
. Die Frau erweitert diesen seinen Erfahrungsbereich durch Beobachtungen ihrerseits, die letztlich als beispielhaft gelten könnten. Sie schildert ihre Bemühungen, anfangs mittels eines Selbsthilfe-Kinderkreises, deren Initiatorin sie war, Kontakte zu ihren Mitbewohnern zu knüpfen. Dieser Vorschlag jedoch sei auf blankes Unverständnis gestoßen, so daß sie heute daran kein Interesse mehr hätte. Lediglich ein kleiner
Schlüsselaustausch
fungiere als nachbarschaftliche Hilfe, möglicherweise könnte sich daran eine Freundschaft schließen. Außerdem sei eine Singschule am Ort, in die die Kinder gehen, was ebenfalls ein gemeinsamer Anknüpfungspunkt sein könnte.
104.18.I.: Der Interviewer greift den in Andeutung bereits angeklungenen Themenbereich auf, der die Problematik der divergierenden Erwartungen der Ehepartner aneinander umfaßt. Kurz referiert er die zu edRef="#a" n="194"/>diesem Bereich gehörenden Äußerungen der Frau: einerseits ihr Unbehagen bei der Gestaltung der gemeinsamen Feierabende, andererseits die durch die häufige Abwesenheit des Mannes verursachte und von ihr als belastend empfundene Isolation.
105.44.F.:
Sie geht ohne Umschweife auf dieses Thema ein, bezeichnet ihr Verhalten als teilweise schizophren und begründet diese Charakteristik durch eine recht bildhafte Erklärung: Einerseits der während seiner Abwesenheit gefaßte Entschluß, ihn bei seiner Rückkehr über ihre Erwartungen aufzuklären, um damit eine Veränderung im Lebens- und Tagesrhythmus zu bewirken, andererseits ihr Vorsatz, die Abwesenheit ganz besonders intensiv für die individuellen Interessen zu nutzen. Beide Vorsätze scheitern regelmäßig und zurück bleibt das Gefühl der Ausweglosigkeit, das einer
Katze, die sich in den eigenen Schwanz beißt
:
Eine Möglichkeit, den Definitionszwängen (durch den Mann) zu entgehen, sieht sie in einer erneuten Berufstätigkeit, doch die Realisierung dieses Wunsches scheitere, wie sie meint, an der Opposition des Mannes.
106.43.M.: Berichtigend deutet er seine Einstellung zu ihrem Berufswunsch an, indem er darauf hinweist, daß eine Befürwortung oder Ablehnung von der je spezifischen Art einer Berufsausübung abhinge.
107.45.F.
bis
111.47.F.:
Hier werden im wesentlichen die Punkte angesprochen, die bei einer Berufsausübung problematisch werden können: die dreifache Belastung zum einen als Mutter und Hausfrau, dann als Berufstätige und eine damit aufs engste verknüpfte Vernachlässigung eines dieser Bereiche. Um dem zu entgehen, setzt sie den Zeitpunkt einer Berufsausübung für den Entwicklungsstand der Kinder fest, der nicht mehr diese intensive Betreuung von ihr verlangt. Allerdings muß sie, wie sie betont, bereits jetzt mit der Planung der Ausbildung beginnen.
112.21.I.: Der Interviewer bittet den Mann um eine Explikation seines Standpunktes bezüglich der möglichen Schwierigkeiten bei der Berufstätigkeit der Frau.
113.44.M.: Dieser sieht vor allem in der Kinderbetreuung die Schwierigkeiten; außerdem ist ihm ihre Motivation nicht einsichtig genug, um das mögliche Zu-kurz-Kommen der Kinder damit rechtfertigen zu können. Ihm leuchtet zwar ein, daß die Beschränkung auf Familie und Haushalt nicht die Erfüllung sein kann und bietet deshalb als Ergänzung eine Teilzeitbeschäftigung an. Doch bei den weitergehenden Ambitionen seiner Frau, die das Abitur nicht ausschließen, setzt er ein entschlossenes
Nein
. Denn dieses Ziel ist seiner Ansicht nach entschieden zu hoch gegriffen, um bei einer Lebensführung wie der ihrigen mit all den Verpflichtungen bezüglich der Kindererziehung und Haushaltsführung erreicht werden zu können. So hält er es für realistischer, den Bereich auszubauen, in dem sie früher schon tätig war und den Kaufmannsgehilfenbrief zu erwerben. Dies sei ein kleineres, jedoch erreichbares Ziel.
114.48.F.: Ihr Atemholen läßt auf einen Einwand schließen, der durch sein Fortführen aber nicht gebracht werden kann.
115.45.M.: Hier habe sie die gewünschte Abwechslung und Anrechnung, kurzum all das, was sie jetzt so vermisse.
116.49.F.: Sie entgegnet ihm, daß sie die kaufmännische Tätigkeit nicht aufgrund einer selbständigen Entscheidung gewählt habe, und daß sie allein bei dem Namen dieses Abschlusses immense Barrieren zu überwinden habe. Dennoch würde sie jetzt dies in Angriff nehmen ... (bleibt wegen seines Unterbrechens unvollendet).
117.46.M.: Beinahe vorwurfsvoll wendet er ein bzw. fügt hinzu, daß sie auch noch das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden wolle!
118.50.F.: (Sie beginnt einen Satz, wird unterbrochen)
119.47.M.: Ein weiteres Argument für diesen Abschluß scheint ihm der Hinweis darauf zu sein, daß im Falle seines frühzeitigen Ablebens ein qualifizierter Abschluß durchaus ein adäquates Einkommen garantieren könne. (Leicht selbst-ironisch bemerkt er, daß selbst hier der Aspekt des Geldes von ihm gebracht wird.)
120.22.I.
bis
121.51.F.:
Der Interviewer erkundigt sich nach ihrer früheren Tätigkeit und Selbstständigkeit, die sie im Folgenden erläutert. Vor allem betont sie, daß sie aufgrund der Entscheidung ihrer Eltern nie die Möglichkeit hatte, das zu tun, was sie selbst wollte und deshalb auch das Bedürfnis nach eigener Entscheidung so stark sei, daß jedoch andererseits nicht einzusehen sei, warum ihr Mann diesen Fehler ihrer Eltern heute ausbaden sollte. Und dies sei die Begründung dafür, daß sie nun doch den Kaufmannsgehilfenbrief machen würde.
122.48.M.: Er entgegnet, daß laut ihrer Darstellung ja bereits ein Zwang hinter dem Entschluß stehe und dies von vornherein schon falsch sei.
123.52.F.: Sie bestätigt ihn, jedoch lediglich den Aspekt des Zwanges.
124.49.M.: Er wiederholt noch einmal, daß allein die Tatsache, daß sie den Entschluß als Zwang empfinde, eine Verwirklichung unmöglich machen würde.
125.53.F.: Leise murmelt sie vor sich hin, daß sich dies erst noch beweisen müsse.
126.50.M.: Er führt seine Bedenken weiter aus, indem er das Beispiel eines größeren nervlichen Aufwands anführt, der zwangsläufig mit einer nicht freiwillig gewählten Tätigkeit verbunden ist.
127.54.F.: Sie betont erneut den Zwang, unter dem sie steht.
128.51.M.: Bekräftigt den Aspekt der erhöhten nervlichen Anspannung.
129.55.F.: Sie konkretisiert ihr zukünftiges Arbeitsfeld, bezeichnet die Tätigkeit als
Käse
, fügt jedoch mit beinahe trotzigem Unterton hinzu, daß sie das schaffen würde.
130.23.I.
bis
140.60.F.:
Bei dem kleinen Disput über die geforderten Grundlagen eines Kaufmannsgehilfenbriefes wird nochmals die unterschiedliche Orientierung bezüglich eines Berufszieles deutlich. Sie steht auf dem Standpunkt, daß die geforderten Grundlagen wie Stenographieren, Maschinenschreiben für sie so unattraktiv sind und eine so starke Überwindung von ihr fordern würden, daß damit bereits die Motivation für einen darauf aufbauenden Beruf zunichte gemacht sei. Er hingegen sieht diese manuellen Fertigkeiten als zwar unangenehmes Übel, doch als überwindbar durch eine entsprechend befriedigende Berufspraxis. Hier entgegnet sie ihm, daß dennoch der Zwang, zumindest bei dem Erwerb der Grundlagen für einen Beruf, nicht aufgehoben sei. Dem Einwand, daß doch letztlich das Ziel entscheidend sei, begegnet sie mit der Bemerkung, daß sie ja nicht einmal ein Ziel hätte, daß sie anstreben könnte.
Sie erklärt im folgenden, warum sie bislang noch keine konkreten Zielvorstellungen entwickelt habe: Die Schwierigkeiten des ersten Kindes bei Schuleintritt schienen doch so bedeutsam zu sein, daß sie in jedem Falle dem zweiten Kind in dieser Zeit ebenfalls zur Verfügung stehen will. Erst dann möchte sie sich intensiv um Berufsperspektiven kümmern, allerdings insofern mit Einschränkungen, als nur eine Teilzeitbeschäftigung für sie in Frage kommt.
141.56.M.: Seiner Ansicht nach liegt der Sinn einer Teilzeitbeschäftigung lediglich im zusätzlichen Geldverdienst.
142.61.F.: Jetzt drückt sie ihren Standpunkt klar aus, indem sie betont, daß sie eine so definierte Teilzeitbeschäftigung ablehnt, vielmehr eine verantwortungsvolle Betätigung anstrebt, diese sei wiederum nur sehr schwer mit einer sorgfältigen Erziehung vereinbar.
151.60.I.
bis
153.61.M.:
Auf die Frage des Interviewers, ob nur die Mutter als alleinige Berechtigte und Befähigte für die Erfüllung der Erziehungsaufgaben in Betracht käme, äußern sich beide in der gleichen Weise: Welche Legitimationsbasis gäbe es dann dafür, Kinder zu gebären.
Der Mann führt seinen Standpunkt noch etwas genauer aus. Er ist der Auffassung, daß der einmal gefaßte edRef="#a" n="199"/>Entschluß, zu heiraten und eine Familie aufzubauen, nicht grundsätzlich revidierbar ist und auch keiner Diskussion im weiteren Verlauf des gemeinsamen Lebens bedürfe, ungeachtet möglicher Verhaltens- und Einstellungsänderungen, die durch Erfahrungszuwachs entstehen können. Treten gravierende unterschiedliche Anspruchsorientierungen später dennoch auf, so kann dies für ihn ein Scheidungsgrund sein.
157.67.F.: Ihre Entgegnung darauf bezieht sich auf die Entwicklungsfähigkeit eines jeden Menschen. Gerade Einstellungsveränderungen seien durch zusätzliche Erfahrungen möglich, teilweise könnten sogar Orientierungen entstehen, die den früheren entgegenstehen.
158.63.M.: Sich auf seine Entwicklung berufend, leugnet er diese Möglichkeit.
159.68.F.: Sie geht nicht auf seine Zwischenbemerkung ein, sondern vollendet ihre Darstellung mit dem Hinweis, daß es doch ehrlicher wäre, die Veränderungswünsche zu artikulieren, anstatt passiv sich in sein Schicksal zu ergeben und dabei unglücklich zu werden.
160.64.M.
bis
166.71.F.:
Nachdem beide ihre Standpunkte vertreten haben, weist der Mann auf die Möglichkeit eines Kompromisses hin, um zu einer Lösung zu gelangen. Bei dieser Äußerung seufzt die Frau laut hörbar auf, fügt jedoch diesbezüglich nichts mehr hinzu. Vielmehr spricht sie noch einmal von den Bedingungen, die bei ihr zu einer Bewußtseinsänderung geführt haben.
Auf die Rückfrage des Interviewers, wie denn ein Kompromiß aussehen könnte, deutet der Mann nur recht vage seine Vorstellungen an, vor allem, so betont er, dürfe sie nicht von zu Hause abwesend edRef="#a" n="200"/>sein. Sie antwortet konkreter, indem sie die Heimarbeit anführt, die für sie allerdings ein sehr schlechter Kompromiß wäre, den sie auf die Dauer nicht eingehen wollte.
167.67.M.: Zusammenfassend beschreibt er nun seine Auffassung von ihren Vorstellungen. Sie wisse eigentlich gar nicht, was sie wolle und was sie brauche, und da könnte man nur äußerst mühsam einen Kompromiß finden.
168.72.F.: Sie bestätigt ihn und fügt in Ergänzung hinzu, daß sie nur wisse, was sie nicht wolle.
169.68.M.: Er wiederholt sie und sich.
170.73.F.:
Illustrativ schildert sie noch einmal das, was sie absolut nicht möchte, nämlich ein Leben zu führen, wie das, zu dem sie im Augenblick gezwungen ist.
In den folgenden Statements spricht er von den Möglichkeiten, einige Jahre mit der Familie ins Ausland zu gehen, was er jedoch aus familiären Gründen ablehnt, da er der Auffassung ist, dies sei lediglich eine Verschiebung der vorhandenen Probleme, die in weit größerem Maße dann aufbrechen würden. Sie stimmt ihm dabei zu.
|A 201|
2.2. Die inhaltlichen Schwerpunkte
[V44:456] Es ist offensichtlich, daß die Kommunikation im Ehe-System, soweit sie in diesem Interview zum Vorschein kommt, relativ eindeutig thematisch strukturiert ist. Die entscheidenden Merkmale dieser Struktur sollen nun unter dem Aspekt der von den Interaktionspartnern selbst vorgenommenen Problemdefinitionen bestimmt werden.
[V44:457] Die vorgenommenen Problemdefinitionen lassen sich in ihrem inhaltlichen Aspekt in drei Dimensionen bestimmen: in der Dimension, in der die wechselseitige Bestimmung der Beziehung stattfindet, derjenigen, in der die Beziehung und unterschiedliche Orientierung zur
Welt der Dinge
zum Ausdruck kommt und derjenigen, die die zeitliche Perspektive der vorangegangenen Biographie und bestimmte Aussichten auf die Zukunft betrifft.
[V44:458] Eine solche Dimensionierung der relevanten Inhalte birgt die Gefahr, zu weit gefaßte Kategorisierungen vorzunehmen, die möglicherweise den Details der jeweiligen Problemdefinitionen nicht mehr gerecht werden; doch meinen wir, im Interesse einer klaren Zusammenfassung, die bereits Ausblicke für die weiteren Untersuchungsschritte erlauben soll, dies Vorgehen rechtfertigen zu können.
[V44:459] Beginnen wir mit den Problemdefinitionen, die im Bereich der wechselseitigen Beziehungsdefinitionen vorgenommen werden, so ist an erster Stelle die Inkongruenz der Definition von Partnerschaft zu nennen. Dies drückt sich aus in der Rollenverteilung innerhalb der Ehepartnerbeziehung, hier ein durch traditionelles Rollenmuster determiniertes Verständnis, dort ein Loslösen aus eben diesen Definitionszwängen. Deutlich wird diese Divergenz am Beispiel der Arbeitsteilung in der Familie und an der damit verbundenen Reduktion der Frau auf Haushalt und Familie.
[V44:460] Die auseinanderklaffenden Planungsstrategien, die in einer grundsätzlich unterschiedlichen Lebenseinstellung begründet sind, sind ebenfalls zu dem Bereich der Beziehungsprobleme |A 202|zu rechnen. Als Beispiel seien die Urlaubs- und Wochenendplanungen angeführt, das unterschiedliche Konfliktmanagement der Ehepartner, vor allem aber die Divergenz im Hinblick auf die Berufszukunft der Frau.
[V44:461] Mangelnde Kommunikation über die Bereiche, in denen der andere beschäftigt ist, zum einen aufgrund von Inkompetenzunterstellungen, zum anderen aus unterschiedlichen Interessenlagen, sind weitere Problembereiche der Familie. Hier sind die Beispiele der Arbeitssituation des Mannes und die Interessenverwirklichungen der Frau zu erwähnen.
[V44:462] Wie bereits ersichtlich, werden die Beziehungsprobleme immer im Zusammenhang mit zur Sprache gebrachten Sachverhalten deutlich, bzw. diese lassen sie offen zutage treten. Doch können wir auch Konfliktbereiche unterscheiden, die nicht die Interagierenden in ihren wechselseitigen Beziehungsdefinitionen betreffen. Hierzu zählen wir bei dieser Familie den Themenbereich
Wohnen
– die Isolation durch die Wohnbedingungen und die Sterilität der Wohnsituation in der
Schlafstadt
. Das gleiche gilt für den Problembereich
Biographie der Frau
, besonders ihre Ausbildungssituation; damit in Zusammenhang steht die Berufstätigkeit der Frau, das Problem der Teilzeitbeschäftigung, ein eigener, den individuellen Bedürfnissen entsprechender Bereich für die Frau und die Einstellung zur Erziehungskompetenz gegenüber den Kindern.
[V44:463] Diese genannten Problemdefinitionen weisen teils auf Vergangenes – wie etwa die Biographie der Ehepartner – und auf damit verbundene Formen der Bewältigung gegenwärtiger Konflikte, teils auf die Zukunftsperspektive der Ehe und Familie. In dieser doppelten Funktion müssen z.B. die divergierende Planungsstrategie und die unterschiedliche Art der Konfliktbewältigung der Ehepartner gesehen werden. Gleiches gilt für die Problemdefinitionen, die sich auf die Bestimmung von
Partnerschaftlichkeit
beziehen lassen.
[V44:464] Die Hervorhebung solcher Konfliktbereiche ist zunächst nur ein erster Schritt zur Erfassung, Rekonstruktion und Bestimmung des pädagogischen Milieus der Familie. Es handelt sich – und das scheint uns wichtig – um Akzentuierungen der Familienproblematik, die nicht den von vornherein ge|A 203|setzten Erwartungen an den Untersuchungsgegenstand entsprechen, sondern von den Interaktionspartnern selbst vorgenommen und als relevant bezeichnet werden. Doch bleibt dieser erste Schritt bislang nur eine Sumation von Konfliktbereichen, die in je unterschiedlichen Kontexten zum Ausdruck kommen. Nichts ist ausgesagt darüber, wie die Familie bzw. zunächst die erwachsenen Interaktionspartner mit diesen Konflikten umgehen, wie sie bei der Thematisierung reagieren. Dies zu ermitteln, soll das Interesse der folgenden Untersuchungsschritte sein.
2.3. Interpretation einer ausgewählten Interaktionssequenz
[V44:465] Nachdem im vorangegangenen Untersuchungsschritt die mittels Paraphrasierung der sprachlichen Äußerungen zur Rekonstruktion des argumentativen Gesprächsverlaufs erschlossenen Konfliktbereiche der Interagierenden dargestellt wurden, wollen wir nun unser weiteres methodisches Vorgehen am Beispiel einer ausgewählten Interaktionssequenz explizieren. Wir wählen dazu diejenige Gesprächseinheit aus, in der die Interaktionspartner die Definition ihres
Hauptproblems
vollziehen, die unterschiedliche Auffassung von
Partnerschaft
.
[V44:466] Daß das unterschiedliche Partnerschaftsverständnis an erster Stelle unserer Interaktionsanalyse steht, hat folgenden Grund: Im Verlauf des Gesprächs über die Geschichte der Familie, das zudem das Einführungsgespräch darstellt, wird die Unterschiedlichkeit der Auffassung als erstes und gleichzeitig als Hauptproblem von den Interaktionspartnern thematisiert und definiert. Unterstellen wir, daß dies nicht grundlos geschieht, so bedeutet das zum einen, daß hier möglicherweise eine bestimmte Taktik bzw. interpersonelle Strategie verfolgt wird, die das kommunikative Geschehen eindeutig in seinem weiteren Verlauf determinieren wird, wir also aufgrund dieser Problemdefinition annehmen können, daß in je unterschiedlichen Kontexten und
Verschleierungen
diese Eingang findet und damit das innerfamiliäre Milieu stark beeinflußt. Zum anderen, daß dies tatsächlich das Hauptproblem (focal problem) der Familie ist und sowohl bei einer formalen wie auch inhaltlichen Betrachtung der familiären Interaktion zu beobachten sein muß.
|A 204-212|
[V44:467]
Protokoll Paraphrasierung Sprecherintention Situationsdefinition Problematisierung Reflexivität
13.6.F. ... Wir verstehen unter einer Partnerschaft beide ’was Gegensätzliches. ... Die Frau spricht von ihrer unterschiedlichen Auffassung von Partnerschaft Sie gibt eine allgemeine und undifferenzierte Aussage, die zumindest einen der Interaktionspartner zu einer Nachfrage bezüglich dieser Behauptung veranlassen muß. Da sie niemanden direkt anspricht, bleibt zunächst noch ungewiß, wer sich äußern wird. Sie behauptet einen auf der Beziehungsebene liegenden Sachverhalt, in dem sie sich und ihren Mann als ein interagierendes System darstellt, welches auf inhaltlicher Ebene Dissens aufweist. Damit definiert sie die Situation als eine, in der Kommunikation über diesen Sachverhalt möglich ist, sich selbst als denjenigen, der sich hierzu äußern kann und möchte. Die Behauptung der Frau, daß eine unterschiedliche Definition von Partnerschaft bestehe, begründet die von ihr im vorangegangenen beschriebene Situation der gemeinsamen Beziehung. – Damit wird die Behauptung zur Proposition. Sie zeigt, daß sie fähig ist, rationale und reflektierte Verständigung über ihre Ehebeziehung zu vollziehen. Außerdem problematisiert sie die in der Institution Familie begründete divergierende Beziehungsdefinition. Sie reflektiert die unterschiedliche Auffassung von Partnerschaft als für die gemeinsame Beziehung konstitutiv bzw. als gerade sie gefährdend. Sie bezieht in ihre Reflexion die Erwartung ihres Mannes mit ein und bietet damit die Möglichkeit einer diskursiven Erörterung über die erstarrten Beziehungsdefinitionen.
14.1.I. Können Sie das ein bißchen erklären, worin die Gegensätzlichkeit besteht? Der Interviewer bittet um weitere Erklärung bezüglich dieser Behauptung. Der Interviewer reagiert. Er beabsichtigt mit seiner Nachfrage eine Vertiefung ihrer Aussage und zeigt damit sein Interesse an diesem Gesprächsinhalt. Er akzeptiert ihre Situationsdefinition wie auch ihre Selbstdefinition. Mit seiner Bitte nach Rechtfertigung ihrer Behauptung setzt er den initiierten Gesprächsgegenstand als so bedeutend fest, um jetzt einer eingehenden Behandlung angemessen zu sein. Er selbst begreift sich als interessierten Interaktionspartner.
15.7.F.
Ja, also mal ganz kraß ausgedrückt, seh’ ich meinen Mann so, daß er Geld verdient, sehr hart Geld verdient, sich vom Geld verdienen ausruht, um am nächsten Tag erneut gut Geld verdienen zu können. Und das genügt mir nicht!
Und nun hab’ ich versucht, meine Interessen, ich – soweit es geht, und soweit ich mich aufraffen kann, selbst und alleine den Interessen nachzugehen. Aber ich hab’ das meinem Mann auch gesagt, daß ich mich damit immer weiter von ihm entferne. Ich geh’ alleine ins Kino, alleine ins Theater. Ich – wir lesen auch – hm ...
Sie überzeichnet absichtlich ihre Sichtweise im Hinblick auf die alltägliche Lebenspraxis ihres Mannes. Grenzt sich hingegen als jemand ab, der eigene, außerhalb des nackten Gelderwerbs liegende Interessen hat. Deutet aber gleichzeitig auf die Beschränktheit ihrer eigenen Möglichkeiten innerhalb des gegebenen institutionellen Rahmens hin.
Den gemeinsamen Aspekt dieser verschiedenen Interessenlagen bringt sie zum Ausdruck, indem sie auf die wachsende Entfremdung hinweist, die durch die verschiedene Orientierung entsteht. Bei der Beschreibung der kulturellen Aktivitäten, denen sie alleine nachgeht, wird sie von ihm unterbrochen.
Durch die Nachfrage des Interviewers verstärkt, erklärt sie ihre aufgestellte Behauptung. Sie bezieht sich dabei auf sehr direkte und persönliche Art auf die ihrer Ansicht nach dominantesten Charakterzüge ihres Mannes.
Ihre anschließende Selbstdefinition könnte unter dem Aspekt der positiven Abgrenzung betrachtet werden; auch so kann ihre Absicht, ein Zerrbild des Charakters ihres Mannes zu geben, verstanden werden. Diese Interpretation gewinnt an Plausibilität, betrachtet man ihre Explikation bezüglich ihrer individuellen Interessen, die sämtlich nämlich im Bereich kulturell und gesellschaftlich anerkannter Normen anzusiedeln sind. Mit dem Hinweis auf die Beschränktheit der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten versucht sie, eventuell entstandene Erwartungen an sie zu reduzieren. Dennoch edRef="#a" rend="quer" n="206"/>hält sie eine ausdrückliche Erwähnung der sich immer weiter vergrößernden Entfremdung für nötig, womit sie die zwar schon immer vorhandene, jetzt sich jedoch rapide verstärkende Diskrepanz in der Interessenorientierung, Lebenseinstellung und damit der Praxis ihres Mannes offenbaren möchte.
Auffallend ist, daß sie während der ganzen Stellungnahme sich an die Interviewer wendet. Sie kann mehrere Absichten damit verfolgen:
  1. a)
    Sie antwortet auf die gestellte Frage des Interviewers für denselben; dies bedeutet, daß sie die Situation als Dialog definieren würde.
  2. b)
    Sie benutzt den Interviewer als Medium, mittels dessen sie den Konflikt nicht in einer face-to-face Situation mit ihrem Mann zu thematisieren edRef="#a" n="207"/>braucht. Dies hieße, daß hier ein derart
    schwelender
    Konfliktbereich läge, den sie nur in Gegenwart Dritter, und sei es nur durch deren Anwesenheit, ansprechen könnte.
  3. c)
    Sie weist dem Mann die Position eines Requisits zu, über den zwar gesprochen wird, der sich jedoch nicht zu äußern hat, und sei es nur deshalb, weil er ohnehin keine neuen Gegenargumente in die Diskussion einbringen würde. Dies hieße eine Resignation bezüglich sich an bestimmten Inhalten entzündenden Konflikten.
Als für eine Rechtfertigung bedeutsam wählt sie die ihr am signifikantesten scheinenden Charaktermerkmale ihres Mannes aus und beschreibt mit deren Hilfe seine Beziehung zu Arbeit und Geldverdienen und damit zu Geld schlechthin. Als Konsequenz daraus muß sie sich selbst davon unterscheidend abweichend definieren und diese Selbstdefinition erläutern. Besonders bedeutsam scheint ihr zu diesem Zweck, die Darstellung der verschiedenen Interessen zu sein, denen sie nun alleine nachgeht.
Die Folge der unterschiedlichen Orientierung wird als Problem erkannt und bestimmt, einer Lösung bedürftig definiert, jedoch keine Alternative aufgewiesen.
Mit dem für sie entlastenden Hinweis auf die von ihr erkannte wachsende Entfremdung betont sie ihre Stellung innerhalb der Beziehung insofern, edRef="#a" rend="quer" n="206"/>als sie sich als diejenige definiert, die die Zusammenhänge erkennt und die Konsequenzen aufzeigen kann. Folgt der Partner dieser Problemdefinition nicht, so lehnt sie weitere Verantwortung ab. Offensichtlich begreift er dieses Problem als nicht so gravierend, um einer sofortigen Lösung zu bedürfen (denn sonst hätten sie heute gemeinsame Aktivitäten entwickelt), folgt man ihren Ausführungen. Indem er damit auch ihre Selbstdefinition in Zweifel stellt, muß sie sich in potenziertem Maße um die Aufrechterhaltung ihres Selbstverständnisses bemühen, will sie nicht unglaubwürdig werden. So ist dann auch die Aufzählung der einzelnen Interessenverwirklichungen zu verstehen.
Mit den Ausführungen bezüglich der für ihn als handlungsleitend geltenden Normen, denen gemäß er sich auf die reine Reproduktion seiner Arbeitskraft reduziert, unterstellt sie ihm eine
Lebensphilosophie
, die für sie geradezu rituellen Charakter hat. Sie problematisiert die daraus abzuleitende Lebenspraxis in zweierlei Hinsicht: zum einen als Reduktion der Komplexität von Handlungsmöglichkeiten bzw. eine Reflexion von Alternativen, zum anderen die Legitimation einer solchen Reduktion betreffend, also mehr auf abstrakter Ebene anzusiedeln.
Die Problematisierung seiner Handlungsnormen, zumindest der, die sie ihm unterstellt, führt zu einer Problematisierung der gemeinsamen Beziehung. Denn durch eine Reduktion der Komplexität von Handlungsalternativen wird zwangsläufig die Beziehung mitbetroffen. – Die Konsequenz für sie ist ebenfalls eine Reduktion ihrer Handlungsmöglichkeiten. Diese Erkenntnis führt zu einer offensichtlichen Abgrenzung gegenüber den handlungsleitenden Normen des Mannes und seiner Erwartungs- und Anspruchshaltung an sie. Damit reflektiert sie seine Einstellung als gefährdend für die gemeinsame Beziehung.
Die Distanzierung von seiner Beziehungsdefinition führt für sie allerdings zu einem weiteren Dilemma, sie kann die von ihr als gültig anerkannten Vorstellungen einer gemeinsamen Beziehung,
Partnerschaft
, wie sie sagt, nicht realisieren und steuert nun in vollem Bewußtsein einer ständig wachsenden Entfremdung von ihrem Mann entgegen.
So hat sie zwar ein hohes Maß an Reflexivität, also an Bereitschaft, rationale und reflektierte Verständigung zu üben, ein entsprechendes Handeln jedoch scheint unmöglich.
16.5.M. Kino? Mit ungläubigem Unterton überzeugt er sich, ob sie tatsächlich Kino gesagt hat. Er unterbricht sie, wobei er sein Erstaunen bezüglich einer der Aktivitäten zum Ausdruck bringt. Wir können diese zunächst informativ scheinende Nachfrage verschieden interpretieren: edRef="#a" rend="quer" n="208"/>
  1. a)
    zunächst formal: Er möchte sich ins Gespräch bringen, drückt damit sein Unbehagen aus, daß sie so ausführlich über ihn und sich selbst spricht, ohne daß er die Möglichkeit hat, sich selbst zu äußern.
  2. b)
    Auf inhaltlicher Ebene kann er auch Zweifel an der Richtigkeit ihrer Äußerung anmelden. Oder
  3. c)
    er weist darauf hin, daß er nicht gewußt habe, daß sie auch allein ins Kino geht. Und
  4. d)
    eng mit c) verbunden: Er drückt seine Mißbilligung bezüglich dieser selbstständigen Kinobesuche aus, von denen er bislang noch nicht einmal wußte.
Er stellt zunächst das von ihr Gesagte in Frage bzw. bittet um Erklärung eines Sachverhalts. Indem er ihre selbstständigen Kinobesuche aus dem Gesamtbereich ihrer aufgezählten Aktivitäten auswählt, hebt er deren Bedeutsamkeit für ihn persönlich hervor. Gleichgültigkeit, welche Ausdrucksintention er verfolgt: Er fordert in jedem Falle eine Stellungnahme von ihr und begibt sich damit in eine superiore Position. Entsprechend den vorgeschlagenen Bedeutungsgehalts-Verleihungen können hier verschiedene Ebenen der Problematisierung bzw. Reflexion stattfinden.
Er problematisiert die Richtigkeit ihrer Aussage, also den Gegenstand, über den Verständigung gesucht wird.
  1. a)
    Er reflektiert die Gesprächssituation, die seiner Ansicht nach zu stark durch sie strukturiert ist.
  2. b)
    Er reflektiert die Beziehung, indem er ihr wissentliche Unterschlagung von Handlungen unterstellt.
  3. c)
    Er verweist die Heimlichkeit dieser Kinobesuche in die Nähe eines Vertrauensbruches.
In allen genannten Fällen problematisiert er ihre Beziehungsdefinition bzw. ihre Selbstdefinition und deutet an, daß hier eine Umdefinition notwendig ist. Ihre Erwartung an eine Beziehung gehen in seine Reflexion mit ein.
17.8.F. Nun, hin und wieder geh’ ich auch mal allein ins Kino – doch! Ungewöhnlich heftig reagiert sie auf seine Frage und betont, daß sie durchaus auch alleine ins Kino gehen würde.
Sie betont die Richtigkeit ihrer Aussage, geht also auf die unter b) angeführte Interpretationsmöglichkeit des intentionalen Gehalts seiner Äußerung ein. Gleichzeitig schwächt sie ihre ehemalige Behauptung ab, indem sie auf das Gelegentliche dieser Kinogänge verweist. Damit reagiert sie auf die unter d) genannte Möglichkeit, insofern sie nämlich seine Mißbilligung antizipiert und lieber abschwächt, um ihn nicht zu provozieren. Das abschließende
doch
kann bekräftigende Intention ausdrücken, als sie die Richtigkeit ihrer Aussage noch einmal betont, kann aber auch eine Reaktion auf seine Mißbilligung sein, die sie nun versucht, wenigstens mit dieser kleinen Bekräftigung als Gegenargument zu entschärfen. Sie antwortet also in ihrer Entgegnung auf edRef="#a" n="210"/>seine Nachfrage auf mehrere von ihm möglicherweise verfolgten kommunikativen Absichten und drückt damit ihre Absicht aus, ihn in seiner Argumentation zu widerlegen.
Sie gibt ihm also keine Chance zu sagen:
das habe er nicht gemeint, nicht sagen wollen
.
Hier kann man durchaus von einer interpersonalen Taktik sprechen, die von ihr eingesetzt wird.
Sie akzeptiert zunächst seine Positionszuweisung und geht auf seine Forderung nach Stellungnahme ein. Damit zeigt sie implizit ihre Zustimmung bezüglich der von ihm gesetzten Relevanzkriterien.
Auch akzeptiert sie seine auf intentionaler Ebene mögliche Mißbilligung und damit seine Situationsdefinition wie Beziehungsdefinition.
Doch das während der Rechtfertigung sich allmählich steigernde Unbehagen gipfelt in dem mit aller Heftigkeit vorgebrachten
doch
, mit welchem sie auf einem eindeutigen Aushandeln der Position besteht bzw. versucht durchzusetzen.
18.6.M. hm, brm (unverständlich) Unartikulierter Ausdruck von Unbehagen Sein unverständliches Gemurmel scheint diese Interpretation zu bestätigen: Ihm bleibt nichts mehr als Entgegnung. Das Unbehagen jedoch kann er durch unartikuliertes Gemurmel ausdrücken. Das Unbehagen kann sich beziehen auf den Tatbestand, daß sie allein ins Kino geht, oder auf die durch die Frau induzierte Unfähigkeit, sich zu artikulieren und eine Gegenmeinung aufzustellen. Folgen wir dem Interpretationsvorschlag zur Sprecherintention, so definiert er die Situation dahingehend, die Positionszuweisung zunächst, allerdings nicht ohne Vorbehalte, zu akzeptieren.
19.9.F. Wir lesen zum Beispiel kein Buch gemeinsam, über das wir mal reden können. Und – hm, das Fernsehen allein genügt mir nicht als einziger Lebensinhalt der Freizeit. Und das ist das Hauptproblem unserer Ehe. Den thematischen Faden von vor der Unterbrechung durch die Bemerkung ihres Mannes nimmt sie mit der leicht klagend hervorgebrachten Äußerung wieder auf, daß sie auch nie gemeinsam ein Buch lesen würden, an das sich eine Diskussion anschließen könnte. Das Fernsehen als einzige erfüllende Freizeitaktivität zu betrachten, weist sie entschieden zurück. Diese Unterschiedlichkeit in der Interessenlage bezeichnet sie zusammenfassend als das Hauptproblem in ihrer Ehe.
Den Gesprächsverlauf ohne inhaltliche Abschweifungen von vor dem kurzen Wortwechsel aufgreifend, weist sie diesem den Charakter eines unbedeutenden Intermezzos zu.
Die inhaltliche Darstellung der gegenseitigen Entfremdung scheint ihr sehr wichtig zu sein. Der hier einsetzende klagende Unterton in der Stimme scheint implizit Vorwürfe an den Mann auszudrücken. Allerdings spricht sie nun wieder zu den Interviewern, benutzt diese also, um sich über ihren Mann vorwurfsvoll zu äussern.
Die quasi alternativ zu den oben beschriebenen Aktivitäten gebrachte Anführung des Fernsehens läßt auf diesbezügliche Vorschläge bzw. Orientierungen von seiten des Mannes schließen. Die mögliche Absicht, diese Alternative zu erwähnen, kann zum einen darin liegen, sich wieder von den Interessen des Mannes abzugrenzen bzw. diese edRef="#a" n="212"/>abzuqualifizieren oder eine Entgegnung auf einen von ihm gemachten Vorschlag, den sie nun im Beisein Dritter, deren Unterstützung sich sicher glaubend, schlagkräftig widerlegen kann.
Mit dem abschließend quasi zusammenfassenden Kommentar deutet sie die auf interpersoneller Ebene liegende Konsequenz der unterschiedlichen Orientierungen in der Lebenseinstellung und damit immer -Praxis an.
Dies kann mit der Absicht geäußert sein, weitere vertiefende Fragen diesbezüglich zu stellen, also provokativen Charakter haben oder auch als Hinweis auf den damit gesetzten Schlußpunkt gelten.
Sie behauptet ihre, vom Mann nicht eindeutig entkräftete Position, beansprucht damit das Recht auf die Äußerung ihrer Meinung, die in einer weiteren Darstellung bezüglich der Interessenlage besteht.
Sie definiert sich und ihre Beziehung, wie in 15.7. dargelegt, allerdings scheint nun eine Akzentuierung auf Gemeinsamkeit vorgenommen zu werden.
Sie faßt sich als der aktive Teil auf, der stark unter dieser Reduktion leidet und bezeichnet ihn als dafür verantwortlichen Teil.
In dem abschließenden Satz definiert sie noch einmal resumierend die dargestellte Problematik als das Hauptproblem ihrer Beziehung. Sie bezeichnet sich selbst also wieder als den für diesen interpersonalen Bereich Zuständigen, der auf der Beziehungsebene das Recht auf Problemdefinition beanspruchen kann.
Als ein in 15.7. bereits angesprochenes Dilemma stellt sich für sie die Ausweglosigkeit ihrer Situation dar. Sie problematisiert die von ihm an eine Familie gestellten Forderungen, indem sie die dadurch entstehende Entfremdung betont. Ihr Alternativvorschlag besteht in der Forderung nach Gemeinsamkeit, nach einer Familie als Interesseneinheit, in der sämtliche Bedürfnisse, die einen Lebensinhalt ausmachen, befriedigt werden sollten.
Sie besteht also auf einer unterschiedlichen Handlungsnorm, die mit der seinen unvereinbar scheint.
Sie reflektiert hier in grundlegender Weise ihre Beziehung zum Partner, führt als Begründung jedoch Sachzwänge an, die sie bewußt verfolgt.
Mit dieser Begründung weist sie die Möglichkeit einer Veränderung durch Reflexion von eingespielten und erstarrten Definitionen, Normen und über Frage und Begründung, neuen Konsens zu erzielen und das Handeln entsprechend umzuorientieren, von sich. Sie besteht vielmehr rigide auf der Definition von
Selbst
als demjenigen, der sich in Abhängigkeit zu den Handlungsorientierungen des Partners zu definieren hat.
|A 213|
2.4. Analyse der Ehepartnerbeziehung
[V44:468] Versuchten wir im letzten Untersuchungsschritt zum einen unser methodisches Vorgehen bei der Analyse der sprachlichen Interaktion anhand einer Statement-für-Statement Interpretation zu verdeutlichen, zum anderen mittels dieser ausführlichen Interpretation gleichzeitig das von den Interaktionspartnern als Hauptproblem ihrer Ehe bezeichnete unterschiedliche Verständnis von Partnerschaft zu erfassen, so soll das Ziel des nun folgenden Schrittes darin liegen, das gesamte sprachliche Material dementsprechend zu analysieren.
[V44:469] Wir beziehen uns dabei jedoch nicht auf sämtliche Äußerungen der Gesprächspartner, sondern folgen den Problemdefinitionen, die wir mittels der Rekonstruktion des argumentativen Verlaufs durch Paraphrasierung erschlossen haben. (Vgl. 2.2.) Dies bedeutet, daß wir lediglich diejenigen Interaktionssequenzen analysieren, in denen, entsprechend den jeweiligen Problemdefinitionen der Betroffenen, die für das pädagogische Milieu relevanten Inhalte thematisiert und spezielle Formen des Aushandelns dieser Inhalte deutlich werden.
[V44:470] Um den Umfang der monographischen Interpretation nicht allzu sehr anschwellen zu lassen, werden wir nicht, wie bei der methodischen Darstellung des Vorgehens (vgl. 2.3.), eine einem bestimmten Themenbereich zuzuordnende Statement-für-Statement Interpretation vornehmen, sondern uns hierfür nur diejenigen Interaktionssequenzen herausgreifen, in denen unserer Ansicht nach besonders signifikant die für unsere Analyse bedeutsamen Gesichtspunkte zum Ausdruck kommen. Die übrigen, noch zu dem thematisierten Problembereich zuzuordnenden Äußerungen werden entsprechend zusammengefaßt.
2.4.1. Unterschiedliches Verständnis von Partnerschaft
[V44:471] Gemäß der Annahme, daß die unterschiedliche Auffassung der beiden Ehepartner von Partnerschaft das Hauptproblem der |A 214|Beziehung darstellt, vermuten wir einen Zusammenhang zwischen diesem
focal problem
und den übrigen vorgenommenen Problemdefinitionen; und zwar insofern, als wir annehmen, daß von diesem Kernproblem her die anderen Probleme besser verstehbar werden.
[V44:472] Die Interaktionsanalyse (vgl. 2.3.) konzentrierte sich auf den Punkt der Diskussion zwischen den Ehepartnern, in dem die Problemdefinition selbst vollzogen wurde; unbeachtet blieb dabei der dynamische Aspekt des Gesprächsverlaufs, d.h. die allmähliche Entwicklung bzw. Eskalation der Interaktion auf diesen Punkt hin. Obgleich die analysierte Gesprächseinheit im Verlauf des Gesamtgesprächs ziemlich am Anfang steht (Äußerung 13), wird hier ein offenbar sehr wesentliches und auch sehr persönliches Problem thematisiert, das sich in den wenigen vorhergehenden Statements rasch dahin entwickelt haben muß. Diese Entwicklung scheint für die interpersonellen Taktiken der Interaktionspartner nicht untypisch zu sein und bedarf deshalb hier einer eingehenderen Erwähnung.
[V44:473] Argumentativ ist folgende Gesprächsentwicklung zu beobachten: Die Frage des Interviewers nach der Berufstätigkeit der Frau beantwortet diese mit einer Beschreibung ihrer beruflichen Position (9.4.F.), lenkt auf den Verlust der mit dieser Position verbundenen Selbständigkeit bei Berufsaufgabe und bemängelt dann ihre latent vorhandene Frustration durch die Einschränkung auf den Familien-Bereich. Sie spricht von dem Gefühl, an die Wand gedrückt zu werden und versucht, die Ursache in der unterschiedlichen Auffassung von Partnerschaft zu sehen. Sein kurzer Einwurf, der eine Rückfrage über die Beziehung zu ihren Eltern beinhaltet und gleichzeitig nach Parallelen in der Ehepartnerbeziehung fragt, gibt ihr den Anlaß zu der genannten Behauptung:
Wir verstehen unter Partnerschaft beide was Gegensätzliches
.
[V44:474] Die Argumentationskette verläuft also äußerst stringent von der ehemaligen beruflichen Position über die Selbständigkeit, den Verlust derselben, die heutige Frustation in der Familie bis hin zu dem Kulminationspunkt: der Partnerbeziehung.
|A 215|
[V44:475] Sein Einwand (vgl. 12.4.M.) enthält die zentrale Information über die Beziehung der Frau zu ihren Eltern, die im Gegensatz zu ihrer Behauptung (vgl. 11.5.F.), in der sie ihre ehemalige Selbständigkeit auch den Eltern gegenüber ausdrückt, zu stehen scheint. Denn an anderer Stelle des Gesprächs, als über freie Berufs- und Ausbildungswahl gesprochen wird, sagt sie sehr deutlich, daß sie nie die Möglichkeit hatte, ihre eigenen Interessen zu verwirklichen, und zwar aufgrund der elterlichen Interventionen (vgl. 121.51.F.).
[V44:476] Mittels dieser Kenntnis wird sein Einwand bzw. sein Versuch, Parallelen zwischen der Elternbeziehung und der Partnerbeziehung aufzustellen, verständlich. Ihre Gegenüberstellung – früher selbständig, heute unterdrückt – verliert dadurch eindeutig an Wahrheitsgehalt, den sie auch nicht nach seinem Einwand versucht zu erhärten. Vielmehr beruft sie sich, nach Begründungszusammenhängen suchend, auf ihr unterschiedliches Verständnis von Partnerschaft.
[V44:477] Mehrere Fragen sind an dieser Stelle zu formulieren:
[V44:478] 1. Warum stellt die Frau ihre damalige Situation derart dar, bzw. warum verzichtet sie auf eine stärker selbstreflexive Darstellung?
[V44:479] Diese Frage ist noch relativ einfach zu beantworten: Sie hat offenbar tatsächlich eine in diesem Zusammenhang
verzerrte Erinnerung
an ihre Vergangenheit, weigert sich also implizit, eine realistische Selbstdefinition zu geben. Sie kann aber auch beabsichtigen, das gemeinsame Gespräch stringent auf die herrschende Beziehungsproblematik hinzulenken; als Mittel benutzt sie dann eine übertriebene, quasi provozierende Darstellung ihrer selbst. Betrachtet man ihr Arrangement, um zur Thematisierung dieser Problematik zu gelangen, d.h. ihre Strategie, auf sachliche, informative Fragen immer eine Antwort, die auf der Beziehungsebene liegt, zu geben, so gewinnt diese Annahme an Plausibilität. (Sie hätte z.B. rein argumentativ sich durchaus auf Informationserteilung über ihre frühere Berufstätigkeit beschränken können, ohne sogleich auf ihr Beziehungsproblem einzugehen; ebenso ihre Reaktion auf den |A 216|Einwand des Mannes, wo auch ein kurzer Hinweis über ihre Elternbeziehung genügt hätte).
[V44:480] 2. Warum deutet der Mann die
Unrichtigkeit
ihrer Selbstdarstellung nur an, ohne sie weiter auszuführen? Sein Einwand, der sowohl eine Richtigstellung wie auch eine Ergänzung darstellt, bedeutet zunächst eine Verwerfung ihrer Selbstdefinition und zugleich eine Umdefinition. Daß die Umdefinition jedoch derart vage gehalten und lediglich eine Parallelisierung ist, die zu weiteren Vermutungen Anlaß geben kann, kann zum einen mit der Absicht geschehen, die Frau nicht bloßstellen zu wollen. Dies würde bedeuten, daß er souverän die Situation überblickt. Zum anderen kann er dadurch seine Zustimmung zur weiteren Thematisierung dieses Problems ausdrücken; dies würde implizieren, daß er die gleichen Relevanzkriterien wie sie setzen würde, nämlich das von ihr zur Sprache gebrachte und als Hauptproblem der Ehe charakterisierte unterschiedliche Verständnis von Partnerschaft hier und nun zu erörtern. Damit verbunden ist der Verzicht auf weitere Stellungnahmen seinerseits.
[V44:481] 3. Warum bemüht sie sich nicht nach seinem Einwand um eine Rechtfertigung bzw. Korrektur ihrer Selbstdefinition, sondern behauptet einen auf der gemeinsamen Beziehungsebene liegenden Sachverhalt – den des unterschiedlichen Partnerschaftsverständnisses? Daß sie sich nicht um eine Korrektur ihrer Selbstdarstellung bemüht, belegt die Vermutung, daß es sich um ein Inszenieren von bestimmten zu thematisierenden Beziehungsproblemen handelt, die nun ausgetragen werden sollten. Allerdings weist ihr kurzes Auflachen auf Andeutungen hin, die sie nicht weiter auszuführen geneigt ist. Sie gibt eine Beziehungsdefinition und begreift damit die Situation als eine, in der Kommunikation über diese Beziehungsdefinition möglich ist.
[V44:482] Damit beendet sie die Entwicklungsphase und begibt sich in die eigentliche Auseinandersetzung mit ihrem Partner. (Vgl. hierzu die Ausführungen 2.3.).
[V44:483] Wir können hier also durchaus von interpersonellen Taktiken der Interaktionspartner sprechen, und zwar insofern, als ein |A 217|ständiges Abweichen von den zu kommunizierenden Inhalten auf die zugrunde liegenden Beziehungsaspekte vorliegt. Die Reaktion des jeweiligen Partners erfolgt darauf, indem er versucht, die Situation seinen Intentionen gemäß zu strukturieren, also den Akzent auf den Inhalt der Mitteilung zu setzen. Überspitzt formuliert könnte man sagen, daß hier ein ständiges Aneinander-vorbei-reden stattfindet. Spricht sie z.B. von ihren Emotionen, so beweist er, daß ihre Gefühle aufgrund der bestehenden Realitäten falsch seien, womit er ihr die Berechtigung zu solchen Gefühlen abspricht. Folglich divergieren die Situationsdefinitionen immer an dem Punkt, wo Eindeutigkeit gefordert wird. Jeder der Interaktionspartner definiert die Situation dann gemäß seinen Intentionen bezüglich der Strukturierung des weiteren kommunikativen Ablaufs. Anstelle einer Kommunikation über Kommunikation werden interpersonelle Taktiken bzw. Arrangements zur Vermeidung einer solchen
Metakommunikation
benutzt.
[V44:484] Wir können also hier von einer Entsprechung der inhaltlichen wie auch der formalen Seite der Kommunikation sprechen: Inhaltlich die von den Interaktionspartnern vollzogene Problemdefinition, formal die Widerspiegelung in dem interpersonellen Umgang.
2.4.2. Aufgabenteilung/Rollenstereotype
[V44:485] Die Bereiche, in denen sich das unterschiedliche Verständnis von Partnerschaft am deutlichsten und auch offensichtlichsten ausdrückt, sind die stark an geschlechtsspezifischen Verhaltensstereotypen orientierten Verhaltenserwartungen und -Empfehlungen des männlichen Partners an die Frau und eng damit verknüpft ihre Reaktion und der ständig wachsende Wunsch nach Loslösung aus eben diesen Definitionszwängen.
[V44:486] Geradezu beispielhaft für das Aushandeln der unterschiedlichen Position scheint die Interaktionssequenz 105.44.F. bis 119.47.M. zu sein. Hier findet die Diskussion über die Situation der Frau statt und wird eine akzeptable Lösung aus dieser |A 218|Situation erwogen. Inhaltlich vollzieht sich eine sicherlich nicht zum ersten Male geführte Auseinandersetzung darum, inwieweit eine erneute Berufstätigkeit für die Frau die gewünschte Befriedigung ihrer Bedürfnisse darstellt, vor allem unter dem Aspekt der Auswahl der Tätigkeit und der Möglichkeit, den sonstigen Verpflichtungen in Ehe und Familie nachgehen zu können.
[V44:487] Ihre Haltung ist durch eine ausgeprägte Ambivalenz gekennzeichnet: Einerseits möchte sie berufstätig sein, um einen eigenen Bereich zu haben. Doch da sie nicht irgendeine Tätigkeit ausüben möchte, sieht sie den jetzigen Zeitpunkt für eine Ausbildung als günstig an, da sie fürchtet, nach dem Großwerden der Kinder zu alt zu sein. Andererseits steht sie in Konflikt mit ihren Ansprüchen auf eine verantwortungsvolle Erziehung der Kinder. Außerdem fürchtet sie die Mehrfachbelastung als Hausfrau, Mutter und Erwerbstätige. Ein dritter Aspekt gewinnt an Gewicht – der Widerspruch ihres Mannes, vor allem in bezug auf die Auswahl der Berufstätigkeit bzw. Ausbildung. Denn er steht auf dem Standpunkt, daß sie zwar irgendeine interessantere Betätigung zur Erweiterung ihres Horizontes braucht, doch daß es dafür nicht eines Abiturs bedarf, sondern eine Weiterbildung auf einem ihr bereits vertrauten Gebiet ausreichen würde. Zusätzlich steht für ihn eine mögliche Vernachlässigung der Erziehung in keinerlei Relation zu dem hinzugewonnenen Verwirklichungsbereich.
[V44:488] Wie nun die Auseinandersetzung zu diesem Punkt stattfindet, belegen deutlich unsere bereits gewonnenen Einsichten in die innerfamiliären Zusammenhänge. Denn neben der rein inhaltlichen Auseinandersetzung, bei der durchaus Konsens zu erzielen wäre, steht das Ringen um die Position innerhalb der Partnerbeziehung.
[V44:489] Ihr Wunsch, wieder berufstätig zu werden, basiert zunächst – ihrer Aussage gemäß – auf dem Gefühl des passiven Erstarrtseins in einer ausweglos scheinenden Lebenssituation.
... und deshalb ist in mir der Wunsch so stark geworden, berufstätig zu werden, um auch einen eigenen Bereich zu haben ...
, um also den Definitionszwängen durch die Familie zu entgehen. Die |A 219|Motive für ihren Wunsch nach dem Abitur liegen allerdings tiefer begründet: Zum einen, die damals unfreiwillig abgebrochene Schulausbildung zu beenden, um sich nachträglich aus den von den Eltern aufgestellten Zwängen zu befreien.
... das war die Kurzsichtigkeit meiner Eltern, also, mir da keinen Abschluß irgendwie für nötig ...; und das ist in mir in all den Jahren mitgewachsen, daß ich nie die Möglichkeit hatte, das was ich selbst wollte, zu verwirklichen ...
, zum anderen, und das scheint für die Ehepartnerbeziehung das Entscheidende zu sein, sich außerhalb des Kompetenzbereichs des Mannes zu emanzipieren.
[V44:490] Daß sie mit diesem Entschluß seine empfindlichste Stelle getroffen hat, zeigt seine Reaktion, denn er droht, falls sie tatsächlich ihren Wunsch verwirklicht, implizit mit Scheidung (vgl. 153.61.M.). Von seinem Standpunkt aus betrachtet, bedeutet ihr ehrgeiziger Plan eine starke Bedrohung, der er sich kaum sachlich konfrontieren kann, wo dann auch seine Taktik deutlich zum Ausdruck kommt.
[V44:491] Betrachten wir nun die zu diesem Aspekt zugehörige Interaktion, so ergibt sich auch hier die entsprechende kommunikative Situation. Nachdem sie ihre psychische Situation dargestellt hat, begründet die Ehefrau ihren Entschluß, wieder berufstätig zu werden; provozierend fügt sie hinzu, daß ihr Mann dazu jedoch nicht seine Zustimmung geben würde. Auf seinen Einwand, daß er abhängig sei von der je spezifischen Art der Tätigkeit, reagiert sie nicht direkt, sondern führt die zusätzlichen Schwierigkeiten an, die durch eine Berufstätigkeit entstehen würden: einmal die Haushaltsführung, zum anderen die Kinderaufzucht.
[V44:492] Bedeutsam scheint hier für die interpersonellen Taktiken, daß sie seinen Einwand ignoriert und dadurch ihre Sicht von ihm nicht zu ändern braucht, also auf ihrem Bild von seiner Position beharren kann und auch keine Umdefinition ihres Selbstbildes vollziehen muß. Sie kann vielmehr dadurch ihn für ein Nicht-in-Angriff-nehmen von Berufsperspektiven voll verantwortlich machen, (da er ja in ihren Augen nicht möchte, daß sie überhaupt berufstätig wird.)
|A 220|
[V44:493] Offensichtlich stimmt er mit der von ihr vorgenommenen Beziehungsdefinition überein, denn in seiner Erwiderung nimmt er deutlich Stellung zu dem Problem der Rollenzuweisung. Er zeigt Verständnis für ihre momentane Situation und ihr Bedürfnis nach einer passablen Lösung:
... Gut, ich seh’ ja ein, sie braucht irgendwas. Das ist ganz klar ...
Daß er dann von Behelfen mit kleinen Tätigkeiten, die sie so nebenher macht...“ spricht, zeigt seine Bedeutsamkeitskriterien bezüglich der Bewertung ihrer Bedürfnisse. Er definiert also ihre Situation als weitaus weniger prekär bzw. sieht keinen Anlaß, sich stark zu engagieren für eine adäquate Lösung ihrer Problematik. (Vgl. dazu auch 2.3. Interaktionsanalyse, Protokoll 15.7.F. Situationsdefinition, wo wir eine ähnlich unterschiedliche Definition der Situation ermittelt haben.)
[V44:494] Auf diese implizite Disqualifikation bzw. den Hinweis auf das Ungerechtfertigte ihres Engangement folgt dann eine Explikation seiner Meinung über ihre ehrgeizigen Berufspläne. Dies scheint geradezu kontrafaktisch arrangiert zu sein (113.44.M.). Es entsteht der sicherlich nicht unbeabsichtigte Eindruck, die Frau hätte tatsächlich unrealistische Ambitionen, die dann ausschließlich auf Kosten der Familie gingen. Er selbst definiert sich als derjenige, der die Sachlage etwas weitblickender überschaut und weiß, daß dieses Ziel zu hoch und damit unerreichbar ist; damit verweist er ihre Vorstellungen in den Bereich des Illusionären. Vor allem hüllt er seine Bedenken in die alleinige Sorge um sie ein, handelt also implizit als der väterliche Ratgeber, der die Bedürfnisse und Möglichkeiten realistischer einzuschätzen weiß. Dies ist insofern bedeutsam, als er nicht seine Interessen anführt, sondern sich auf die ihrigen beruft und diese als handlungsleitend unterstellt. Indem er also derart auf ihre Bedürfnislage und projektiven Zielvorstellungen bezüglich einer aktiven Bewältigung ihrer
individuellen
Problematik eingeht, akzeptiert er ihre Rollenzuweisung, allerdings mit der Einschränkung, daß er nicht alleine verantwortlich für ihre Nicht-in-Angriffnahme von Berufsmöglichkeiten sein möchte. Durch seinen |A 221|Alternativvorschlag wird dies verdeutlicht.
[V44:495] Daß er mit diesem Vorschlag genau die Situation versucht zu perpetuieren, gegen die sie angehen möchte – sich nämlich aus der Fremdbestimmung, sei es durch die Eltern oder durch den Ehepartner zu lösen – scheint ihm in diesem Augenblick nicht klar zu sein. Oder aber – und dies scheint gemäß unserer bisherigen Kenntnisse plausibel – er erkennt die Zusammenhänge und wehrt sie, da er sie als Bedrohung empfindet, ab und rationalisiert mit sachlich stichhaltig erscheinenden Argumenten. Sie ist jedoch nicht gewillt, dies gelten zu lassen, vielmehr besteht sie auf der Thematisierung genau dieses ihres Konfliktes. Sie antwortet damit mit einer gänzlich anders gelagerten und von ihm nicht intendierten Reaktion. Hier vollzieht sich der entscheidende Wendepunkt in der gegenseitigen Beziehungsdefinition. Sie entwertet seine sämtlichen Argumente mit dem Anspruch auf freie Entscheidung (116.49.F.). Allerdings, und das scheint für die Konfliktlösungsstrategien auf interpersoneller Ebene nicht untypisch zu sein, verzichtet sie auf eine rational fundierte Durchsetzung ihrer Meinung zugunsten einer zumindest formalen Einschränkung ihrer tatsächlichen Bedürfnisse. Damit übergibt sie ihrem Partner wieder die volle Verantwortung über ihre Entscheidungen bzw. wird zum unmündigen Partner, der nicht in der Lage ist, auch nur im Ansatz eine partnerschaftliche, d.h. gleichgewichtige Beziehung zu unterhalten.
[V44:496] Sie nimmt also hiermit ihren formulierten Anspruch nach freier Entscheidung wieder zurück, scheut den Wendepunkt zu überschreiten und zeigt damit, daß sie augenblicklich zu einer Umdefinition der Partnerbeziehung nicht in der Lage ist. (Damit ist jedoch nichts darüber ausgesagt, wie stark und ob überhaupt sie unter diesem festgefügten Definitionszwang leidet.)
[V44:497] Betrachten wir die Entwicklung des Gesprächs, so wird deutlich, wie stark hier mit den interpersonellen Taktiken von Vermeidungsstrategien gearbeitet wird, und zwar insofern, als |A 222|der männliche Interaktionspartner versucht, auf der inhaltlichen Ebene zu verbleiben, also rational zu argumentieren, diesen Anspruch aber nicht durchhalten kann angesichts der prekären Problematik und daraufhin auf sublime Art und Weise seine Frau massiv bedroht, ohne die tatsächlichen Motive nennen zu können.
[V44:498] Die Analyse dieser Interaktionssequenz erbrachte in folgender Hinsicht wesentliche Erkenntnisse über die interpersonellen Taktiken der Gesprächspartner: Neben dem
Abkippen
von inhaltlichen Problemstellungen und den Forderungen, diese zu lösen, auf die Ebene der Beziehung gewinnt ein weiterer Aspekt hier an Bedeutung. Wir unterstellen zu Beginn der Analyse dieser Sequenz, daß neben der inhaltlichen Auseinandersetzung um die Verwirklichungsmöglichkeiten der Frau außerhalb der Ehe und der Familienbeziehung das Ringen um die Position innerhalb der Partnerbeziehung im Vordergrund steht und den eigentlich bedeutsamen Aspekt dieser Kommunikation darstellt. Es hat sich gezeigt, daß diese Annahme berechtigt ist. Denn während des folgenden Gesprächs findet eine permanente implizite Disqualifikation der Argumente des anderen und auch der damit verknüpften Emotionen statt. Diese Taktik muß auf dem Hintergrund einer festgefügten Selbst- und Beziehungsdefinition gesehen werden, die in keinem Falle in Frage gestellt werden kann. Dies bedeutet jedoch nicht, daß beide Ehepartner die gleiche Selbst- und Beziehungsdefinition verfolgen. Vielmehr zeichnet sich die Situation dadurch aus, daß gegensätzliche Definitionen von 'Ego und
Alter
vorliegen, die dann ununterbrochen in Frage gestellt werden müssen. In ganz signifikanter Weise kann hier beobachtet werden, wie auf der Ebene der Beziehungsdefinition ein ständiger Vorstoß in Richtung einer Umdefinition der Beziehung stattfindet, der dann allerdings, und das scheint das Entscheidende, nicht vollzogen wird, sondern vielmehr kurz vor dem Eskalationsmoment bzw. Wendepunkt verweigert wird. Folglich bewegt sich die Interaktion zwischen den Ehepartnern wellenförmig von einem eine Umdefinition erfordernden Moment zum nächsten. Die Auseinandersetzung selbst gerät in |A 223|das Licht einer Spiegelfechterei, bei der von vornherein die Positionen klar geschieden sind. Dies ist wohl auch der eigentliche Konflikt dieser Beziehung: das Ringen um die Positionen innerhalb des Systems.
[V44:499] Wir können auch hier sehen, wir stark das Problem der Berufstätigkeit bzw. der Entscheidung, welche Ausbildung gewählt werden soll, auf dem Hintergrund der unterschiedlichen Definition von Partnerschaft in Abhängigkeit steht bzw. wie es dadurch erst zum je konkreten Problem für die Frau wird. Wir haben gezeigt, daß die beiden unterschiedlichen Stellungnahmen zu einer Berufstätigkeit auf formaler Ebene durchaus in Einklang zu bringen wären, und darüber bestehen auch bei den Interaktionspartnern keine Zweifel. Was für sie zum Problem wird, ist die zwangsläufig damit verknüpfte Umdefinition der Partnerbeziehung, die sie nicht in der Lage sind zu vollziehen, da beide, wie sie selbst sagen, unter Partnerschaft Unterschiedliches verstehen. So halten beide an ihrer Definition von
Ego
und
Alter
rigide fest und nehmen sich damit die Möglichkeit, Verständigung zu erreichen und eine Veränderung bzw. Aufhebung ihrer Beziehungsproblematik zu verwirklichen.
2.4.3. Mangelnde Kommunikation unter den Ehepartnern
[V44:500] Ein weiterer Konfliktbereich, von dem wir annehmen, daß er in engem Zusammenhang mit der unterschiedlichen Definition von Partnerschaft steht, ist die mangelnde Kommunikation über Probleme der alltäglichen Familienpraxis. Wir werden in den folgenden Ausführungen die Interaktionssequenz 21.7.M. bis 33.13.F. nach den für uns relevanten Gesichtspunkten interpretieren.
[V44:501] In dieser Interaktionssequenz geht es inhaltlich um das geringe Interesse des Mannes an außerberuflichen Aktivitäten, – er macht dafür seine Biographie verantwortlich –, und um die Reaktion der Frau auf seine Einstellung und sein Verhalten, das sich für sie in geringer Kommunikationsbereitschaft ausdrückt. Sie fühlt sich dadurch sehr stark isoliert und in ihren Bedürfnissen ignoriert bzw. vernachlässigt. In seiner Argumentation (21.7.M.) geht er ausführlich auf die verschiede|A 224|nen Faktoren ein, die heute seine Haltung erklären können: seine schulische Ausbildung, die eine mangelnde Allgemeinbildung zur Folge hat, sein Engagement für die finanzielle Sicherung eines angenehmen Lebensstandards, sein starker Ehrgeiz im beruflichen Bereich, der wenig Spielraum läßt. Mit diesen Erklärungsmustern beschreibt er seine jetzige Situation. Offensichtlich beabsichtigt er, mit dieser komplexen Stellungnahme die von der Frau im Vorhergesagten implizierte Disqualifikation zu entwerten (15.7.F.). Vor allem der Rekurs auf seine Vergangenheit scheint im Sinne einer Legitimationsbasis für sein Handeln diese Annahme zu bestätigen. Damit bestimmt er die Äußerung seiner Frau über seine Interessen und seine Lebensgestaltung als Provokation, auf die er nun mit einer nach Legitimation für sein Handeln suchenden Stellungnahme antwortet. Er begreift sich und sein Handeln als einer Begründung bedürftig und zeigt in seinen Ausführungen die Fähigkeit, sich rational distanziert über die persönlichen Probleme zu verständigen. Allerdings vermeidet er es, eine neue und weiterführende Problemdefinition vorzunehmen, bietet deshalb auch keine für die gemeinsame Beziehung leitende Lösungsmöglichkeit an, sondern verweist lediglich auf seine individuelle Konfliktbewältigung, die daraus besteht, daß er bestimmte Fragen auszuklammern versucht.
[V44:502] In dieser Entgegnung des Mannes wird deutlich, wir stark er nach rationalen Begründungen sucht, um den bestehenden Beziehungskonflikt verstehbar zu machen. Daß er vermeidet, auf die expliziten Vorwürfe der Frau an ihn einzugehen, bestätigt die Vermutung, derzufolge der männliche Interaktionspartner eine inhaltliche Auseinandersetzung anstrebt, um den Beziehungsaspekt der Problematik nicht zum Gegenstand machen zu müssen. Die nun folgende Statement-für-Statement Interpretation, die sich an die eben durchgeführte Analyse dieser Interaktionseinheit anschließt, soll der genannten Vermutung nachgehen.
|A 225-235|
[V44:503]
Protokoll Paraphrasierung Sprecherintention Situationsdefinition Problematisierung Reflexivität
22.9.F.
Ja, – und da hak’ ich dann ein, daß ich sag’, wir könnten – es gibt doch heute so viel Möglichkeiten, – es liegt doch an einem selbst, und man kann nicht 25 Jahre später oder 30 Jahre später sagen, ich habe nur Volksschule und begnüge mich damit.
(sie wird von ihm unterbrochen)
Mit offensichtlicher Erregung (erhöhte Stimmlage) spricht sie von ihren Erwartungen an ihn: Sie ist der Ansicht, daß, entsprechend der Erkenntnis der vorhandenen Lükken, eine aktive Auseinandersetzung folgen müßte und nicht das resignative sich Fügen in die Situation.
Ihre spontane Reaktion zeigt, daß sie sich argumentativ ins Gespräch bringen will, daß sie ebenfalls inhaltlich Stellung nehmen möchte. Der halb begonnene Satz
... wir könnten
, kann mit der Absicht geäußert sein,
  1. 1)
    auf die Gemeinsamkeit des Problems hinzuweisen, d.h. zu zeigen, daß die durch seine Haltung mitbetroffen ist und er also verantwortlich für ihr Leiden ist; und
  2. 2)
    potentielle Möglichkeiten anzudeuten, die wegen seiner Einstellung nicht verwirklicht werden können und ihn damit zu beschuldigen, für die Beziehungsproblematik verantwortlich zu sein.
Daß sie dann ihre weiteren Ausführungen nur auf ihn bezieht, bestätigt diese Annahme. Sie möchte ihn als den Verantwortlichen festlegen.
edRef="#a" n="226" rend="quer"/>
Bedeutsam scheint zu sein, daß sie nur den Faktor mangelnder Ausbildung aufgreift, um ihn zu beschuldigen, und nicht z.B. sein Geld-Engagement oder seinen beruflichen Ehrgeiz. (Dies hat interaktionstaktische Gründe, wie sich zeigen wird (Provokation))
Sie antwortet in ihrem ersten Satz ebenfalls auf inhaltlicher Ebene und zeigt ihre Nichtübereinstimmung mit seinem individuellen Problemlösungsverhalten. Damit definiert sie die Situation in dem von ihr intendierten Sinn. Allerdings lenkt sie dann auf die gemeinsame Beziehungsebene und zeigt ihm damit, daß er nicht legitimiert ist, dieses Problem unabhängig von ihr zu bewältigen. Sie stellt also hiermit seine Legitimationsbasis in Frage, seine Selbstdefinition. Sie wählt als relevant für eine Umdefinition seines aufgestellten Selbstbildes die mangelnde Schulbildung, die er jedoch nur als einen Faktor aus seinem Begründungszusammenhang erwähnt hatte. So fixiert sie ihn bzw. hält an ihrem Bild von ihm fest und zwingt ihn, seine Legitimationsversuche zu relativieren. Sie problematisiert zunächst das Resultat seiner Legitimationsversuche, nämlich seine heutige Lebenspraxis und Einstellung. Sie geht damit aktiv gegen seine Handlungsnorm an und setzt als Alternative eine positive Auseinandersetzung mit den bewußten Problemzusammenhängen, um diese zu überwinden. Auf der Beziehungsebene reflektiert sie die Einstellung ihres Mannes als gefährdend für die gemeinsame Beziehung.
23.8.M. Nein, nein, sicher nicht! aber das ist eben allmählich ...
Sie bestätigend versucht er weitere Gesichtspunkte anzuführen, die auf Erklärungszusammenhänge schließen lassen, wird jedoch bei der Ausführung von ihr unterbrochen.
Seine engagierte Bestätigung drückt zunächst Zustimmung aus zu den inhaltlichen Ausführungen seiner Frau.
Er akzeptiert, daß alleine die mangelnde Ausbildung keine Legitimationsbasis ist. Mit dem Hinweis auf das Prozeßhafte seiner Entwicklung versucht er, die von der Frau reduzierte Komplexität seiner Selbstdarstellung wieder herzustellen. Er wird von ihr unterbrochen, was als Indiz dafür gewertet werden kann, daß sie seine Intention durchschaut und vermeiden möchte, sich auf eine evtl. Umdeutung ihres Bildes von ihm sich einzulassen.
Er akzeptiert ihre Relevanzkriterien und damit ihre Situationsdefinition.
Als für ihn relevant hebt er das Prozeßhafte dieser Entwicklung hervor und bringt damit einen weiteren Aspekt seiner Erklärungszusammenhänge ein, rekurriert quasi auf seine Legitimationsbasis und verwirft damit ihre Beziehungsdefinition.
Interessant sind hier die unterschiedlichen Relevanzkriterien, die bezüglich der bestehenden Problematik gelten.
24.10.F.
Und das – darum, da setzt dann mein Vorwurf ein!
(Er unterbricht sie)
Sie führt ihr begonnenes Statement unbeirrt zu Ende und faßt als Ergebnis ihrer Darstellung ihre Meinung in der Explikation des Vorwurfes an ihn zusammen. Sie zeigt mit dieser stringenten Weiterführung ihrer begonnenen Gedanken deutlich ihre Absicht, es zu keiner Umdefinition kommen zu lassen. Außerdem ignoriert sie seinen kurzen Einwand zugunsten einer vollständigen Darstellung ihrer Sicht von ihm. Dies kann mit der Absicht geschehen, ihm deutlich zu zeigen, wie wenig bedeutsam ihr seine Selbstdefinition ist. Sie definiert die Situation gemäß ihren Relevanzkriterien, die sich durch ein Festhalten an der Beziehungsdefinition charakterisieren lassen. Sie leugnet damit seine Verwerfung der Beziehungsdefinition.
Sie reflektiert auch hier seine Einstellung als gefährdend bzw. belastend für ihre gemeinsame Beziehung.
Damit zeigt sie ihre Bereitschaft zu einer Kommunikation, in der eingespielte Normen metakommunikativ zum Inhalt gemacht werden können, um das Handeln entsprechend umzuorientieren.
25.9.M. Aber allmählich ist das, ist das hochgegangen, und es ist tatsächlich heute so, daß ich im Beruf so eingespannt bin, daß ich abends dann ehrlich die Schnauze so voll habe, daß ich nichts hören und sehen will. – Und wenn meine Frau dann noch kommt, – komm mach’ mal dies, mach’ mal jenes, da explodier’ ich sogar. Auch er läßt sich in seiner verbalen Planung nicht beirren und ergänzt den unvollständig gebliebenen Satz. Wichtig scheint ihm zu sein, das Prozeßhafte dieser Entwicklung zum Ausdruck zu bringen. Er wiederholt erneut den Aspekt seiner beruflichen Anspannung, die es ihm nicht erlaubt, weitreichendes Engagement im privaten Bereich zu investieren. Deshalb allerdings – mit geringer emotionaler Ausdrucks- und Überzeugungskraft dargelegt – sei er sogar zu unkontrolliertem Verhalten in der Lage, wenn sie ihn am Feierabend mit Ansprüchen konfrontieren würde. Sein Beharren auf der Weiterführung des unterbrochenen Statements zeigt an, daß er ungeachtet der Meinung seiner Frau Stellung nehmen möchte. Allerdings bezieht er, ohne direkt darauf einzugehen, ihre Vorwürfe mit ein und reagiert also äußerst flexibel und geradezu enttäuschend ignorierend. Damit kann er beabsichtigen, sein formales Desinteresse zu beweisen, jedoch um für seine Belange zu werben und Verständnis zu wecken.
26.11.F.
Ja, – aber, – ich sag’ ihm eben dann, er muß akzeptieren, daß ich mich damit immer weiter von ihm entferne. – Denn ich kann nicht den ganzen Tag auf ihn warten, und ich tu das, ich freu’ mich auf ihn, und abends, da tut sich nichts, und ich kann mich damit nicht zufrieden geben. –
Und die Kinder alleine, die genügen mir jetzt im Kontakt nicht. Es ist doch, ne, den ganzen Tag sehr anstrengend, und ich glaub´, daß ich mich schon mit den Kindern verantwortungsvoll beschäftige und auseinandersetze. edRef="#a" n="229" rend="quer" />Aber dann, dann ist einfach mal Schluß, da will man auch mal Ansprüche haben dürfen. –
Ich weiß, daß ich nicht alleine bin in dieser Situation!
Sie entgegnet darauf, daß diese Einstellung und Lebenspraxis ihrer Ansicht nach eine stete gegenseitige Entfremdung bedeuten würde. Dieses Argument illustrierend, schildert sie ihre tägliche Situation als Hausfrau und Familienmutter und betont mit der Darstellung dieser einseitigen Beschäftigung ihre Bedürfnisse nach Anregung und Kontakten, die ihr verwehrt seien. Anschließend betont sie, daß sie derartige Ansprüche nicht nur stellen würde, sondern ein Recht zu deren Realisierung habe. Nach kurzer Pause, quasi ein wenig edRef="#a" rend="quer" n="229"/>ironisch hingeworfen, deutet sie an, daß sie über die Allgemeinheit dieses Problems informiert sei, daß es in dieser Situation so etwas wie eine – vielleicht
schweigende
Solidarität der Mütter gebe.
Ihre Entgegnung zu Beginn ist eine beinahe wörtliche Wiederholung dessen, was sie im Zusammenhang mit den divergierenden Auffassungen von Partnerschaft ausgedrückt hat. (Vgl. 15.7.F.) Da hier nicht wesentlich abweichende Intentionen vorzuliegen scheinen, verweisen wir auf die bereits gegebene Interpretation in 2.3., 15.7.F. Sprecherintention.
Ergänzend muß jedoch hinzugefügt werden, daß hier an Stelle einer Aufzählung der kulturellen Aktivitäten eine Darlegung ihrer emotionalen Situation erfolgt. (Nach einem arbeitsreichen und wenig befriedigend verlaufenen Tag die Enttäuschung, wenn von der Seite des Mannes nicht die erwartete Anregung und Bedürfnisbefriedigung erfolgt.)
Es liegt nahe, daß sie damit einen moralischen Appell an ihn richten möchte, um ihm zu demonstrieren, daß nicht über ihre Gefühle hinweggehandelt werden kann. Das Arrangement ihrer Selbstdarstellung deutet stark auf eine derartige Intention. –
Sie wartet auf ihn, freut sich auf ihn, und wenn er schließlich kommt, ist nichts ... Sie möchte ihn auch hier wieder verantwortlich machen.
Nach ihrem Angriff auf ihn folgt nun eine eher verallgemeinernde Situationsbeschreibung jeder Haus- und Familienmutter. Offensichtlich bemüht sie sich hier um eine Legitimation ihrer Erwartungshaltung, indem sie auf Generalität abzielt.
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Möglicherweise beabsichtigt sie mit der verallgemeinernden Stellungnahme auch eine Gegenüberstellung: hier ihr anstrengendes Leben zu Hause und dennoch Interesse für den Partner, für die gemeinsame Beziehung; dort ebenfalls starke Anstrengung, jedoch kein Interesse für den Partner und die Beziehung. Ist das ihre Absicht, so würde auch hier eine implizite Disqualifikation verwendet, um die eigene Position zu stärken. Allerdings läßt ihr abschließender Satz eher darauf schließen, daß es ihr um eine generelle Legitimationsbasis im Zusammenhang mit der Situation als Hausfrau geht, mit deren Hilfe sie versucht, ihre Bedürfnisse zu begründen und als legitim und natürlich darzustellen.
Auch hier sei verwiesen auf 2.3. Statement 15.7.F. Situationsdefinition. Kurz das Wesentliche: Sie definiert sich als denjenigen innerhalb der Beziehung, der die Zusammenhänge glaubt zu erkennen und zu benennen und auch die möglichen Konsequenzen sieht. Sie begreift sich im weiteren als der Partner, der sich durch den anderen bisher definieren ließ, als in Abhängigkeit von seiner Zuwendung stehend. Auf formaler Ebene akzeptiert sie seine Beziehungsdefinition, stellt jedoch inhaltlich Forderungen, die er nicht erfüllen kann edRef="#a" rend="quer" n="229"/>aufgrund seiner Arbeitsplatzbedingungen und Persönlichkeitsstruktur. In ihren weiteren Ausführungen ist dann jedoch ihr Anspruch an eine Umdefinition der Beziehung zu erkennen.
Als Stütze dieses Umdefinitionsprozesses ist dann ihre Verallgemeinerung auf die Situation jeder Hausfrau zu verstehen, denn hier versucht sie sich zu solidarisieren bzw. die Möglichkeit hierzu anzudeuten. Sie definiert ihr Problem andeutungsweise in einem gesellschaftspolitischen Kontext.
Damit begibt sie sich in die superiore Position.
Die Darlegung ihrer Aufgaben als Erzieher und Hausfrau zeigt, daß sie die Handlungsnorm dieser Rolle akzeptiert.
Was sie problematisiert, ist die Erwartung, keine eigenen Ansprüche haben zu dürfen.
Sie problematisiert also die Norm, die die Institution Familie an sie in aller Absolutheit stellt, ohne allerdings die Institution selbst in Frage zu stellen. Jedoch geht sie darin durchaus über ihren individuellen Fall hinaus: aus persönlichen Beziehungsproblemen wird ein Strukturproblem des Systems
Familie
.
Auch hier reflektiert sie die Einstellung des Mannes zu einer Partnerbeziehung als gefährdend für die gemeinsame Beziehung. Damit verbunden ist ihre Reflexion über die damit gegebene Einschränkung ihrer Möglichkeiten. Sich daraus zu befreien, setzte jedoch eine Umdefinition der Beziehung voraus, die bislang nur als Anspruch besteht.
27.6.I.
Hm, hm (bejahend).
Ja, wenn Sie so im Beruf eingespannt und sehr viel für ihren Beruf tun, da gibt es doch auch wahrscheinlich Probleme und Diskussionsstoff, den man mit nach Hause nehmen könnte, – vom Beruf?
Positive Verstärkung für die Frau und stimulierende Frage an den Mann. Im Ganzen gibt er zu erkennen, daß er an der Weiterführung dieses Themas interessiert ist und versucht, den Schwerpunkt auf die Gemeinsamkeit bzw. Überschneidung seines Berufsbereiches mit ihren Ansprüchen zu legen. Er definiert die Situation als
offen
für die Entfaltung einer weiteren Dynamik, vor allem aber versucht er
Komplexität
einzubringen.
28.10.M. Den gäb´s auch! Der Mann bestätigt die Vermutung des Interviewers, daß der Beruf Anregung für Diskussionen mit dem Partner abgeben könnte. In seiner Bestätigung scheint folgende Absicht zu liegen: Nicht mangelnder Gesprächsstoff über seine berufliche Sphäre, sondern mangelnde Möglichkeit des Partners, darauf einzugehen. Er akzeptiert die Situationsdefinition des I. Definiert sich als denjenigen, der durchaus die Situation verbessern könnte, indem er die interessanten Berufsprobleme mit in die gemeinsamen Gespräche einbringt. Implizit steckt hier seine Beziehungsdefinition Implizit problematisiert er hier ihre Beziehung zu seinem Tätigkeitsbereich. In Ansätzen eine Reflexion der Beziehungsdefinition, vor allem dadurch, daß eine denkbare Alternative unterstellt wird.
29.7.I.
... den man im Beruf und in der Familie diskutieren könnte. –
Oder, wenn Sie auf Reisen gehen, da haben Sie doch sicher auch bestimmte Erfahrungen gemacht, die man austauschen könnte.
edRef="#a" rend="quer" n="232"/>
Ja, man könnte auch sagen, daß diese Berufsbelastung nicht so – geradezu ein Anreiz sein könnte für das Familienleben und nicht so sehr eine Belastung dafür.
Der Interviewer versucht, die Gemeinsamkeit der Berufsbelastung in den Vordergrund zu stellen, um zu zeigen, daß darüber Kommunikation möglich ist. (In diesem Problem scheint er sich stark mit dem männlichen Partner zu identifizieren, denn sein Vorschlag enthält seine individuelle Problemlösungsstrategie.) Verstärkung des Definitionsversuchs 27.6.I.
30.11.M. Ja, eh, ich finde ..., was soll ich meine Frau noch mit diesem Zeug belasten, was sie doch nicht begreifen kann. Und bis ich das auseinandergesetzt habe und eh, das ist nicht drin. Das würde sie doch gar nicht verstehen. Ich mein’ – das haben Ansatzpunkte gezeigt.
Ausweichend nimmt er Stellung hierzu. Seiner Ansicht nach sollte man Frauen soweit wie möglich nicht mit Problemen belasten, die sich auf den Berufsalltag beziehen. Frauen haben per definitionem Schwierigkeiten, diese zu erfassen. Außerdem bedürfe es langwieriger Erläuterungen, die letztlich fruchtlos blieben. Seine Frau, die auch nicht begriffen habe, die mit seinem Beruf zusammenhängenden Fragen und Probleme zu verstehen, gilt als Einzelfall, als Illustration für das allgemeine Problem.
Bedeutsam scheint zunächst, daß er vermeidet, auf die konkreten Themenvorschläge einzugehen, vor allem deshalb, weil er eben noch betonte, daß es durchaus interessanten Gesprächsstoff aus seinem Berufsbereich gäbe. In seinen weiteren Ausführungen liegt ihm offensichtlich daran, sein Schweigen bzw. seine geringe Kommunikationsbereitschaft zu begründen bzw. zu legitimieren. Zum einen versucht er die Frau so darzustellen, als wäre sie nicht in der Lage, die zusätzliche Belastung einer gemeinsamen Diskussion über seine Berufssphäre zu ertragen, zum anderen ebensowenig die intellektuelle Auseinandersetzung mit fremden bzw. technischen Dingen zu leisten.
edRef="#a" rend="quer" n="233"/>
Seine Absicht liegt offensichtlich in einer Legitimation des eigenen Verhaltens durch Disqualifikation bzw. Unmündigsprechen des Partners
Stellte er sich in dem vorhergehenden Statement als derjenige dar, der Anregung und Diskussion in die Beziehung einbringen könnte, so definiert er sich nun weiter in diesem Sinne als der
Verteiler von Lebenschancen
. Sein Selbstverständnis beruht zum einen auf einem klar abgegrenzten Verständnis der Rollenaufteilung innerhalb der Partnerbeziehung, zum anderen auf seiner Meinung über seine Frau. Er definiert sie als unfähig, die für ihn relevanten Probleme zu verstehen und verzichtet daraufhin auf eine weitere Thematisierung.
Daß er in dieser Entgegnung vermeidet, auf die Themenvorschläge des I. einzugehen und sich vielmehr auf spezielle Fachthemen bezieht, beweist, edRef="#a" n="233" rend="quer"/>daß er an seiner Beziehungsdefinition festhalten möchte. Als Taktik verwendet er auch hier wieder eine inhaltliche Auseinandersetzung, die eine thematische Reflexion der Beziehungsproblematik verdecken soll.
31.12.F.
Ich bin diesen chemischen Dingen sehr entfernt, ich habe dazu keine Beziehung.
(lachend)
Lachend stimmt sie ihm zu, daß sie bezüglich seines Fachgebietes ziemlich ignorant sei.
Mit ihrer Zustimmung zu seinen Ausführungen bezüglich der Begründung seines geringen Mitteilungsbedürfnisses kann sie folgende Absicht hegen:
Zum einen möchte sie eine inhaltliche Ergänzung abgeben, um damit ihr Einverständnis zu demonstrieren. Zum anderen möchte sie sich bewußt von diesen technischen Problemen distanzieren, um ihr Rollenverständnis als Frau zu bestätigen. (Es ist ja bekannt, daß es für das weibliche Selbstverständnis äußerst diskriminierend sein kann, sich für technische bzw. chemische Zusammenhänge zu interessieren.)
edRef="#a" rend="quer" n="234"/>
Das anschließende, um Entschuldigung heischende Lachen, bestätigt diese Vermutung.
Sie akzeptiert seine Situationsdefinition und auch seine Definition ihrer Rolle als derjenigen, die nicht die Möglichkeit hat, sich mit seinen Berufsproblemen auseinanderzusetzen. Damit zeigt sie auch ihr Einverständnis mit seiner Beziehungsdefinition. Interessant scheint uns ihr inhaltliches Eingehen auf seine Ausführungen, denn beinahe zum ersten Mal findet hier ein den anderen ergänzendes Statement in dessen Sinne statt. Allerdings ignoriert sie in ihrer Entgegnung seine Diskriminierung, was bedeuten kann, daß sie sie nicht als eine solche empfindet, oder aber tatsächlich dieselbe Auffassung der weiblichen Rolle hat.
32.13.M. Dann kommt eben automatisch hinzu, daß ich mir sag´, gut sie hat mit den Kindern auch viel am Hals, was soll ich sie da noch zusätzlich belasten? Als weiteres Argument bringt er den Aspekt der zusätzlichen Belastung neben und nach der ohnehin ausreichenden Arbeit am Tage.
Er möchte zunächst ihre Ausführungen ergänzen. Daß er das Moment der zusätzlichen Belastung für sie anführt, zeigt, wie er versucht, in ihrem Sinn zu argumentieren, und quasi zu ihrem Schutze möchte er nicht über seine Berufsbelastung sprechen.
Es entsteht dadurch der Eindruck, als wolle er suggerieren, wie besorgt er um sie ist, und seine Interessen in den Hintergrund stellt.
Er definiert sich in dieser Frage endgültig als derjenige, der entscheidet, was in der gemeinsamen Beziehung an Themen zugelassen ist.
Ihre Aufgabe betrachtet er als derart erfüllend und ausfüllend, daß er besorgt darauf achten muß bzw. dafür verantwortlich ist, keine zusätzliche Belastung einzuführen.
Mit dieser Situationsdefinition ignoriert er ihre sämtlichen Ausführungen.
33.13.F. Das Argument hab’ ich nie akzeptiert! Hinzu kommt eben noch, daß du im allgemeinen sehr viel in dich hineinfrißt, wenig also – und die geistige Auseinandersetzung, die liegt dir überhaupt nicht, auch in privaten Dingen nicht. Die Dinge edRef="#a" rend="quer" n="235"/>auf uns zukommen lassen, und wenn’s dann explodiert, gut dann werden die Scherben beiseite geräumt. Aber so, em ... Sie verwirft energisch sein Argument und betont, daß dies noch nie stichhaltig genug gewesen wäre, um sie zu überzeugen. Sie führt einen weiteren Punkt ein, mit dem sie versucht, seine Haltung zu erklären, nämlich seine Persönlichkeitsstruktur, der mehr ein Schweigen entspräche, weniger die aktive Auseinandersetzung. Sie verwendet den Ausdruck
geistige Auseinandersetzung
und deutet damit an, wie sie sein Konfliktmanagement sieht: passive Haltung, bis der Zwang zu handeln unübersehbar wird, dann aber das Problem reflexionslos eliminiert wird.
Mit dem energischen Widerspruch, der seine Argumentation als für sie nicht zutreffend charakterisiert, zeigt sie zugleich, daß sie kein Interesse an einer Weiterführung dieses Aspektes innerhalb der Problematik hat.
Möglicherweise fühlt sie edRef="#a" rend="quer" n="235"/>ein Unbehagen deshalb, weil sie nun zu konkreter Stellungnahme gezwungen wird und lenkt deshalb auf einen neuen Aspekt ab.
Diese Ablenkung von sich auf ihren Partner läßt darauf schließen, daß die inhaltliche Argumentation keine Möglichkeit der Erwiderung gibt und sie sich deshalb wieder auf die Beziehungsebene begeben möchte.
Sie verwirft seine Situations- und Beziehungsdefinition, jedoch ohne eine Alternative im Zusammenhang mit dem Inhalt der Mitteilung aufzuzeigen.
Stattdessen, und um eine inhaltliche Auseinandersetzung zu vermeiden, entwirft sie ein neues edRef="#a" rend="quer" n="235"/>Selbstbild von ihm. Damit nötigt sie ihn zu einer Rechtfertigung bzw. einer Korrektur dieses Entwurfs und begibt sich somit in die superiore Position.
Als Mittel, einer Problematisierung auszuweichen, führt sie einen neuen Gesprächsgegenstand ein bzw. problematisiert die Handlungsnorm des Mannes.
|A 236|
[V44:504] Wir wollen hier noch einmal kurz die Ergebnisse der Interaktionsanalyse zusammenfassen. Es hat sich im Verlauf dieser Statement-für-Statement-Interpretation gezeigt, daß unsere Vermutung des
focal problem
der Partnerbeziehung, das unterschiedliche Verständnis von Partnerschaft vor dem Hintergrund der Selbständigkeitstendenz der Frau und einer kaum flexiblen Interaktionstaktik, begründet war. Denn die Art und Weise, wie dieser Konflikt der Vermeidung von Kommunikation eingeleitet und dann ausgetragen bzw. eben nicht ausgetragen wird, belegt deutlich die unterschiedliche Definition der Beziehung. Wie sich im Verlauf des gemeinsamen Gesprächs zeigte, unterscheiden sich die Positionen der Partner folgendermaßen: Der männliche Partner versucht, sich auf rationale und inhaltliche Argumentation einzulassen, die begründen soll, warum er nach Feierabend nicht mehr in der Lage ist, mit seiner Frau über die die Berufsphäre betreffenden Fragen zu sprechen: Die Überbelastung am Arbeitsplatz; die damit verbundene Anstrengung und Ermüdung am Abend; seine in der biographischen Dimension begründete Unfähigkeit zu aktiver Auseinandersetzung mit nicht fachgebundenen Gegenstandsbereichen, die Annahme, seine Partnerin hätte ohnehin kein Interesse an seinem Fachgebiet und den damit verbundenen Problemen. Diese seine Annahmen lassen ihn eine strikte Trennung von Berufsbereich und Privatsphäre für gerechtfertigt halten. Sie hingegen, durch die empfundene Beschränkung auf Haushalt und Familie, erwartet von ihm Anregung und Befriedigung ihrer Bedürfnisse durch gemeinsame Gespräche. Über den Inhalt dieser Gespräche sagt sie nichts aus. Doch wäre vermutlich im Rahmen einer gegenseitigen Verständigung durchaus eine für beide Teile befriedigende Lösung möglich, wenn die Interaktionstaktiken flexibler wären. Die Ursache dafür, daß Verständigung nicht geschieht, liegt darin begründet, daß durch eine veränderte Erwartungshaltung bzw. deren Realisierung eine andersgehende Umdefinition der Beziehung erfolgen müßte. Wie sich gezeigt hat, halten jedoch beide Partner starr an ihrem Bild von
Alter
fest, berauben sich damit also der Möglichkeit der Veränderung, obgleich sie |A 237|abstrakt die Veränderungsmöglichkeit sehen können.
[V44:505] Es handelt sich also zwar um ein für die Partner
gemeinsam
erkanntes Problem, das jedoch bei den bestehenden und schon fast als ritualisiert erscheinenden Beziehungsdefinitionen nicht gelöst werden kann.
2.4.4. Konfliktlöseverhalten und Planungsstrategien
[V44:506] An das Gespräch über Schwierigkeiten, die sich in der gemeinsamen Freizeit einstellen, schließt sich beinahe nahtlos eine Diskussion über das unterschiedliche Konfliktlöseverhalten der Ehepartner an. Eng in diesem Zusammenhang stehend, wird das unterschiedliche Planungsverhalten angesprochen und näher ausgeführt. Interessant ist auch hier wieder, auf welche Weise die Interaktionspartner mit den unterschiedlichen Orientierungen des anderen umgehen. Wegen der Ineinanderverschränktheit dieser beiden Konfliktbereiche werden wir im folgenden diese zusammen analysieren.
[V44:507] Interaktionssequenz 32.13.F. bis 58.25.M. dient uns als Grundlage der Ausführungen.
[V44:508] Der Inhalt dieses Gesprächs läßt sich kurz folgendermaßen wiedergeben: Die Ehepartner sprechen über die unterschiedlichen Möglichkeiten, Konflikte zu lösen, wobei der männliche Partner den Standpunkt vertritt, daß nicht ein langes, ausführliches Debattieren, sondern eher ein spontanes, aktives, im aktuellen Moment erforderliches Handeln das geeignete Verhalten sei. Die Frau vertritt demgegenüber die Ansicht, die Komplexität von Möglichkeiten müsse vor allem Handeln erkannt und die möglichen Alternativen gegeneinander abgewogen werden. Beide Partner führen Beispiele an, in denen ihrer Meinung nach ihr individuelles Konfliktlöseverhalten berechtigt und als sinnvoll erkannt werden kann. Er bezieht sich dabei auf einen von ihr verschuldeten Verlust einer Brieftasche, wo er entsprechend gehandelt zu haben glaubt:
Das sind Dinge, ... die sind passiert, was soll ich jetzt darüber rumschreien oder etwas machen. Das ist passiert, jetzt schauen wir zu, |A 238|wie kommen wir aus der Misere raus ...
(38.16.M.). Sie beruft sich unter anderem auf das Beispiel der Wochenendplanung, bei dem ihrer Ansicht nach deutlich die Unterschiede hervortreten:
... was wir am Wochenende machen. Und mein Mann sagt, schaun wir mal erst, wie’s Wetter wird. Und ich würd’ halt erst mal ’nen Plan machen für Schnee und für Regen und für Sonnenschein ...
(49.21.F.) und
... so fühl’ ich mich immer so in ’ne passive Rolle gedrängt ...
(53.23.F.).
[V44:509] Wie die Auswahl der Beispiele erkennen läßt, geht es den Ehepartnern um zwei grundlegend verschiedene Dinge. Ihm liegt daran, sein Konfliktlösemanagement zu demonstrieren, wohingegen sie wieder die durch ihren Mann bedingte Passivität und die Einschränkung ihrer Handlungsspielräume im Mittelpunkt des Gesprächs sehen möchte; d.h. sie drängt erneut auf eine Thematisierung des Beziehungskonfliktes. Diese unterschiedliche kommunikative Absicht drückt sich in ihrer Entgegnung auf sein Beispiel deutlich aus:
... das ist jetzt auch ein Vergleich, der hinkt.
(39.16.F.). In ihren Augen scheint dieser Vergleich in der Tat nicht dem Gegenstand entsprechend. Denn der Stimulus seiner Ausführungen war die Beschreibung ihrer Sichtweise von seiner geringen Kommunikationsbereitschaft über berufliche Probleme, in denen sie nach Erklärungszusammenhängen suchte: nämlich seine Unfähigkeit, sich mit Konflikten langfristig auseinanderzusetzen. Bezugspunkt war also zunächst die berufliche Sphäre, dann parallel hierzu der private Bereich. Dieser Vergleich hinkt in ihren Augen deshalb, weil er zwar inhaltlich auf das Problem eingeht, ohne jedoch ihre Intention zu berücksichtigen. Es liegt also eine den jeweiligen Relevanzkriterien folgende unterschiedliche Situationsdefinition vor, die der weibliche Partner nun zum Gesprächsinhalt zu machen versucht. Sie problematisiert zuerst seine Handlungsnorm als für sie und die Beziehung gefährdend und leitet dann, nachdem er nicht auf diese Problematisierung reagiert, über in eine Kommunikation über die Kommunikation. Damit wäre die Möglichkeit einer metakommunikativen Verständigung gegeben; doch wird sie von dem |A 239|männlichen Interaktionspartner abgelehnt, der weiter auf eine inhaltliche Auseinandersetzung besteht. Dies führt zu außergewöhnlicher Dramatik des kommunikativen Geschehens (Vgl. 39.16.F. bis 44.19.M.), in der es um die Verwerfung der anderen und Durchsetzung der eigenen Situationsdefinition geht. Er beendet diese
Runde
mit einer Abwertung ihrer Einstellung und wirft ihr gleichzeitig Ignoranz und Unverständnis vor:
... Is’ doch Blödsinn! Und das ist das, was meine Frau nicht verstehen kann.
(Vgl. 44.19.M.), wohingegen sie ihn beschuldigt, ihre elementaren Bedürfnisse nach Ansprache und aktiver Auseinandersetzung nicht zu befriedigen bzw. diese nicht als solche anzuerkennen. Damit wirft sie ihm die Ursache ihrer Isolation vor. Ihre Anklage gipfelt in einer grundsätzlichen Infragestellung der gemeinsamen Beziehung:
... Ich mein’, ich kann, – ich find’ bei meinem Mann gar kein Gegenüber, der mir da zuhört ... und damit find’ ich mich nicht zurecht!
(Vgl. 47.20.F.) und:
... so fühl’ ich mich immer so in ’ne passive Rolle gedrängt ... aber so ist das in allen Dingen, daß wir überhaupt keine gleiche Wellenlänge haben.
(Vgl. 53.23.F.).
[V44:510] Für die interpersonellen Taktiken scheint es bedeutsam, daß keiner der Interaktionspartner die gegenseitigen grundsätzlichen Vorwürfe aufgreift, etwa um sich zu rechtfertigen oder die Behauptung des anderen als unzutreffend zu kennzeichnen. So stehen diese Sätze am Ende einer
Runde
noch einmal das Gesagte zusammenfassend, bilden jedoch keinen Ansatzpunkt für eine Verständigung, in der die erstarrten Definitionen, Normen, Kommunikationsregeln und die gegenseitige Beziehung problematisiert und metakommunikativ zum Inhalt gemacht werden könnten. Für die Art und Weise, wie bestehender Dissens
gelöst
wird, scheint der die Interaktionssequenz über das Konfliktlöseverhalten beendende Wortwechsel zwischen den Ehepartnern beispielhaft zu sein (Vgl. 56.24.M. bis 58.25.M.).
[V44:511] Denn hier wird zwar die Handlungsnorm von
Alter
problematisiert, eine Reflexion der Handlungsspielräume findet jedoch nicht statt. Es wird hingegen festgesetzt, und zwar mittels |A 240|Sanktionen, wer letztlich die entscheidende Instanz innerhalb der Beziehung ist. Damit wird eine Reflexion der Beziehungsdefinition unmöglich gemacht. Eine Veränderung im Sinne einer Verständigung, in der eingespielte und erstarrte Definitionen, Normen, Kommunikationsregeln und die Bedingung ihrer Stabilität oder Veränderbarkeit problematisiert werden können, damit über Frage und Begründung neuer Konsens erzielt und das Handeln dementsprechend umorientiert werden kann, scheint hier ausgeschlossen.
[V44:512] Betrachten wir die gesamte Interaktionseinheit, in der das unterschiedliche Konfliktlöse- und Planungsverhalten der Ehepartner zum Gegenstand gemacht wird, so zeigt sich hier beispielhaft die Eigendynamik des kommunikativen Ablaufs, wie er durch die jeweiligen Situationsdefinitionen der Interaktionspartner strukturiert wird. (In diesem Zusammenhang sei verwiesen auf 2.4.1.
Unterschiedliches Verständnis von Partnerschaft
, wo wir in der Analyse zu den gleichen Ergebnissen kamen). Durch das Beharren auf rationaler Verständigung einerseits und durch Problematisierung der Beziehungsdefinition andererseits wird eine Situation erzeugt, in der es lediglich um die Durchsetzung der eigenen Intentionen geht und die inhaltliche Auseinandersetzung in den Hintergrund gedrängt wird. Überspitzt könnte man sagen, daß die Inhalte der Kommunikation für den tatsächlichen Ablauf irrelevant scheinen.
[V44:513] Die Oberhand behält ein Kommunikationsmuster, das für Watzlawick 1)
1) Watzlawick, P. u.a., Bern 1969
den Begriff der
gestörten Kommunikation
erfüllt: eine
Interpunktion
, in der jeder der beiden Partner an der je besonderen Erklärung seines eigenen Verhaltens festhält und – wie in einem Ritual – immer wieder der gleiche Beziehungskonflikt durchgespielt wird, ohne daß eine Auflösung in Sicht wäre.
2.4.5. Zusammenfassung
[V44:514] In den letzten Untersuchungsschritten versuchten wir den Zusammenhang zwischen dem von den Interaktionspartnern als Hauptproblem der Beziehung definierten unterschiedlichen Verständnis |A 241|von Partnerschaft und den damit zusammenhängenden Themen (Aufgabenteilung innerhalb der Familie; die damit verbundenen Rollenstereotypen; die mangelnde Kommunikation zwischen den Ehepartnern; das unterschiedliche Konfliktlösungsmanagement und Planungsverhalten) sowohl inhaltlich wie auch in der Art und Weise, in der die Interaktionspartner in der jeweiligen Situation miteinander umgehen, herzustellen. Es hat sich bestätigt, was wir zu Beginn der Analyse als Vermutung formuliert haben: nämlich, daß ein Zusammenhang zwischen diesem
focal problem
und den übrigen, das kommunikative Geschehen beeinflussenden Problembereichen besteht. Das unterschiedliche Verständnis einer partnerschaftlichen Beziehung prägt die gesamte Interaktion sowohl formal wie auch inhaltlich. Mit Hilfe der für jeden Partner besonderen interpersonellen Taktiken versuchen die Eheleute ständig, das kommunikative Geschehen eindeutig zu Gunsten des jeweiligen Sprechers und seiner Situationsdefinitionen zu beeinflussen. Das augenfälligste Merkmal des interpersonellen Umgangs ist das ständige Ringen um die kommunikativen Absichten bzw. die Taktiken, mittels derer versucht wird, die Situation den eigenen Intentionen gemäß zu strukturieren. Hier gewinnen vor allem die verschiedensten Vermeidungsstrategien Bedeutung: nicht Eingehen auf die Äußerungen von
Alter
bzw. offensichtliches Ignorieren seiner Statements; Vieldeutigkeit im Ausdruck der kommunikativen Absichten, so daß
Alter
nicht weiß, auf welche der möglichen Intentionen er reagieren soll; Solidarisierungsversuche mit weiteren anwesenden Personen, um dadurch eine Umdefinition der Situation zu erreichen. Das Resultat dieser Vermeidungsstrategien ist dann ein Aneinander-vorbei-Reden, wodurch die Interaktion den Charakter einer Spiegelfechterei erhält, bei der es völlig irrelevant zu sein scheint, welche Argumentation bezüglich eines Gesprächsgegenstands angeführt wird (monotone Redundanz von Pseudounstimmigkeiten).
[V44:515] Für diese Interaktionssituation verantwortlich ist hier der Beziehungsaspekt, d.h. das rigide Festhalten an der jeweiligen Definition von
Ego
und
Alter
, und damit eng verknüpft die |A 242|Positionszuweisungen innerhalb der Partnerbeziehung bzw. das Ringen um die Positionen. Mindestens ebenso strukturierend für die Interaktion ist die permanente Disqualifikation der Äußerungen des anderen und der damit verknüpften Definition von Ich und Du. Diese Taktik ist auf dem Hintergrund einer festgefügten Selbst- und Beziehungs-Definition zu sehen, die sich durch ihre Inkongruenz auszeichnet. Die gegensätzlichen Definitionen werden ununterbrochen in Frage gestellt, ohne jedoch jemals in einem Akt der meta-kommunikativen Verständigung neu definiert zu werden. So findet zwar auf der Ebene der Beziehungsdefinition ein Vorstoß in Richtung einer Umdefinition statt, der dann allerdings im entscheidenden Moment wieder abgesprochen wird. Die gegenseitige Erwartungshaltung und die Ansprüche, die aneinander gestellt werden, sind auf dem Hintergrund dieses starren Beziehungsgefüges zu beurteilen. Denn die Durchsetzung der Ansprüche an den anderen würde eine grundlegende Umdefinition der Beziehung erfordern; doch dazu sind die Partner zumindest im Augenblick nicht in der Lage. Insofern ist auch nicht so bedeutsam, was die Ehepartner unter einer partnerschaftlichen Beziehung im einzelnen verstehen, sondern wie sie versuchen, eine solche in ihrem interpersonellen Umgang zu verwirklichen bzw. zu vermeiden.
|A 243|

3. Kommunikationscharakteristik im Vergleich mit der Gesamtstichprobe

[V44:516] Die in der Gesamtuntersuchung gewonnenen Daten über bestimmte Kommunikationsstrukturen der Interaktionssysteme bilden in dem folgenden Untersuchungsschritt die Basis für unsere Überlegungen, und zwar insofern, als wir von diesen Ergebnissen (Mittelwerte) ausgehend, die Kommunikationscharakteristik des einzelnen Falles vornehmen.
[V44:517] Wir vergleichen zunächst die Mittelwerte der Kommunikationsausprägung in den genannten Dimensionen mit den Ausprägungen unseres Falles, ohne allerdings hier bereits auf Details einzugehen.
[V44:518]
Fall A
Mittelwerte
oberes Stratum
Frau berufstätig
Mittelw. Fb. DD.
Komplexität 2,3 2,5 2,4 2,6
Reziprozität 1,6 1,6 1,5 1,6
Dominanz des Vaters (Familienbiographie) 1,5 1,3 1,5 1,0
Konfliktgehalt 1,2 2,0 2,0 1,9
Problematisierung 0,9 2,1 2,0 2,2
[V44:519] Die Kommunikationsvariable
Komplexität
, charakterisiert durch die Vielfalt der inhaltlichen wie formalen Elemente einer Interaktion, entspricht mit einer geringfügigen Abweichung nach oben den Mittelwerten der dieser Gruppe zuzurechnenden Fälle (oberes Stratum, Frau berufstätig). Die unterschiedliche Struk|A 244|turierung der Interviewsituation im Biographie- bzw. Dissens-Teil scheint keinen Einfluß auf diese Kommunikationsdimension auszuüben. Ebenso zeigt die Dimension
Reziprozität
eine auffällige Übereinstimmung in ihrer quantitativen Ausprägung mit den Mittelwerten der Gesamtuntersuchung. Dies bedeutet, daß das Ausmaß des verstehenden Eingehens auf die Interaktionsakte des Partners, gemessen an den Mittelwerten, genau den Werten der hierzu gehörenden Population entspricht. Die Interviewsituation hat auch hier nur äußerst geringfügigen Einfluß auf das Kommunikationsgeschehen in dieser Dimension. Was wir unter dem Begriff
Dominanz
subsumiert haben, nämlich die Verteilung von Einflußchancen eines Interaktionspartners in der Bestimmung des weiteres Verlaufs der Interaktion, entspricht mit geringfügiger Abweichung den Mittelwerten der entsprechenden Gruppe. Die Ausprägung dieser Dimension in unserem Fall beträgt in der Familienbiographie 1,5 für den Vater. Allerdings liegt sie im Dissensteil mit 1,0 niedriger.
[V44:520] Äußerst signifikant abweichend allerdings ist dann die Ausprägung der Kommunikationsdimension Konfliktgehalt. Die Daten der unterschiedlichen Interviewsituation zeigen keine bedeutenden Unterschiede. Ebenso abweichend von den Mittelwerten der zugehörigen Gruppe ist die Ausprägung der Dimension Problematisierung, die die diskursive Erörterung von Sinn und Bedeutung bestimmter Handlungsnormen und Regeln familialer Interaktion zum Inhalt hat.
[V44:521] Da diese Gegenüberstellung, wie bereits ausführlich an anderer Stelle erörtert, nur wenig zu einer inhaltlichen Klärung der Frage nach einer Kommunikationsstruktur beiträgt, vielmehr lediglich den quantitativen Anteil der verschiedenen Formen von Ausprägung kommunikativer Fähigkeiten bezeichnet, werden wir im Folgenden versuchen, unter Verwendung dieser Daten und vor allem der bereits dargestellten Interpretationen, eine Beschreibung der familialen Kommunikationsstruktur vorzunehmen, und zwar mit Bezug auf die Inhaltsstruktur.
|A 245|
[V44:522] Diskutierten wir im Vergangenen den Begriff der Kommunikationsstruktur lediglich nach formalen Gesichtspunkten, wie Höhe der Ausprägung, so konzentrieren wir uns nun auf eine Betrachtungsweise, die die zur Sprache gebrachten Inhalte mit einbezieht, d.h. wir versuchen einen Zusammenhang herzustellen zwischen der Ausprägung der jeweiligen Kommunikationsdimension und dem Gesprächsgegenstand, über den verhandelt wird. Um den Umfang dieser Falldarstellung nicht ins Unermeßliche zu erweitern, wollen wir nicht sämtliche Kommunikationsdimensionen detailliert an dem vorliegenden Material besprechen, sondern nur beispielhaft eine Interaktionssequenz anführen, in der die unserer Ansicht nach signifikanten Zusammenhänge sichtbar werden. Außerdem werden wir versuchen die Ergebnisse der Interaktionsanalyse mit in die Betrachtung einzubeziehen, was bedeutet, daß wir zumindest die stark von den Mittelwerten abweichenden Kommunikationsdimensionen
Konfliktgehalt
und
Problematisierung
anhand der durchgeführten Interaktionsanalysen der betreffenden Sequenzen in ihrer formalen Qualität für das innerfamiliäre Milieu darstellen.
3.1. Komplexität
[V44:523] Betrachten wir die gesamte Interaktion der Ehepartner unter dem Aspekt der Vielfalt der inhaltlichen wie formalen Elemente einer Interaktion, so zeigt sich eine ausgeprägte Tendenz, sowohl inhaltlich reichhaltig zu kommunizieren als auch formal die verschiedensten Möglichkeiten einer kommunikativen Situation des interpersonellen Umgangs wahrzunehmen.
[V44:524] Im einzelnen heißt dies, daß die Partner eine breite Palette an Gesprächsthemen in die Situation einführen. Wir konnten (in 2.1. Paraphrasierung) sehr deutlich sehen, wie komplex und vielfältig die Gesprächssituation strukturiert ist.
[V44:525] Entsprechend dieser Vielfalt an unterschiedlichen Themen findet eine ausführliche und weit gefächerte Diskussion über den jeweiligen Gesprächsgegenstand statt. Zur Illustration verweisen wir auf Interaktionssequenz 80.34.F. bis 97.42.F., in der vor allem |A 246|der Themenbereich
Wohnen
und die damit zusammenhängenden Fragen und Probleme erörtert werden.
[V44:526] Wir führen diese in der protokollierten Interaktion zur Sprache gebrachten Aspekte des
Wohn
-Problems auf, um damit den Grad der Komplexität in der Darbietung des Themenkomplexes zu demonstrieren: Der Charakter einer Schlaf-, Wohn- oder Trabantenstadt im allgemeinen wird von den Ehepartnern definiert durch Hinweis auf weitgehende Homogenität der Bevölkerungsgruppe, die in ihr lebt; dadurch sei implizit ein Maß an Sterilität gegeben, das noch verstärkt wird durch die Form der Bebauung. Die Bevölkerungsgruppe steht jedoch sozialen Kontakten weitgehend ablehnend gegenüber; die Folge sei eine starke Isolation und Privatisierung. Diese Faktoren führen bei der untersuchten Familie zu Gefühlen der Ablehnung der Mitbewohner (
Hochgestochen
,
Akademiker
,
Naturwissenschaftler
) und zu resignativer Haltung den Kontaktbedürfnissen gegenüber. Von der distanziert-abstrakten Betrachtungsweise des Wohnproblems ausgehend wird von der Betroffenheit durch emotionale und soziale Probleme gesprochen. Die starke Isolation jeder Familie wird ebenso angeführt wie auch die damit in Zusammenhang stehenden Ursachen und Folgen.
[V44:527] Die kommunikativen Akte der Gesprächsteilnehmer zeichnen sich vor allem durch die Häufigkeit der Behauptungen, Deutungen und Rechtfertigungen aus. Interessant ist das beinahe gänzliche Fehlen von Fragen, Empfehlungen und Verboten an den Partner. Dies läßt, wie wir in der Interaktionsanalyse sehen konnten, auf äußerst differenzierte interpersonelle Taktiken schließen, die offen geäußerte Restriktionen überflüssig erscheinen lassen. Wir verweisen auch hier zum einen auf die oben zitierte Interaktionssequenz und bezüglich der interpersonellen Taktiken auf die Interaktionsanalyse.
[V44:528] Zusammenfassend wäre über diese Kommunikationsdimension zu sagen, daß Vielfalt der formalen wie inhaltlichen Aspekte weitgehend gleichmäßig im Verlauf des Gesamtgesprächs repräsentiert ist. Wir konnten eine ausgeprägt differenzierte Verbalisierung der Beziehung zur Umwelt und zu dem Partner |A 247|beobachten, mußten jedoch feststellen, daß die mangelnde Explikation von Empfehlungen und Anweisungen, die dennoch durch die angewandten interpersonellen Taktiken Eingang in das interpersonelle System finden, weitaus bedeutsamer für den Umgang miteinander sind.
3.2. Reziprozität
[V44:529] Hinsichtlich der Dimension
Reziprozität
, mittels derer wir das Ausmaß des verstehenden Eingehens des einen Partners auf die Interaktionsakte des anderen beurteilen, zeigt sich ebenso eine sehr gleichmäßige Ausprägung über die gesamte Interaktion hinweg. Da wir nicht das gesamte Material bezüglich der inhaltlichen Füllung dieser Dimension untersuchen können, beschränken wir uns auf eine Interaktionssequenz, in der die einzelnen Indikatoren, die das Ausmaß der Reziprozität anzeigen, in ihrer inhaltlichen Bestimmtheit veranschaulicht werden können.
[V44:530] Dazu wählen wir die bereits in der Interaktionsanalyse detailliert erörterte Sequenz 105.44.F. – 111.47.F. aus, da wir meinen, daß sich hier am Problem der Situation der Frau als Mutter und Hausfrau und an dem Versuch, sich aus diesen Definitionszwängen zu befreien, die Dimension
Reziprozität
deutlich veranschaulichen läßt.
[V44:531] Die verstehende Kommentierung der kommunikativen Akte des Partners bzw. die Vermeidung eines solchen Eingehens wird bereits in den ersten Sätzen und der entsprechenden Entgegnung sichtbar. Wie wir schon in der Interaktionsanalyse feststellten, sind hier interpersonelle Taktiken zur Vermeidung eines solchen kommunikativen Verhaltens ausschlaggebend. Es handelt sich um Taktiken, die zur Folge haben, daß weder das Bild von
Ego
noch von
Alter
von dem Interaktionspartner selbst in Frage gestellt werden muß. So wie die Frau darauf verzichtet, auf eine Richtigstellung des Mannes im Hinblick auf seine Einstellung zu einer weiteren Berufstätigkeit der Frau (vgl. 107.45.F.) einzugehen, verzichtet er ebenso auf eine Umstrukturierung |A 248|der Beziehungsdefinition. Im Verlauf des Gesprächs ist diese Vermeidungsstrategie noch häufiger zu beobachten. Etwa in der Stellungnahme des Mannes zum Bedürfnis der Frau nach geistiger aktiver Auseinandersetzung, in der er ihre persönlichen und inhaltlich bestimmten Motive ignoriert (vgl. 115.45.M. – 117.45.M.). Das
Sinnbild
gleichsam einer nicht verstehenden Kommentierung ist die Erörterung seines möglichen frühzeitigen Todes; denn was eingangs als berechtigtes Bedürfnis formal anerkannt wurde, ist nun nur noch eine Randbedingung, die sich den praktischen Gründen, quasi objektiven Tatbeständen, für eine Ausbildung schlechthin unterzuordnen hat. Damit zeigt sich, wie auf geradezu klassische Weise hier vermieden wird, auf die tatsächlichen Bedürfnisse von
Alter
einzugehen. Dem Indikator
Fortführung eines Themas von
Alter
im Kontext der Statements von
Alter
wird zwar formal entsprochen, da der Kontext ja lediglich den äußeren Rahmen eines Gesprächsinhaltes indiziert, bei genauerer Analyse zeigt sich jedoch, daß der Kontext nur als Rahmenbedingung zur Durchsetzung der eigenen Intentionen gewahrt bleibt. Hierzu ein Beispiel aus der genannten Interaktionssequenz: Die Argumentation der Ehepartner über das Problem einer möglichen beruflichen Weiterqualifikation der Frau steht im Kontext einer Auseinandersetzung, in der die augenblickliche Situation der Frau als Mutter und Hausfrau und der von ihr empfundenen Reduktion ihrer Möglichkeiten und Fähigkeiten im Mittelpunkt steht. Die tatsächliche Auseinandersetzung über dieses Problem geht jedoch weit über diesen Rahmen hinaus und stellt ein strukturierendes Beziehungsproblem so dar, daß die einzelnen Aspekte, die die Interaktionspartner als Für- oder Gegenargument einbringen, wie etwa die Arbeitsteilung in der Familie, die Verantwortung für die Erziehung der Kinder, die Einschätzung einer Berufstätigkeit nach Kriterien wie
angenehm
und
nützlich
in den Hintergrund treten, zugunsten der der jeweiligen Beziehungsdefinition zugrundeliegenden Intentionen der Partner. So wird das Argument der Frau, daß sie nach geistiger aktiver Auseinandersetzung strebt, von ihm in diesem |A 249|Kontext aufgenommen, jedoch quasi pervertiert zu einem Bedürfnis, das in jedem Fall unangemessen und daher nicht realisierbar ist.
[V44:532] Bei oberflächlicher Betrachtung kann man sich sehr leicht durch diese Interaktionsstrategie täuschen lassen, da die Statements alle im Kontext der Statements von
Alter
liegen; und da zeigt sich wohl auch die Unzulänglichkeit einer formalen Auswertung in dieser Dimension. Denn mit einer solchen Auswertung und Interpretation gelingt es kaum, gerade derartige Kommunikationstaktiken, wie das beobachtete
quasi millimeterbreite Aneinandervorbeireden
, das einer Perpetuierung der Beziehungsdefinition dient, zu identifizieren.
[V44:533] Während des gesamten Interaktionsgeschehens ist eine wechselseitige Stimulierung zu kommunikativen Akten durch die eigenen Akte zu beobachten. Dies zeigt sich vor allem in der Vielfalt der kommunikativen Akte, die sich inhaltlich an die des Partners anschließen. Bemerkenswert ist jedoch, daß die jeweiligen Statements nicht im Sinne von
Alter
fortgeführt werden, sondern den eigenen, durch die rigide Definition von
Ego
und
Alter
bedingten Intentionen folgen. Dies kommt besonders deutlich dann zum Ausdruck, wenn die inhaltliche Auseinandersetzung vor einem Aushandeln der Beziehungsdefinition in den Hintergrund rückt.
[V44:534] Der Argumentationsverlauf des kurzen Wortgefechtes zwischen den Ehepartnern (vgl. 105.44.F.), in dem es um eine erneute Berufstätigkeit der Frau geht, demonstriert unsere Behauptung. Die Frau vertritt hier ihren Anspruch nach erneuter Berufstätigkeit, bringt dann jedoch sofort die möglichen Hindernisse ein, nämlich die Opposition des Mannes. Daraufhin verbessert er diese Aussage dahingehend, daß er nicht generell gegen eine Berufstätigkeit sei, sondern daß seine diesbezügliche Einstellung von der spezifischen Art der Tätigkeit abhinge. Mit diesem Einwand zeigt er, daß er durch den kommunikativen Akt der Frau stimuliert wurde. Ihre Entgegnung bezieht sich dann jedoch nicht mehr auf seine Äußerung, sondern sie argumentiert weiter in der ein|A 250|mal begonnenen Kette. Ein weiteres Beispiel in der genannten Interaktionssequenz stellt seine Ausführung bezüglich ihrer ehrgeizigen Pläne und ihre darauf folgende Reaktion dar (vgl. 113.44.M. bis 119.47.M.). Sein Plädoyer für eine weniger anspruchsvolle Ausbildung wird von der Frau zunächst nur durch den Ansatz zum Sprechen unterbrochen, dann entgegnet sie ihm, wird also durch ihn zu einer persönlichen Stellungnahme stimuliert, woraus er wiederum mit dem Gegenargument ihrer zu hohen Ansprüche an eine Tätigkeit antwortet. Daran anschließend kann sie aufgrund seines Redeflusses nichts erwidern, nur einen kurzen unbeendet gelassenen Einwurf, den er nun, so unvollständig er auch war, antizipierend aufgreift, um weiter seine Position darzulegen.
[V44:535] Die Möglichkeit, die eigenen Sätze und Gedanken zu beenden, ist, wie wir an dem oben zitierten Beispiel sehen konnten, nur in sehr geringem Umfang gegeben. Je nachdem wie nahe eine Weiterführung eines Statements an eine Nötigung zur Umdefinition der Beziehung gerät, umso deutlicher finden sich Unterbrechungen der Statements von Alter bzw. Anführen eigener Argumente wird durch ununterbrochenen Redefluß unmöglich gemacht.
[V44:536] Der Forderung nach einer Reflexion der Erwartungen des anderen und damit einer Bestimmung der Beziehungsdefinition im Kontext der sich im Interaktionszusammenhang der sozialen Situation reziproker Influenz und Interaktion ereignenden Erfahrungen und Aktionen ist hier, wie wir sehen konnten, nur in beschränktem Umfang Folge geleistet, was sich auch in der niedrigen Ausprägung dieser Dimension niederschlägt.
3.3. Dominanz
[V44:537] Die Kommunikationsdimension
Dominanz
, die eine Gleich- bzw. Ungleichverteilung von Einflußchancen auf die Bestimmung des kommunikativen Ablaufs erfassen soll, zeigt in ihrer formalen Ausprägung wenig signifikante Merkmale im vorliegenden Interaktionssystem. Wir können hier deutlich nachvollziehen, was zu dieser Einschätzung der Interaktion geführt hat: Die formalen |A 251|Kriterien, also die Indikatoren, sprechen für eine Vater-Dominanz, allerdings nur recht schwach ausgeprägt und im Dissens-Erziehungsfragen-Interview noch geringer, was sicherlich mit der unterschiedlichen Struktur des Gesprächsinhalts zusammenhängt. Für den Vater sind, auch eigenen Aussagen zufolge, Erziehungsfragen und Fragen der familiären Gestaltung nicht in dem Maße wesentlich, folglich liegt es nahe, eine gewisse Zurückhaltung seinerseits zu vermuten.
[V44:538] Die formale Ausprägung dieser Dimension scheint sich in der inhaltlichen Strukturierung des Gesprächsverlaufs widerzuspiegeln. Allerdings müssen wir hier, abweichend von den übrigen Kommunikationsdimensionen, ein unterschiedliches Auswertungsschema zugrundelegen, nicht die inhaltliche Füllung der Indikatoren, sondern den Aspekt, den wir in der Interaktionsanalyse (vgl. 2.3.)
Situationsdefinitionen
genannt haben.
[V44:539] Mittels dieser Situationsdefinition konnten wir ermitteln, wann welcher der Interaktionspartner versuchte, die Situation zu beeinflussen bzw. umzustrukturieren. Es ergab sich, daß über große Teile der Interaktion hinweg ein Ringen um die jeweilige Situationsdefinition stattfindet, das dann, und das scheint bezeichnend, nicht durch Metakommunikation zu Ende gebracht wird, sondern durch eine massive Drohung von Seiten des männlichen Partners abgebrochen wird. Beispielhaft hierfür ist die Interaktionssequenz 32.13.F. bis 58.25.M., die wir in 2.4.4. äußerst detailliert analysiert haben.
[V44:540] Die formale Dimensionierung genügte also, um zu bestimmen, welcher der Interaktionspartner hauptsächlich versuchte, die Situation gemäß seinen Intentionen zu strukturieren, so daß wir jedoch erst mit Hilfe der Interaktionsanalyse die genauen Mittel und auch die Möglichkeiten der Restriktion von Handlungsalternativen erfassen konnten. Dies ist insofern bemerkenswert, als dadurch diese Dimension ein größeres Gewicht für die gesamte innerfamiliäre Struktur erhält. Denn war zwar der Vater in der Interaktion gemäß den Indikatoren dominant, so ist noch nichts ausgesagt darüber, wie es zu |A 252|dieser Dominanz kommt bzw. auf welche Art und Weise diese Dominanz unter den Ehepartnern ausgehandelt wird. Und hier konnten wir feststellen, daß sehr starke Ansprüche bezüglich einer Umstrukturierung des dominanten Verhältnisses vorhanden sind, die sich als vorherrschendes Prinzip dieser Partnerbeziehung ausmachen lassen; die dann jedoch, offensichtlich aufgrund der Antizipation der Handlungsalternativen, die dann erwartet würden, wieder fallen gelassen werden (vgl. hierzu die gesamte Interaktionsanalyse 2.3. Situationsdefinition).
3.4. Konfliktgehalt
[V44:541] Die von den Durchschnittswerten der Population mit am signifikantesten abweichende Kommunikationsdimension ist
Konfliktgehalt
, die das Auftreten von ausgeprägtem Dissens in der familialen Kommunikationssituation charakterisieren soll.
[V44:542] Wie wir im Verlauf der Interaktionsanalyse sehen konnten, bestätigte das ständige Auftreten von Inkongruenzen in der Situations- und Beziehungsdefinition diese Ergebnisse. Besonders deutlich wird der Konfliktgehalt bei dem Themenkomplex, in dem die Tätigkeit der Frau als Mutter und Hausfrau (Interaktionssequenz 9.4.F. bis 32.13.F.) und damit auch die Probleme einer erneuten Berufstätigkeit der Frau und die von ihr empfundene Reduktion auf Haus und Familie zum Gegenstand gemacht wird. Gleichzeitig werden die Beziehungen der Frau zum Beruf des Mannes und damit ihr Verständnis für Arbeitsbelastung, Leistungsforderung und daraus resultierendem Verhalten nach Arbeitsschluß thematisiert.
[V44:543] Deutlich kommt die Inkongruenz der bestehenden Handlungsnormen zum Ausdruck: Normen, die geprägt sind durch die Vorstellungen von der traditionellen Kleinfamilie. Die Verhaltenserwartung an die Frau drückt das Stereotyp der
Hausfrau und Mutter
aus und rechtfertigt damit die Reduktion von Möglichkeiten einer Lebenspraxis, die den eigenen Bedürfnissen entsprechend gestaltet wird. Da diese Bestim|A 253|mung der Rolle der Frau eine Konzentration aller Kräfte auf diese Aufgabe verlangt, wird die Herstellung und Aufrechterhaltung sachbezogener Außenkontakte erschwert. Zurück bleibt das Gefühl einer starken Einschränkung des Selbst. Damit konzentriert sich die gesamte Erwartung im Hinblick auf die Befriedigung sozialemotionaler Bedürfnisse auf den männlichen Teil, der sich jedoch – nach einem Arbeitstag, durch die Gesetze der Leistungsgesellschaft bestimmt – kaum in der Lage sieht, die von der Frau aufgestauten und von ihr formulierten Ansprüche nach gemeinsamer Freizeitgestaltung zu erfüllen. Die Unfähigkeit beider Partner, die jeweiligen materiellen Bedingungen der Rolle nachzuvollziehen, bedingt durch die geschlechtsspezifischen Handlungsschemata, präsentiert sich in der stark ausgeprägten und anscheinend kaum revidierbaren Inkongruenz der Handlungsnormen in diesem Bereich.
[V44:544] Die kritische Bewertung der Hausfrauen- und Familienfunktion führt deshalb auch nicht zu einer Neuformulierung der Rolle, sondern vielmehr zu einer Verunsicherung im Hinblick auf die naiv-ungebrochene Wahrnehmung
häuslicher
Aufgaben, ohne aber damit auch neue Handlungsorientierung zu ermöglichen. Für den weiblichen Partner bedeutet diese Situation ein permanenter psychischer wie physischer Konflikt, der sich in der innerfamiliären Kommunikation niederschlägt. Bezüglich der Inkongruenz der Beziehungsdefinition verweisen wir auf die Interaktionsanalyse, wo dies mehrfach expliziert wurde (vgl. 2.4.1., 2.4.2.). Die hohe Ausprägung der Kommunikationsdimension
Konfliktgehalt
ist offenbar abhängig von den sich wandelnden Anforderungen innerhalb der Familie, von dem Umstrukturierungsprozeß der familialen Funktionsaufteilung und der daraus resultierenden Verunsicherung beider Partner. Gerade die Verwirrung in den Handlungsnormen und die Unfähigkeit, diese aufzuheben bzw. als solche zu erkennen und nicht als individuelle Defizite abzuqualifizieren, scheint eines der Merkmale für die ausgeprägte Konfliktstruktur dieses Ehesystems zu sein.
|A 254|
3.5. Problematisierung
[V44:545] Diese Kommunikationsdimension zeichnet sich, wie bereits erwähnt, durch äußerst starkes Abweichen von den Durchschnittswerten der betreffenden Population aus. Da wir auf Wiederholungen verzichten und außerdem den Umfang dieser Fallstudie nicht allzu sehr vergrößern wollen, werden wir hier nur noch kurz auf die Indikatoren mittels eines Beispiels eingehen (vgl. 21.7.M. bis 33.13.F.). Die detailliertere Darstellung findet sich in 2.4.3.
Mangelnde Kommunikation zwischen den Ehepartnern
. Die Ausprägung in dieser Dimension beträgt in jener Sequenz 3,0, gehört also zu den ausgeprägtesten Merkmalen überhaupt.
[V44:546] Wir finden in der vorliegenden Sequenz den Indikator der Befragung der Handlungsnormen, die für den Partner handlungsleitend sind, stark repräsentiert. Am Beispiel der Darstellung der gemeinsamen Beziehung (vgl. 26.11.F.) läßt sich dies belegen. Hier problematisiert die Ehefrau die vom Manne an sie gerichteten Erwartungen, der die Norm einer
anspruchslosen
Partnerin zugrunde legt. Sie stellt für sich fest, daß sie das Recht auf Ansprüche bezüglich einer Befriedigung der nicht kinderorientierten und haushaltsorientierten Bedürfnisse hat und lehnt damit seine Haltung ab. Sie reflektiert in ihrer Stellungnahme die Einstellung des Mannes als gefährdend für die gemeinsame Beziehung, ist allerdings nicht in der Lage, Alternativen für die gemeinsame Beziehungsdefinition aufzustellen (vgl. 2.4.3. Zusammenfassung). Damit deutet sich allerdings auch eine gewisse Unfähigkeit an, alternative Handlungsnormen den gerade herrschenden entgegenzusetzen. Wir können hier sehen, daß ständig Behauptungen des Partners in Frage gestellt werden, die Einstellung und die zugrundeliegende Norm problematisiert wird; auch eine Entgegensetzung von Behauptungen, die Anlaß zu einer Umorientierung sein könnten, ist zu verzeichnen, doch – und das scheint, wie schon häufig erwähnt, das Spezifikum dieses Interaktionssystems zu sein – fehlt eine Entgegensetzung der Handlungsnorm bezüglich einer Umdefinition der gemeinsamen Beziehung. Diese Unfähigkeit der Reflexion der Beziehungsdefinition führt zu einer monotonen Redundanz von Pseudo-Unstimmigkeiten, bei denen es letztlich immer um das Ringen um Beziehungsdefinition bzw. Infragestellen derselben geht.
|A 255|

Fall B

1. Soziale Situation

[V44:547] Familie B. hat 2 Kinder, und zwar einen 10-jährigen Jungen und ein 8-jähriges Mädchen. Außerdem gehört die Großmutter des Mannes zur Familie. Der Mann arbeitet seit 2 1/2 Jahren bei der städtischen Verkehrsgesellschaft als Busfahrer. Er hat nach der Volksschule den Beruf des Maurers erlernt, war anschließend als Werkzeugschleifer tätig und arbeitete bis zu seiner jetzigen Beschäftigung als LKW-Fahrer. Seine Frau ist seit 4 Monaten als Putzfrau in einer Gaststätte beschäftigt. Davor arbeitete sie in einem Industriebetrieb als Gütekontrolleurin. Nach Beendigung der Volksschule hat sie eine kaufmännische Lehre gemacht. Einen Berufs- und Stellenwechsel plant keiner der beiden Ehepartner. Sie nehmen auch nicht an Fortbildungskursen teil. Das Familieneinkommen liegt zwischen 1500 und 1700 DM.
[V44:548] Der Mann arbeitet im Schichtdienst, und zwar in wechselnden Schichten. Seine Frau hat eine freie Arbeitszeit, die täglich in der Regel von 6 bis 10 Uhr dauert. Die wöchentliche Arbeitszeit des Mannes beträgt 54 Stunden. Beide Ehepartner empfinden ihre Tätigkeit eher ausführend als leitend. Sie erhalten mehr Arbeitsanweisungen als sie selber geben und teilen anderen auch keine Arbeit zu. Ihre Arbeit bekommen sie täglich zugewiesen. Ansonsten scheint die Frau an ihrem Arbeitsplatz einer weniger starken Kontrolle zu unterliegen. Sie kann z.B. im Gegensatz zu ihrem Mann die Reihenfolge einzelner Arbeitsabschnitte und die Geschwindigkeit eines Arbeitsvorganges selbst bestimmen. Im Unterschied zu ihrem Mann wird bei ihr auf die Einhaltung der Arbeitszeit nicht streng geachtet. Während sie die Möglichkeit hat, ihren Arbeitsplatz sogar für die Besorgungen außerhalb zu verlassen, kann ihr Mann den Arbeitsplatz nicht einmal für eine Zigarettenpause verlassen. Die Fähigkeit, hohe nervliche Belastung bei eintöniger Arbeit ertragen zu können, halten beide Ehepartner im Hinblick auf ihre Tätigkeit für sehr wichtig. Unter erschwerten Bedingungen |A 256|wie Lärm, Schmutz, Hitze arbeiten zu können, ist ebenfalls für den Mann sehr wichtig und für die Frau immerhin noch ziemlich wichtig. Bei der Durchführung seiner Arbeit ist Herr B. nicht von einer Absprache mit seinen Kollegen abhängig. Dennoch unterstützen er und seine Kollegen sich in der Regel bei der Arbeit. Wegen häufigen Ortswechsels hat der Mann kaum die Möglichkeiten, sich außerhalb der offiziellen Pausen mit seinen Kollegen zu unterhalten. Wenn es doch einmal vorkommt, so ist das Thema die Arbeit. Die Einkommen der beiden Ehepartner ergeben sich als Zeitlohn. Die Frau hat eine tägliche Kündigungsfrist, ihr Mann eine Kündigungsfrist von einem Monat.
[V44:549] Für die Familien-Kommunikation ist es nach Ansicht der Interviewer wichtig, daß die schlechte Wohnsituation zu ebener Erde durch Durchgangszimmer, räumliche Enge (zweigeschossiges Bett für die Kinder) und
wenig einladende
Möbel gekennzeichnet ist. Das Elternschlafzimmer und das Kinderzimmer sind lediglich durch einen Vorhang voneinander getrennt. Im Kinderzimmer steht zusätzlich noch eine große Kühltruhe. Die Familie wird von den Interviewern der
traditionellen Arbeiterschicht
zugeordnet, wofür auch die Art ihrer sozialen Kontakte ein Indiz zu sein scheint, die zum Teil verwandtschaftlicher, überwiegend jedoch nachbarschaftlicher (homogene Wohngegend) Art ist. Dieser Kontakt ist recht eng und dehnt sich auch auf gegenseitige Unterstützung und Hilfe aus.
[V44:550] Die Eltern der beiden Ehepartner haben, wie ihre Kinder, die Volksschule besucht. Die Mutter des Mannes und die Mutter der Frau waren nicht berufstätig; die Mutter der Frau hat allerdings einen Beruf erlernt (Köchin). Ihr Vater war ungelernter Arbeiter, der Vater des Mannes Vermessungsangestellter.
|A 257|

2. Interaktionsanalyse

[V44:551] Das Grundmuster, das in dieser Familie Beziehungen und Interaktionsformen zu prägen scheint, ist eine strikte und kaum problematisierte innerfamiliale Rollentrennung, die der Frau überwiegend die Betreuung der Kinder zuweist. Sie ist es, die meistens die Kinder ins Bett bringt, mit ihnen nach draußen geht, ihnen bei den Hausaufgaben hilft, sie badet. Auch sämtliche Haushaltstätigkeiten wie Einkaufen, Essen machen, Mülleimer ausleeren, Betten machen, Schuhe putzen, werden als Bereich der Frau betrachtet. Sogar die Außenvertretung wie das Bezahlen von Rechnungen, das Regeln von Angelegenheiten mit dem Vermieter, werden von der Frau wahrgenommen. Häufig unterstützt allerdings die Großmutter die Mutter bei der Kinderbetreuung und kleineren Arbeiten im Haushalt. Der Ehemann hilft je nach Zeit bei den häuslichen Aufgaben mit.
[V44:552] Die Erwerbstätigkeit der Mutter, in Verbindung damit die familialen Rollen- und Kompetenzzuweisungen, wie auch andere Beziehungsaspekte, scheinen in dieser Familie kein besonderes Problem darzustellen. Im Mittelpunkt der verschiedenen angesprochenen Probleme steht die gemeinsame Bewältigung einer häufig als schwierig und belastend empfundenen sozialen Situation und die damit verbundene Definition der sozialen Situation der Familie hinsichtlich der als besonders signifikant erlebten Vertreter der Umwelt bzw. gesellschaftlicher Institutionen. Die Umgangsformen der beiden Ehepartner bei der Erörterung solcher Themen scheint sich allerdings von dem Kommunikationsstil bei der Diskussion von mehr innerfamilialen bzw. für die Biographie des Ehepaares als relevant angesehenen Themen zu unterscheiden.
[V44:553] Wir haben im folgenden zur ausführlichen Analyse eine Sequenz ausgewählt, in der ansatzweise beide Gesichtspunkte der familialen Kommunikation vertreten sind.
|A 258-264|
[V44:554]
Sequenz Paraphrasierung Sprecherintention Beziehungsdefinition Situationsdefinition Problematisierung
F.: Wir müssen sogar die Grunderwerbssteuer für den Hauswirt bezahlen! Die Frau verweist auf die hohen Kosten für ihre Mietwohnung. Sie scheint dabei die Absicht zu haben, die als miserabel empfundenen Wohnverhältnisse der Familie zur Diskussion zu stellen. Hierbei stellt sie die Familie als gemeinsam betroffene Gruppe dar, deren Beziehung zur Hausbesitzerin dadurch gekennzeichnet ist, daß ihr von dieser als ungerecht angesehene Belastungen aufgebürdet werden. Dadurch gibt sie der Familie eine positive Selbstdefinition in dem Sinne, daß die Familie an ihrer schlechten Wohnsituation unschuldig ist. Die soziale Situation wird in diesem Punkt als für die gesamte Familie unbefriedigend empfunden. Die hohen Mietkosten werden nicht als Einzelfall betrachtet, sondern als ein gesellschaftliches Phänomen, das auf der möglichst gewinnbringenden Nutzung des Besitzes an Wohnraum beruht. (Dazu an anderer Stelle:
Was die mit dem Geld machen, ist mir ein Rätsel!
)
N.: Wir auch, wir auch. Der Nachbar bestätigt das am Beispiel seiner Wohnung. Damit geht er auf das vorgeschlagene Thema
Wohnen
ein und dokumentiert, daß es für seine Familie gleicherweise ein Problem darstellt.
Er definiert seine Beziehung zu der Familie hierbei als eine Beziehung von Familien, welche von dem gleichen sozialen Sachverhalt in der gleichen Weise betroffen sind. Hierzu wird eine gemeinsame Definition der sozialen Situation deutlich.
M.: Deswegen, man ist viel zu dumm, man müßte selber bauen, ehrlich! Demgegenüber stellt der Ehemann den eigenen Bau eines Hauses als günstigere Lösung des Wohnproblems dar. Er schlägt damit vor, einen anderen Gesichtspunkt des Themas
Wohnen
zu behandeln, der für seine Familie in der Zukunft relevant werden könnte. (Der oben angesprochene Gesichtspunkt ist in dem vorangegangenen Gespräch allerdings auch schon ausführlich behandelt worden.)
Damit definiert er sich zwar innerhalb der von seiner Frau und dem Nachbarn etablierten Beziehung, nimmt jedoch selber eine aktive vorwärtstreibende Rolle ein. Die Wohnsituation stellt er so – bei entsprechender eigenen Initiative – als durchaus veränderbar dar, wobei er ein Verbleiben in dieser unbefriedigenden Situation als
dumm
wertet. Die Gesprächssituation strukturiert er damit insofern um, als es jetzt nicht mehr darum geht, die gemeinsame Situation mehr oder weniger passiv zu schildern.
Obwohl er ansonsten die Ursachen der miserablen Wohnsituation ebenso wie seine Frau und der Nachbar beurteilt, sieht er eine Lösung dieses Problems nicht auf einer gesellschaftlichen, sondern auf einer mehr individuellen Ebene.
F.: Dann hätten wir damals anfangen müssen, heute, das haut nicht mehr hin. Warte, bis das Land soweit ist, dann wird es spruchreif. Dann würde ich noch nicht mal selber bauen, dann würde ich ’ne Hütte kaufen. Die Frau hält das Selbstbauen unter den jetzigen Umständen für nicht mehr durchführbar. Sie würde deshalb den Kauf eines fertigen Hauses vorziehen. Letzteres ist für sie eine realistische Alternative. Damit stimmt sie grundsätzlich der von ihrem Mann angesprochenen Lösung zu. Ihr Interesse bringt sie dabei in einer Modifizierung seines Vorschlages zum Ausdruck. Hierbei bestimmt sie die Beziehung zwischen sich und ihrem Mann als gleichberechtigt und solidarisch. Sie folgt seiner Umdefinition der Situation.
M.: Ne, nie im Leben! Wenn, dann möchte ich ein Haus haben nach meinen Vorstellungen. Er beharrt nachdrücklich auf seinem Vorschlag und begründet ihn mit der Möglichkeit, beim Selberbauen die eigenen Vorstellungen besser verwirklichen zu können. Er dokumentiert deutlich, daß er in dieser Frage zu keinem Kompromiß bereit ist. Mit seiner Äußerung verläßt er die von seiner Frau zuvor definierte Beziehung und nimmt für sich die dominierende und in dieser Frage entscheidende Rolle in Anspruch. Hierdurch tritt er aus der vorher noch als gemeinsam definierten Situation heraus und gibt eine stärker individualistische Orientierung zu erkennen.
F.: So viel Geld hast du gar nicht, was du für eins haben willst. Sie weist die Vorstellungen ihres Mannes aus Kostengründen zurück. Mit dem Hinweis auf das fehlende Geld scheint die Frau zu versuchen, ihren Vorschlag wieder ins Gespräch zu bringen. Sie nimmt die Umdefinition der Beziehung seitens ihres Mannes nicht etwa zum Anlaß, seinen Dominanzanspruch und damit ihre Beziehung direkt zu thematisieren. Vielmehr verwirft sie seine Selbstdefinition, auf die sich sein Dominanzanspruch in dieser Frage stützt – eben die eines Mannes, dem es die Handwerker aufgrund seines ausgeprägten persönlichen Geschmacks nicht recht machen – indem sie ihn als jemand darstellt, dessen übertriebene persönliche Wünsche über seine finanziellen Möglichkeiten hinausgehen. Hiermit weist sie seine Umdefinition der Situation zurück.
M.: Das ist ja dummes Zeug, was du da sagst. Guck’ dir doch Richard seins an. Diesen Einwand seiner Frau verwirft er, indem er auf das Beispiel eines Bekannten verweist. Indem er den Einwand seiner Frau in ziemlich rauher Form als unsachlich disqualifiziert, besteht er nachdrücklich auf seinem Dominanzanspruch in dieser Frage. Seine Frau weist er bei der Erörterung dieses Problems die typische Frauenrolle zu, die durch Inkompetenz in solchen technischen Fragen gekennzeichnet ist. Damit vollzieht er eine deutliche Rollentrennung in dieser Frage. Die Situation strukturiert er nunmehr so, daß das Nachvollziehen seiner Position an einem von ihm angeführten Beispiel an die Stelle einer Auseinandersetzung über zwei unterschiedliche Meinungen tritt.
F.: Na ja, hab’ ich ja noch nie gesehen. Sie gibt an, das Beispiel nicht zu kennen. Sie versucht damit, seinen Vorwurf der Unsachlichkeit abzuschwächen. Damit akzeptiert sie seine Selbstdefinition zumindest unter dem Gesichtspunkt seiner grösseren Kompetenz in dieser Frage. Sie folgt auch der Situationsdefinition ihres Mannes.
M.: Hast du ja noch nie gesehen, aber mit deinen Vorurteilen bist du immer voll da. Daraufhin wirft er seiner Frau ein vorurteilsvolles Allgemeinverhalten vor. Er versucht anscheinend, durch Verallgemeinerung ihres unsachlichen Urteilens an dieser Stelle seinem Kompetenzanspruch noch mehr Nachdruck zu verleihen. Damit könnte er die oben auf dieses Problem bezogene Beziehungsdefinition auf die gesamte Beziehung verallgemeinern. Indem er die Urteilsfähigkeit seiner Frau völlig disqualifiziert, scheint er die Gesprächssituation so definieren zu wollen, daß er jetzt das Beispiel weiter erörtert.
F.: Na, so wie ich dich kenne ... (wird unterbrochen) Sie versucht, den Vorwurf ihres Mannes dadurch zu erwidern, daß sie ihre Erfahrung mit ihm anführt. Sie scheint damit zu beabsichtigen, doch noch einmal ihre Position darzustellen. Sie versucht, auf das von ihrem Mann geäußerte Fremdbild ihr gegenüber etwas zu erwidern, was sich auf sein Selbstbild zu beziehen scheint. Seine Situationsdefinition wird von ihr nicht geteilt. Sie versucht anscheinend, nun die Beziehung zu thematisieren.
M.: Richard sein Haus hat ihn im Rohbau DM 85.000 gekostet. Ist ein 2 1/2 Familienhaus. Er unterbricht sie jedoch und fährt mit der Schilderung seines Beispiels fort. Er möchte nun endgültig sein Beispiel behandeln. Indem er es überhaupt nicht für nötig hält, auf ihren Einwand einzugehen, sondern sie einfach
überredet
, eliminiert er damit die Möglichkeit des Aushandelns von Beziehungsdefinitionen und setzt seinen Kompetenzanspruch kraft seiner größeren Lautstärke durch.
Hierdurch definiert er die Situation so, daß seine Frau nun endgültig zu schweigen habe und daß nun nur noch über das Beispiel gesprochen werden soll.
N.: Ja, hat der das selbst gebaut? Angesichts der Diskussion, die ein wenig vom
Thema
weggeführt hat, bezieht der Nachbar das Beispiel auf die ursprüngliche Fragestellung zurück.
Er möchte wissen, ob das Beispiel wirklich einen Beleg für die Behauptung des Mannes darstellt. Der Nachbar akzeptiert den Kompetenzanspruch des Mannes in der Ehepartnerbeziehung des Mannes. Der Nachbar hält sich mit seiner Frage im Rahmen der von dem Mann definierten Situation.
M.: Mhm ... Der Ehemann bejaht die Frage
N.: Na ja, sieh mal zu, daß ... (wird unterbrochen) Daraufhin spricht der Nachbar die Übertragbarkeit des Beispiels an. Der Nachbar scheint zu beabsichtigen, die Situation des Bekannten in dem Beispiel mit der Situation des Ehemannes zu vergleichen.
F.: Mit D...scher Hilfe hier. Er wird jedoch von der Frau unterbrochen, die die Antwort ihres Mannes dahingehend konkretisiert, daß sie auf seine Mithilfe beim Bau des Hauses verweist. Sie beabsichtigt damit, sich wieder in einer ihren Mann unterstützenden Art und Weise in das Gespräch einzuschalten. Sie scheint die Rollenzuweisung ihres Mannes akzeptiert zu haben und definiert nun die Ehebeziehung (mit D...scher Hilfe) wieder solidarisch. Sie bewegt sich mit ihrer Äußerung auch wieder innerhalb der von ihrem Mann definierten Gesprächssituation, indem sie seine kurze Äußerung konkretisierend und in seinem Sinne verstärkend aufgreift.
M.: Mhm ... Der Ehemann stimmt zu. Er möchte damit der Möglichkeit der Übertragung des Beispiels auf seine Situation zustimmen. Der Mann gibt durch seine Zustimmung gleichzeitig zu erkennen, daß er das von seiner Frau geäußerte Selbstbild nun akzeptiert, da es seiner Rollenzuweisung entspricht. Er definiert damit die Situation als für sich befriedigend. Gleichzeitig zeigt er sein Einverständnis damit an, daß seine Frau die aktive Vertretung seiner Position übernimmt. Er selbst scheint sich mehr auf die Rolle des Kontrollierenden, Zustimmenden zu beschränken.
F.: Heinrich wieder hin ... Sie verweist noch einmal auf die Mithilfe ihres Mannes. s.o. Sie stellt ihren Mann deutlich als den hinsichtlich des
Selberbauens
praktisch tätig werdenden Teil dar.
s.o.
N.: Heinz, das kannst du, in deinem Beruf hälst du das nicht durch. Der Nachbar bezweifelt jedoch die Übertragbarkeit des Beispiels. Er hält den Beruf des Mannes für zu anstrengend. Damit lehnt er die Lösung des Selberbauens für die Familie unter den beruflichen Umständen des Mannes ab. Er wendet sich mit dieser Äußerung direkt an den Mann und kennzeichnet ihn damit als denjenigen innerhalb der Ehebeziehung, von dessen Fähigkeiten die Beantwortung der Frage primär abhängt. Mit seinem Einwand stellt der Nachbar nun die Fähigkeit des Ehemannes in den Mittelpunkt der Diskussion. Er zweifelt damit die Möglichkeiten des individuellen Auswegs aus der Wohnsituation an.
F.: Der ist ja auch Busfahrer. Indem sie auf den gleichartigen Beruf des Bekannten aus dem Beispiel verweist, entkräftet die Frau den Einwand des Nachbarn. Die Frau verteidigt jetzt vehement das von ihrem Mann angeführte und von ihr zuvor abgelehnte Beispiel, da hier die Fähigkeit ihres Mannes angezweifelt wird. Hierbei äußert sie ein Selbstbild von ihrem Mann von der Art:
Was andere Busfahrer können, kann der schon lange.
N.: Na, trotzdem. Dieser macht trotzdem neue Zweifel geltend.
M.: Ich will dir mal was sagen ... Der hatte einen YTONG Satz; das Schlimmste bei der ganzen Angelegenheit war der M+Fg Keller. Und in diesem Sinne war es auch nicht so schlimm, weil er Hohlblocksteine gehabt hat. Um die Durchführbarkeit seines Vorschlags zu bekräftigen, weist der Mann auf ein unkompliziertes bauliches Verfahren hin. Da seine Frau sich gegen den Nachbarn anscheinend nicht durchzusetzen vermag, übernimmt der Mann nun selber die aktive Vertretung seiner Position. Hiermit definiert er sich als den – wenn es darauf ankommt – dominierenden Partner in der Beziehung, was von seiner Frau auch durch Übernahme einer unterstützenden Rolle akzeptiert zu werden scheint. Er diskutiert den Einwand des Nachbarn auf einer ausgesprochen
fachlichen
Ebene, auf der er, da er als einziger am Bau beteiligt war, kompetent ist.
F.: Es wäre ja anders, wenn du sagtest, man könnte es meinetwegen ... (wird unterbrochen) Seine Frau läßt er mit einem Einwand gar nicht zu Worte kommen.
M.: Den Keller habe ich dann ausgezogen bis Parterre ... und dann habe ich ... und dann habe ich ... Schließlich stellt er fest, daß er die schwierigste Arbeit allein ausgeführt habe. Er scheint mit dieser gewichtigen Feststellung den Nachweis abschließen zu wollen, daß sein Vorschlag auch von ihm durchführbar ist. Abschließend definiert er sich noch einmal als den Teil in der Ehebeziehung, der auch mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten fertig wird. Mit seinen letzten Ausführungen scheint der Mann diese Gesprächssituation beenden zu wollen.
|A 265|
[V44:555] Das Kommunikations- und Beziehungssystem dieser Familie scheint seine Eigenart und Stabilität auf einer zumindest im Endeffekt gemeinsamen, solidarischen Bewältigung ihrer Probleme zu begründen. Diese Solidarität hat vornehmlich zwei Komponenten: Einerseits drückt sie sich in einer relativ hohen Übereinstimmung zwischen den Ehepartnern aus, und zwar sowohl in inhaltlicher wie auch in formaler Hinsicht; andererseits wird diese Übereinstimmung gestützt durch eine gemeinsame
Verteidigungsstellung
gegenüber gesellschaftlich
Stärkeren
und eine Solidarität mit Verwandten und gesellschaftlich Gleichen.
[V44:556] Die große Übereinstimmung im Hinblick auf die Definition relevanter Probleme und im Hinblick auf die Wahl der interpersonellen Taktiken drückt sich in einem besonders häufigen
taking the role of the other
aus. Dafür ein Beispiel:
  • F.:
    [V44:557] Wenn die Frühschicht gemacht haben, haben sie malocht bis abends um 10, und wenn er Spätschicht gehabt hat, dann haben sie morgens früh malocht. Kam er nach Hause, geduscht und ab ... Meine ganzen Brüder haben alle gebaut. Die nehmen kein Geld untereinander, dafür helfen sie sich alle gegenseitig.
  • M.:
    [V44:558] Das muß man ja den X lassen, da sind die sicher unheimlich einig.
  • F.:
    [V44:559] Ja, ...
  • M.:
    [V44:560] Ehrlich ...
[V44:561] Wenn auch nur in sehr knapper Form, so sind in dieser Interaktionsfolge doch mehrere Anhaltspunkte für unsere Behauptung enthalten: Die Frau spricht zunächst gleichsam aus der Sicht des Mannes, schildert empathisch seine Situation. Zugleich deutet sie die selbstverständliche Solidarität innerhalb der Verwandtschaft an. Die folgenden sehr kurzen Statements signalisieren nicht nur Zustimmung, sondern ausdrückliche Übereinstimmung sowohl im Hinblick auf die Wichtigkeit des Problems wie auch im Hinblick auf die Sichtweise, in der es vorgetragen wurde. Die Basis für Art und offenbare Stabilität der innerfamiliären Beziehungen ist die außerordentlich ausgeprägte Einigkeit im Hinblick auf die für das gemeinsame |A 266|Leben relevanten Inhalte, ist die gemeinsame Definition ihrer sozialen Situation. Diese Definition erfolgt im Protokollmaterial in der Regel so, daß sich die Familie in jedem Fall positiv, bei Konfliktfällen meistens als
im Recht
gegenüber dem sozial Stärkeren bestimmt. Wir geben dazu einige Beispiele.
[V44:562] Vom Arbeitgeber (kommunale Behörde) heißt es:
[V44:563]
Die planen doch nur alles vom grünen Tisch aus
.
Und wenn mal etwas passiert, dann heißt es: noch langsamer, noch mehr Vorsicht! Aber daß die Fahrzeiten laufend verkürzt werden, davon will keiner mehr was wissen.
[V44:564] In der Struktur ähnlich sind Äußerungen über den Hausbesitzer:
[V44:565]
Was die mit dem vielen Geld nur machen, das möchte ich mal wissen
.
Wir hatten alles gemacht, und dann schmeißt die uns raus, die Alte. Und ich hab’ laut übern Hof gerufen, wenn die die Kündigung nicht zurücknimmt, steck’ ich die Bude an. Aber die hatte überhaupt keinen Grund ... Und sie hat die Kündigung dann zurückgenommen ... sind wir dann in den Mieterschutzverein gegangen ... Und die Kinder scheucht sie vom Hof, da hat sie gar kein Recht zu.
[V44:566] Diese eindeutige und selbstbewußte Entgegensetzung sozialer Positionen hat nichts von resignativer Anpassung, wenngleich es dem immer wieder bei Arbeitern ermittelten dichotomischen Topos
wir hier unten – ihr da oben
folgt.
[V44:567] Ein wesentlicher Aspekt des familialen Beziehungssystems ist jedoch die sich fast regelmäßig durchsetzende, übergeordnete Kompetenz des Ehemannes, die sich auf den Außenbereich und besonders auf die Definition der biographisch für die Familie relevanten Probleme bezieht. Besonders wichtig, darüber hinaus aber auch exemplarisch für die Form der Konfliktbewältigung des Mannes scheinen hier die Umstände der Eheschließung zu sein. Das läßt sich zumindest nach der Art der Behandlung dieses Themas im Biographie-Interview vermuten: |A 267|
  • I.:
    [V44:568] Sie haben vorher schon angefangen zu erzählen, weil Sie geheiratet haben, als Sie bei der Bundeswehr waren.
  • M.F.:
    [V44:569] (beide gleichzeitig) Im September, das war schon vorher.
  • F.:
    [V44:570] Das war ganz kritisch, wir mußten heiraten, kriegten die Genehmigung aber nicht. Mein Vater war ein bißchen komisch in der Beziehung, altmodern ...
  • M.:
    [V44:571] Nein, du erzählst das verkehrt, Mädchen.
  • F.:
    [V44:572] Ja, doch ...
  • M.:
    [V44:573] Nein, sinngemäß ist das verkehrt, nicht?
  • F.:
    [V44:574] Na, ich wollte von zu Hause weg.
  • M.:
    [V44:575] Sie wollte von zu Hause weg, weil sie mit ihren Eltern nicht klar kam, und da haben wir uns geeinigt, da wir sowieso zusammenbleiben wollten.
  • F.:
    [V44:576] Hatten wir schon Möbel gekauft ...
  • M.:
    [V44:577] Also, da hab’ ich dann den normalen Weg gewählt ...
[V44:578] Diese Selbstdefinition als starker, mit allen Schwierigkeiten fertigwerdender Ehemann scheint für die gesamte Familiensituation konstitutiv zu sein. Durch ein gewolltes
Muß-Heirats-Kind
hatte der Mann seine Frau aus den unbefriedigenden Familienverhältnissen ihrer Pflegeeltern
befreit
. Die Entscheidung zu einer solchen
Muß-Heirat
fiel, nachdem die Frau wieder einmal von ihrem Pflegevater geschlagen worden war, weil sie zu spät nach Hause gekommen war. Dazu der Mann:
Da bin ich hingegangen und habe zu dem Vater gesagt, wenn du das nicht sein läßt, dann teile ich auch mal welche aus.
[V44:579] Diese Selbstdefinition des Mannes, auf die er seinen Dominanzanspruch baut, wird von seiner Frau lebhaft unterstützt, was immer wieder deutlich wird, wenn der Mann über andere
starke Stunden
berichtet. An keiner Stelle des Protokolls spielt der Mann seine Dominanz gegen die Frau aus; sie wird von ihm immer zur Unterstützung und Bekräftigung gemeinsamer, wenn auch bisweilen komplementärer Sichtweisen verwendet. Der im oben wiedergegebenen Protokollausschnitt enthaltene Satz:
Nein, du erzählst das verkehrt, Mädchen
darf als Beleg dafür gelten: Nicht der Sachverhalt, nur die logisch richtige Verknüpfung wird von ihm bezweifelt; seine Rich|A 268|tigstellung bezieht sich vor allem auf die Gesamtsituation, in der diese Mitteilungen gemacht werden, denn
sinngemäß
richtige Darstellung gilt ja vor allem für die zuhörenden Interviewer. Die Frau akzeptiert auch diese Korrektur und bestätigt damit, daß der Mann nun den von beiden geteilten
Sinn
der referierten Situation zutreffend zum Vorschein gebracht hat.
[V44:580] Diese
Kompetenz
des Mannes, die sich über das Dominieren bei der Erörterung verschiedener Probleme durchsetzt, wird jedoch nicht mit bestimmten Statusmerkmalen legitimiert, sondern in den einzelnen Fällen meistens begründet, und zwar aus der gerade in Rede stehenden
Sache
. Es wäre deshalb auch falsch, in dieser Familie von einer rigiden, durch Herrschaftsbeziehungen aufrechterhaltenen Rollentrennung zu sprechen. Dennoch ist kaum zu leugnen, daß gerade diese Dominanz die in der Familie geltenden Rollenzuschreibungen stabilisiert. Die Frau definiert sich wesentlich eindeutiger als in vergleichbaren Fällen unserer Stichprobe als Hausfrau und Mutter, die lediglich aus finanziellen Gründen nebenbei zur Erwerbstätigkeit genötigt ist. Sie empfindet jedoch dies als
normal
und
notwendig
, ohne daß das in ihr problematische Gefühle erzeugt oder Beziehungskonflikte innerhalb der Familie zur Folge hat. Sowohl mit ihrer Erwerbstätigen-Rolle wie auch mit ihrer familiären Rolle ist sie zufrieden und antwortet auch auf direkte Nachfragen der Interviewer nur in diesem Sinne, ohne daß der Mann sich an solchen Stellen in das Gespräch beeinflussend einschaltet.
[V44:581] Die konfliktfreie Komplementarität dieser Beziehung bewährt sich offenbar auch dann, wenn die Umstände als eher belastend erscheinen. Das zeigte sich schon angesichts des Wohnungs-Konfliktes, wird aber auch in dem folgenden Protokollauszug deutlich:
  • M.:
    [V44:582] Kurzerhand waren wir dann verheiratet. Das ging ruck zuck. Im September wurde ich dann eingezogen zum Barras ... kam ich erst mal nach Münster.
  • F.:
    [V44:583] Und dann waren sie geizig.
  • |A 269|
  • M.:
    [V44:584] Da hab’ ich dann erst, mal so gesagt, erstmal gedient, aber ... auch, auch ... auch böses Dorf.
  • F.:
    [V44:585] Hab’ ich für mich und den Jungen DM 240,-- Unterhalt gekriegt im Monat, mehr nicht. Da mußte ich mit auskommen.
  • M.:
    [V44:586] Und ich war leidenschaftlicher Soldat, mit Leib und Seele ...
  • F.:
    [V44:587] Ja, ja. Deshalb haste auch so viel im Bau gesessen.
  • M.:
    [V44:588] Na, nun war ich damals, muß ich dazu sagen, ich war auch nicht zartbesaitet. Zum mindestens, was die ...
  • F.:
    [V44:589] Jung an Jahren ...
  • M.:
    [V44:590] Was die eine Seite angeht, sind auch so einige Sachen vorgekommen.
  • F.:
    [V44:591] Ließ sich von keinem was sagen.
  • M.:
    [V44:592] Oh, na ja, so kannst du das auch nicht ...
  • F.:
    [V44:593] Na, wenn er sagt, du sollst dich in den Dreck legen ...
[V44:594] Die Tatsache, daß die Interaktionen auf der Beziehungsebene nahezu völlig frei von Problematisierungen und Konflikten sind, ist vermutlich nur damit zu erklären, daß die Identifikation der Frau mit der ihr zugewiesenen Rolle nahezu total ist. Daß diese Identifikation jedoch nicht durch die Dominanz des Mannes erzwungen wird, geht auch aus diesem Beispiel hervor. Es scheint allerdings, als impliziere die Ausgewogenheit der Beziehungen im Ehe-Subsystem nicht auch eine gleiche Beziehungsstruktur zwischen Eltern und Kindern. Unser Material ist freilich nicht hinreichend, um eine gegen die Kinder gerichtete Mutter-Vater-Koalition auch nur zu vermuten. Die Eindeutigkeit, mit der die Eheleute gleichsinnig bei der Erörterung von Erziehungsfragen eine eher reglementierende und auch stärkere Strafen problemlos befürwortende Position einnehmen, findet sich in unserer Stichprobe sonst außerordentlich selten. Als die Frage, was man tun würde, wenn ein Kind heimlich Geld der Haushaltskasse entnommen hätte, erörtert wird, sagt die Frau mit Entschiedenheit:
Bestrafen, Schläge und Stubenarrest.
Auch gegen Schläge durch den Lehrer erheben beide Eheleute keinen Einwand, schränken allerdings ein:
Wenn ein Grund vorhanden wäre ...
Antworten dieser Art verteilen sich gleichmäßig auf Mann und Frau. Man könnte vermuten, daß es sich in diesen |A 270|beiden Fällen um situationsspezifische Verhaltensweisen handelt, insofern gerade für eine Familie in schwacher sozialer Position sowohl eine große Abhängigkeit von der Schule unterstellt werden darf wie auch eine Abhängigkeit von dem materiell begrenzten Rahmen, innerhalb dessen sie existieren muß (deshalb die reglementierende Reaktion auf einen gedachten Gelddiebstahl). Daß diese Annahme jedoch nicht viel für sich hat, geht daraus hervor, daß der Mann mit Zustimmung der Frau auch auf die Frage, wie sie sich verhalten würden, wenn das Kind sie im Zorn beschimpft, sehr entschieden feststellt:
Ich würde ihn bestrafen.
Daß indessen andere Muster des Umgangs mit den Kindern existieren, zeigt die Reaktion bei der Erörterung eines angemessenen pädagogischen Verhaltens angesichts jener gedachten
sexuellen Auffälligkeit
des Kindes. Hier heißt es:
Nicht darauf eingehen
(M.);
Ich würde mich mit ihm darüber unterhalten und fragen, wie er sich in Zukunft verhalten will
(F.). Besonders die letzte Äußerung läßt indessen die darin erhaltene Mißbilligung des Verhaltens deutlich erkennen.
[V44:595] In der relativen Knappheit des Statements, im sparsamen Verwenden von expliziten Begründungen, im Verzicht auf längere Erörterungen wechselseitiger Motive, in der unproblematischen Annahme eines eindeutigen und gültigen Systems von Handlungsregeln scheint diese Familie, wenn wir den Resultaten der Sozialisationsforschung folgen, das anschauliche Beispiel einer
Unterschichtfamilie
zu sein. Nehmen wir diesen Fall als idealtypisch, dann treten allerdings auch – etwa im Vergleich zu der von uns ausführlich interpretierten Familie A. – die
Vorzüge
eines solchen Beziehungssystems deutlich hervor: Stabilität, emotionale Sicherheit, Solidarität und Empathie, verbunden mit einem sozialen Selbstbewußtsein, das vermuten läßt, daß äußere Belastungen und Krisen von diesem System
Familie
gut verarbeitet werden können. Dennoch ist zweifelhaft, ob es verantwortbar ist, schlankweg von
Vorzügen
zu sprechen. Keinesfalls wollen wir jene Merkmale für bedenklich halten; wir müssen uns jedoch bewußt bleiben, daß sie um den Preis eines nur spärlichen gesellschaftlichen Erfolges bewahrt werden, jedenfalls solange, als der nach den Leistungskriterien der Schule definierte Bildungserfolg auch die Zukunftschancen der Kinder dieser Familie begrenzt.
|A 271|

3. Kommunikationscharakteristik

[V44:596] Die durch die Interaktionsanalyse gewonnenen Ergebnisse über die Beziehungsstruktur des vorliegenden Partnersystems werden wir nun mit den Interpretationsdimensionen, die der Gesamtuntersuchung zugrundeliegen, in Zusammenhang bringen. Zunächst vergleichen wir Familie B. mit der entsprechenden Untergruppe der Gesamtstichprobe:
[V44:597]
Mittelwerte unteres Stratum Frau berufstätig Werte Fall B.
Fb. DD. Fb. DD.
Komplexität 1.8 1.8 1.5 1.3
Reziprozität 1.6 1.6 1.1 1.7
Dominanz Mann 1.4 1.6 2.5 0.8
Dominanz Frau 0.2 0.8
Konfliktgehalt 1.0 1.4 1.2 1.0
Problematisierung 0.9 1.2 0.4 0.5
[V44:598] Die Werte für Komplexität, Konfliktgehalt und Problematisierung verändern sich vom Biographie- zum Dissensteil nur wenig. Auch im Biographieteil unterscheidet sich Komplexität und Konfliktgehalt nicht wesentlich von den Mittelwerten der hier zuzurechnenden Population, während bei Problematisierung eine grössere Differenz (0,5) sichtbar wird. Desgleichen unterscheiden sich Problematisierung und Komplexität deutlich durch ihre niedrigere Ausprägung; die Differenz zwischen Fb. und DD ist jedoch gering. Dominanz und Reziprozität verändern sich dagegen auffallend von der Biographie zum Dissensteil. Während die Dominanz des Vaters zum Dissensteil hin erheblich abnimmt, |A 272|steigt die Dominanz der Mutter und auch ihre Reziprozität an. Die Ausprägung der Dimension Komplexität ist auf eine Vielzahl angesprochener Themen zurückzuführen. So wurden z.B. die Wohnverhältnisse, die Arbeitssituation, Erfahrungen mit Behörden, mit der Bundeswehr, die Umstände der Eheschließung und soziale Erfahrungen (z.B. wie eine als schwierig empfundene soziale Situation solidarisch bewältigt wurde), Verwandtschafts- und Nachbarschaftskontakte ausführlich behandelt. Bei dieser Behandlung tauchten sowohl individuell-biographische als auch gesellschaftliche Aspekte auf. Dieses mag anhand der Indikatoren
Vielfalt der Themen
und
Vielfalt der Aspekte eines Themas
eine Rolle gespielt haben. Dagegen enthielten Themen wie Erziehung, Haushaltstätigkeiten und Pflichten des Mannes aufgrund der doch relativ fest eingespielten Rollentrennung nur wenige Aspekte. Zudem waren die verwendeten kommunikativen Mittel nicht sehr komplex, was dann die letztlich doch unter dem Mittelwert dieser Population liegende Ausprägung verursachte.
[V44:599] Beziehungsdefinitionen und Handlungsnormen, die in den Interaktionen zum Vorschein kommen, werden nicht in Frage gestellt. Es bestehen allerdings auch keine nennenswerten Inkongruenzen in diesem Themenbereich. Dabei hatten die Interviewer nicht den Eindruck, als würden die Ehepartner Konflikte verbergen. Auf die Interviewer machte das Ehepaar einen solidarischen Eindruck, was sich in der Interaktionsanalyse bestätigt hat. Lediglich bei der Thematisierung von bestimmten Problemen, bei denen der Mann vom
sachlichen
Wissen her sich als kompetenter darstellte, die Frau jedoch nicht bereit war, diesen Anspruch zu akzeptieren, und bei der Identifizierung besonders wichtiger familienbiographischer Ereignisse kam es zu heftigen Inkongruenzen von Handlungsnormen und Propositionen. Am ehesten jedoch trifft dies auf den Dissensteil zu, wo der Konfliktgehalt über dem Mittelwert liegt, während er im Biographieteil deutlich unterhalb dieses Wertes bleibt. Letzteres ist darauf zurückzuführen, daß es im innerfamilialen Bereich kaum unterschiedliche Auffassungen gab. Auch bei denjenigen |A 273|Erziehungsfragen, die bei den beiden Ehepartnern zunächst unterschiedliche Meinungen zum Vorschein brachten, stimmt die Frau in der anschließenden Diskussion dem Manne zu, ohne daß dieses Anpassen an die Meinung des Mannes über eine besonders konfliktgeladene Kommunikation oder durch eine deutliche Beeinflussung des Mannes vonstatten ginge.
[V44:600] Waren auch im Dissensteil wenige Inkongruenzen anzutreffen, so bedeutet das nicht, daß die Arbeitsverteilung im Haushalt und Fragen des Umgangs mit den Kindern überhaupt nicht problematisiert wurden. Es wurden sogar häufig Behauptungen infrage gestellt, andere Handlungsnormen vorgeschlagen, Alternativen erwogen. Beziehungsdefinitionen jedoch blieben durchweg von solcher Problematisierung ausgeschlossen. Jedoch führte jeder problematische Dissens, z.B. bei der Erörterung von Erziehungsfragen, über das Medium Diskussion wieder zum Konsens. Die geringe Ausprägung der Dimension
Problematisierung
hängt vor allem mit zwei Strukturmerkmalen dieser Familien zusammen: einerseits verfügte die Familie über einen stabilen Grundkonsens, der durch die ununterbrochene Auseinandersetzung mit den Problemen der äußeren Existenzsicherung gestützt wird und dem ein ungebrochen positives Selbstbild korrespondiert; andererseits werden Problematisierungsansätze, die das
Funktionieren
des innerfamilialen Beziehungssystems gefährden könnten, durch die dominante Position des Mannes begrenzt; er ist nicht nur der kompetente Repräsentant der Familie nach außen, sondern auch der Garant dafür, daß Systemstörungen minimal bleiben.
[V44:601] Die Art und Weise, in der der Mann die Problematisierungen seiner Frau, wenn sie konfliktträchtig zu werden drohen, beendet, zeichnet sich dadurch aus, daß er sie durch häufige Anweisungen, Richtigstellungen und abschließende Kommentierungen deutlich
integriert
und sich nicht nur durch Argumente und Vorhaltungen, sondern auch durch Unterbrechen ihrer Rede, Erhöhung des Stimmvolumens usw. durchsetzt. Die Frau hingegen erhält in solchen Phasen der Kommunikation kaum die Chance, ihre Meinung ausführlich darzustellen, vor allem dann, |A 274|wenn sie versuchen möchte, ein auf der Beziehungsebene liegendes Thema weiter zu erörtern. Das macht auch die hohe Differenz in den Dominanzausprägungen (Fb.) der beiden Ehepartner deutlich. Jedoch dürfen diese Anzeichen einer
rauhen
Umgangsform nicht mit fehlender affektiver Zuneigung oder Ingruenzen in den gegenseitigen Beziehungsdefinitionen verwechselt werden. Im Dissensteil gibt es keinen Dominanzunterschied zwischen den Interaktionspartnern.
[V44:602] Das fügt sich insofern in die bereits dargestellten Aspekte der Kommunikation ein, als die Lösung von Problemen in diesem Bereich über das Medium der Diskussion erfolgt, wobei die Chancen, den argumentativen Gang zu beeinflussen, durchaus gleich verteilt sind. Insofern muß unsere Behauptung, die Dominanz des Mannes hänge wesentlich mit dem niedrigen Problematisierungsniveau zusammen, modifiziert werden. Keinesfalls nämlich ist das Verhalten des Mannes als
Ursache
dafür zu begreifen; andernfalls dürfte die Dominanzstruktur in der Dissens-Diskussion, in der es doch gerade auch um Beziehungsprobleme der Familie geht, nicht so ausgewogen sein. Eher schon dürften die Verhältnisse so zu deuten sein, daß die Dominanz des Mannes kein konfliktträchtiges oder konfliktstimulierendes Merkmal der familialen Struktur ist, sondern vielmehr die Symbolisierung des Zusammenhaltens, die von allen problemlos akzeptiert wird. Unter diesen Umständen kann sich auch die Tatsache, daß die Frau erwerbstätig ist, kaum als eine Quelle innerfamilialer Beziehungsstörungen entfalten. Durch das Dominanz-Gleichgewicht in der Dissens-Diskussion ist anscheinend die Möglichkeit gegeben, Sätze und Gedanken zu Ende zu führen, wie z.B. Gedanken über die Art des Sanktionsverhaltens der Kinder bei bestimmten Anlässen. Auch der gemeinsame Kontext, der durch die Konfliktbereiche im Biographie-Teil und die in gewisser Weise kommunikations-beschränkenden Austragungsformen bisweilen verlassen wurde, scheint in der Dissens-Diskussion stärker hervorzutreten; verstehendes Eingehen auf die Gedanken des anderen, inhaltliche Weiterführung des Themas in dem von dem Kommunikations|A 275|partner intentierten Sinnzusammenhang, Wechselspiel von Argumenten strukturieren den Interaktions-Verlauf. Obwohl dies vornehmlich für den Dissens-Teil gilt, ist es auch für den biographischen Bericht nicht untypisch. Themen des Partners in dem von ihm gemeinten Sinn werden gelegentlich sogar in solchen Fällen aufgenommen und
empathisch
weitergeführt, in denen der Partner diesen Kontext in dominanter Form festsetzt. Das mag ein weiterer Beleg für unsere These sein, daß
Dominanz
in dieser Familie nicht Bestandteil eines
Power-Games
ist, sondern so etwas wie eine autorisierte und legitime Repräsentanz des familialen Selbstbildnisses.
|A 276|

Fall C

1. Soziale Situation

[V44:603] Das Ehepaar C. ist ca. 28 Jahre alt. Die Tochter N. ist 2 Jahre alt, der jüngere Sohn T. 6 Jahre und der ältere Sohn A., der schon zur Schule geht, 7 Jahre. Herr C. hat nach Beendigung der Volksschule bei der Post eine Lehre gemacht und ist jetzt
einfacher
Postbeamter in der Briefzustellung seit ungefähr 14 Jahren. Seine Frau hat nach Beendigung der Volksschule keinen Beruf erlernt und arbeitet jetzt seit 1 1/2 Jahren als Reinemachfrau in einer Schule. Herr C. ist als Beamter unkündbar. Die Arbeitsplatzsicherheit wird von ihm als Grund angegeben, wenn er seinen jetzigen Beruf wieder wählen würde. Das Einkommen der Familie beträgt zwischen 1.700,- DM und 2.400,- DM. Beide Ehepartner haben eine feste Arbeitszeit. Beim Mann dauert sie täglich von 6.00 – 12.00, bei der Frau von 13.30 – 17.00 Uhr. Die wöchentliche Arbeitszeit beläuft sich für Herrn C. auf 42, für seine Frau auf 20 Stunden. Seine Tätigkeit beschreibt der Mann mehr als
Umgang mit Personen
. Frau C. sieht ihre Arbeit mehr als
Verarbeitung von Materialien
. Ihre Tätigkeit schätzen jedoch beide Ehepartner als
eher ausführend
ein.
Anderen Arbeit zuteilen
gehört nicht zu den beruflichen Aufgaben der Ehepartner. Beide erhalten mehr Arbeitsanweisungen, als sie selbst geben und bekommen ihre Arbeit täglich zugeteilt, wobei sie allerdings die Reihenfolge der einzelnen Arbeitsabschnitte und die Arbeitsgeschwindigkeit selbst festlegen können. Einer strengen Kontrolle unterliegen Herr und Frau C. nicht. Die Einhaltung der Arbeitszeit wird weder durch eine Stechuhr kontrolliert noch wird sonst auf die Einhaltung der Arbeitszeit streng geachtet. Beide haben zudem die Möglichkeit, den Arbeitsplatz für kurze Kaffeepausen zu verlassen. Auch führen sie ihre Tätigkeit zusammen mit Kollegen in einer Arbeitsgruppe aus. Bei Herrn C. wird lediglich das Gesamtergebnis kontrolliert, bei Frau C. hingegen das Einzelergebnis. Eine gegenseitige Unterstützung der Kollegen bei der Arbeit ist bei Herrn C. die Regel, während |A 277|sie bei Frau C. selten vorkommt. Dabei ist Herr C. bei der Durchführung der Arbeit nicht von einer Absprache mit seinen Kollegen abhängig, während eine Absprache für seine Frau notwendig ist. Am Arbeitsplatz spricht Herr C. mit seinen Kollegen vorwiegend über die
Arbeit
. Bei seiner Frau und ihren Kolleginnen stehen häufiger Themen wie
Familie
,
Kollegen
und
Arbeit
im Mittelpunkt.
[V44:604] Beide erhalten ihre Arbeitsanweisungen mündlich. Die empfundene Art der Belastung ist bei den Eheleuten unterschiedlich.
Schwere körperliche Arbeit zu verrichten
und die Fähigkeit,
unter erschwerten Bedingungen wie Schmutz, Lärm, Hitze usw. zu arbeiten
, wird von Frau C. als ziemlich wichtig erachtet, von ihrem Mann dagegen als weniger wichtig. Umgekehrt verhält es sich mit der nervlichen Belastung. Während der Mann die Fähigkeit
hohe nervliche Belastung bei eintöniger Arbeit ertragen zu können
, für seinen Beruf als sehr wichtig ansieht, bezeichnet seine Frau sie als weniger wichtig.
[V44:605] In ihrer jetzigen Wohnung wohnt die Familie seit 1971. Die vorige von der Dienststelle zugewiesene Wohnung war der Familie zu klein gewesen. Vater:
... war zu klein und haben dann praktisch noch ein gutes Jahr mit 5 Personen in einer Zweizimmerwohnung gewohnt, ja. Sie können sich vorstellen, 47 qm groß mit 5 Personen, ne!
[V44:606] 1971 ist die Familie dann in die jetzige Wohnung gezogen. Die finanziellen Belastungen, die mit der Neueinrichtung verbunden waren, machten es notwendig, daß die Frau berufstätig wurde. Mann:
... mußten uns zuerst hier einrichten usw., kostet alles viel Geld und aufgrund dieser Tatsache muß meine Frau arbeiten gehen, ... so daß wir einigermaßen leben können, denn mit einem Verdienst geht das nicht. Denn soviel verdiene ich auch nicht bei der Post.
[V44:607] Die Wohnung ist 78 qm groß. Für die 5 Personen sind insgesamt 4 Zimmer vorhanden. Das Wohnzimmer schien der allgemeine Aufenthaltsraum der Familie zu sein. Die Räume waren relativ modern, doch nur wenig individuell eingerichtet. Die Wohnung |A 278|lag in einem Neubaugebiet am Rande der Stadt. Die Kontakte zu den Nachbarn schienen nicht besonders ausgeprägt zu sein. Unterbringungsmöglichkeiten für Kinder berufstätiger Mütter scheinen sich in dieser Gegend nur in einer unzureichenden Zahl zu befinden.
[V44:608] Sowohl die Mutter der Frau C., die aus X. stammt, als auch die Mutter des Herrn C., der aus Y. stammt, sind verwitwet. Der frühe Tod des Ehemannes hatte für die Mutter von Frau C. zur Folge, daß sie mit mehreren Kindern alleine zurechtkommen mußte. Hiermit hing anschienend die frühe Heirat von Frau und Herrn C. zusammen. Aus der Sicht von Herrn C. stellt sich das so dar:
... der Vater war schon früh gestorben. Na ja, da gab es natürlich auch Schwierigkeiten so in der Familie, ja. Die Mutter hatte nicht so, wie soll ich es sagen, nicht so die Gewalt über die Kinder. Machte jeder so ungefähr, was er wollte. Dadurch haben wir ... früh geheiratet.
Frau C. zog dann nach F., wo 1966 die Hochzeit stattfand. Die Mutter des Herrn C. war gegen die Heirat,
aber inzwischen ist doch Ruhe eingekehrt, als das Kind geboren wurde (Vater)
. Ihre Eltern haben ebenfalls die Volksschule besucht. Der bereits sehr früh verstorbene Vater war Schneider, die Mutter hatte, wie ihre Tochter, keinen Beruf erlernt. Die Eltern von Herrn C. waren anscheinend sozial etwas besser gestellt. Sein Vater ist nach Beendigung der 10. Klasse des Gymnasiums zur Luftwaffe gegangen und dort als Fluglehrer tätig gewesen, während die Mutter von Herrn C. nach dem Volksschulabschluß den Beruf einer Buchhalterin erlernt hatte.
[V44:609] Den bisher benannten Daten der sozialen Situation dieser Familie entspricht die
unterschichtstypische
Rollentrennung in der Ehe. Mit den Kindern beschäftigt sich überwiegend Frau C.. Sie bringt sie ins Bett, spielt mit ihnen, geht mit ihnen nach draußen und macht mit ihnen Hausaufgaben. Ebenso verhält es sich mit den Haushaltstätigkeiten. Vorwiegend ist es die Frau, die kleine Reparaturen in der Wohnung ausführt, einkauft, Essen kocht und die Betten macht. Schuhe werden gemeinsam von beiden Ehepartnern geputzt, den Mülleimer bringt meistens |A 279|der Mann nach unten. Auch die Erledigung der Finanzangelegenheiten und die Außenvertretung der Familie, z.B. gegenüber dem Vermieter, fällt in den Aufgabenbereich des Mannes. Obgleich die Praxis der Kindererziehung eindeutig vorwiegend der Frau zufällt, liegt die Entscheidungskompetenz, zumindest hinsichtlich der Kindererziehung, jedoch nicht allein bei ihr. Wir finden bei den Fragen mit unterschiedlichen Auffassungen bezüglich des projektiven Verhaltens gegenüber den Kindern in vorgegebenen Situationen (Dissens-Diskussion) jedoch nicht nur Differenzen in den Meinungen, sondern auch die Tolerierung der Haltung des anderen Ehepartners, wobei die Frau die Unterschiedlichkeit der Auffassungen zu bedauern scheint. Sie versucht, wie es scheint allerdings vergeblich, ihren Mann zu einer gemeinsamen Haltung zu bewegen.
[V44:610] Dafür 2 Beispiele:
[V44:611] Frau:
Also, um das Thema abzuschließen, bin ich der Meinung, daß das (Schlagen des Kindes durch den Lehrer) ganz von der Situation abhängt ...
Der Vater fällt ein:
... und ich bin grundsätzlich gegen das Schlagen.
Mutter:
Also sind wir da wieder mal geteilter Meinung.
[V44:612] Oder:
[V44:613] Die Mutter ist gerade auf die Auffassung des Vaters eingegangen und hat ihre dargelegt. Vater:
Es kommt aber darauf an, wie sich das Kind ausdrückt.
Mutter:
Das hatte ich ja schon erwähnt.
Vater:
Aber trotzdem, ’ne Ohrfeige würde ich nicht ausschließen ...
[V44:614] Zu einer solchen Rollenstruktur, die die Hauptlast der berufstätigen Mutter aufbürdet, gesellen sich nur schwache Nachbarschaftskontakte und ein gespanntes Verhältnis der beiden Ehepartner zur jeweiligen Schwiegermutter, so daß eine Entlastung der Frau durch solidarische Nachbarschafts- bzw. Verwandschaftsbeziehungen nicht gegeben ist.
[V44:615] Besonders kennzeichnend für die Ehe sind die finanziellen Schwierigkeiten. So der Vater:
Ich hatte vorher nie gespart, kein Geld gehabt und dann plötzlich geheiratet, alles so auf Schulden aufgebaut erst einmal.
Als Perspektive scheint |A 280|die Familie die berufliche Weiterbildung des Mannes zu sehen, die die Berufstätigkeit der Frau überflüssig machen könnte. Der normale Tagesablauf der Familie gestaltet sich wie folgt: Der Mann steht um 5.30 Uhr auf und geht um 6.00 Uhr aus dem Haus. Dann steht die Frau auf. Sie versorgt die Kinder. Der Älteste geht zur Schule. Anschließend erledigt die Frau die Hausarbeit und kocht das Mittagessen. Um 13.00 Uhr kommt Herr A. von der Arbeit. Nach dem Essen geht Frau A. zur Arbeit. Um 17.00 Uhr kommt sie zurück. Sie räumt noch einmal die Wohnung auf und bereitet schließlich das Abendbrot zu. Das Abendbrot wurde am Protokollabend vor dem Fernsehapparat eingenommen. Der Vater machte nach dem Abendessen seine Aufgaben für den beruflichen Weiterbildungskurs.

2. Interaktionsanalyse

[V44:616] Bei der Darstellung der Familienbiographie durch die Ehepartner werden über einen längeren Zeitraum hinweg (ca. 15 Min.) Fragen der Kinderbeaufsichtigung und der Haushaltsführung unter dem Gesichtspunkt der Berufstätigkeit der Ehefrau, ca. 5 Min. lang das Verhältnis der Ehepartner zu ihren Eltern und ca. 4 Min. lang finanzielle Probleme besprochen. Dabei fällt auf, daß auch bei solchen Themen wie
Kontakte zu den Eltern
,
Geld
usw. die Beziehung der Ehepartner angesprochen wird, und zwar stets unter dem Gesichtspunkt der durch die Berufstätigkeit der Frau notwendig werdenden Umorganisierung des Haushalts, damit zusammenhängender Dominanzansprüche und Kompetenzzuweisungen. Wir gehen deshalb von der Annahme aus, daß Beziehungsprobleme, die durch die Berufstätigkeit der Frau aufgeworfen werden, in dieser Familie das zentrale Thema sind, das bei den verschiedensten Inhalten immer wieder als bedeutsamer Gesichtspunkt auftaucht.
[V44:617] Die zu Beginn des Interviews geäußerten Einstellungen zur Berufstätigkeit der Mutter – gewissermaßen die Ausgangspunkte einer Problematisierung – kommen in folgenden Bemerkungen zum Ausdruck.
|A 281|
[V44:618] Mann:
... bin ich gerade auch in der Vorbereitung, daß ich eine Prüfung mach’ für eine praktische mittlere Laufbahn, eine Laufbahn höher, ne. Das macht sich finanziell bemerkbar, das ist so, daß meine Frau, wenn das klappen sollte, vielleicht in 2 bis 3 Jahren nicht mehr arbeiten braucht. Denn mit 3 kleinen Kindern gehört eine Frau ins Haus. Die kann ja nicht noch zur Arbeit gehen.
Und die Frau auf die Frage, ob sie lieber aufhören würde, wenn sie nicht Geld verdienen müßte:
Wenn ich keins verdienen müßte, würde ich gern aufhören. Für 3 Kinder zu sorgen, damit die Familie auch die Mutter hat, ist doch ganz logisch!
Der Mann weist seiner Frau die traditionelle Hausfrauenrolle zu. Sie scheint diese Rollenzuweisung zu akzeptieren; sie geht der Berufstätigkeit nur aus finanziellen Gründen nach und empfindet sie als Belastung.
[V44:619] Eine weitere Durchsicht des Materials zeigt jedoch, daß dieser Schluß nicht zutrifft. Grundsätzlich scheint die Frau nicht gegen eine Berufstätigkeit zu sein, sondern lediglich unter den jetzigen Bedingungen, zu der die Rollenzuweisung des Mannes und die Tätigkeit selbst gehören mag. Wir haben deshalb einen längeren Abschnitt aus der Familienbiographie ausgewählt, von dem wir annehmen, daß er die mit der Berufstätigkeit der Frau verknüpfte Problematik exemplarisch darstellt. Da dieser Abschnitt unseres Erachtens den wesentlichen Problempunkt dieser Familie zeigt, wollen wir ihn besonders ausführlich analysieren, um vor der Analyse des gesamten Materials die genauen Umgangsformen der Ehepartner mit ihrem
Hauptproblem
zu kennen.
2.1. Interpretation eines exemplarischen Protokollausschnitts
|A 282-285|
[V44:620]
Protokoll Paraphrasierung Sprecherintention Situationsdefinition Reflexivität
I.: Arbeiten Sie gern oder würden Sie aufhören, wenn Sie nicht Geld verdienen müßten? Der Interviewer fragt nach der Motivation zur Berufstätigkeit Er versucht, die Frau zu animieren, von den Faktoren zu erzählen, die ihre Berufstätigkeit angenehm bzw. belastend machen und versucht damit, das Problem der Berufstätigkeit in den familialen Bezugsrahmen zu stellen. Er bittet die Frau um weitere Informationen über ihr Selbstbild als berufstätige Mutter, indem er sich selbst als interessierten Kommunikationspartner anbietet. Er problematisiert die primäre Motivation des Geldverdienens, um dahinter liegende Problembereiche und Motivationen der Diskussion zugänglich zu machen.
F.: Wenn ich keins verdienen müßte, würde ich gern aufhören. Für drei Kinder zu sorgen, damit die Familie auch eine Mutter hat, ist doch ganz logisch. Na ja, wenn’s nun nicht geht; wenn ich natürlich eine bessere Stelle angeboten kriegte, wo ich mehr verdienen würde, wo es nun für eine zeitlang auch noch besser wäre, wäre es natürlich schön, ist ja ganz logisch. Aber zur Zeit geht es ja nicht anders. Unter den gegebenen Bedingungen ist ihre einzige Motivation die Notwendigkeit des Gelderwerbs. Ansonsten lehnt sie ihre Berufstätigkeit ab, da sie ihre Pflichten als Mutter vernachlässigt sieht. Unter anderen Umständen scheint sie eine Berufstätigkeit als wünschenswert anzusehen, wobei das Motiv des Gelderwerbs eine bedeutende Rolle spielt. Nachdem die Frau das Interesse des I. an ihrer Berufstätigkeit wahrnimmt, schildert sie die Umstände, die sie veranlassen, die Berufstätigkeit als negativ zu empfinden. Zugleich deutet sie in einer sehr allgemeinen Form an, daß Umstände denkbar wären, unter denen sie eine Berufstätigkeit akzeptieren würde. Durch die Allgemeinheit der Skizzierung dieser Umstände scheint sie zu beabsichtigen, die Chance der Anwesenheit Dritter zu nutzen, um ihren Mann zu einer Stellungnahme zu bewegen. Die Frau scheint sich selbst in erster Linie als Mutter und erst in zweiter Linie als Berufstätige zu definieren. Diese Selbstdefinition ist jedoch recht labil, da sie wohl von starken, jedoch für sie unbefriedigenden Rollenerwartungen der Familie geprägt ist, wobei eine deutliche Inkongruenz zwischen der infolge der Unnachgiebigkeit getroffenen Selbstdefinition und ihren Wünschen und Erwartungen an ihre Rolle als Frau zu bestehen scheint. Damit definiert sie die Situation als für sie unbefriedigend. Die Frau reflektiert zwar die unbefriedigenden Bedingungen ihrer Berufstätigkeit und vergegenwärtigt sich auch ansatzweise die Umstände einer befriedigenden Berufstätigkeit, findet sich jedoch im Ganzen mit ihrer jetzigen Rolle ab.
M.: Es ist nun so, eh – sie kann nur diese Art Tätigkeit nehmen, ich meine, es spielt ja keine Rolle, ob sie nun geht als Raumpflegerin oder sonst dergleichen ... Es ist die beste Zeit, ja, das ist die einzige Zeit, wo sie arbeiten gehen kann. Vormittags geht’s nicht, abends geht’s überhaupt nicht, dann müssen die Kinder versorgt werden, ja, und als Mann kommt man mit 3 Kindern nicht zurecht, da muß die Frau dann zu Hause bleiben. Vor allen Dingen die Schularbeiten ... abends ... Der Mann expliziert noch einmal, warum die Frau unter diesen Umständen nur die von ihr ausgeübte oder eine ähnliche minderqualifizierte Berufstätigkeit ausüben kann. Er sieht sich veranlaßt, auf die offenen Äußerungen seiner Frau zu dem Thema einzugehen. Er tut dies in einer scheinbar sehr begründeten und damit das Thema erschöpfend und abschliessend behandelnden Art und Weise. Hierbei bestärkt er seine Frau zunächst darin, daß die Zeit, in der sie eine Berufstätigkeit ausüben kann, ausschlaggebend ist. Damit weist er ihr die als unbefriedigend empfundene Rolle erneut zu. Er verwirft ihre Erwartungen und nicht ausgesprochenen Ansprüche und übergeht damit ihre Unzufriedenheit. Seine Rolle definiert er so, daß die Versorgung der Kinder ausgeschlossen wird. Er scheint damit das Problem als abgeschlossen zu definieren.
F.: Na ja, das könnte auch der Mann machen, ne? Die Frau problematisiert die Rollenzuweisung ihres Mannes.
Sie akzeptiert die Erläuterung des Problems seitens ihres Mannes nicht und weist die Begründung, er sei nicht in der Lage, die Kinder zu versorgen, zurück. Sie beabsichtigt, ihn zu einer neuen Stellungnahme zu bewegen.
Hierbei geht sie so vor, daß sie die Selbstdefinition nicht von der Seite seiner Pflichten her, also auf einer normativen Ebene, problematisiert, sondern von der Seite seines Könnens her, also auf einer instrumentellen Ebene.
Da ihr Mann ihre Andeutungen hinsichtlich einer Differenz zwischen ihren Erwartungen und ihrer tatsächlichen Rolle nicht beachtet bzw. durch seine Selbstdefinition verworfen hat, definiert sie nun die Situation um, so daß sie die Rolle ihres Ehemannes anstelle ihrer eigenen Rolle in den Mittelpunkt der Diskussion rückt. Die Frau beginnt mit der Problematisierung ihrer Rolle, indem sie die Selbstdefinition ihres Mannes, als deren Komplement ihre Rolle zu verstehen ist, da andere Entlastungsmöglichkeiten bezüglich der Beaufsichtigung der Kinder nicht bestehen, problematisiert.
M.: Na ja, das könnte ich auch machen, aber ich bin doch froh, wenn ich von der Arbeit komme und mal eine Stunde ausruhen kann oder wie gesagt, ja ... Der Mann lenkt ein und fügt eine weitere Begründung für seinen Standpunkt hinzu. Er versucht, die Ebene, die eine Diskussion seines Verhaltens zuläßt – nämlich die Ebene des normativen und instrumentellen Verhaltens zu verlassen, indem er eine seinem Verständnis gemäße common-sense Erklärung anbietet, die auf der Ebene des menschlich verständlichen Handelns liegt, um sich einer weiteren Erörterung des Themas zu entziehen. Diese Erklärung macht den Eindruck eines nicht weiter hinterfragbaren Tatbestandes (er braucht eben seine Ruhe). Seine Intention scheint es zu sein, das Thema hiermit abzuschließen. Er akzeptiert die von seiner Frau umdefinierte Gesprächssituation, erhält jedoch seine Rollenzuweisung und seine Selbstdefinition aufrecht, indem er das Problem auf einer anderen Handlungsebene definiert.
F.: Ja, das – ... na, ich will dazu nichts sagen ... Die Frau lehnt es ab, in Anwesenheit des I. zu dieser neuen Begründung Stellung zu nehmen. Sie beabsichtigt ebenfalls, das Thema an dieser Stelle zu beenden, weil sie eine weitere Unterhaltung auf der von ihrem Mann angeschnittenen Ebene eventuell als zu sehr in die Intimsphäre gehend und vielleicht auch von daher zu sehr emotional belastet und als Diskussionsgegenstand ungeeignet ansieht. Sie stellt die Selbstdefinition ihres Mannes erneut in Frage, indem sie ablehnt, sich zu seiner neuen Begründung überhaupt zu äußern. Sie verbalisiert das jedoch in einer Art, die Zweifel an der Richtigkeit seiner Begründung aufkommen läßt. Es scheint eine bedeutsame Inkongruenz in den gegenseitigen Beziehungsdefinitionen zu bestehen. Sie definiert sich in der superioren Position.
M.: Na nu. Er gibt eine Unmutsäußerung von sich. Er beabsichtigt mit seiner Äusserung doch noch eine einlenkende Stellungnahme seiner Frau zu seiner letzten Begründung zu erreichen, da sonst seine gesamte Begründung für die Rollenzuweisung an seine Frau fragwürdig bliebe.
Er definiert die Situation als für sich unbefriedigend und ungewiß, ratlos.
F.: Da gibt’s dann wieder Meinungsverschiedenheiten ... Also ich bin der Meinung, daß, wenn ich weggehe, muß der Mann zu Hause bleiben, damit die Kinder unter Kontrolle sind. Wer dafür verantwortlich ist, das ist in erster Linie die Mutter. Es gibt ewig Meinungsverschiedenheiten bei uns. Dann kommt er um 15.30 Uhr nach Hause, oder es ist schon oft vorgekommen, daß um 17.00 Uhr, wenn ich von der Arbeit komme, dann kam er erst nach Hause. Und das klappt dann eben so. Da bin ich nicht mit einverstanden. Die Frau legitimiert ihre Weigerung, sich zu äußern, mit der Unlösbarkeit des Problems für die Ehepartner und verweist auf die Unzulänglichkeit des Ehepartners, der sich noch nicht einmal an diese für sie ohnehin ungünstige Regelung halte. Die Frau beabsichtigt, die negativen Umstände ihrer Berufstätigkeit jetzt offen auszusprechen, da ihr Mann sie noch einmal zu einer Stellungnahme aufgefordert hat. Sie weiß, daß sie damit eine alte ungelöste Meinungsverschiedenheit zur Sprache gebracht hat, wobei sie sich evtl. durch die Anwesenheit der I. Rückenstärkung verspricht. Sie geht jetzt in die Offensive und verwirft das Selbstbild des Mannes, indem sie seine Darstellung der familialen Situation als falsch darstellt.
|A 286|
2.2. Analyse der Ehepartnerbeziehung unter dem Gesichtspunkt der genannten Problemdefinition
[V44:621] In dem gerade auf vier Interpretationsebenen
transkribierten
Protokollausschnitt tritt mit besonderer Deutlichkeit hervor, was sich als das pädagogisch relevante Kernprobleme der Familie bestimmen läßt. Die Selbstbilder, interpersonellen Taktiken, die Rollendefinitionen, die Belastungen, die Erklärungsschemata, mit denen die Partner ihr Verhalten zu legitimieren versuchen – dies alles zeigt sich mehr oder weniger ausgeprägt als durchlaufender Faden des ganzen Fall-Materials. Wir wollen deshalb im folgenden die Probleme dieser Ehepartner-Beziehung nicht nur unter Verwendung des gerade diskutierten Ausschnittes, sondern des gesamten Materials darstellen. Zunächst können wir eine mit der Berufstätigkeit der Frau zusammenhängende Inkongruenz der Handlungsnormen beider Ehepartner bezüglich der Betreuung und Beaufsichtigung der Kinder vermuten, die sich bereits verfestigt hat (
... gibt’s dann wieder Meinungsverschiedenheiten.
), wie wir weiter unten noch sehen werden. Diese Inkongruenz in den Handlungsnormen hat bereits Einfluß genommen auf die Beziehungsdefinitionen der Ehepartner.
  • F.:
    [V44:622] ..... Ihr wart alle damit einverstanden, daß ich arbeiten gehe, also mußt du auch die Konsequenzen ziehen und zu Hause sein, wenn ich gehe, und auf die Kinder aufpassen. Das sind nur 3 1/2 Stunden, die ich arbeiten gehe, und ich schaffe ja praktisch den ganzen Tag. Das ist doch die Gleichberechtigung, du kannst doch auch auf die Kinder aufpassen.
  • M.:
    [V44:623] Na, ja, als Mann ...
  • F.:
    [V44:624] Wieso hat ein Mann mehr Freiheiten als eine Frau, das verstehe ich nicht, also das verstehe ich auch nicht.
[V44:625] Während die Beziehungsdefinition der Frau und ihre Rollenzuweisung an den Mann von der durch ihre Berufstätigkeit veränderten Situation ausgeht, orientiert sich der Mann an einer Rolle, die sich offenbar dieser veränderten Situation nicht angepaßt hat, was offenbar ständig zu Konflikten führt. Daß |A 287|Herr C. trotz dieser ständigen Konflikte die Beziehung zu seiner Frau nicht anders definiert, mag damit zusammenhängen, daß er einerseits die Berufstätigkeit seiner Frau nur als vorübergehend betrachtet, andererseits mit bestimmten Rollenerwartungen seiner Arbeitskollegen konfrontiert ist, wobei der enge Kontakt zu seinen Kollegen am Arbeitsplatz eine Rolle spielen mag.
  • M.:
    [V44:626] Na, also ich sehe es aus dem Grunde, weil ich Kollegen habe, wo die Frauen nicht arbeiten, weil sie es vielleicht auch nicht nötig haben, die ... recht begütert sind, ... drei Häuser.
    M. und F. sprechen unverständlich durcheinander.
  • M.:
    [V44:627] Also es gibt doch noch welche, die vielleicht verheiratet sind und noch keine Kinder haben, wo die Frauen zu Hause sind und die Männer arbeiten, und die können doch mal ein Glas Bier trinken zusammen oder die können Skat spielen zusammen.
  • F.:
    [V44:628] (unverständlich)
  • M.:
    [V44:629] Und das verstehen sie nicht, daß ich immer grundsätzlich um 13.00 Uhr schnellstens nach Hause muß, um auf die Kinder aufzupassen, das sehen die nicht ein.
[V44:630] Berücksichtigt man also die Beziehungen des Mannes zu seinen Arbeitskollegen, deren Rollenerwartungen und deren häusliche Situation, so scheint sich die eigene Lage für Herrn C. eher als Ausnahme darzustellen. Eine Lösungsmöglichkeit sieht die Frau in der klaren organisatorischen Regel: Der Mann könne in der Woche abends mit seinen Kollegen ein Bier trinken, damit man am Tage Zeit für die Kinder hat. Dieser Vorschlag scheint jedoch keine Perspektive zu haben, wie der nachfolgende Interviewteil zeigt.
  • M.:
    [V44:631] Na ja, auf alle Fälle ... bin ich der Meinung, ein bißchen Freiheit muß der Mensch schon haben, wenn man das schon ... kommt nach Hause, auf die Kinder aufpassen, arbeiten, abends vielleicht Fernsehen gucken und dann schlafen gehen, nein das ist nichts, also ...
  • |A 288|
  • F.:
    [V44:632] Das hat doch keiner gesagt ...
  • M.:
    [V44:633] Also der Meinung bin ich nicht ...
    Mann und Frau sprechen durcheinander.
  • F.:
    [V44:634] Ich meine, ich würde gern abends einmal in der Woche ausruhen, wo du mit deinen Kollegen zusammen bist, wo du Karten spielst und auch einmal ein Bier trinkst ...
  • M.:
    [V44:635] Na ja, weggehen können wir sowieso nicht, die Kinder kann man nicht allein lassen, man könnte zwar ... klar. Nachbarn oder so ... würden schon mal aufpassen, aber erstens, wenn man weggeht, das kostet nur viel Geld, und das kann man sich nicht erlauben, daß wir jede Woche ein- oder zweimal weggehen, das ginge nicht, denn wenn man das Geld zusammenrechnet im Monat, da kommt allerhand Geld zusammen, ne ...
  • F.:
    [V44:636] Na ja, ich glaube, wir hören mit dem Thema auf, sonst können wir den ganzen Tag darüber reden ...
[V44:637] Der Vorschlag der Frau wird interessanterweise vom Mann als finanziell aufwendig interpretiert. Es ist aber keinesfalls sicher, daß er auch so gemeint war. Die Entgegnung, daß
man
sich das nicht erlauben könne und außerdem die Kinder beaufsichtigen müsse, ist also eher eine Ablenkung vom Problem der Frau, und die Perspektivelosigkeit des Lösungsvorschlags von Frau C. scheint in Lösungsversuchen der Ehepartner mehr die Regel als die Ausnahme zu sein.
  • F.:
    [V44:638] Der springende Punkt, wo wir uns stundenlang darüber unterhalten können, also wir kämen überhaupt nie zu Ende.
  • F.:
    [V44:639] Wenn das so weiter geht, dann kommen wir nachdem so in Meinungsverschiedenheiten, ich möchte mich nicht gern in die Haare kriegen ... da sind wir doch geteilter Meinung über die Sache, und das weiß er auch, meist gibt’s eine Hektik, und dann muß einer sowieso Schluß machen, es hat keinen Sinn sowas.
[V44:640] Eine Ursache für die Konflikte in ihrer Familie sieht Frau C. in dem Verhältnis ihres Mannes zu seiner Mutter. |A 289|
  • F.:
    [V44:641] Mein Mann ist so ein Typ, der ist sehr, sehr mit seiner Mutter verbunden, also würde er normalerweise eher auf seine Mutter hören als auf seine Familie. Darum kommen vielleicht die Streitigkeiten des öfteren bei uns vor.
[V44:642] Allerdings liegt die Vermutung nahe, daß der besondere Kontakt von Herrn C. zu seiner Mutter mit den durch die Berufstätigkeit der Frau beginnenden Schwierigkeiten in den Ehebeziehungen zu tun hat.
  • F.:
    [V44:643] Ja sicher, du gehst hoch und holst dir Ratschläge und kommst dann runter und machst mich dann fertig ... das ist das gute Beispiel dann schon.
  • M.:
    [V44:644] ... nur wenn es gar nicht klappt, sonst sag’ ich keinen Ton, das wirst du ja schon gemerkt haben, die ganzen Jahre schon.
[V44:645] Insofern könnte die Beziehung des Mannes zu seiner Mutter sozialgenetisch als Ursache, aktuell als Kompensation verstanden werden: Er zieht sich weitgehend aus den Familienkonfliktfeldern zurück (Beschäftigung mit den Kindern, Haushaltsangelegenheiten, Beziehung zum Ehepartner usw.) und versucht das durch ein besonderes Verhältnis zu seiner Mutter abzusichern. Ein weiterer Hinweis darauf ist die häufige Entwertung und Verwerfung der Selbstdefinition des Mannes durch seine Frau, sobald sie sich auf seine Rolle als Ehemann bezieht, wie wir weiter unten sehen werden. Dieser
Rückzug
des Mannes aus der Familie erfolgt anscheinend auf dem Hintergrund eines Beziehungskonfliktes zwischen beiden Ehepartnern, der sich in Inkongruenzen hinsichtlich der Handlungsnormen, Beziehungsdefinitionen und Rollenzuweisungen ausdrückt und die Folge einer Bedrohung der gewohnten Interaktionsmuster in einer materiell (berufstätige Frau) veränderten Situation ist. Bei der Frau kann eine relative Bewußtheit dieser Lage angenommen werden. Sie scheint sehr genau zu wissen, daß sie im Grunde immer nur ein Thema haben: ihre Beziehung in Abhängigkeit von den Rollenzwängen.
[V44:646] Auf die Ausweglosigkeit, diesem Beziehungskonflikt durch ein |A 290|anderes Thema zu entgehen, deutet folgender Kommunikationsausschnitt hin:
  • F.:
    [V44:647] In die Wolle kriegen ... das möchte ich vermeiden, ... hat keinen Sinn, ... führt zu nichts ... anderer Leute wegen kriegen wir uns in die Wolle und verekeln uns die ganze Ehe ... kommen wir auf ein anderes Thema.
  • I.:
    [V44:648] ... Kinder, viel Arbeit jeden Tag, nicht?
  • F.:
    [V44:649] Viel Arbeit ... (lacht) ... Der Mann schläft und die Kleine läuft hier rum ...
[V44:650] Obwohl Frau C. auf einem Themawechsel besteht, um das konfliktreiche Schwiegermutterthema zu beenden, geht sie sofort danach auf die Frage des Interviewers nach den Kindern ein und thematisiert hieran lediglich den Beziehungskonflikt neu, was sich gleich zu Beginn durch eine Entwertung der Selbstdefinition des Mannes ankündigt. Zudem war das Thema
Kinder
in der zeitlichen Abfolge der Biographie unmittelbar vor dem Schwiegermutterthema gekommen und hatte hier bereits zu einem Konflikt geführt, der eben den Wechsel zum Thema Schwiegermutter zur Folge hatte. Dieses Beispiel deutet an, daß die Entwertung von Selbstdefinition eine Folge davon sein kann, daß der eine Ehepartner den Beziehungsaspekt bewußt thematisiert, der andere sich aber weigert, die Probleme auf dieser Ebene zu diskutieren. Gleichzeitig erschwert eine solche Blindheit gegenüber dem Beziehungsaspekt die Lösung von Konflikten. Dahinter aber steht offensichtlich eine
objektive
Schwierigkeit: die Tatsache, daß die Familie ihre Probleme innerhalb eines relativ eng abgesteckten materiellen Rahmens lösen muß. Dieser Rahmen, innerhalb dessen die Frau verzweifelt nach produktiven Lösungen sucht, scheint dem Manne von vornherein Beschränkungen seiner sozialen Phantasie aufzuerlegen, die ihm alle Alternativen als illusorisch erscheinen lassen.
[V44:651] Um das bisher Gesagte abzurunden, möchten wir die Metaperspektive der Frau (die Vermutung über das Bild des Mannes von ihr) anführen, in der sie den Konflikt zugleich als Rollen-, Beziehungs- und Herrschaftsproblem darstellt: |A 291|
  • F:
    [V44:652] Also die Frau ist dazu da, um den Haushalt zu machen, sich um die Kinder zu kümmern, Mittag zu kochen, mittags wegzugehen, dann zu arbeiten, dann nach Hause zu kommen, um die Kinder zu beaufsichtigen und nochmal den Haushalt zu machen ... und wenn man sich dann auch nur einmal eine Stunde hinsetzen will und sagt, so jetzt will ich auch ... mal Ruhe haben, dann hat sie das noch nicht gemacht, und das mußt du noch machen!
[V44:653] Herr C. sieht lediglich solche Konfliktlösungsmöglichkeiten, die die Beziehung zu seiner Frau nicht verändern, d.h. keine Neudefinition der Beziehung und keine neue Selbstdefinition von ihm verlangen. Als erstes schlägt er vor, daß die Mutter die Schularbeiten abends nur noch nachsehen solle, während der Junge sie nachmittags allein anfertigen könne.
  • F:
    [V44:654] Mach das alleine, oder warte bis die Mutter kommt! Du hast eben keine Ruhe dazu, du kannst es einfach nicht.
  • M:
    [V44:655] Wenn ich Zeit habe ...
  • F:
    [V44:656] ... Die Kinder sind nun einmal da, da hat man auch eine Verantwortung dafür. Nicht daß man jetzt sich so auf sich allein hinstellt, also das gibts ja nun nicht!
  • M:
    [V44:657] Ja, jetzt geht es noch nicht, diesen Monat noch nicht und den nächsten Monat auch nicht, erst wenn ich meine Prüfung hinter mir habe ...
  • [V44:658] Frau und Mann reden gleichzeitig und unverständlich.
  • M.:
    [V44:659] ... spielt ja keine Rolle, ich habe auch noch anderes zu tun. Zweimal in der Woche Unterricht ...
[V44:660] Es ist erstaunlich, mit welcher Genauigkeit und Differenziertheit die Ehepartner ihre Situation diagnostizieren. Das Beziehungsproblem wird nun nicht mehr als eine Frage des Ehesystems allein betrachtet, sondern als Strukturproblem der Familie:
  • [V44:661]
    Die Kinder sind nun einmal da
    oder: wir sind keine Addition von einzelnen oder von einzelnen Beziehungen, sondern eine Familie mit gemeinsamen Problemen;
  • |A 292|
  • [V44:662]
    ... da hat man auch eine Verantwortung
    oder: in dieser Situation ist es moralisch unzulässig, die Lösung von Problemen, die an irgendeiner Stelle des familialen Beziehungsnetzes auftreten, nicht auch als die eigenen zu definieren;
  • [V44:663]
    Nicht, daß man sich jetzt so auf sich allein hinstellt, also das gibts ja nun nicht!
    oder: da die Familie als ein soziales System betrachtet werden muß, handelt es sich nicht nur um ein moralisches Problem; jedes Familienmitglied ist notwendigerweise, auch wenn es sich anders zu definieren versucht, ein Element dieses Systems und beeinträchtigt mit allem, was es tut, die anderen Elemente; wird dieser Sachverhalt von einem Familienmitglied geleugnet, dann entstehen mit Notwendigkeit Konflikte, die innerhalb des Systems nicht mehr in einer von allen Mitgliedern akzeptablen Weise lösbar sind.
[V44:664] Die Reaktion des Mannes ist zweideutig: Auf der Inhaltsebene scheint er zuzustimmen, auf der Beziehungsebene indessen vollzieht er eben jene Leugnung – später vielleicht, aber
jetzt geht es noch nicht
.
[V44:665] Wir wollen nun der Feststellung nachgehen, in welchen Bereichen der Familie sich der Beziehungskonflikt am rigidesten zeigt, d.h. wo die Möglichkeit seiner Lösung am geringsten ist und daraufhin die Ehepartnerkommunikation untersuchen. Inhaltlich orientieren wir uns dabei an den Themen Haushaltstätigkeiten und Erziehung der Kinder und illustrieren das wiederum mit Hilfe einiger angeführter Interaktionssequenzen.
[V44:666] Aus dem Anhang zum Dissensfragebogen (vgl. Anlage) geht hervor, daß der Mann ohne Rücksicht auf die durch die Erwerbstätigkeit der Frau veränderte Situation an der
traditionellen Rollenverteilung
festgehalten hat. Er überläßt die Beschäftigung mit den Kindern ausschließlich der Frau (Ausnahme: mit den Kindern spielen); ebenso die Haushaltstätigkeiten (Ausnahme: Mülleimer leeren und Schuhe putzen), während er die
typisch männlichen
Tätigkeiten wie Rechnungen zahlen und den Außenkontakt, beispielsweise zum Hauswirt, für sich beansprucht.
|A 293|
[V44:667] Die interpersonellen Taktiken, mit denen der Mann seine Selbstdefinition zu schützen und gegen Problematisierung abzusichern sucht, werden bei der Erörertung von Haushaltsfragen deutlich. Als die Frau vorschlägt, der Mann könne ja mal anfangen zu lernen, wie man Reparaturarbeiten ausführt, antwortet er, daß er dazu nicht geschickt genug sei. Diese Art der Rechtfertigung der Beziehungsdefinition gegenüber seiner Frau und der Rollenzuweisung (leider geht es aus unveränderlichen Gründen nicht, daß ich dir im Haus helfe) schränkt er dann etwas ein, indem er z.B. sagt:
Wenn ich eine Kleinigkeit sehe, mache ich das auch.
Das führt ziemlich regelmäßig dazu, daß seine Frau seine Selbstdefinition sofort entwertet:
Haha, du meinst wohl den Teppich festkleben, ne?
Oder: Mann:
Ich bin da etwas ungeschickter
. Frau:
Ja, das stimmt. Du kannst nicht einmal einen Nagel in die Wand schlagen, na ja ...
Diese fast ironische Zuspitzung der vom Mann gegebenen Selbstdefinition erscheint als eine Taktik, die eine Umdefinition provozieren soll. Er beeilt sich deshalb seine Qualifikation zu betonen:
Ich kaufe auch mal ein, ich kenne nämlich die Preise besser.
Frau:
Ja, ja, das hab ich gesehen, wenn du mit den großen Taschen kommst ...
Das führt bei einigen Wiederholungen zu regelrechter symmetrischer Eskalation, in der es nur noch darum geht, in jedem Bereich
gleicher
als der andere zu sein. Mann:
Deine Salate schmecken mir nicht, meine sind besser
! Frau:
Du hast eben andere Vorstellungen ...
Mann: unverständlich; Frau:
Und außerdem laß ich mir ins Kochen nicht reinreden.
Durch die symmetrische Eskalation wird die Unterhaltung so paradox, wie das letzte Beispiel zeigt, daß beide Partner für sich mit Nachdruck Rollen in Anspruch nehmen, die sie gerade vorher mit Nachdruck zurückgewiesen haben.
[V44:668] Körperliche Strafen als Erziehungsmittel werden von beiden Ehepartnern abgelehnt. Sie werden lediglich situationsabhängig toleriert, z.B. wenn es in der Schule durch den Lehrer geschieht (so die Mutter) oder in einer affektiv angespann|A 294|ten Situation, z.B. wenn das Kind den Vater grob beschimpft und er selbst in unausgeglichener Verfassung ist (so der Vater), wobei sich diese Situation allerdings für den Vater nicht als
Erziehungssituation
darstellt, sondern als spontane Reaktion auf einen ernst empfundenen Angriff des Kindes. Auf die Frage: Stellen Sie sich vor, Ihr Kind würde heimlich Geld aus der Haushaltskasse bzw. Ihrem Geldbeutel nehmen, was würden Sie tun?, antwortet die Frau:
Verbieten und klarmachen, warum.
Und der Mann:
Ich würde das Kind nicht schlagen, sondern sagen, daß man so etwas nicht macht.
Dies ist gleichsam die Kurzform für den Typus elterlicher Kontrolle des kindlichen Verhaltens, den die Eltern anstreben. Dabei scheint – auf einer gedachten Skala
control versus autonomy
die Mutter stärker dem
Kontroll
-Ende zuzuneigen:
  • M:
    [V44:669] ... würde es bestrafen ...
  • V:
    [V44:670] Aber da ist doch keine Absicht dahinter.
  • M:
    [V44:671] Aber das Kind überlegt sich doch etwas, bevor es das Geld nimmt, wozu, für Bonbons oder ...
  • V:
    [V44:672] Aber die Kinder denken doch nichts Schlechtes dabei.
  • M:
    [V44:673] Deswegen muß man es ihnen ja sagen, daß es nicht geht!
  • V:
    [V44:674] Ja, gut, ich würde auch ...
[V44:675] Das Bestrafen scheint sich also sowohl an den Absichten wie an den Folgen auszurichten und über das Erklären der Folgen auf die Herausbildung einer Selbstkontrolle beim Kind abzuzielen. Diese Vermutung läßt sich durch das Material des offenen Tonbandprotokolls stützen.
[V44:676] Bei der Interviewfrage:
Stellen Sie sich vor, daß Ihr Kind Sie im Zorn beschimpft, wie würden Sie reagieren?
stellen sich die Verhältnisse in umgekehrter Richtung dar. Da in diesem Falle die Folgen für sie anscheinend weniger schwerwiegend sind als fehlendes Geld, würde die Frau mit dem Kind lediglich über die Beschimpfung sprechen und fragen, warum es sich so verhält. Demgegenüber nimmt der Vater ein solches Verhalten des Kindes als persönliche Beleidigung wahr und nicht |A 295|als eine Erziehungssituation. Er würde evtl. mit
einer Ohrfeige
reagieren. Zusätzlich würde er das Kind mit
Stubenarrest
,
keine Bonbons kriegen
und
kein Kaugummi
bestrafen.
[V44:677] Diese situationsspezifische Differenz der elterlichen Verhaltensplanung ist in zwei Hinsichten interessant. Da es sich bei der ersten Situation um die
Haushaltskasse
der Frau handelt, ist der finanziell begrenzte Rahmen der Familie direkt angesprochen; die Lösung des Problems erfordert im Grunde zwei Legitimationsketten, eine
pädagogische
(Rücksicht auf das Kind, seine Intentionen, sein Verhalten) und eine
ökonomische
(Rücksicht auf die materiellen Rahmenbedingungen der Familie, die durch pädagogische Strategien nicht überschritten werden dürfen). Bei der zweiten Situation dagegen sind materielle Bedingungen dieser Art nicht angesprochen; hier geht es vielmehr um die innerfamiliale soziale Struktur, um das affektive Gewicht der Tatsache, daß zwischen Eltern und Kindern ein Dominanz-Verhältnis (Autorität) besteht. Das jeder der beiden Situationen zugrunde liegende familiale Thema (finanzielle Ressourcen im einen, Herrschaftsstruktur im anderen Fall) ist also die Folge, auf der sich sowohl Beziehungsproblematik wie pädagogische Verhaltensplanung entfalten. Neben der "pädagogischen kommt hier eine
statusorientierte
Legitimationskette ins Spiel.
[V44:678] Für den Gesamtzusammenhang der Familie haben indessen die beiden Situationen nicht das gleiche Gewicht. Es scheint, als liege die zweite Situation eher auf der eigentlichen Konfliktlinie der Familie. Jedenfalls wird diese Vermutung nicht nur durch die oben ausführlich interpretierten Beziehungen im Ehe-Subsystem gestützt, sondern auch durch die Art, in der die Ehepartner die Gehorsams-Erwartung gegenüber den Kindern erörtern:
  • F:
    [V44:679] Wenn wir jetzt abends z.B. hier sitzen, und jetzt möchtest du irgendwas haben. Das erste ist:
    A. hol mir mal das.
  • |A 296|
  • M.:
    [V44:680] Kann er ruhig machen.
  • F.:
    [V44:681] Ja, wieso?
  • M.:
    [V44:682] Ja, so, er ist der Älteste, er muß schon mal ...
  • F.:
    [V44:683] Das war früher vielleicht so, aber heute nicht mehr!
  • M.:
    [V44:684] Er begreift ja schon eher und muß auch.
  • F.:
    [V44:685] Du stellst einfach jeden an und fragst ihn nicht irgendwas.
  • M.:
    [V44:686] Ja, was soll ich denn fragen?
[V44:687] Das Beziehungsmuster zwischen Mann und Frau wiederholt sich hier in seinen Grundzügen in der Beziehung Vater-Sohn. Und so wie dort, meldet auch hier die Frau Kritik an ihm an. Im Vergleich mit dem entschiedenen Festhalten des Mannes an den eingespielten Regeln familialer Rollentrennung und Herrschaftsausübung plädiert die Frau für mehr Flexibilität. In ihren Begründungen allerdings hält sie sich ganz im Rahmen innerfamilialer Regelveränderung, plädiert für Selbstkorrektur und Neuanpassung, Neudefinition, ohne dabei mögliche externe Bedingungen zu kalkulieren. Was sie für sich in Anspruch nimmt, nämlich die Berücksichtigung ihrer Erwerbstätigkeit, verwendet sie nicht zugleich auch als ein Erklärungsmuster für die möglichen Verhaltensspielräume ihres Mannes. Aber auch ihm ist diese mögliche Erklärungsweise für sein Handeln nur partiell verfügbar. Als er im Fragebogen die Frage nach den für seinen Beruf wichtigsten Anforderungen beantwortet und die Antwortmöglichkeit
sich Anordnungen und Vorschriften fügen zu können
ankreuzt, kommentiert er:
Ja, ja, ist überhaupt das Wichtigste bei uns!
Berufliche Erfahrung und die Alltagsanforderungen der familialen Organisation verschmelzen für ihn so anscheinend zu einer abstrakt-normativen Perspektive, die dann als
Traditionalismus
oder
Unterschichten-Autoritarismus
erscheinen mag.
[V44:688] Versuche, einzelne Situationen derart
auf den Begriff
zu bringen bzw. derart eindeutig zu interpretieren, geraten in die Gefahr, die Komplexität der Komponenten und möglichen Aspekte einer Situation und des familialen Geschehens überhaupt zu |A 297|stark zu reduzieren. Wir wollen deshalb noch einige Beispiele eines anderen Material-Typs heranziehen: Beobachtungen während einer freien, von den Interviewern nicht strukturierten Interaktionssituation, in der die Familie in den Abendstunden ihren gewohnten Verrichtungen nachgeht. Wie hat der Vater in dieser Lage sich verhalten? Die nachfolgenden Kontakte ereigneten sich während eines Zeitraumes von ca. 100 Min. zwischen Vater und Kindern:
  1. 1.
    [V44:689] Die Mutter spült in der Küche Geschirr, A. macht dort Schularbeiten, N. hält sich auch dort auf. Der Vater möchte in der Stube seine Aufgaben machen (für den Fortbildungskursus) und fordert Torsten auf, seine Malsachen wegzuräumen.
  2. 2.
    [V44:690] Situation wie oben. Torsten kommt ins Wohnzimmer, wo der Vater seine Aufgaben macht. Der Vater gibt T. ein Märchenbuch zu lesen mit den Worten:
    Das Buch da, kannst du reingucken, hier so kannst in den Bildern gucken, ne.
  3. 3.
    [V44:691] Andreas holt seine Schultasche aus dem Kinderzimmer, nimmt sein Heft aus der Schultasche und zeigt es dem Vater, der gerade die Aufgaben für den Fortbildungskursus rechnet. Dieser wirft das Heft des Jungen auf den Fußboden, weil er dessen Schrift angeblich nicht lesen kann.
  4. 4.
    [V44:692] Der Vater läßt sich von Torsten die Fernsehzeitschrift holen.
  5. 5.
    [V44:693] Der Vater holt sich eine Likörflasche und ein Glas. Als er feststellt, daß das Glas gesprungen ist, läßt er Andreas das Glas wegbringen, und Torsten muß die Aschenbecher ausleeren.
  6. 6.
    [V44:694] Nicole und Torsten räumen in der Küche Geschirr weg. Andreas räumt seine Schulsachen weg und verläßt dann die Küche. Die Mutter stellt die Waschmaschine an. Der Vater geht in die Küche, um zu kontrollieren, daß die Kinder kein Geschirr kaputt machen.
  7. 7.
    [V44:695] Die Mutter und Nicole sind in den Keller gegangen, um Wäsche aufzuhängen. Der Vater holt Legosteine und for|A 298|dert Torsten und Andreas auf, damit zu spielen:
    So, nun bauen wir ein Haus.
    Sohn:
    Wir haben doch schon ein Haus gebaut.
    Vater:
    Ach rede nicht.
  8. 8.
    [V44:696] Mutter und Nicole sind im Keller. Der Vater hilft Andreas und Torsten beim Bau eines Legohauses.
[V44:697] Die beiden letzten Situationen, obwohl als
spielerisch
inszeniert, lassen sich jedoch nur sehr eingeschränkt als spielerische Interaktion bezeichnen, da der Hausbau ein wenig den Anschein einer Beschäftigung eigens für die Interviewsituation hatte. Das lassen die Äußerungen des Vaters vermuten:
Ihr sollt doch zusammen eins bauen, zusammen hab’ ich gesagt, nicht jeder eins.
Oder:
Na nun los, nun baue los, daß es fertig wird, das Haus.
Oder:
Nun los, was machst du denn da?
Oder:
Ich zeige euch das mal. Nun los, du machst rote und du machst weiße, du machst weiße, sag’ ich!
[V44:698] Eine Durchsicht der Mutter-Kind-Kontakte während desselben Zeitraums ergibt zusammengefaßt:
  • [V44:699] Nicole (2 J.) schmust mit der Mutter sehr häufig, wird nur ein einziges Mal abgewiesen.
  • [V44:700] Alle drei Kinder wenden sich spontan zunächst an die Mutter, wenn sie ein Anliegen haben.
  • [V44:701] Die Kinder halten sich fast ständig mit der Mutter im gleich Raum auf.
  • [V44:702] Die lacht und scherzt wiederholt im Umgang mit den Kindern.
  • [V44:703] Sie verwendet, neben kurzen Anweisungen und befehlsartigen Aufforderungen, verstärkt erklärende und fragende Sätze; das hängt augenscheinlich davon ab, wie sehr sie durch die Situation
    eingespannt
    ist. Wäscht sie z.B. gleichzeitig Geschirr, paßt auf Nicole auf und beaufsichtigt die Schularbeiten des Andreas, greift sie stärker zu befehlsartigen, kurzen Anweisungen (
    Wenn du ... dann machst du das nochmal!
    ).
|A 299|

3. Kommunikationscharakteristik

[V44:704]
Mittelwerte unteres Stratum Frau berufstätig Werte Fall B
Fb. DD. Fb. DD.
Komplexität 1.8 1.9 2.1 1.2
Reziprozität 1.6 1.6 1.4 1.2
Dominanz Mann 1.4 1.6 0.1 – – –
Dominanz Frau 1.4 1.5
Konfliktgehalt 1.0 1.4 3.0 2.7
Problematisierung 0.9 1.2 2.3 1.8
[V44:705] Die überdurchschnittlich hohe Ausprägung der Komplexität im Biographieteil ist weniger auf die Vielfalt der Themen als auf die Vielfalt der Aspekte und der kommunikativen Akte zurückzuführen. In der Biographie gibt es praktisch nur ein Thema: die Berufstätigkeit der Ehefrau und die damit zumindest ihrer Ansicht nach notwendig werdende Umstrukturierung der Ehepartnerbeziehung. Wenn auch inhaltlich andere Themen wie
Geld
,
Schwiegermutter
u.a. angesprochen wird, so doch nur, um daran wiederum dieses Problem zu thematisieren. Im Dissensteil sinkt der Wert für Komplexität deutlich ab. Das scheint damit zusammenzuhängen, daß eine häufige Wiederholung der bereits im Biographieteil genannten Aspekte zu beobachten ist, die auch hier wieder insofern eine Rolle spielen, als Themen wie Haushaltstätigkeiten,
wer macht was
usw. auch wieder unter dem Gesichtspunkt der Berufstätigkeit der Frau bedeutsam werden. Hinzu kommt, daß neben den Wiederholungen häufig interpersonelle Taktiken angewandt werden, die dem |A 300|Thema keinen neuen Gesichtspunkt hinzufügen, sondern lediglich zum Zwecke der Entwertung des Selbstbildes des anderen angewandt werden. Eine Ausnahme macht hierbei lediglich die Erörterung der Erziehungsfragen.
[V44:706] Die andauernde Verwerfung von Selbstdefinitionen, Beziehungsdefinitionen und deren teilweise Entwertung im Biographieteil aber auch im Dissensteil verringert stark die Chance zur Antizipation des Verhaltens des Anderen und damit die Chance zur Reziprozität. Das zeigt sich deutlich in der geringen Ausprägung dieses Wertes sowohl in der Biographie als auch in dem Dissensteil. Besonders selten findet sich eine Fortführung des Themas in dem vom anderen angesprochenen Kontext. Erfolgt eine Kommentierung, so meistens nicht zu dem Zweck, das eigene Verständnis gegenüber der Äußerung des Ehepartners zu demonstrieren, sondern eher mit der Absicht, ihn zu korrigieren bzw. seine Ausführungen zu entwerten. Kommunikative Akte, die einen den Gesprächspartner stimulierenden Charakter haben, werden zwar relativ häufig gebraucht, jedoch vorwiegend, um den anderen provokativ zu einer Stellungnahme aufzufordern. Dagegen besteht in der Regel die Möglichkeit, Sätze und Gedanken zu Ende zu führen.
[V44:707] Außer in der ersten Sequenz, wo der Mann einen einführenden Monolog über die Entwicklung der Ehe gibt (Konfliktgehalt: 0,5), bleibt der Konfliktgehalt im weiteren Verlauf der Biographie relativ konstant bei 3,5. Diesem kontinuierlich hohen Konfliktgehalt liegen wesentliche Inkongruenzen in den Beziehungsdefinitionen und Handlungsnormen zugrunde, die wir oben ausführlich dargestellt haben. Diese Inkongruenzen sind in einen Zusammenhang von materieller Lage, Arbeitsplatzsituation, außerfamilialen Rollenerwartungen usw. eingebettet und durch fehlende Lösungsmöglichkeiten, die im Zusammenhang mit materiellen und kommunikativen Schwierigkeiten (Blindheit gegenüber dem Beziehungsaspekt) stehen, relativ
stabil
. Die Inkongruenzen der verbalen Planung und der inhaltlichen Orientierung stehen in Zusammenhang mit den oben genannten Inkongruenzen und dem fehlenden gemeinsamen Kontext der bei|A 301|den Ehepartner. Im Gegensatz zum Thema Rollentrennung bezüglich der Haushaltstätigkeiten und der Beschäftigung mit den Kindern sinkt der Konfliktgehalt bei der Erörterung von Erziehungsverhalten bedeutend. Das scheint daran zu liegen, daß bei diesem Thema das Kind im Mittelpunkt der Diskussion steht und eine Art innerfamilialen
Solidaritäts-Potentials
mobilisiert, während bei den obigen Themen doch die Ehepartner stärker in ihrer Beziehung angesprochen werden.
[V44:708] Auch die Werte für Problematisierung sind überdurchschnittlich hoch und weisen die gleiche abfallende Tendenz zum Dissensteil hin auf. Im Biographieteil kommt es zu einer häufigen Entgegensetzung von Behauptungen und Handlungsnormen, etwas seltener zu Befragungen. Demgegenüber kommt es im Dissensteil bei weitem häufiger zu Befragungen. Dies mag damit zusammenhängen, daß bei Fragen der Kindererziehung die Distanz zu den eigenen Problemen etwas größer ist und es aus diesem Grunde öfter zu derartigen Befragungen anstatt zu resignierendem Übergehen der Inkongruenzen kommt. Möglicherweise trägt auch der zeitliche Verlauf des Interviews insofern dazu bei, als die häufige, sich wiederholende Entgegensetzungen von Behauptungen nun durch ein stärkeres Befragen abgelöst wird.
|A 302|

Fall D

1. Soziale Situation

[V44:709] 1. Der Familienvater ist seit sechs Jahren und fünf Monaten als Busfahrer im öffentlichen Dienst (Transportgewerbe) beschäftigt. Er erhält monatlich ein gleichbleibendes Gehalt. Sein beruflicher Werdegang zeichnet sich durch mehrere Berufswechsel aus: Er lernte zunächst nach Abschluß der Volksschule den Beruf des Stellmachers und arbeitete nach Beendigung seiner Lehrzeit bei dieser Firma nur noch etwa ein Jahr im Karosseriebau, da das Unternehmen in eine andere Stadt umsiedelte. Daran schloß sich die Bundeswehrausbildung an. Er verpflichtete sich zuerst nur für drei Jahre und arbeitete als Sattler. Nachdem jedoch zum Entlassungszeitpunkt aufgrund innen- und außenpolitischer Ereignisse (Berlin-Krise) eine Entlassung aus der Bundeswehr unmöglich war, verpflichtete er sich für weitere zwei Jahre. Als er aus der Bundeswehr entlassen war, arbeitete er bei verschiedenen Speditionsfirmen als Fahrer, doch behielt er diese Tätigkeit nicht lange bei, sondern ließ sich im Transportgewerbe des öffentlichen Dienstes anlernen, um seitdem den Beruf eines Busfahrers auszuüben.
[V44:710] Sein Vater hatte nach Abschluß der Volksschule Maschinenschlosser gelernt, während seine Stiefmutter Schneiderin war, jedoch diesen Beruf nicht aktiv ausübte.
[V44:711] Frau D. arbeitet seit drei Jahren und zehn Monaten als kaufmännische Angestellte in Halbtagsstellung. Sie erhält ebenfalls ein gleichbleibendes Gehalt. Die Schule hatte sie mit der Mittleren Reife abgeschlossen und danach zwei Jahre die Handelsschule besucht, um anschließend im Büro als Verwaltungsangestellte zu arbeiten.
[V44:712] Ihr Vater hatte nach Abschluß der Volksschule das Tischlerhandwerk gelernt und ausgeübt, die Mutter hatte keinen Beruf gelernt und war nie berufstätig.
|A 303|
[V44:713] Die Arbeitsplatzsituation des Herrn D. läßt sich folgendermaßen beschreiben: Da er als Busfahrer im Linienverkehr tätig ist, befindet sich sein Arbeitsplatz beinahe ausschließlich im Außendienst, d.h. in einem Linienverkehrsmittel, das er im Laufe eines Tages nicht wechselt, und wechselt dann entsprechend der Einteilung durch den Fahrplan. Seine Arbeitszeit, als wechselnde Schichtarbeit charakterisiert, beträgt pro Woche in der Regel 50 Stunden. Während der Fahrtätigkeit selbst hat Herr D. auf äußerste Pünktlichkeit bezüglich der Einteilung einzelnen Zeitabschnitte zu achten. Der Inhalt seiner Arbeit bestimmt sich einerseits durch den allerdings stark funktionalen Umgang mit Personen-Fahrkartenverkauf, Kassieren, Haltestellenausrufen etc., andererseits durch die Bedienung und Pflege des Verkehrsmittels selbst. Seine Entscheidungskompetenzen sind beschränkt, dementsprechend schätzt er sie auch ein. Die Arbeitszuteilung, wie auch die Arbeit der einzelnen Arbeitsschritte werden von einem Vorgesetzten monatlich entschieden und ihm schriftlich mitgeteilt. Herr D. ist nicht befugt, anderen Arbeitnehmern seines Betriebes Arbeit zuzuteilen bzw. Anweisungen zu geben. Bezüglich der Arbeitsbelastung scheint vor allem der zeitliche Streß, unter dem er wegen der vorgeschriebenen Fahrpläne steht und die hohe Verantwortung als Fahrzeugführer eines öffentlichen Verkehrsmittels erwähnenswert. Außerdem empfindet er die technisch mangelhafte Ausstattung des Arbeitsplatzes als erschwerend. Aufgrund der spezifischen Art der Tätigkeit als Fahrer und der damit verknüpften ständigen Änderung des Standortes ist kaum Kommunikation zwischen den einzelnen Kollegen und ihm möglich. Wenn dennoch in Arbeitspausen oder nach Arbeitsschluß die Möglichkeit gegeben ist, so wird dann über Sport, Urlaub, Familie und Fernsehveranstaltungen gesprochen. Die Durchführung der Arbeit ist, wie bereits angedeutet, unabhängig von Absprachen mit Kollegen, da ja die Fahrpläne im vorhinein vorgeschrieben werden. Herr D. äußert sich über seine Aufstiegsmöglichkeiten eher negativ, er nimmt auch an keinen Fortbildungskursen teil, um die Chancen einer Weiterqualifikation zu erhöhen. Allerdings ist er Mitglied der Gewerkschaft. Im allgemeinen ist |A 304|er mit den Arbeitsplatzbedingungen zufrieden und würde sich, wenn er die Wahl hätte, wieder für diesen Beruf entscheiden, wobei die hohen Sozialleistungen des öffentlichen Dienstes mit als ausschlaggebender Faktor angesehen werden können. Seine Kündigungsfrist beträgt von seiten des öffentlichen Dienstes 3 Monate, auch er kann innerhalb dieser Frist seine Stellung als Busfahrer kündigen.
[V44:714] Frau D. arbeitet seit etwa vier Jahren als kaufmännische Angestellte in einem Kleinbüro. Sie muß ihren Arbeitsplatz im Verlauf eines Tages nie wechseln, hat also offensichtlich einen festen Arbeitsplatz innerhalb des Büros. Ihre Arbeitszeit bestimmt sich durch die Halbtagsstelle und liegt zwischen 8⁰⁰ und 13⁰⁰ Uhr. Die Gesamtzahl der Arbeitsstunden übersteigt nicht 20 Stunden pro Woche. Der Inhalt ihrer Arbeit ist charakterisiert durch Lohnabrechnungen und ist abhängig vom Umfang des jeweiligen Auftrages, vorwiegend Umgang mit Kunden und auch Büroarbeiten wie Schreiben, Registrieren etc. Die Entscheidungskompetenz von Frau D. sind sehr beschränkt: Sie erhält die Arbeitsanweisungen von einem ihr vorgesetzten Lohnbuchhalter, der ihrer Ansicht nach genügend informativ die einzelnen Arbeitsschritte mit ihr bespricht. Die Einteilung dieser Anweisungen kann sie selbst vornehmen, es findet auch keine zeitliche Kontrolle statt. Sie ist befugt, einer weiteren Person Arbeit zuzuteilen, dennoch schätzt sie ihre Tätigkeit als eher ausführend ein. Die Arbeitsbelastung scheint besonders in der starken Konzentrationsanforderung und der Gewissenhaftigkeit der Arbeitsdurchführung zu liegen. Dagegen ist sie mit den sonstigen Arbeitsplatzbedingungen wie z.B. Unterordnung unter Vorgesetzte, körperlichen Anforderungen, zeitlichem Druck, Bewertung ihrer Arbeit innerhalb der Betriebshierarchie und dem Betriebsklima, der Möglichkeit des Einsatzes eigener Fähigkeiten, den Mitbestimmungsmöglichkeiten recht zufrieden. Sie kann sich während der Arbeit durchaus mit Kollegen unterhalten, auch selbstständig kleine Arbeitspausen einlegen, da nicht auf strenge Einhaltung der Arbeitszeit geachtet wird. Wenn sie sich mit |A 305|ihren Kollegen unterhält, so umfassen diese Gespräche meist Themen wie Familie, Sport, Politik, Fernsehen und die Beziehungen zwischen den Kollegen. Die Arbeitsdurchführung selbst ist streckenweise abhängig von Absprachen mit Kollegen, obgleich sie nicht in einer Arbeitsgruppe arbeitet. Wettbewerb unter den einzelnen Mitarbeitern besteht kaum, es herrscht vielmehr ein Betriebsklima, das durch gegenseitige Kooperation gekennzeichnet ist. Ihre Aufstiegschancen hält sie für schlecht. Die Kündigungsfrist beträgt sowohl für den Arbeitgeber wie auch für sie sechs Wochen. Wenn sie noch einmal die Wahl hätte, einen Beruf zu ergreifen, würde sie sich wieder für diesen entscheiden, da sie mit vielen Menschen in Kontakt kommt und dadurch ihr Bedürfnis nach Kommunikation befriedigt wird.
[V44:715] 2. Familie D. wohnt seit acht Jahren in einem etwas außerhalb der Stadt gelegenen Stadtteil. Das zweistöckige Siedlungshaus, in dem sie eine Etage bewohnt, ist von einem großen Garten umgeben, der für Gemüse und Obst genutzt wird. Eine Spielfläche für die Kinder ist nicht angelegt. Das Haus liegt in einem zwischen dem alten Siedlungskern und der neu angelegten Industriezone befindlichen Ausbaugebiet jüngeren Datums. Es finden sich hier Wohnblocks und eine Reihe weiterer Siedlungshäuser in lokkerer Bebauung. Die unmittelbare Nähe des Industriegebiets bzw. einer kleinen chemischen und damit geruchsbelästigenden Fabrik mindert stark die Qualität dieses Wohngebiets. Kleinere Handels- und Gewerbebetriebe sorgen für die unmittelbare Befriedigung der Bedürfnisse nach Konsumgütern; die durch relativ günstige Busverbindungen zu erreichende Stadt mit ihrem Angebot an Konsum-Einrichtungen ist ein starker Anreiz für die dortigen Bewohner. Die Bevölkerungsstruktur dieses Stadtteils, in dem die untersuchte Familie wohnhaft ist, ist geprägt durch den überwiegenden Anteil an Arbeitern und kleineren Angestellten, die in den verschiedensten Industriebetrieben tätig sind. Die Altersgruppierung ist recht gemischt – man hat den Eindruck einer
gewachsenen
Bevölkerungsstruktur. Die nachbarschaftlichen Kontakte zu anderen Familien außerhalb des Hauses werden nicht |A 306|allzu intensiv gepflegt.
Jeder möchte für sich sein, bestimmte familieninterne Probleme gehen die Nachbarn nichts an
, wie z.B. Erziehungsfragen: Da geht man lieber in den Keller, um nicht vor anderen das Kind schlagen oder schimpfen zu müssen. Da Verwandte des Mannes mit in diesem Haus wohnen, bestehen hier natürlich engere Kontakte, die jedoch so selbstverständlich sind, daß sie von den Interviewten nur kurz erwähnt werden.
[V44:716] Die Wohnung hat drei Zimmer: ein Wohnzimmer, ein Kinderzimmer und ein Elternschlafzimmer. Bad und Küche sind ebenfalls vorhanden. Bevor Familie D. hier vor acht Jahren einzog, war die Wohnung abgewohnt, so daß sie alles nach ihrem Geschmack selbst renovierte. Das Wohnzimmer ist untergliedert in eine Eßecke mit Eßtisch und fünf Stühlen und liegt sehr praktisch direkt neben der Tür. Durch einen quergestellten Schreibtisch von der Eßecke abgeteilt, ist die Couchnische eingerichtet und stellt wohl das eigentliche Wohnzimmer dar. Hier stehen um einen Couchtisch herum mehrere ausladende Sessel und die Sitzcouch, die Stereoanlage und der Fernsehapparat. Eine große Wohnzimmervitrine mit Glasfenstern, die eine ganze Zimmerwand in Anspruch nimmt, birgt im oberen Teil Sonntagsgeschirr, Tischwäsche und diverse Erinnerungsstücke wie Kinderbilder, Hochzeitsbilder, Glaspüppchen u.ä. mehr. Das Kinderzimmer, ursprünglich für ein Kind eingerichtet, ist nun für die drei Mädchen Schlaf- und Spielzimmer. Hier dürfen sie weitgehend machen was sie wollen: Wände bemalen, Unordnung machen, laut sein etc.; Schulaufgaben werden jedoch am Eßtisch oder am Schreibtisch im Wohnzimmer erledigt. Das Elternschlafzimmer ist für die Kinder kein Ort zum Spielen, es dient wirklich nur zum Schlafen. Badezimmer und Küche sind recht klein, die Küche kann nicht mehr als Haushaltsraum sein, maximal drei bis vier Personen können sich hier im Stehen aufhalten.
[V44:717] 3. Über die Herkunfsfamilien der Ehepartner liegen etwas unklare Daten vor, vor allem was die Familie des Herrn D. betrifft. Er wurde im Alter von einem halben Jahr als uneheliches Kind adoptiert und wuchs unter verändertem Namen auf. Sein leibli|A 307|cher Vater, der Maschinenschlosser war, fiel im Krieg, seine Mutter kam bei einem Bombenangriff ums Leben.
... 1944 is se umgekommen, 44, als in X. die Bomben gefallen sind. Ja, ich bin so’n Produkt einer wilden Ehe, und man kann sagen, meine Mutter ist 16 geworden, war’s Malheur passiert, d.h. vorher schon, da kam ich dann zur Welt, einfach so und, nee, naja ...
(vgl. 111.54.M.). So wuchs er bei seiner Adoptivmutter auf, die im gleichen Hause wie Familie D. wohnt, und zu der er heute kein allzu gutes Verhältnis hat. Erst als er erwachsen war und selbst bereits ein Kind hatte, erfuhr er die näheren Umstände seiner Adoption. Er lernte eher durch Zufall seine leiblichen Großeltern kennen und hat seitdem eine sehr enge Beziehung zu ihnen. Es finden hier häufige Besuche in die nahe gelegene Kleinstadt statt. Auch zu weiteren Verwandten der leiblichen Eltern bestehen Kontakte, die jedoch mehr durch erbliche Regelungen und finanzielle Angelegenheiten definiert bleiben.
[V44:718] Was die Familie von Frau D. angeht, so besuchen sich die Geschwister gelegentlich und an Feiertagen. Auch zu den Eltern sind engere Beziehungen vorhanden, sie wohnen in der gleichen Stadt wie die untersuchte Familie. Familie D. ist so in ein Netz verwandtschaftlicher Beziehungen eingebettet, das für sie die soziale Primärgruppe darstellt, von der auch, wenn notwendig, Hilfen und Unterstützung zu erwarten sind.
[V44:719] Der Bildungsweg der Ehepartner wurde kurz schon erwähnt. Hier sollen noch einmal die näheren Bedingungen dieses Bildungsganges beschrieben werden.
[V44:720] Herr D. besuchte die Volksschule und anschließend eine dreijährige Lehre, in der er den Beruf eines Stellmachers lernte. Zur Auswahl dieses Berufes sagt er:
... damals gab’s keine Lehrberufe, da mußte jeder lernen was ihm angeboten wurde. Da hab’ ich gewissermaßen ’nen Beruf gelernt, Stellmacher, der ist so gut wie ausgestorben ...
(vgl. 49.24.M.). Nach Abschluß der Lehre arbeitete er noch etwa ein Jahr in der Firma, die ihn ausgebildet hatte, lehnte dann jedoch ein Weiterverbleiben dort ab, da der Betrieb in eine andere Stadt abwanderte und er das täg|A 308|liche Pendeln dorthin als zu beschwerlich empfand.
... dann sind die abgehauen nach Z. und ich hätte dabeibleiben können, aber dann hätte ich jeden Morgen um 1/4 4 in Z. sein müssen – Sammeltransporter – und dann um 7 anfangen, und abends dasselbe rückwärts, nee! ...
Etwa ein halbes Jahr wechselte er dann ständig die Stellung:
Alle 14 Tage woanders gearbeitet und dann, Schulden gemacht an und für sich nicht, aber meiner Mutter fehlten hin und wieder ein paar Mark ...
(vgl. 50.25.M.). Als dieser Zustand nicht mehr tragbar war, entschied seine Mutter für ihn:
... so, hier, jetzt gehst du zum Militär ...
(vgl. 52.26.M.). Dort verpflichtete er sich zunächst für drei Jahre und arbeitete als Gefreiter in der Sattlerei. Da Herr D. die finanzielle Situation bei einer Weiterverpflichtung als sehr günstig einschätzte, blieb er noch weitere zwei Jahre bei der Bundeswehr. Sein Engagement war allerdings nicht allzu groß:
... in der Sattlerei ... hatte ich von innen abgeschlossen, und dann war ich wach, mich irgendwie schön in ’ne Plane eingewickelt und ralafididi – ja, das war einmal Spaß ...
(vgl. 63.31.M.). Als dieses Verhalten allmählich auffiel, wurde er in eine andere Kompanie versetzt und verwaltete dort die Karosserie-Ersatzteile.
... da hab ich mich dann so eingearbeitet, daß ich Spitzenkraft war ...
Nach etwa fünf Jahren Bundeswehr wurde ihm angeboten, noch länger zu bleiben und einen Lehrgang zu besuchen. Das lehnte er jedoch ab.
... Mensch, man muß sich ja schämen, wenn man das einem erzählt ... als Hauptgefreiter nach fünf Jahren ... ich sagte, nee, liegt nicht mehr drin.
Daraufhin übernahm er mehrere Stellen als Fahrer in Speditionsfirmen, bis er schließlich die Stelle als Busfahrer im öffentlichen Dienst antrat:
... da hattest du in den Bussen die Zettel gelesen, daß sie Busfahrer suchen ... Und daraufhin bin ich da mal hingegangen und hab’ mich erkundigt, und da hat das eben geklappt.
Sein Motiv für die Wahl dieses Berufes lag mit in der sozialen Sicherheit als Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst:
... naja, bei der Stadt ist es dann noch günstiger, kriegt ja das Kindergeld ...
(vgl. 15.22.M.).
|A 309|
[V44:721] Frau D. hatte die Schule mit der Mittleren Reife abgeschlossen und anschließend zwei Jahre die Handelsschule besucht. Sie arbeitete dann bis zur Geburt des zweiten Kindes in einem Büro als kaufmännische Angestellte. Nachdem das jüngste Kind zwei Jahre alt war, begann sie erneut, zunächst für vier Tage in der Woche, später jeden Vormittag zu arbeiten. Sie gibt folgende Begründung:
... wo der finanzielle Notstand ausgebrochen war, nicht, da hab’ ich wieder angefangen. Heike war fast zwei Jahre alt ...
. –
Von dem einen Geld konnten wir uns keine Waschmaschine, wir konnten uns gar nichts kaufen; es blieb einfach nichts über
(vgl. 38.17.F. ; 39.19.M.). Die Hauptsache für die erneute Berufstätigkeit trotz der Verpflichtungen als Mutter von drei teilweise noch nicht schulpflichtigen Kindern und als Hausfrau lag also in der schlechten wirtschaftlichen Lage dieser Familie. Einfache Konsumgüteranschaffungen wurden unmöglich gemacht, gesundheitliche Probleme mit den Kindern bedeuteten gleichzeitig immer große Einschränkungen bzw. Schulden für die Familie. Hinzu kommt noch die finanzielle Belastung durch das
Freikaufen
der Wohnung, in der die Familie lebt, eine Erbangelegenheit, die die Bereitstellung einer höheren Summe Bargeld verlangt, und ein Bausparvertrag, der erst in einigen Jahren gelöst werden kann.
[V44:722] 4. Wir fassen noch einmal zusammen:
[V44:723] Familie D. wurde gemäß der Stellung des Ernährers im Produktionsprozeß bzw. in der Betriebshierarchie zum unteren Stratum gerechnet. Er selbst hat keine Verfügungsgewalt über die Arbeit anderer, ist vielmehr selbst Weisungen anderer unterworfen. Er ist als kleiner Angestellter im öffentlichen Dienst beschäftigt und übt damit einen Beruf aus, für den er durch seine Ausbildung nicht qualifiziert ist. Daß er diese Position als Busfahrer übernahm, war auch eher der Tatsache zu verdanken, daß sein gelernter Beruf im Aussterben begriffen ist und es mit großen Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre, ihn auszuüben. Er war nach seiner fünfjährigen Bundeswehrzeit, wo er als Sattler beschäftigt war, zunächst im Speditionswesen als Fahrer tätig; |A 310|durch Zufall erfuhr er von der Möglichkeit, im öffentlichen Dienst als Busfahrer zu arbeiten, bewarb sich dort und arbeitet seitdem in dieser Position. Aufstiegsinteressen hat er nicht, jedenfalls werden sie von ihm nicht ausdrücklich erwähnt. Er scheint mit den Arbeitsbedingungen zufrieden, wenngleich er mit der Arbeitszeit, da unregelmäßige Schichtarbeit, mit der Bewertung der Arbeit innerhalb der Betriebshierarchie und mit der technischen Ausrüstung seines Arbeitsplatzes nicht sehr zufrieden ist. Doch sind diese Momente für ihn kein Anlaß, den Beruf zu wechseln oder eine andere Stellung zu suchen. Vor allem die soziale Sicherheit, die mit dieser Position verbunden ist, stellt für ihn einen sehr großen Anreiz dar.
[V44:724] Die Berufstätigkeit von Frau D. basiert eher auf der Notwendigkeit, die ökonomische Situation der Familie zu verbessern, als auf einem Anspruch nach Selbstverwirklichung und Befreiung aus dem Nur-Hausfrau-Dasein. Ihre Stellung ist ebenfalls auf der unteren Stufe der Betriebspyramide einzuordnen, ihre Beschäftigung betrachtet sie selbst als vorübergehende Notwendigkeit. Die Arbeitsplatzbedingungen scheinen im ganzen für sie befriedigend zu sein. Ganz besonders hebt sie ihre Zufriedenheit mit der Arbeitszeit, der Einschätzung der Arbeit im Betrieb, dem Entscheidungsspielraum und der Verwirklichung ihrer individuellen Fähigkeiten hervor. Sie würde auch keinen neuen Beruf wählen, denn die Möglichkeit, mit anderen Menschen zusammenzukommen, ist für sie hier sehr bedeutsam und entsprechend ihren Bedürfnissen realisierbar.
[V44:725] Trotz ihrer Halbtagstätigkeit trägt sie die volle Verantwortung für die Haushaltsführung und Kinderbetreuung. Die alten Rollenmuster halten sich trotz ihrer Erwerbstätigkeit. Sie bleibt an die Kette ihrer alten Funktionen gebunden und der Mann im Besitz des Privilegs, vom Alltag der Kinderversorgung dispensiert zu sein1)
1)Dies entspricht durchaus den Daten, die aus Studien über die Berufstätigkeit von Arbeiterfrauen vorliegen. Vgl. hierzu u.a.: Osterland Martin u.a.: Materialien zur Lebens- und Arbeitssituation der Industriearbeiter in der BRD, Frankfurt/M 1973; Ortmann Hedwig: Arbeiterfamilien und sozialer Aufstieg, Kritik einer bildungspolitischen Leitvorstellung, München 1972; Pfeil Elisabeth: Die Berufstätigkeit von Müttern, Tübingen 1961.
|A 311|
[V44:726] Die im Hause lebenden Schwiegereltern bedeuten allerdings einen Entlastung, vor allem in der Betreuung der Kinder, wenn sie aus der Schule bzw. Kindergarten nach Hause kommen. Sie bereiten in dieser Zeit die Mahlzeiten vor, so daß Frau D. sich darum nicht zu kümmern braucht. Familie D. fährt häufig zu den Großeltern bzw. jetzt nur noch zum Großvater väterlicherseits in die nahegelegene Kleinstadt. Die Kinder werden bei solchen Besuchen mit Geschenken überhäuft, so daß immer wieder ein neuer Anreiz für diese Besuche gegeben ist. Außerdem verlangen die Erbregelungen zur Zeit häufige Kommunikation.
Na ja, der Opa hat dir gegenüber ein Schuldgefühl, er meint, er muß wieder einiger gutmachen, was er damals versäumt hat
; und
den dreien (den Kindern), denen schmiert er alles in den Hintern ...
(vgl. 115.56.M. Protokoll).
[V44:727] Gegenüber Nachbarn und nicht zur Familie gehörenden Personen scheint die Familie D. sich deutlich abzugrenzen. Die Intimspäre der Familie wird offensichtlich bewußt gewahrt:
Ach, wir sollten ja was aus der Ehe erzählen, also Feinheiten brauchen wir nicht zu erzählen (vgl. 67.33.M.)
, und in bezug auf die Kinder:
Wenn die irgendwas ausgefressen haben, egal was ..., daß wir sie vor anderen schlagen oder so, also das ist nicht ... Unten im Keller unterhalten, das! Aber, daß die anderen das mitkriegen, vonwegen: die hauen sie da, daß sie nicht mehr stehen können, sowas ... das läge nicht drin ..., daß ich denen gleich auf der Straße ... und dies vor den anderen ...
. Diese Zitate belegen deutlich die Tendenz zu familieninternen Konfliktlösungen bzw. die Einstellung zur Familie als Intimraum.
[V44:728] Was die Urlaubsplanung der Familie angeht, so wird sie stark eingeschränkt durch die Berufssituation des Mannes. Dieser kann aufgrund seiner Arbeitsbedingungen nur alle drei Jahre längeren Urlaub machen. Im übrigen sind beide Ehepartner der Ansicht, daß man mit kleinen Kindern nicht wegfahren sollte, da dies zu anstrengend für alle Beteiligten sei. Sie ziehen es vor, während der Ferien zu Hause zu bleiben, ins Schwimmbad zu gehen, |A 312|im Garten zu arbeiten oder zu spielen, aber Reisen halten sie nicht für nötig:
Naja, groß Urlaub mit drei kleinen Kindern ist sowieso nicht drin ... Wir haben hier einen großen Garten, da will ich lieber noch ein paar Jahre zu Hause bleiben und schwimmen gehen, und da kommt man so zwischendurch ja doch nicht dazu. Wenn unsere dann ein bißchen vernünftiger sind, denn ...
(vgl. 152.74.M.).
[V44:729] Die Wirtschaftsführung der Familie liegt hauptsächlich in den Händen der Frau: Sie ist für den täglichen Bedarf der Familie und die Einteilung des Haushaltsgeldes zuständig. Herr D. definiert sich hingegen folgendermaßen:
Ich schleppe die dicken Kohlen ran ...
(vgl. 80.39.M.). Daß dies nicht ganz zutrifft, beweist die zusätzliche Berufstätigkeit der Frau D., denn außergewöhnliche Anschaffungen sind mit dem Gehalt des Mannes nicht zu leisten.
[V44:730] Gemeinsame Hobbies oder Interessen liegen in der Pflege eines Gartens und des Hauses, in dem sie wohnen. Unternehmungen mit den Kindern beschränken sich weitgehend auf Besuche bei den Verwandten; wenn jedoch unerwartet Geld zur Verfügung steht, wie etwa die Entschädigung für das Interview, so werden gemeinsame Pläne entworfen, um in den Zoo einer nahegelegenen Stadt zu fahren oder Abenteuerspielplätze zu besuchen.
[V44:731] Ein durchschnittlicher Tagesablauf der Familie D. verläuft folgendermaßen: Je nach Arbeitszeit bzw. Schichtzuteilung steht Herr D. morgens entweder um 5.30 Uhr oder aber mit der übrigen Familie um 7 Uhr auf. Beginnt sein Dienst um 6.30 Uhr, so muß er spätestens um 6 Uhr aus dem Haus. Zum Arbeitsplatz fährt er mit dem Auto. Die übrige Familie steht um 7 Uhr auf, und Frau D. versorgt die Kinder, richtet sie zur Schule bzw. den Kindergarten und verläßt das Haus kurz vor 8 Uhr, um zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen. Sie arbeitet bis 13 Uhr. In der Zwischenzeit sind die Kinder bereits aus der Schule bzw. dem Kindergarten zurück und die Schwiegermutter hat das Mittagessen bereitet. Frau D. widmet sich nun zunächst den Kindern. Je nach Schicht des Mannes ist dieser auch zu Hause und verläßt das Haus erst |A 313|um 13 Uhr. Nach dem Mittagessen verrichtet Frau D. die notwendige Hausarbeit wie etwa Bettenmachen, Küche in Ordnung bringen, Putzen. Die Kinder sollen um diese Zeit Mittagsruhe halten:
Mittags sollen sie doch immer ’ne Stunde schlafen, sollen ein bißchen ausruhen, und wenn sie sich da mal hinlegen, dann geht es rum!
Anschließend beschäftigt sich Frau D. mit ihren Töchtern, beaufsichtigt sie bei den Hausaufgaben und spielt mit ihnen. Wenn diese Aufgaben erledigt sind, kann sie entweder für sich selbst sein, erledigt die Einkäufe für den nächsten Tag oder kümmert sich um andere Haushaltsprobleme. Um 18.30 Uhr muß sie sich wieder um das Abendessen bemühen, denn der Vater kommt um 19 Uhr von der Arbeit nach Hause und möchte dann sofort essen. Während sie noch in der Küche beschäftigt ist, sieht die übrige Familie fern oder unterhält sich miteinander. Nach dem Essen ist auch sie wieder in der Küche. Die anderen setzen sich wieder vor das Fernsehgerät. Anschließend müssen die Kinder ins Bett gebracht werden, was auch die Aufgabe von Frau D. ist. Nun erst hat sie ein wenig Zeit, um ihren eigenen Neigungen nachzugehen oder sich mit dem Mann, falls er für den Abend zu Hause ist, zu unterhalten. Meist jedoch schaut auch sie dann in den Fernsehapparat und geht etwa um 23 Uhr ins Bett.

2. Interaktionsanalyse

[V44:732] Um auch für die Familie D. eine Anschauung von der Struktur der Interaktion zu vermitteln und zugleich Zugang zu den von den Ehepartnern herausgestellten
focal problems
und die Art, in der sie erörtert werden, zu erhalten, werden wir im folgenden größere Auszüge aus dem Protokoll-Material mitteilen. Die nicht im Wortlaut wiedergegebenen Zwischenstücke werden in knapper Form paraphrasiert. Erst im Anschluß daran sollen einzelne Interaktions-Sequenzen genauer interpretiert werden, und zwar solche, in denen charakteristische Probleme und Interaktionsformen besonders deutlich hervortreten.
[V44:733] Bei der Auswahl der nun folgenden Protokoll-Auszüge blieben vor |A 314|allem jene Passagen unberücksichtigt, in denen genaue Informationen über die berufliche Karriere des Mannes und Einzelheiten der Familienbiographie, die im Hinblick auf die soziale Lage relevant sind, zur Sprache kamen. Sofern diese Passagen vornehmlich Sachinformationen enthalten, und weniger die besonderen Merkmale der Interaktion zwischen den Partnern hervortreten lassen, haben wir sie bereits im Abschnitt über die soziale Situation der Familie mitgeteilt; sie konnten deshalb hier entfallen.
[V44:734] Die Interaktionsanalyse vollzieht sich in drei Schritten:
  • [V44:735] Übersicht über den Verlauf des Interviews mit Hilfe von Protokoll-Auszügen (2.1.);
  • [V44:736] Statement-für-Statement-Interpretation eines kurzen und als charakteristisch angesehenen Ausschnittes (2.2.);
  • [V44:737] Interpretation des ganzen Protokoll-Materials im Hinblick auf die Ehepartner-Beziehung (2.3.).
2.1 Protokoll-Auszüge
  • 1.1 I.:
    [V44:738] So, das Nächste wäre dann, da sollen Sie in einer etwas längeren Zeit, eine Stunde bis dreiviertel Stunde die Entwicklung Ihrer Familie darstellen. Vielleicht können Sie sich mal überlegen, wie Sie so ein Hörspiel machen würden. Das ist vielleicht ein bißchen schlecht ...
  • 2.1 M.:
    [V44:739] ’ne halbe bis dreiviertel Stunde über die Entwicklung unserer Familie? Du lieber Mann, man ... Hätte man ein Drehbuch schreiben müssen ... Ja, ist immer schlecht, so’ne Frage ... Erst könnte man sagen, warum ich geheiratet habe. Warum?
  • 3.1 F.:
    [V44:740] Warum?
  • 4.2 M.:
    [V44:741] Brauchst mich nicht zu treten!
  • 5.2 F.:
    [V44:742] (lachen) ... O Gott!
  • 6.3 M.:
    [V44:743] Das ist jetzt ’n Ding! Die Entwicklung der Familie! Nun sag was! In welcher Form soll’n das sein?
  • 7.2 I.:
    [V44:744] Och, daß es vielleicht bestimmte Punkte gibt in ihrer Familie ... Vielleicht Kennenlernen, Kinder und Beruf, Wohnen und Eltern ... Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein Buch schreiben:
    Unsere Familie
    , Biographie oder sowas. Da muß man ja irgendwie anfangen, und da kommt das so, entwickelt sich vielleicht zeitgerecht, oder wie man sich das einteilen würde ...
  • |A 315|
  • 8.4 M.:
    [V44:745] Ja, denn laß dir was einfallen. Antworten will ich gerne.
  • 9.3 F.:
    [V44:746] Ja, wann haben wir uns kennengelernt, wann war’n das?
  • 10.5 M.:
    [V44:747] Wann haben wir geheiratet? 63? Ich bin bei der Firma X. als Spediteur gewesen, hätte ich beinah gesagt, Fahrer ...
  • 11.4 F.:
    [V44:748] Ha! Das stimmt sogar.
  • 12.6. M.:
    [V44:749] Hm, das war genau in der Zeit. Naja, diese Frau, die hier oben gewohnt hat, in dieser Wohnung, das war ’ne frühere Kassiererin im Kino, da wo ich noch so Aushilfe mache, und da hab ich die mal so angehauen, ob sie nicht irgendwie mal ’ne hübsche Freundin oder was für mich hätte. Und da hat sie gesagt, sie würde mich mal zum Fernsehen einladen und so, der Hauswirt hätte ’ne Tochter, ’ne ...
  • 13.5 F.:
    [V44:750] Ja, ja.
  • 14.7 M.:
    [V44:751] Großes Grundstück, eigenes Häuschen und so, und ich natürlich nichts wie hin, ne, mit meinem 12Zylinder-VW ...
  • 15.6 F.:
    [V44:752] Das heißt, kennengelernt haben wir uns da nicht. Wann haben wir uns kennengelernt? Da warst du 12 und ich 7 oder 8 oder sowas.
  • 16.8 M.:
    [V44:753] Ich 12 und du 8? Wo war’n das?
  • 17.7 F.:
    [V44:754] Das hab’n wa bloß erst später wieder festgestellt.
  • 18.9 M.:
    [V44:755] Wo war’n das?
  • 19.8 F.:
    [V44:756] Katzmann und so ...
  • 20.10 M.:
    [V44:757] Da hab ich dich mal kennengelernt?
  • 21.9. F.:
    [V44:758] Tjaha!
  • 22.11 M.:
    [V44:759] Da mußt du aber keine Schönheit gewesen sein.
  • 23.10 F.:
    [V44:760] Nee, da hatt’ ich auch noch Sommersprossen.
  • 24.12 M.:
    [V44:761] Da könnt’ ich mich dran erinnern.
  • 25.11 F.:
    [V44:762] Ja nun, dann hab’n wa im Juli 64 geheiratet, im Januar 65 ist unsere erste Tochter geboren.
  • 26.13 M.:
    [V44:763] Wie kam das eigentlich?
  • 27.12 F.:
    [V44:764] (lachen) Wie kam das bloß? ne!
[V44:765] Eine ausführliche Schilderung der damaligen Situation schließt sich an: Wohnprobleme, Berufsausbildung und Tätigkeit der Frau; Schwierigkeiten, mit dem Geld auszukommen. Der Mann:
Ist doch alles normal gelaufen!
Die Frau dagegen gibt eine eher problematische Sicht, schildert den Abbruch der Berufstätigkeit wegen der Geburt des ersten Kindes; Wiederaufnahme der Tätigkeit, als das Kind zwei Jahre alt ist, um endlich notwendige Anschaffungen für den Haushalt vornehmen zu können.
Ja, und finanziell waren die ersten Jahre ganz schön Mist, ne? Ich hab nicht allzuviel verdient, du auch nicht.
|A 316|
[V44:766] In der Darstellung des Mannes nehmen sich die Probleme weniger dramatisch aus; er stellt seine Berufssituation dar (zunächst Handwerker, dann zum Busfahrer umgeschult), ohne dabei auf die familiäre Situation zurückzugreifen.
  • 67.33 M.:
    [V44:767] Gewissermaßen, ne, na und von den Rest, was ich monatlich kriegte, hab ich mir dann ’n Auto gekauft; neuen VW. War der neu? Nee. Ach, der war ja von Richard, der war ’n Jahr alt, war der. Nö, so ging dann das weiter. Geld wurde zwar verdient, aber immer weniger. Erzähl du mal was jetzt, jetzt mach ich erst mal Pause.
  • F.:
    [V44:768] Ja nun.
  • 67.33 M.:
    [V44:769] Ach, sowas wollten die ja gar nicht wissen, ne? Wir sollten ja was aus der Ehe erzählen. Also Feinheiten brauchen wir nicht erzählen, ne?
  • 68.6 I.:
    [V44:770] Ja, was Sie wollen.
  • 69.34 M.:
    [V44:771] So aus Zimmer 3 und so ... (lachen)
  • 70.30 F.:
    [V44:772] So sehr große Sprünge können wir uns heute immer noch nicht erlauben.
  • 71.35 M.:
    [V44:773] Ich würde sagen, die Ehe läuft so seinen Weg und ist auch zufriedenstellend. Nech, ich meine, das Geld könnte ja überall mehr sein, ne? Aber man kriegt ja nur das, was der Staat vorschreibt oder was Tarif ist ...
  • [V44:774] .................
  • 78.38 M.:
    [V44:775] Ja, und das ist bei uns zu Hause so, mit den Problemen muß meine Frau fertigwerden.
  • 79.34 F.:
    [V44:776] Ja, ja –
  • 80.39 M.:
    [V44:777] Ich schleppe die dicken Kohlen ran, dat Schicket! – Ja, noch irgendwelche Probleme? – Tja, – sag doch mal irgendwas! Ich meine, das geht ja normalerweise, was uns jetzt erwartet, geht ja keinem was an, ne: aber trotzdem, uns erwischt es jetzt derbe, in Punkte Geld. Die Omma ist vorjes Jahr gestorben, der Oppa möchte gern, daß die ganze Erbangelegenheit sofort erledigt wird.
[V44:778] Es folgt eine längere Darstellung einer Erbangelegenheit, die, da sie finanzielle Verpflichtungen mit sich bringt, ein weiteres Motiv für die Erwerbstätigkeit ist. Im Zusammenhang damit kommen die Beziehungen zur Verwandtschaft zur Sprache und schließlich das besondere Sozialisationsschicksal des Mannes (uneheliche Geburt, Pflegemutter, fehlender Kontakt zu Verwandten). Das Gespräch verläuft ruhig und ohne Kontroversen, die Ehepartner ergänzen sich gegenseitig in den Informationen,
werfen sich die Bälle zu
, die Führung allerdings – gemessen an dem Umfang der Äußerungen – scheint beim |A 317|Manne zu liegen.
[V44:779] Das Thema
Urlaub
wird angesprochen, insbesondere die Tatsache, daß – berufsbedingt – die Familie nur im Abstand von drei Jahren einen längeren Sommerurlaub machen kann. Außerdem spielen auch hier finanzielle Rücksichten eine Rolle.
Na, und groß Urlaub mit drei kleinen Kindern, da ist sowieso ... nee, das liegt sowieso nicht drin!
Also werden solche Pläne auf spätere Jahre verschoben.
[V44:780] Damit ist der familienbiographische Teil des Protokolls abgeschlossen. Es folgt nun die Diskussion der Eheleute über die vom Interviewer vorgelegten Fragen, die sich in erster Linie auf Erziehungsprobleme beziehen:
  • 193.93 M.:
    [V44:781] Was würdest du jetzt machen, wenn jetzt deine Töchter klauen, z.B. die Geld aus dem Portemonnaie?
  • F.:
    [V44:782] Was würdest du denn machen?
  • M.:
    [V44:783] Ja, Kurzform!
  • F.:
    [V44:784] Bestrafen ist ja sinnlos. Du mußt ja erst mal rauskriegen, warum?
  • M.:
    [V44:785] Wieso muß man das rauskriegen? Warum?
  • F.:
    [V44:786] Ja, warum se das gemacht haben.
  • M.:
    [V44:787] Nee, da gibt’s kein Warum! Die haben nichts zu klauen, und damit fertig! Mach du mal hin
    warum klauen
    ? Geh doch gleich mit dem Fall vors Gericht! Ich habe mich draußen da unterhalten, da mit dem Sachverständigen da von der Interessengemeinschaft Göttinger Familienangelegenheiten oder wie’s da heißt. Nein, also es ist klar; könnt’ man sich jetzt stundenlang drüber unterhalten, ne?
  • I.:
    [V44:788] Sollen Sie auch.
  • M.:
    [V44:789] Auf alle Fälle geht’s ja um das Prinzip, was würde Sie machen, wenn sie das Geld ...
  • F.:
    [V44:790] Ja, ich würde erst mal versuchen, rauszukriegen, warum sie’s gemopst haben.
  • M.:
    [V44:791] Da stellst du dich aber ganz schön bloß. Es geht nicht ums Warum, es geht ja drum, daß es nicht gemacht wird, fertig!
  • F.:
    [V44:792] Na, dann erzieh doch deine Töchter selbst, Mensch! Oder was sagen Sie dazu?
  • I.:
    [V44:793] Ich sage gar nichts dazu.
  • M.:
    [V44:794] Was hast du ’n da überhaupt hingeschrieben ...
  • |A 318|
  • F.:
    [V44:795] Aus Jux und Dollerei klauen se nun ja bestimmt nich.
  • M.:
    [V44:796] Versuchen, den Grund rauszukriegen; warum klaut ’n Kind schon? Warum klauen die Geld?
  • F.:
    [V44:797] Ja warum wohl?
  • M.:
    [V44:798] Weil se Kaugummi kaufen wollen.
  • F.:
    [V44:799] Brauchen bloß in der Klasse jemand neben sich sitzen haben, der jeder Tag das Portemonnaie voll Geldscheine hat.
  • M.:
    [V44:800] Und du meinst, mit deiner Äußerung, da liegst du richtig?
  • F.:
    [V44:801] Nja, ganz mit deiner du auch nicht. Mit nur Bestrafen erreichst du auch nichts.
  • M.:
    [V44:802] Bestrafen ist aber weiter Begriff, newahr? Da gibt es den mit 12 Methoden, ich wende meistens die achte an, weil sie am besten ist. Jetzt frag du mich doch mal zu dem nächsten Abschnitt.
  • I.:
    [V44:803] Na, ich hab so das Gefühl, das ist noch nicht ganz fertig. Es gibt da noch Meinungsverschiedenheiten ...
  • M.:
    [V44:804] Ja, eben deshalb, ich fange jetzt an, deshalb will ich ja gar nicht weiter diskutieren, sonst gibt es nur ’ne Schlägerei hier ... (lachen)
  • F.:
    [V44:805] Ja, es ist durchaus möglich, daß das Kind irgendwie von der Schule aus ... gezwungen nicht, die brauchen bloß in die richtige Clique reinzukommen, und da mußt ja wohl versuchen rauszukriegen, warum und wieso, daß da ’n bißchen hinterhaken kannst. Nee, gleich mit Laschen oder so, da erreichst ... Nee, was verstehst de dann so unter Bestrafen?
  • M.:
    [V44:806] Stubenarrest, ab ins Bett, nichts zu essen! Diskutier’ doch mal richtig, macht gar keinen Spaß mit dir. Naja klar, n’ Grund herauszukriegen. Denn gehste hin und bestrafst die anderen Kinder, ne.
  • F.:
    [V44:807] Nö, das ja nun nicht, aber man muß ja dann deinem Kind klarmachen, warum das nicht! ... Und wenn de nicht weißt, warum’s gemopst hat, nur aus Jux und Dollerei nimmt bestimmt kein Kind Geld. Die in Kerstins Nebenklasse, die eine, jeden Tag ’n Zwanzigmarkschein im Portemonnaie. Die will natürlich mit imponieren, das ist ja durchaus möglich, daß die andern mal:
    Hier, ich hab auch!
  • M.:
    [V44:808] Ja, du siehst das auch wieder aus ’ner ganz anderen ...Es ist ja so, das krieg ich ja alles gar nicht mit, das sagst de mir ja gar nicht.
  • F.:
    [V44:809] Na, ich hab dir schon oft genug erzählt, wieviel Geld Babett immer mit sich rumschleppt und daß sie ewig andern Kindern imponieren.
  • M.:
    [V44:810] Babett, Babett ist ja uns egal.
  • |A 319|
  • F.:
    [V44:811] Naja, es ist ja nun durchaus möglich, daß Kerstin sich mit der mal anfreundet. Denn will Kerstin auch so viel haben und – ist doch möglich!
  • M.:
    [V44:812] Na, du vertrittst die Meinung, ich vertrete die Meinung, daß sie eben sowas nicht zu tun haben.
  • F.:
    [V44:813] Ne, sie hab’n nicht zu tun, wenn se’s aber nun mal gemacht haben?
  • M.:
    [V44:814] Bestrafen!
  • F.:
    [V44:815] Schon, aber nicht kloppen!
  • M.:
    [V44:816] Ich kloppe doch gar nicht! So fragt man Leute aus. Ich sage ja, wenn sowas auf einen zukommt, wie ’n Brett vorm Kopf. Ich glaube, die Natura, wenn’s wirklich der Fall jetzt wäre, nech, da könnte sie Recht haben, da könnte ich aber auch Recht haben.
  • I.:
    [V44:817] Was würde denn gemacht sehr wahrscheinlich? Können Sie’s sich vorstellen?
  • M.:
    [V44:818] Na, auf alle Fälle würde der Vadda sich aufpusten, wie ich mich kenne. Der würde erst mal dunkelrot werden, ne, er würde erst mal verzweifeln. Und die Mutter würde sich quer davorstellen und sagen: Nun warte erst mal, – dann kriegt die Mutter gleich welche mit ... (lachen) ... In so ’ne Situation muß man direkt reinkommen. Ne, es ist ja Gott sei Dank, toi toi toi, bis heute noch nicht passiert. Oder doch?
  • F.:
    [V44:819] Es kann ganz schnell kommen! Von heute auf morgen kannste doch feststellen, du hast doch noch so viel Geld gehabt, wo ist das geblieben?
  • M.:
    [V44:820] (lachen) ... Die paar Mark, die ich immer bei mir habe! Das brauchst du gar nicht zu erwähnen. – Ja, wüßtest du noch was dazu? Man könnte noch vermerken hier – Situation abwarten. Die kommen hier mit Fragen auf einen zu, Menschenskinder, Jesses Maria und Josef. Gäbe es da noch was zu?
  • F.:
    [V44:821] Was machst du denn bei der nächsten Frage? ... (lachen)
  • 233.113 M.:
    [V44:822] N’ doofes Gesicht! Da liegen wa ja mit unseren Äußerungen –, was war, was hast du jeschrieben? Lehrer, Kind ...
  • F.:
    [V44:823] Lehrer und Kind dann; ich will auf keinen Fall zur Schule rennen:
    Hier, Herr Lehrer, so und so, wie könne Se!
    Die Klopplehrer, die wir früher hatte, die gibt’s ja heute nicht mehr, ne.
  • M.:
    [V44:824] Ja, hör mal zu hier, Absprache mit dem Lehrer ...
  • F.:
    [V44:825] Ja, ist das doof ... Nö, ich würde auf alle Fälle den Lehrer fragen, warum und wieso. Aber nich hier gleich zum Kind sagen: Ach, wie konnte der bloß!
  • M.:
    [V44:826] Und den zeigen wa nachher an, ne ... hab ich ja gesagt, also ich möchte nich wissen, wie viele da sind, von wehier, nech, mit dem Lehrer vor Gericht gehen.
  • |A 320|
  • I.:
    [V44:827] Worin unterscheidet sich das aber, ob das berechtigt war vom Lehrer? Woran bemessen Sie das?
  • F.:
    [V44:828] Ja, ich würde mir erst mal vom Kind erzählen lassen, was gewesen ist ... (durcheinander) ... würde ich zum Lehrer gehen und mir von dem dann sagen lassen, und wenn ich nun meine, daß der Lehrer nich ganz im Recht war, dann werde ich dem auch sagen: Also so ganz paßt mir das nicht. Deswegen ... man kann sich ja die Lehrer auch nich zu sehr verärgern, ne. Das is ja dann auch immer so‘n Problem ...
  • M.:
    [V44:829] Wir sind keine bessergestellten Leute, jedenfalls nich so in dem Sinne und – ne, von Schläge ist bis heute noch keiner gestorben. Ich habe damals nich nur einmal, sondern mehrmals, ich war so’n Spezialist auf dem Gebiet ...
  • [V44:830] ..................
  • M.:
    [V44:831] Ja, das wär das Wichtigste so ... – Kind anhören, und Lehrer anhören. Hast du jeschrieben? Bitte, du vertrittst ’n bürgerlichen Standpunkt. Das find ich gut! Schlage dich vor, daß du zum ersten Vorsitzenden von Elternbeirat oder wie das da heißt ... Weiter noch was?
  • F.:
    [V44:832] Nö, dazu ...
[V44:833] Im folgenden geht es dann um die Frage, wie sich die Ehepartner verhalten oder verhalten würden, wenn eins ihrer Kinder sie im Zorn beschimpft. Die spontane Reaktion des Mannes ist zunächst:
Ohrfeige!
Die Frau jedoch widerspricht, wenngleich vorsichtig und eher indirekt; sie verweist auf die Motive des Kindes, die nicht notwendig aggressiv sein müßten (
... alles, was sie auf der Straße aufgeschnappt haben, das hab’n se erst mal versucht ...
). Der Mann nimmt seine
Ohrfeige
Schritt für Schritt zurück, aber letzten Endes bleibt es doch bei dem Kompromiß, daß ein Klapps zu rechtfertigen sei, so daß die Frau abschließt:
Na ja, im richtigen Moment, so’n kleiner hinten drauf, der hat noch nich geschadet.
[V44:834] Die nächste Frage des Interviews bezieht sich auf Sexualprobleme, auf das mutmaßliche Verhalten der Eltern, wenn sie ihr Kind zufällig bei heimlichen Sexualspielen
erwischen
:
  • 176.119 F.:
    [V44:835] Ja, keine Pferde scheu machen, nichts aufbauschen.
  • M.:
    [V44:836] Hast du geschrieben? Du hast das mit Pferde geschrieben??
  • F.:
    [V44:837] Ich kann doch aus ’n Floh ’n Elefanten machen, Mensch!
  • M.:
    [V44:838] Nichts aufbauschen –
  • I.:
    [V44:839] Sie können ja sagen, was Sie da eben gesagt haben, daß |A 321|Sie das ganz normal finden.
  • F.:
    [V44:840] Nja, das ist doch auch normal. Was soll man da so wer weiß wie ...
  • M.:
    [V44:841] Ich habe ja schon eben in der Küche erwähnt, sexuelle Spiele oder sowas, Doktor oder sowas spielen die ja schon, aber daß sie sich da unsittlich berühren, nech, eventuell die Körperteile da so ...
  • F.:
    [V44:842] Naja, soweit sind se ja noch nich, das kann ja irgendwann noch kommen.
  • M.:
    [V44:843] Die streicheln sich wohl mal so brüderlich übern Hintern oder sowas, aber ansonsten ist mir noch nichts aufgefallen; oder, was treibt ihr denn so, wenn ich nicht da bin? Also, ich nehm den ganzen Kram noch so sehr auf die leichte Kippe, aber was bei den dreien auf mich zukommt, nech, da befass’ ich mich schon mit, ne; und ob wa denen das heutzutage verbieten, wie’s manche Eltern machen, von wegen: Punkt 9 Uhr bist de zu Hause, kommst nicht, kriegste den Arsch gekloppt oder sowas, nech, ob man denen das verbietet oder nich, die hab’n doch so viel Situationen heute, wo sie’s machen können, da steckt doch keiner hinter. Die bringen’s doch sogar schon fertig am hellichten Tage auf der Rathaustreppe und alles sowas, ha, das passiert jede Woche, am Markt und am Brunnen. Achen Sie mal drauf, wenn se da gruppenweise da stehen.
[V44:844] Beide Ehepartner einigen sich, allerdings in immer vagen Formulierungen, darauf, daß
Aufklärung
die angemessene Reaktion sei. Den größten Teil der Unterhaltung bestreitet der Mann; eine deutliche Argumentsstruktur aber entsteht nicht. Dann wird das Gespräch wieder von der Ferne nach körperlichen Strafen angezogen und entfernt sich vom Gegenstand der Interviewfrage:
  • 304.130 F.:
    [V44:845] Daß wir sie vor anderen schlagen oder so, also das ist nicht ...
  • M.:
    [V44:846] Unten im Keller unterhalten, das, aber, daß die anderen das mitkriegen vonwegen: die hauen sie durch da, daß sie nicht mehr stehen können, sowas ...
  • F.:
    [V44:847] Das läge nicht drin ..., daß ich denen gleich auf der Straße ...: hier, komm mal her, wie war das, dies und das – und das vor anderen machen...
  • M.:
    [V44:848] Das wird nur in den vier Wänden gemacht.
  • F.:
    [V44:849] Das wär nicht ...
  • M.:
    [V44:850] Das haben wir auch bis heute nicht gemacht ...
  • F.u.M.:
    [V44:851] (gleichzeitig, unverständlich) ... wenn die irgendwas ...
  • F.:
    [V44:852] Daß wir sie vor den anderen schlagen, also sowas, das ist nicht.
  • |A 322|
  • M.:
    [V44:853] Dann wollen wir uns unten im Keller unterhalten. Aber daß das die andern mitkriegen, vonwegen; die hauen die durch da, daß sie nicht mehr stehen können oder sowas – und klar, es kommt auch mal so ein bißchen derber aus mir raus. Aber ich weiß immer, wie weit ich zu gehen habe. Naja, ab und zu haben sie mal so im richtigen Moment mal ’n kleinen ... das hat nicht geschadet, aber nicht so, daß sie nicht mehr laufen können.
  • M.:
    [V44:854] Wenn sie von der Mamma den Hintern voll kriegen, das ist nicht so schlimm. Die holt immer drei Meter aus und dann ...
  • F.:
    [V44:855] lacht.
  • M.:
    [V44:856] Naja, da haben wir uns auch schon mit befaßt, wenn wir mal tatsächlich schlagen, hauptsächlich so die untere Körperhälfte, so von hinten, ne. Kopf hauen und so, das ist nicht, da sind wir nicht für. Vor allem bei unserer Zweiten kann man das jetzt sowieso nicht machen, weil sie es doch so mit den Rachenmandeln und diesem ganzen Kram hat und Kiefernhöhle und evtl. ...
  • F.:
    [V44:857] Ich meine, viel Schläge kriegen unsere auch nicht, aber manchmal, Mensch, da prügelt’s einen dann doch mal, wenn sie dann alle drei ihren schlimmen Tag haben.
  • M.:
    [V44:858] Da siehst du aber, daß ich nicht viel schlagen brauche; wenn ich mal was sage, dann haut es hin.
  • F.:
    [V44:859] Weil sie im richtigen Moment mal paar verpaßt gekriegt haben, ne.
[V44:860] ....................
  • 324.32 I.:
    [V44:861] Stellen Sie sich vor, Ihr Ehemann bzw, Sie selbst bekommen einen neuen Arbeitsplatz. Sie müßten dann aber an einen anderen Ort umziehen. Wie würden Sie sich entschieden? Welche Gründe dafür oder dagegen wären wichtig?
  • F.
    [V44:862] Dagegen wäre ich bloß, wenn die Kinder mit der Schule...
  • M.:
    [V44:863] Der finanzielle Vorteil würde entscheiden ... Und was sagst du?
  • F.
    [V44:864] Die Kinder könnten sich umgewöhnen.
  • M.:
    [V44:865] Die Kinder könnten hier herausgehen und woanders wieder anfangen.
  • F.
    [V44:866] Wenn sie mal wirklich Schwierigkeiten in der Schule haben und dann in ein ganz fremde Umgebung kommen ...
  • M.:
    [V44:867] Ob das ein Nachteil wäre?
  • F.
    [V44:868] Ja, man weiß es nicht.
  • M.:
    [V44:869] In einer neuen Schule würden die evtl. auch schon ganz anders.
  • F.
    [V44:870] Kommt ja sowieso nicht in Frage.
  • M.:
    [V44:871] Die wollen ja wissen, was du dann machen würdest, ob du dagegen wärst ... Ich möchte mal sehen, wenn die |A 323|jetzt sagen würden: Hier verdienen Sie 2.000 Mark, kommen Sie nach Dortmund, da bekommen Sie 3.000 Mark oder 4.000 Mark – was du dann sagen würdest.
  • F.
    [V44:872] Ich will nicht unbedingt in den Kohlenpott ziehen ...
  • M.:
    [V44:873] Da ist ja nicht unbedingt der Kohlenpott, ich meine, da gibt es viele Sachen, wo man da ... Wenn wir hier soviel Miete bezahlen ... Da verdienen wir 300 Mark mehr und müssen auch mehr Miete bezahlen, dann können wir auch hierbleiben. Wir haben genug Abwechslung.
  • F.
    [V44:874] Und keinen Kohlenstaub.
  • M.:
    [V44:875] Das ist nicht so wichtig. ...
  • F.
    [V44:876] Ich meine es auch gar nicht im Moment. Vielleicht später mal, Aufstiegsmöglichkeit und sowas.
  • M.:
    [V44:877]
    Naja, das steht hier ja: bessere Aufstiegsmöglichkeiten.
    Aber so Chef von irgendeiner Firma oder Geschäftsführer oder sowas, ich weiß nicht..., klar, verdienstmäßig würde ich das schon machen, nich, aber diese Verantwortung für den ganzen Kram, nich, also ich bin der Meinung, daß ich lieber meine Arbeit mache, und wenn es am Ersten das Geld gibt, brauche ich keinen roten Kopf zu kriegen. Ich brauch mich doch bisher nicht zu schämen, nich, – beim Bund, da bin ich immer rot gewesen, ja.
2.2. Interpretation einer ausgewählten Interaktionssequenz
[V44:878] Wenn wir von unserer eingangs formulierten Vermutung eingehen, derzufolge jede Familie ihre Schlüsselprobleme hat, nach denen es sich entscheidet, was von den einzelnen Mitgliedern als relevant erlebt wird und was nicht, und wenn wir weiter davon ausgehen, daß die Mitglieder die für sie bedeutsamen Probleme auch als solche erkennen, so zeigt sich bei der vorliegenden Familie, das Thema
Geld
als so relevant empfunden wird, daß es in den unterschiedlichsten Kontexten hervortritt und sich quasi leitmotivartig durch die gesamte vorliegende Interaktion hindurchzieht.
[V44:879] Um dieses von den Interaktionspartnern als so wesentlich und beherrschend erlebte Problem näher erfassen zu können und damit Zugang zu dem innerfamiliären Beziehungssystem zu erhalten, wollen wir im folgenden eine Interaktionssequenz aus dem Material herausgreifen, in der unserer Ansicht nach dieses Problem der ökonomischen Sicherung der Familie explizit thematisiert wird.
|A 324|
[V44:880] Wir wollen gleichzeitig der Frage nachgehen, wie weit hier eine auf instrumenteller Ebene anzusiedelnde Problemdefinition – quasi als Medium definiert – die innerfamiliäre Beziehungsstruktur zum Ausdruck bringt.
[V44:881] Als signifikante Interaktionssequenz wählen wir diejenige aus, in der einmal die Ehepartner über ihre Beziehung zueinander sprechen, zum anderen der genannte Problembereich als Leitfaden ersichtlich ist und die Interaktion eindeutig in ihrer inhaltlichen Dimension bestimmt.
|A 325-334|
[V44:882]
Protokoll Paraphrasierung Sprecherintention Situationsdefinition Problematisierung Reflexivität
65.32.M. nach der Bundeswehrzeit) ... Geld wurde zwar verdient, aber immer weniger. Erzähl’ du mal was jetzt, jetzt mach’ ich erst mal Pause. Im vorangegangenen Gespräch schildert der Mann ausführlich seine Bundeswehrzeit, und die daran anschließende Phase, in der er ein sehr angenehmes Leben aufgrund der Ersparnisse führen konnte. Diese Ersparnisse gingen ihrem Ende zu und, wie er sagt, verdiente er immer weniger Geld. Er bittet seine Frau weiterzusprechen. Die ausführlichen Schilderungen dienen offensichtlich der Selbstdarstellung. Die Andeutung, daß nach den
glorreichen
Zeiten immer weniger Geld vorhanden war, steht im Gegensatz zu dem bisher Gesagten. So kann auch das Abbrechen seiner Selbstdarstellung im Zusammenhang mit dieser nun weniger positiven Entwicklung verstanden werden. D.h. er möchte nun selbst nichts mehr hierzu sagen, weil seine weitere biographische Entwicklung aus seiner Sicht eher negativ wird. Um diese Intention deutlich klarzustellen, bittet er die Frau, auch etwas zu erzählen.
Als für eine Selbstdarstellung bedeutsam wählt der Mann seine biographische Entwicklung während und nach der Bundeswehrzeit aus.
Die weitere Darstellung würde eine Umdefinition seiner Selbstdarstellung erfordern, und um diese nicht vollziehen zu müssen, bricht er hier dieses Thema ab.
Er definiert die Frau in dieser Gesprächssituation als gleichberechtigten Partner, der nun das Gespräch weiterführen kann.
66.29.F. Ja nun. Zögernder Ansatz zum Sprechen.
Durch das leichte Zögern drückt sie eine gewisse Hilflosigkeit aus, sofort einen Gesprächsgegenstand zu finden, über den sie sprechen kann.
Dennoch zeigt sie ihr Einverständnis, nun zu reden.
Sie akzeptiert seine Situationsdefinition und die Zuweisung ihrer Rolle, sich zu äußern.
67.33.M. Ach, so was wollten die ja gar nicht wissen, ne? Wir sollten ja was aus der Ehe erzählen. Also Feinheiten brauchen wir ja nicht zu erzählen, ne?
Er bezweifelt plötzlich, ob das, was er gerade erzählt hat, die Interviewer überhaupt interessiert.
Er nennt dann den Themenkomplex
Ehe
, von dem er annimmt, daß er gefragt wurde und bittet darum, Intimitäten nicht zur Sprache bringen zu müssen.
Mit dieser Bemerkung charakterisiert er seine vorhergehenden Ausführungen als für die augenblickliche Situation unwesentlich und nimmt ihnen dadurch an Bedeutung.
Möglicherweise möchte er mit seinem Einwurf, der gleichzeitig eine eventuelle Reaktion der Frau unterbindet, eine weitere Thematisierung des Gesprächsgegenstandes verhindern.
Mit der Abgrenzung allzu intimen Fragen gegenüber drückt er den Wunsch nach Distanz aus.
Er verwirft seine bisherige Situationsdefinition, der gemäß seine Biographie bedeutsam war und setzt dem die antizipierte Erwartung der Interviewer entgegen. Damit kann er das von ihm entworfene Selbstbild aufrecht erhalten. Er grenzt sich gegen die antizipierenden (unterstellten) Interessen der Interviewer ab und bedeutet, daß die Situation nicht geeignet sei um Intimitäten aus der Ehe zu erzählen. Er problematisiert die bisherige Situationsdefinition, schlägt alternativ ein Gespräch über die gemeinsame Beziehung vor, nimmt jedoch diesen Vorschlag wieder zurück. Möglicherweise betrachtet er ein Gespräch über die Beziehung als gefährdend und nimmt deshalb sein Angebot teilweise wieder zurück.
68.6.I. Ja, was Sie wollen. Deutet den uneingeschränkten Erzählungsraum an. Der Interviewer möchte die Interaktionspartner zu weiteren Äußerungen stimulieren, ohne sie dabei inhaltlich einzuschränken. Er definiert die Situation als für uneingeschränkte Thematisierung beliebiger Inhalte geeignet. Die Partner begreift er als fähig, selbst die Inhalte zu bestimmen.
69.34.M. So aus Zimmer drei? (er lacht) Erläutert noch einmal, was er unter Intimitäten versteht. Er möchte deutlich ausdrücken, worüber er nicht gewillt ist, zu sprechen. Durch sein Lachen deutet er an, daß er eine Umdefinition der Situation in Richtung einer Thematisierung der Sexualität als peinlich empfindet.
70.30.F. So sehr große Sprünge können wir uns heute immer noch nicht erlauben. Sie schneidet erneut das Thema der finanziellen Schwierigkeiten an, die bei ihnen immer noch vorhanden sind.
Sie versucht, weiter über die ökonomische Situation der Familie zu sprechen, wobei sie zwar das unterbrochene Thema wieder aufnimmt, jedoch einen zeitlichen Sprung nach vorn in die heutige Situation macht. Offensichtlich hat sie seine Absicht verstanden, und zwar nicht weiter über seine damalige Entwicklung zu sprechen.
Das Betonen der immer noch vorhandenen finanziellen Schwierigkeiten kann sich zum einen auf eine Fortführung seiner Darstellung beziehen: Damals gab es finanzielle Probleme, heute sind sie immer noch da. Oder aber: Trotz ihrer Berufstätigkeit sind finanzielle Probleme vorhanden. Es scheint jedoch eher die erste Vermutung zuzutreffen.
Ihre Situationsdefinition impliziert das Akzeptieren seiner Intention, nicht über die Beziehung, vor allem Sexualität, zu sprechen. Ihr Übergehen seines kurzen thematischen Hinweises deutet darauf. D.h. sie akzeptiert dieses Thema als familieninternes
Tabu
, oder sie redet aufgrund ihrer Relevanzkriterien an ihm vorbei und definiert die Situation in dem oben beschriebenen Sinne als geeignet, über finanzielle Probleme zu sprechen.
Sie problematisiert die heutige ökonomische Situation der Familie.
71.55.M. Ich würde sagen, die Ehe läuft so ihren Weg und ist auch zufriedenstellend. Nech, ich meine, das Geld könnte ja überall mehr sein, ne? Aber man kriegt ja nur, was der Staat vorschreibt oder was Tarif ist. Er betont die befriedigende Ehesituation, schließt dann mit der Bemerkung, daß ja überall das Problem der zu geringen finanziellen Mittel vorhanden sei, und daß dies an den vom Staat oder den Gewerkschaften festgesetzten Tarifen liegt. Er führt seine Absicht, nun doch über die Ehe zu sprechen konsequent durch. Mit seiner Charakterisierung der Ehesituation verweist er auf die Normalität und bedeutet damit, daß er keiner weiteren diesbezüglichen Ausführungen bedarf. Im Gegensatz dazu scheint die finanzielle Situation doch bedeutsam zu sein, da er sie erneut anführt mit dem Hinweis darauf, daß ja überall Geld knapp sei, betont er die Durchschnittlichkeit dieses Problems. Offensichtlich möchte er ein durchschnittlich positives Bild seiner Familie entwerfen. Die delegierende Interpretation und Akzentuierung der Situation liegt in der Charakterisierung der Ehesituation als
normal
und zufriedenstellend und bezeichnet damit diese Gegebenheit als keiner weiteren Ausführung bedürftig. Was die sonstigen Lebensbedingungen anbelangt, so greift er als relevant die finanziellen Schwierigkeiten heraus und setzt damit eine Akzentuierung auf die quasi objektiven Gegebenheiten. Diese definiert er als ein Problem, das einer Lösung bedarf, was jedoch aufgrund des Erklärungszusammenhanges, den er anführt, nicht gelöst werden kann. Er definiert sich selbst folglich als abhängig und unfähig, Veränderungen hervorzubringen, um diese Situation zu bewältigen.
Das Problematisieren der ökonomischen Situation der Familie im Kontext der Ausführungen über die Beziehung legt einen hier bestehenden Zusammenhang nahe.
72.7.I. ... Sie müssen für eine Kinderklinik bezahlen? Der Interviewer erkundigt sich nach den Unkosten, die durch Nachhilfeunterricht entstehen. Der Interviewer möchte die Ehepartner zu weiteren Ausführungen bezüglich der finanziellen Probleme stimulieren. Er definiert die Situation als geeignet, um über die bestehenden Schwierigkeiten zu sprechen, er akzeptiert also die Situationsdefinition der Interaktionspartner und greift das von ihnen als relevant bezeichnete Problem auf.
73.31.F. Nee, nee, ’s geht alles über Krankenkasse, weil das heißt, für den Nachhilfeunterricht da bezahlt die Krankenkasse 6 DM, und wir müssen 4 DM bezahlen. Das ist aber immer noch besser, als wenn wir 10 Mark bezahlen müßten. Und alles geht über Krankenschein, d.h. bei unserer zweiten jetzt, die muß ’ne Klammer an die Zähne kriegen, also da werden wir wohl auch 500 Mark hinlegen müssen. Das geht Hälfte Hälfte. Die Krankenkasse zahlt die Hälfte, die Hälfte müssen wir bezahlen. Sie antwortet ausführlich auf die Frage des Interviewers. Hier erläutert sie die jeweiligen Summen, die sie wegen gesundheitlicher Schwierigkeiten der Kinder zu bezahlen haben. Ihre Absicht scheint es zu sein, die finanziellen Schwierigkeiten am Beispiel der gesundheitlichen Probleme zu konkretisieren.
74.36.M. Und das sag’ste mit jetzt erst so, erfreulich, ja, jetzt möchteste wohl gern, daß ich mich aufrege! Dem Tonfall nach handelt es sich hier um eine gespielte Überraschung, daß er jetzt erst von diesen neuen Unkosten erfährt. Halb ironisch fragt er sie, ob sie nun erwartet, daß er sich aufregt.
Die leicht ironische Bemerkung kann als Versuch einer Abschwächung der Realität betrachtet werden. Daß er ihr bewußt Geheimhaltung unterstellt, kann mit der Absicht geschehen, deutlich die Kompetenztrennung innerhalb der Beziehung herauszustellen.
Die anschließende Frage an sie, ob ihre Absicht, ihm diese Unkosten jetzt zu unterbreiten, damit begründet sei, ihn zu ärgern, legt diese Vermutung nahe. Denn er rückt damit diese Geldausgaben in das Licht eines Privatvergnügens der Frau.
Implizit gibt der männliche Partner eine für ihn geltende Beziehungsdefinition – sie ist für die Kinder und Familie, wie auch deren Gesundheit zuständig, er, kraß formuliert, die Kontrollinstanz.
75.32.F. Ja, und vorn paar Jahren hab’n die 700 Mark gekostet. Das wird ja wohl inzwischen 1000 Mark sein. Sie erklärt die Gründe für den hohen Preis dieser Zahnklammer. Seinen ironischen Einwand scheint sie doch erwidern zu wollen, indem sie diese Begründung für die hohe Summe nennt. Sie hält seinen kurzen Einwand doch für so relevant, um darauf einzugehen. Damit akzeptiert sie seine Situations- wie auch Beziehungsdefinition.
76.37.M. Ja, is’ mit Mehrwertsteuer und Datum und was da alles zugerechnet wird. Ergänzend führt er die zusätzlich zu bezahlenden Beträge an, die die Rechnung dann so hoch werden lassen. Er möchte hierzu offensichtlich auch etwas sagen, um seine Kompetenz bezüglich der Geldangelegenheiten zu demonstrieren. Er modifiziert mit seiner Äußerung die vorher getroffene Beziehungsdefinition, denn nun äußert er sich doch, obgleich er der Frau die Aufgabe zugeteilt hat.
77.33.F. Und sowas kann man ja noch nicht einmal von der Lohnsteuer absetzen, fällt alles unter Kinderfreibetrag. Ja, man hat jedesmal andere Probleme. Einmal der, einmal der ... Sie beklagt sich über die schlechten steuerlichen Regelungen, die ein Absetzen dieser zusätzlichen Beträge verhindern. Sie betont, daß es eigentlich immer diese Schwierigkeiten gibt, denn bei mehreren Kindern ist immer irgendeiner da, der höheren finanziellen Aufwand verursacht. Ihr liegt sehr viel daran darzulegen, wie schlecht die finanzielle Situation der Familie ist. Denn nicht einmal steuerliche Vergünstigungen werden ihnen gewährt. Mit dem Hinweis, daß es immer derartige Probleme gibt, möchte sie die Allgegenwart der finanziellen Schwierigkeiten demonstrieren. Sie akzentuiert die objektiven Gegebenheiten bedingt durch die finanzielle Notlage. Durch den Hinweis auf die ständige Gegenwart solcher Probleme definiert sie die ökonomische Situation der Familie als latent problematisch, ohne eine Lösung vorschlagen zu können. Erklärungsmuster ist, wie schon einmal bei dem männlichen Partner zu beobachten war, die schlechte staatliche Versorgung. Sie problematisiert hier die staatliche Subventionspolitik und macht diese mangelnde Unterstützung mit verantwortlich für die als relevant bezeichneten Probleme ihrer Familie.
78.38.M. Ja, und das ist bei uns zu Hause so: Mit den Problemen muß meine Frau fertig werden. Hier wird die Aufgabentrennung innerhalb des Ehesystems angesprochen. Die Frau muß mit den finanziellen Problemen fertig werden. Es scheint, als wolle der Mann ganz explizit die in der Ehe praktizierte Rollentrennung betonen, um damit seine geringen Beiträge zu diesem Thema zu erklären. Er definiert erneut die Situation als einer Erklärung für seine geringen Beiträge zu diesem Thema bedürftig. Der Akzent liegt auf der Gesetzmäßigkeit, der die Kompetenz untergeordnet sind. Damit definiert er die gemeinsame Beziehung dahingehend, daß sie für die finanziellen Angelegenheiten zuständig ist.
79.34.F. Ja, ja – (schleppender Tonfall) Sie bestätigt ihn, allerdings ohne große Begeisterung. Drückt ihre Zustimmung aus, bedeutet, aber durch den Tonfall und wie sie das
ja
sagt, daß diese Aufgabe von ihr als Belastung empfunden wird.
Mit Vorbehalten, die sie nicht weiter ausführt, akzeptiert sie seine Beziehungsdefinition, so daß unklar bleibt, in wiefern sie Vorbehalte aufrecht erhält. Möglicherweise problematisiert sie seinen Geltungsanspruch, die Beziehung in der Form zu definieren.
80.38.M. Ich schleppe die dicken Kohlen ran, dat schicket! Ja, noch irgendwelche Probleme? Tja, sag’ doch mal irgendwas! Ich meine, das geht ja normalerweise, was uns jetzt erwartet, geht ja keinen was an, ne? Aber trotzdem, uns erwischt es jetzt derbe in punkto Geld. Die Oma ist voriges Jahr gestorben, der Opa möchte gern, daß die ganze Erbangelegenheit sofort erledigt wird, ...
Er weist auf die innerhalb der Familie praktizierten und geltenden Kompetenzzuweisungen hin und bezeichnet sich als für die ökonomische Sicherung der Familie verantwortlich.
Dann fragt er seine Frau, ob ihr noch irgendwelche Probleme einfallen und bittet sie, sich doch auch am Gespräch zu beteiligen. Dennoch führt er das Gespräch mit der Bemerkung weiter, daß die folgenden Ausführungen eigentlich die Privatsphäre betreffen und deshalb niemanden etwas angingen. Trotzdem schildert er nun die aktuellen Probleme, die durch eine Erbangelegenheit entstehen und bezeichnet diese als sehr gravierend.
Nach ihrer wenig enthusiastischen Bestätigung liegt ihm offensichtlich daran, wieder über seinen Kompetenzbereich zu sprechen. Daß er hier das Thema abbricht, deutet darauf hin, daß er nicht weiter über diesen Kompetenzbereich sprechen möchte. Wir können annehmen, daß er eine weitere diesbezügliche Diskussion ablehnt, weil sie zwangsläufig zu den Bedingungen führen würde.
Die Frage nach weiteren erwähnenswerten Problemen signalisiert eindeutig seinen Wunsch, nun das Kompetenz-Thema zu beenden.
Welche Intentionen der Aufforderung an sie, doch endlich auch etwas zu sagen, zugrundeliegt, ist noch nicht eindeutig.
  • a)
    Es ist möglich, daß er das Gefühl hat, zu stark das Gespräch zu dominieren und er deshalb der Frau auch die Möglichkeit geben möchte, sich zu äussern, evtl. über einen Problembereich, der sie stärker betrifft, als die bislang angeschnittenen Themen.
  • b)
    Es kann aber auch sein, daß diese Aufforderung nur formalen Charakter hat, also nur demonstrieren will, daß er sie als Gesprächspartner nicht vergessen hat. Dies scheint deshalb plausibel, betrachtet man die geradezu pausenlos anschliessenden Ausführungen zu den anstehenden Erbgeschichten.
Dies kann bedeuten, daß er die für ihn bedeutsamen Themen erörtern möchte und sie sich diesen Relevanzkriterien unterzuordnen hat, wenn sie an dem Gespräch teilnehmen möchte.
  • c)
    Die Aufforderung an sie kann aber auch als
    negative Aufforderung
    verstanden werden, und zwar insofern, als sie faktisch ja bereits einiges zu dem Gespräch beigetragen hat, er jedoch dies nicht anerkennen kann und mit seiner Aufforderung so tut, als habe sie noch nichts gesagt. Dies würde bedeuten, daß er die Realität der Situation leugnet. Wenn dies zutrifft, was wir an anderer Stelle weiter überprüfen werden, so kann man dann von interpersoneller Taktik sprechen.
Er definiert sich als der Ernährer der Familie, befürchtet dann, daß diese Selbstdefinition in Frage gestellt wird und lenkt deshalb von diesem Thema ab. Damit unterstellt er der Frau eine andere Beziehungsdefinition als die, die er selbst vornimmt. Gleichgültig, welche der möglichen Ausdrucksintentionen wir wählen, in jedem Falle zeigt seine Aufforderung an sie eine Unsicherheit in der Situations- und Beziehungsdefinition, die sich jedoch sofort verliert, als er über die finanziellen Probleme durch die Erbangelegenheit spricht.
Denn hier sind wieder eindeutige Relevanzkriterien, Probleme, die einer Lösung bedürfen und Problemlösungen, die ins Auge gefaßt werden können. Hier ist auch klar definiert, wie der Partner zu diesen Problemen steht und welche Handlungsmöglichkeiten vorgeschlagen werden können.
Implizit reflektiert er die Erwartung der Frau an ihn und damit ihre abweichende Beziehungsdefinition. Er gibt ihr jedoch nicht die Möglichkeit, ihre Definition darzulegen.
|A 335|
2.3 Analyse der Ehepartnerbeziehung
[V44:883] In der vorangegangenen Interpretation haben wir uns auf das von den Ehepartnern als beherrschend erlebte Problem, nämlich das der ökonomischen Sicherung der Familie konzentriert. In der nun folgenden Analyse der Ehepartnerbeziehung werden wir vorgehen, wie in Fall A. bereits dargelegt (vgl. Fall A.2.4): Wir werden von den Problemdefinitionen ausgehen, die wir durch die Paraphrasierung als solche identifiziert haben und werden versuchen, die Interaktionssequenzen, in denen die Probleme thematisiert werden, unter dem Aspekt der wechselseitigen Beeinflussung der Inhalte und der sich präsentierenden Partnerbeziehung zu analysieren.
[V44:884] In der exemplarisch ausgeführten Interaktionsanalyse der Sequenz, in der die finanziellen Schwierigkeiten der Familie im Vordergrund stehen, konnten wir bereits einige bedeutsame Beobachtungen machen, die wir kurz anführen wollen. Das strukturierende Thema trat immer dann besonders in den Vordergrund, wenn die Sprache auf die interpersonelle Beziehung der Ehepartner kam. Dies kann bedeuten, daß die Definition der zu lösenden Probleme im instrumentellen Bereich (Umgang mit Dingen) die Form der Beziehungsdefinition bestimmt. Das Problem
Sicherung der äußeren Organisation der Familie
wäre dann das Medium, in dem sich die innerfamiliäre Beziehung als relativ konfliktfrei darstellen kann, und zwar ohne daß die Beziehung selbst zum Gegenstand gemacht werden
. Um dieser Vermutung nachzugehen, interpretieren wir im folgenden die Interaktionssequenz, mit der die Ehepartner die Biographie-Diskussion eröffnen und bei dieser Gelegenheit, wie uns scheint, explizit ein auf der Beziehungsebene anzusiedelndes Thema erörtert wird.
[V44:885] Nach der Einleitung durch den Interviewer nimmt zunächst der Mann das Wort, versucht indessen, sich nur zögernd an das Thema heranzutasten, das er offenbar als außerordentlich komplex wahrnimmt (
... hätte man ein Drehbuch schreiben müssen ...
) und entschließt sich dann, mit der
Warum
-Frage nach der Heirat zu beginnen.
[V44:886] Sogleich ergibt sich eine ambivalente und schwer zu interpretie|A 336|rende Situation: Nicht nur für den Interpreten, sondern auch für die Ehepartner erscheint die Situation mehrdeutig; die Wiederholung der
Warum
-Frage durch die Frau ist offenbar keine Bekräftigung, sondern eine zögernd geäußerte Warnung davor, das Thema in dieser Weise zu eröffnen oder vielleicht sogar zu behandeln; daß sie ihn getreten hat, bekräftigt die
Warnung
, die er auch genau in diesem Sinne akzeptiert! Der Mann formuliert das Thema also neu, drängt die
Warum
-Frage wieder in den Hintergrund. Oder – anders ausgedrückt – er revidiert die von ihm zunächst vorgenommene Situationsdefinition (
.. warum ich geheiratet habe ..
) zugunsten einer offenen Situationsstruktur, in der die Frau die Führung übernehmen kann (
.. nun sag was!
); gleichzeitig aber behält er die dominante Position, denn er ist es ja, der die Frau nun auffordert, sich zu äußern. Auf jeden Fall aber ist zunächst einmal – und das ist für die Interpretation der Ehe-Beziehung im ganzen wichtig – die offenbar affektiv stark besetzte
Warum
– Frage, mit der den außenstehenden Interviewern ein Stück familiären Intimraums preisgegeben worden wäre, vom Tisch. Man kann nun – und das ist für den Mann offensichtlich sehr entlastend – sich den gleichsam äußeren Daten der Familiengeschichte zuwenden, ohne affektiv ambivalente Beziehungsprobleme ansprechen zu müssen. Aber so leicht geht das nicht: Zwar gibt der Mann nun eine pointierte Darstellung vom Beginn der gemeinsamen Biographie, in der mit Nachdruck die materielle,
äußere
Komponente hervorgehoben und die affektive Beziehungsdimension verleugnet wird; die Frau jedoch – obwohl die
Warum
-Frage ihr zunächst zu weit zu gehen schien – thematisiert den Beziehungsaspekt durch den Hinweis darauf, daß sie sich ja schon seit der Kindheit kennen. Die
Arbeitsteilung
in dieser Familie wird nun ganz deutlich: Der Mann erklärt sich indirekt für diese Thematik als inkompetent, er kann sich nicht erinnern. Dieser thematischen Kompetenzverteilung begegnet man bei dieser Familie immer wieder, und zwar gleichviel, um welches Thema die Unterhaltung kreist: Die Versuche der Frau, Beziehungsprobleme in das Gespräch einzubringen, sind zwar immer zögernd, aber doch deutlich erkennbar; ebenso deutlich, wenngleich in der interpersonellen Taktik wesentlich entschiedener, versucht der Mann solche Problematisierungen abzukürzen und sich auf die |A 337|Probleme der äußeren Organisation der Familie zu beschränken. Die Unterscheidung von expressiver und instrumenteller Rolle innerhalb des Familien-Systems wird hier mindestens plausibel. Zugleich läßt sich vermuten, daß mit der Beziehungsthematik ein Konfliktbereich angesprochen würde, den zu handhaben dem Manne schwerfällt; auf der Ebene der äußeren Organisation bleibt die Ehe-Solidarität – wenigstens gegenüber Außenstehenden – gesichert, im Beziehungsbereich könnte sie womöglich gefährdet erscheinen. Darüber hinaus zeigt diese kurze Szene auch, wie die Partner wechselseitig mit den Situations- und Beziehungsdefinitionen umgehen und welche Mittel sie während der Interaktion benutzen: In Situationen, die nur vage eingegrenzt und bestimmbar sind, weisen sie sich gegenseitig die Positionen zu, ohne daß einer der Partner offen den Anspruch nach Durchsetzung seiner Position vertritt. Dies legt die Vermutung nahe, daß sie sich solidarisch gegen Unbekanntes und Unstrukturiertes verhalten. Ganz im Gegensatz hierzu steht das Ringen um das Recht auf eigene Situationsdefinition bei Gegenständen, die eher auf der gemeinsamen Beziehungsebene liegen, wie etwa hier die beiden Versionen des Kennenlernens. Bei diesem Beispiel versuchen zunächst beide ihre Sicht von
relevanten
Problemen durchzusetzen, um dann die Auseinandersetzung durch das Einführen eines neuen Gesprächsgegenstandes zu beenden, ohne im Hinblick auf die Beziehungsproblematik weiter zu diskutieren.
[V44:887] Wie schon festgestellt, handelt es sich bei der
äußeren
Sicherung
der Familie um ein Problem, das als so relevant erlebt wird, daß es relativ häufig im Verlauf des Gesprächs auftritt. Wir wollen einige der signifikanten Interaktionssequenzen aus dem Gespräch herausgreifen, in denen dieses Problem ausdrücklich thematisiert wird.
[V44:888] Betrachten wir die Darstellung der gemeinsamen Vergangenheit, so fällt der relativ hohe Anteil an langen und von der Frau inhaltlich strukturierten Statements auf. Sie spricht über die Berufstätigkeit, die sie bis zur Geburt des zweiten Kindes beibehielt; von den finanziellen Nöten, die dadurch entstanden; von der Abbezahlungssumme der Wohnung und von den Entbehrungen, die sie deshalb auf sich nehmen mußten. Auch die Wiederaufnahme der Berufs|A 338|tätigkeit nennt sie in diesem Kontext. Seine Ergänzungen beziehen sich auf einfache Weiterführung ihrer Statements, was ein hohes Maß an Übereinstimmung ausdrückt. Auch der Inhalt der Darstellung läßt die Solidarität erkennen, mit deren Hilfe die damaligen Situationen überwunden werden konnten.
Großanschaffungen und so, das konnten wir nicht; und dann hab ich wieder angefangen ... zu arbeiten
, und er darauf:
Wo der finanzielle Notstand ausgebrochen war ...
(vgl. 28.17 F, f.).
[V44:889] Das von den Ehepartnern entworfene Selbstbild entspricht den an sie gestellten Erwartungen und Verpflichtungen, gemeinsam die problematische Situation zu bewältigen. So bedeutet es für den Mann keine Diskriminierung, daß er damals weniger verdiente als sie und ihr dadurch
... dabei geholfen
hat, den Unterhalt zu sichern. Es ensteht der Eindruck, als handeln die Ehepartner in Krisensituationen solidarisch. Solange also die materielle Sicherung der Familie das beherrschende
Sozialproblem
ist, erfüllt es eine Stützfunktion für die gemeinsame Beziehungen; die geltenden Beziehungsdefinitionen werden nicht in Frage gestellt.
[V44:890] Ein weiteres Beispiel, in dem dieser Themenkomplex im Vordergrund steht, ist das Gespräch der Ehepartner über mögliches Erziehungsverhalten in Situationen, in denen eins der Kinder Geld stiehlt. Vergleicht man die übrigen Diskussionen zum Erziehungsverhalten mit dieser Situation, so fällt auf, daß hier außerordentlich intensiv Beziehungsprobleme ausgehandelt werden (vgl. Protokoll 193 ff.).
[V44:891] Bedeutsam scheint zu Beginn dieser Interaktionssequenz die vom Manne an die Frau gerichtete Frage:
... was würdest du jetzt machen, wenn deine Töchter klauen?
Ich hab ja nie was drinne!
Zum einen verzichtet er sich durch den persönlichen Appell an sie, durch die Betonung
ihrer
Kinder, von dem Erziehungsbereich zu distanzieren und bestimmt den Aufgabenbereich
Erziehung
als den ihren. Zum anderen jedoch nimmt er diese Zuweisung teilweise wieder durch den Nachsatz, daß er ja nie Geld bei sich habe, zurück; inhaltlicher Begründungsversuch und Beziehungsdefinition verschränken sich. Die Frau aber bleibt dabei, daß es sich hier um |A 339|ein gemeinsam zu lösendes Problem handelt und erwartet seine Stellungnahme. Dieser direkten Aufforderung vermag er sich nun nicht mehr zu entziehen; er antwortet kurz und zugleich wenig präzise:
... Kurzform
. Diese bündige und doch vieldeutige Antwort zeigt, daß offenbar im konkreten Fall keine abwägende Reflexion sein Handeln bestimmt. Sie zeigt aber auch an, daß er in der augenblicklichen Situation nicht sicher ist, ob diese Antwort von den übrigen Gesprächsteilnehmern gebilligt wird. Aus der Menge der verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten greift die Frau
Bestrafen
heraus und bezeichnet diese Art der Reaktion als wenig sinnvoll, denn vor einem derartigen Eingreifen sollte festgestellt werden, was das Kind zum Stehlen motiviert hat.
[V44:892] Um diese beiden unterschiedlichen Positionen rankt sich die folgende Auseinandersetzung. Es werden keine neuen Informationen gegeben, beide Partner bestehen auf ihrer Meinung und damit auf dem Anspruch, die superiore Position zu erringen. Schließlich, nachdem keine Einigung erzielt wird, versucht der Mann die Auflösung des Dilemmas durch den Einsatz einer recht starken interpersonellen Taktik zu erreichen:
... Da stellst du dich aber ganz schön bloß ...
ist auf der Beziehungsebene nahezu eine Entwertung. Der Verweis:
Na, dann erzieh doch deine Töchter selbst, Mensch! ...
bekräftigt das noch einmal und schließt an seine Initialfrage zu Beginn dieser Sequenz an; strikte Rollentrennung scheint die einfachste Form, mit Beziehungsproblemen fertigzuwerden. Damit läßt er den Anspruch nach gemeinsamer Lösung dieser Erziehungsfrage fallen, den sie zu Beginn dieser Sequenz gestellt hat. Dieser Schachzug, ihr alle diesbezüglichen Kompetenzen zuzuschieben, muß nicht unbedingt heißen, daß er ihr tatsächlich Handlungsfreiheit läßt. In dieser Situation bedeutet es eher, einen Punkt hinter das Tauziehen um die richtige Definition der Beziehung zu den Kindern und um eine flexible Definition der Beziehung zwischen den Eheleuten zu setzen.
[V44:893] Er hat – scheinbar – die superiore Position errungen: Sie muß entscheiden, ob sie die Zuweisung annimmt oder den
Kampf
weiterführt. Sie führt ihn weiter, und zwar dadurch, daß sie auf Proble|A 340|matisierung des Sachverhalts besteht:
... aus Jux und Dollerei klauen se nun ja bestimmt nicht! ...
Ihre Meinung ins Lächerliche ziehend, wiederholt er ihre Antwort und setzt leicht ironisch noch die Frage hinzu:
... warum klaut ’n Kind schon?
– als gäbe es hierüber nun wirklich keine sinnvollen Erörterungen. Diese Hartnäckigkeit erregt offensichtlich allmählich Unbehagen bei der Frau, so daß sie zurückfragt:
Ja, warum wohl?
und ihm damit beweist, wie wenig reflektiert seine Frage ist. Sie möchte die Problematisierung weitertreiben, vor allem aber erreichen, daß auch er sich an dem Versuch beteiligt, die Beziehung
reziproker
zu strukturieren. Sie hat auch Erfolg, denn er nimmt genau die Aufforderung an und antwortet:
Weil se Kaugummi kaufen wollen.
[V44:894] Wir wollen unsere Annahmen zur Interaktions-Struktur noch an einer weiteren Sequenz überprüfen, und zwar am Beispiel der Erörterung eines denkbaren Lehrer-Kind-Eltern-Konfliktes (vgl. Protokoll 233. ff.). Auf der Inhaltsebene gibt es offenbar zwischen beiden Eheleuten keinen Dissens, beide schlagen im Grundsatz die gleiche Lösung vor. Allerdings weichen die Begründungen voneinander ab. Während die Mutter ihr abwägendes Verhalten (
... den Lehrer fragen ...
,
... mir vom Kind erzählen lassen ...
) mit der pädagogischen Notwendigkeit begründet, Motive und Anlässe für Verhalten zu kennen (wir können hier durchaus ihre Äußerungen zum Diebstahl-Problem zur Interpretation mitverwenden), begründet der Vater seine Zurückhaltung mit äußerem Zwang; er in seiner sozialen Lage (
... wir sind keine bessergestellten Leute ...
) könne sich einen Konflikt mit der Schule nicht leisten. Das Stichwort für diese Begründung hat ihm allerdings seine Frau schon gegeben:
Man kann sich ja auch die Lehrer nicht zu sehr verärgern, ne?
[V44:895] Daß die Übereinstimmung in der Konfliktlösungs-Strategie jedoch nur
äußerlich
ist und keine Übereinstimmung der Erziehungseinstellung bedeutet, geht aus dem Schluß dieser Sequenz hervor. Was in den vorangegangenen Statements schon als Differenz der Begründung deutlich wurde, stellt nun der Vater noch einmal deutlich heraus:
... du vertrittst ’n bürgerlichen Standpunkt ...
. Wir kennen freilich nicht das
semantische Differential
, das sich |A 341|hier mit der Verwendung des Ausdrucks
bürgerlich
verbindet. Die Bedeutung dieser Bemerkung dürfen wir aber vielleicht doch so interpretieren, daß damit gerade jene, in sozial höheren Positionen eher wahrscheinliche Aufmerksamkeit für die affektive Dimension personeller Beziehungen gemeint ist, ein Thema, für das nach der in dieser Ehe geltenden Rollenzuschreibung eben die Frau vornehmlich kompetent ist. Er dagegen bevorzugt institutionell eindeutige Lösungen, d.h. also auch Handlungslegitimationen, die auf die Bedingungen des
äußeren Systems
zurückgreifen, der sozioökonomischen Situation angemessen sind.
[V44:896] Daß daraus kein gravierender Konflikt für die Familie entsteht, liegt augenscheinlich daran, daß auch die Frau dies als die
Grundregel
der familialen Kommunikation akzeptiert, die Differenzen also wohl die interpersonellen Taktiken mit Ehemann und Kindern betreffen, nicht aber die Strategie des kommunikativen Handelns. Diese
Grundregel
hat aber vermutlich noch eine andere Funktion. In den letzten Untersuchungsschritten versuchten wir den Zusammenhang zwischen dem von den Ehepartnern als bedeutsam erlebten und als problematisch definierten Thema der äußeren Sicherung der Familie und dem innerfamiliären Beziehungssystem herzustellen. Es hat sich gezeigt, daß dieses, auf
instrumenteller
Ebene liegende Problem in starkem Maße den interpersonellen Umgang der Ehepartner bestimmt; das gilt u.E. auch insofern, als dieses Problem als Schutzfunktion vor eine Thematisierung der Beziehungen treten kann: Beziehungs-Probleme brauchen so lange nicht thematisiert zu werden, wie die Auseinandersetzung mit
äußeren
Problemen existiert. Es zeigt sich deutlich, wie die Partner – überspitzt formuliert – alles daransetzen, um dieses Problem allgegenwärtig zu bewahren. Bei Beginn der Eheschließung war es die Abzahlung der Wohnung, danach war es die schlechte berufliche Situation des Mannes, die eine Mitarbeit der Frau, trotz der Kinder, aus finanziellen Gründen notwendig machte, dann die Beendigung ihrer Berufstätigkeit, der Wiederbeginn aufgrund finanzieller Sorgen, die ständigen Unkosten durch Krankheiten der Kinder, und nun die Erbangelegenheit, die weitere hohe Summen abverlangt. Unbestritten bleibt, daß die genannten Faktoren tatsächlich große Belastungen für die Familie |A 342|darstellten. Daß aber trotz des Doppelverdienstes – das Gesamteinkommen der Familie übersteigt durchaus den üblichen Durchschnitt anderer Familien dieses Stratums – diesem Bereich eine derartige Bedeutung beigemessen wird, bestätigt die oben genannte Vermutung. Es drängt sich geradezu die Frage auf, warum die Partnerbeziehung eines derartigen Schutzwalles bedarf, d.h., warum eine Thematisierung des Beziehungsbereiches als Bedrohung definiert wird. Zunächst erlaubt die gemeinsam als problematisch definierte Situation eine Solidarisierung innerhalb des Familiensystems und gegenüber der Außenwelt, und hier sei betont, daß die gesamte Familie, als Intimraum verstanden, mit einbezogen ist.
[V44:897] Wir können dies aus Ausführungen über familieninterne Konfliktbewältigung im Falle einer notwendigen Sanktion der Kinder schließen.
[V44:898] Fällt diese Betonung der sonst gegenwärtigen Problemdefinition durch eine andere gelagerte Strukturierung des Gesprächs weg, so konzentriert sich die Kommunikation eher auf die Beziehungsebene und erzeugt nun eine eher ambivalente Interaktions-Struktur (wir konnten dies sehr deutlich an den unterschiedlich strukturierten Gesprächsteilen beobachten). Entsprechend verlagert sich die Beteiligung der Partner am Gespräch. War zunächst der Mann stark strukturierend, als es um die Darstellung der Entwicklung der Familie und der seiner Ansicht nach zugehörigen Fragen ging, so trat im Erziehungsteil die Frau in den Vordergrund des Gesprächs. Die Struktur der Ehepartnerbeziehung, soweit aus dem vorliegenden Material und der Interaktionsanalyse ersichtlich, ist durch eine strikte Kompetenz- und Rollentrennung gekennzeichnet, die trotz Berufstätigkeit der Frau aufrechterhalten bleibt. Sie hat vor allem die Funktion der Haushaltsführung und Kindererziehung inne, während dem Vater primär die Aufgabe der Sicherung des Lebensunterhalts zukommt. Im interpersonellen Umgang allerdings läßt sich diese Trennung nicht so klar durchführen, denn hier werden zwar formal dem jeweiligen Partner diese Funktionen zugesprochen, inhaltlich jedoch wieder verworfen, da sie gleichzeitig, vor allem für den männlichen Partner, ein Verzicht auf Durchsetzung seiner Bewertungs- und Bedeutungsmaßstäbe bedeuten würde.
|A 343|

3. Kommunikationscharakteristik

[V44:899] Wir gehen in unserer Darstellung von den Ergebnissen der Gesamtuntersuchung aus, um sie mit den Mittelwerten des vorliegenden Falles zu vergleichen.
[V44:900] Zunächst eine tabellarische Übersicht der Mittelwerte:
Mittelwerte Unteres Stratum Frau berufstätig
Fb. DD. Fb. DD.
Komplexität 1,8 1,8 2,1 2,4
Reziprozität 1,6 1,6 1,9 1,8
Dominanz (V. 1,4 1,6 1,3 2,0
Konfliktgehalt 1,0 1,4 1,3 1,5
Problematisierung 0,9 1,2 1,2 1,6
Die Kommunikationsvariable
Komplexität
, die vor allem die Vielfalt der inhaltlichen wie formalen Elemente einer Interaktion beinhaltet, übersteigt im familienbiographischen strukturierten Interviewteil nicht wesentlich die Mittelwerte der hier zuzurechnenden Population; dagegen zeigt sich im Gespräch über die Erziehung der Kinder ein erheblicher Unterschied zu den Durchschnittswerten. Die quantitative Ausprägung der Dimension
Reziprozität
, in der das Ausmaß des verstehenden Eingehens auf die Interaktionsakte der Partners festgehalten wurde, unterscheidet sich ebenfalls nur geringfügig von den Mittelwerten der entsprechenden Gruppe; die unterschiedliche Interviewsituation hat kaum Auswirkung auf die Ausprägung dieser Dimension. Die Verteilung von Einflußchancen eines Interaktionspartners in der Bestimmung des weiteren kommunikativen Ablaufs, die Dimension
Dominanz
, liegt im familienbiographisch strukturierten Gesprächsteil etwas unterhalb der |A 344|Mittelwerte, steigt allerdings im Erziehungsteil an, so daß die Vater-Dominanz im Vergleich zur entsprechenden Population erheblich höher liegt. Die Variable
Konfliktgehalt
, in der das Auftreten von aktuellem Dissens in familialen Kommunikationssituationen erfaßt wurde, übersteigt ebenfalls die Werte der zugehörigen Gruppe, und zwar im familiengeschichtlichen Gesprächsteil noch signifikanter als im Erziehungsgespräch. Ebenso abweichend höher von den Mittelwerten ist die Dimension
Problematisierung
, die die Erörterung von Sinn und Bedeutung bestimmter Handlungsnormen und Regeln familialer Interaktion beinhaltet. Hier liegen vor allem im Dissensteil die Werte wesentlich höher als bei dem entsprechenden Durchschnitt. Doch beinhalten die Daten nur wenig von den Informationen, die uns hier interessieren. Wir werden deshalb im folgenden versuchen, unter Verwendung dieser Daten und der Ergebnisse der Interaktionsanalyse eine Beschreibung der familialen Kommunikationsstruktur mit Bezug auf die inhaltliche Struktur vorzunehmen.
[V44:901] Bisher definierten wir den Begriff
Kommunikationsstruktur
lediglich nach formalen Kriterien, d.h. nach der Höhe der Ausprägung der einzelnen Dimensionen. Unbeachtet blieb der Zusammenhang, der zwischen der Höhe der Ausprägung und dem jeweils thematisierten Inhalt besteht. Diesen Zusammenhang wollen wir im folgenden herstellen. Wie bereits bei Fall A dargelegt, werden wir nicht die gesamte sprachliche Interaktion gemäß den genannten Kriterien untersuchen, sondern uns auf die Interaktionssequenzen beschränken, in denen unserer Ansicht nach der Zusammenhang zwischen der formalen Ausprägung der Kommunikationsdimension und den zur Sprache gebrachten Inhalten anschaulich gemacht werden kann.
3.1 Komplexität
[V44:902] Betrachten wir die gesamte Kommunikation der Ehepartner unter dem Aspekt der Komplexität der formalen wie inhaltlichen Elemente einer Interaktion, so zeigt sich die auffallende Tendenz zu reichhaltiger inhaltlicher Diskussion wie auch vielfältiger kommunikativer Akte wie etwa Behauptungen, Fragen, Rechtfertigungen, Empfehlungen und Deutungen. In dem Interviewteil, in dem vor allem Er|A 345|ziehungsfragen besprochen werden, verstärkt sich sogar diese Tendenz, so daß sich die Familie erheblich von denen der vergleichbaren Gruppe zuzurechnenden unterscheidet. Wie die Interaktion im einzelnen inhaltlich verläuft, geht aus den Protokoll-Auszügen hervor. Es kamen deutlich die Vielfalt der Themen und die Vielfalt der Aspekte eines Themas zum Ausdruck; um nur ein Beispiel aus dem biographisch strukturierten Gesprächsteil herauszugreifen: die Schwierigkeiten der Familie, die sie zu Beginn ihrer gemeinsamen Gründung (vgl. 27.12.F. bis 49.24.M.) zu bewältigen hatte. Hier werden sämtliche beeinträchtigenden Momente angeführt: die schlechte Wohnsituation, die finanziellen Probleme, die Berufstätigkeit der Frau, die Geburt des ersten, dann des zweiten Kindes, die Beendigung der Berufstätigkeit, der Wiederbeginn aufgrund der finanziellen Zwangslage, die Arbeitsplatzsituation des Mannes, seine Umschulung und Stellenwechsel, und dann schließlich die ausführliche Schilderung seines beruflichen Werdegangs. In recht kurzer Zeit – etwa 4 Min. – werden alle diese Themen angesprochen und in ihren verschiedenen Dimensionen beleuchtet.
[V44:903] Die Vielfalt der kommunikativen Akte – wie etwa Behauptungen, Empfehlungen und Anweisungen, Fragen und Rechtfertigungen – sind während des Gesamtgesprächs unterschiedlich verteilt. Im Erziehungsgespräch (vgl. Protokoll 193.93.M. bis 231.112.M.), wo die verschiedenen Verhaltensweisen bei einem Gelddiebstahl eines der Kinder thematisiert werden, sind sämtliche genannten Indikatoren repräsentiert. Beide Partner stellen ihre Behauptung auf, wie man sich in dieser Situation zu verhalten habe, sie erteilen Empfehlungen an den anderen dergestalt, daß dieser das Thema beenden soll, wie:
... Es geht ja darum, daß es (das Geld klauen) nicht gemacht wird, fertig! Na, dann erzieh du doch deine Kinder selbst, Mensch! ...
Sie stellen Fragen an den Partner wie auch an die anwesenden Interviewer, sie rechtfertigen ihre Meinung durch Begründung und deuten bestimmte Verhaltensweisen der Kinder im Kontext von deren sozialer Erfahrung.
[V44:904] Im familienbiographischen Gesprächsteil finden wir dagegen nicht sämtliche kommunikativen Akte, die der Indikator
Vielfalt der kommunikativen Akte
beinhaltet. Die Ursache dafür könnte die starke |A 346|Solidarität der Ehepartner sein, die ein Erteilen von Anweisungen und Verboten, ein Fragen und Rechtfertigen unnötig erscheinen läßt. Denn im Vordergrund steht ja hier die gemeinsame Aufgabe, die Geschichte der Familie so zu erzählen, daß ein möglichst positives Bild entworfen wird.
3.2 Reziprozität
[V44:905] Die Kommunikationsdimension
Reziprozität
, die das Ausmaß des verstehenden Eingehens des einen Partners auf die Interaktionsakte des anderen beinhaltet, variiert während der Interaktion sowohl im biographischen Teil wie auch in dem Erziehungsgespräch sehr stark. So gibt es Gesprächseinheiten, in denen diese Dimension stark ausgeprägt ist, neben solchen, in denen Reziprozität kaum zu beobachten war. Die Unterschiedlichkeit in der Ausprägung dieser Dimension scheint in Zusammenhang mit den jeweils thematisierten Inhalten zu stehen, denn in den Gesprächssequenzen, in denen z.B. die finanziellen Probleme der Familie, in Vergangenheit und Gegenwart, zum Gegenstand gemacht werden, zeigt sich ein auffallend hohes Maß an verstehendem Eingehen auf die Interaktionsakte des Partners. Das zeigt sich insbesondere dort, wo die Eheleute eine Erbangelegenheit und deren Bedeutung für die Familie erörtern, die Beziehung zu den Eltern bzw. Großeltern und Einzelheiten aus der
Vorgeschichte
des Mannes. In dieser Gesprächseinheit sind sämtliche Indikatoren der Dimension repräsentiert. Die Ehepartner kommentieren immer wieder die kommunikativen Akte von
Alter
(z.B. als der männliche Partner über seine Beziehung zu den Großeltern spricht:
... naja, und dann wurden die Beziehungen immer besser und scheint jetzt Wiedergutmachung
, worauf sie erwidert:
Naja, der Oppa hat dir gegenüber Schuldgefühle, er meint, er muß wieder einiges gutmachen, was er damals versäumt hat.
). Auch die Fortführung des Themas von Alter im Kontext der Statements von Alter ist an dieser Stelle zu beobachten. Beide Ehepartner versuchen ein möglichst komplexes Bild der Erziehung darzulegen; von dieser Intention abgesehen, entsteht Reziprozität hier auch funktional: Auf der Basis der oben herausgestellten
Grundregel
eines basalen Einverständnisses, entsteht das Aufeinander-Eingehen durch das komplementäre Verhältnis zwischen instru|A 347|menteller (Mann) und expressiver (Frau) Kompetenz. Charakteristisch dafür ist, daß der Mann das erörterte Problem mit der Kategorie
Wiedergutmachung
, die Frau dagegen mit der Kategorie
Schuldgefühl
zu fassen sucht.
[V44:906] Ganz im Gegensatz zu der Ausprägung von Reziprozität in dieser Gesprächseinheit, die durch ein gemeinsam zu bewältigendes Problem inhaltlich strukturiert ist, steht die auf ein Minimum reduzierte Ausprägung in dem Gesprächsteil, in dem die Ehepartner über die Aufgabenteilung innerhalb der Familie sprechen (vgl. 162.78.M. bis 191.92.M.). Das verwundert zunächst, denn in der quantitativen Analyse hatte sich ergeben, daß unter den Kommunikations-Dimensionen die Reziprozität am ehesten als situationsabhängig bestimmt werden konnte. Im vorliegenden Fall aber zeigt sich gerade eine starke Situationsabhängigkeit. Im einzelnen Fällen also kann durchaus der Gegenstand, über den Verständigung zu erzielen ist, die Form der Interaktion gravierend beeinflussen. Jedenfalls müssen wir in diesem Fall wohl so interpretieren. Wie also könnte die niedrige Reziprozität erklärt werden? Es handelt sich offenbar um das Thema innerfamilialer Rollentrennung. Nun wissen wir über diese Familie, daß einerseits zwischen den Ehepartnern zwei
Grundregeln
gelten: Einerseits gilt, daß die Kompetenzen relativ deutlich voneinander geschieden sind, andererseits gilt aber auch, daß durch solche Kompetenztrennung bewirkte Ambivalenz der Aspekte eines Themas (z.B. der institutionelle Aspekt und der Beziehungsaspekt) zwar zugelassen ist, aber nicht bis zum Konflikt eskalieren darf. Je näher also ein Thema an Beziehungsprobleme heranrückt, um so
gefährlicher
wird reziprokes Verhalten, weil es – wenigstens der Möglichkeit nach – Beziehungskonflikte zum Vorschein bringen könnte, die den Grundkonsens in Frage stellen würden. So mag es sich erklären, daß bei der Erörterung von Erziehungsfragen, die es ja notwendigerweise auch mit affektiv-motivationalen Phänomenen zu tun haben, die Komplexität der Interaktion zwar stark, die Reziprozität aber vergleichsweise schwach ausgeprägt ist.
[V44:907] Diese Struktur bleibt auch bei den folgenden Erziehungsdiskussionen bestehen: Teilweise weigert sich der männliche Partner sogar ganz offen, sich weiter über Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich be|A 348|stimmter Erziehungsnormen und -einstellungen zu äußern. Er schneidet damit der Frau die Möglichkeit ab, auf inhaltlicher Ebene auf ihn einzugehen und durch Frage und Begründung einen Konsens auf gleichsam neuer Ebene erzielen zu können. Es scheint sich also hier um ein Muster von Vermeidungstaktiken zu handeln, das sich vor allem bei konfliktträchtigen Gesprächsinhalten zeigt und die Funktion hat, jene im biographischen Bericht beobachtete Solidarität außer Frage zu lassen.
3.3 Konfliktgehalt
[V44:908] Die Dimension
Konfliktgehalt
, die in dem vorliegenden Fall die Mittelwerte der zugehörigen Gruppe im biographischen Teil beträchtlich, im Dissensteil weniger ausgeprägt übersteigt, läßt sich vor allem durch die Indikatoren
Inkongruenz der verbalen Planung
und
Inkongruenz der Handlungsnormen
charakterisieren. Besonders im Dissensteil lassen sich diese Indikatoren nachweisen, was nicht überraschend ist, denn die Erziehungsfragen fordern beide Partner zu konkreter, spontaner Stellungnahme auf, die zunächst Konfliktpotential darstellt. Zur Illustration wählen wir die Interaktionssequenz aus, in der über die Angemessenheit körperlicher Strafen gesprochen wird (vgl. 248.120.M. bis 260.113.F.).
[V44:909] Die spontane Reaktion des Mannes:
Ohrfeige, flabumm
. ... Die Frau dagegen weist auf die verschiedenen Einflüsse, denen Kinder ausgesetzt sind, hin und lehnt eine starke Sanktion ab. Die Handhabung dieser spontan stark ausgeprägten Inkongruenz in der vorliegenden Situation haben wir bereits besprochen: Die Partner versuchen, dieses Inkongruenz in Richtung einer Übereinkunft zu verändern; die Differenz der Einstellung ist zwar deutlich, besonders die Frau scheint auch weniger Scheu vor einer konflikthaltigen Situation zu haben, sie schließt sich aber doch – und das trifft fast für das gesamte Protokoll zu – letzten Endes dem Konsensbemühen des Mannes an. Die Interaktion bleiben so nahezu kurz vor der Schwelle zu einem manifesten Konflikt. Daß diese Schwelle jedoch verschiedentlich
berührt
wird, zeigt sich an dem bisweilen als dramatisch zu bezeichnenden Kommunikationsablauf, wo sehr häufig die Partner durcheinandersprechen. Gerade in der Frage des Saktionsverhaltens |A 349|trifft diese Beobachtung zu. Beinahe jedes Statement endet in einem heftigen Durcheinandersprechen beider Partner.
[V44:910] Gänzlich davon unterschieden ist die Kommunikationssituation, in der die gemeinsame Geschichte dargestellt wird. Hier sind die genannten Indikatoren kaum ausgeprägt (vgl. Protokoll 86.42.M. bis 102.50.M.), denn hier steht die Gemeinsamkeit der
Vergangenheit
und die Lösung aktueller finanzieller Fragen im Vordergrund. Die Partner sind sich sowohl inhaltlich wie auch in der kommunikativen Auseinandersetzung sehr einig.
[V44:911] Wir konnten also auch bei dieser Dimension beobachten, wie unterschiedlich, je nach Gesprächsgegenstand, die Art der Kommunikation verläuft. Stehen aber materielle Probleme im Vordergrund, dann ist der Konfliktgehalt minimal; werden hingegen Erziehungsprobleme – Probleme der Beziehung zu den Kindern oder der affektiven Dimension zwischen den Ehepartnern – thematisiert, so wird der Konfliktgehalt größer.
3.4 Problematisierung
[V44:912] Diese Dimension, in der es um eine diskursive Erörterung von Sinn und Bedeutung bestimmter Handlungsnormen und Regeln familialer Kommunikation, Reflexion über Konflikte hinsichtlich des kommunikativen Verhaltens zwischen den Ehepartnern geht, ist gleichfalls entsprechend den unterschiedlichen Gesprächssituationen sowohl formal wie auch inhaltlich abweichend ausgeprägt. Im familienbiographisch strukturierten Gespräch gibt es kaum Anlässe zur Problematisierung, da ja auch der Konfliktgehalt durch den hohen Konsensus-Druck niedrig gehalten wird. Die kommunikative Situation ist deshalb eher durch Vermeidung von Problematisierung gekennzeichnet, insofern weicht unsere Analyse leicht von den Ergebnissen der quantitativen Analyse ab. Im Dissens-Teil allerdings, und hier stimmen wir mit den quantitativen Ergebnissen wieder überein, zeigt sich ein deutlicher Anstieg im Hinblick auf die Befragung von Handlungsnormen und Entgegensetzung von Behauptungen und Handlungsnormen. Bei der Erörterung von Erziehungsfragen (vgl. z.B. Protokoll 194 ff.) stellen die Gesprächspartner durchaus wechselseitig ihre Behauptungen und Begründungen in Frage; gerade dadurch bekommen diese Pro|A 350|tokoll-Teile ihre argumentative Dynamik. Es ist allerdings eine stark
gebremste
Dynamik, worauf schon im Zusammenhang mit der Darstellung des Konfliktgehaltes hingewiesen wurde: Die Problematisierung wird nie auf die Spitze getrieben, so daß ein offener Konflikt unausweichlich würde. Wie nahe dadurch bisweilen die Problematisierung an die Konfliktschwelle gerät, zeigt sich bei der Erörterung des vorgestellten
Diebstahl
-Falles: Als die Frau ihre Meinung zu der Frage, wie ein solcher Konflikt gelöst werden könnte, der des Mannes sehr deutlich entgegengesetzt und damit ein längeres problematisierendes Gespräch möglich gewesen wäre, bricht der Mann die Reflexion ab:
... Du stellst dich aber ganz schön bloß ... erzieh’ doch deine Töchter selber, Mensch! ...
(203.98.M.). Das ist eine eindeutige Drohung mit dem Abbruch der Beziehung, zwar nicht überhaupt, aber doch für einen relevanten Bereich des gemeinsamen Lebens. Es wird hier deutlich, daß zwar manifester Konflikt selten ist, ein starker potentieller Konfliktgehalt aber unter der Oberfläche des Konsensbemühens schwelt; zu starke Problematisierung könnte diesen Konfliktgehalt zum Ausbruch kommen lassen und die Übereinkunft in der Grundregel gefährden; deshalb die Drohung. Daß indessen auch die Drohung nicht in den manifesten Konflikt führt, sichert das gleich darauf erfolgende Einlenken des Mannes:
Was hast ’n überhaupt hingeschrieben?
Diese Strategie zur doppelten Vermeidung von allzu starker Problematisierung und offener Konfliktstruktur ist mehr oder weniger ausgeprägt bei jeder Frage zum Erziehungsverhalten zu beobachten. Es zeigt sich darin, daß in dieser Familie ein prekäres und labiles Gleichgewicht gehalten wird zwischen der Notwendigkeit äußerer Stabilität der Familie als Institution und den Beziehungsproblemen, die im inneren System mindestens virulent sind. Offenbar sind die Familienmitglieder, hier vor allem die Eltern, nur in der Lage, ein Minimum an Dissens zu verarbeiten. Die Schwelle, jenseits derer Dissens schon als Konflikt erlebt und daher abgewehrt wird, liegt relativ niedrig. Das
Management
von Dissens-haltigen Situationen erfolgt deshalb nicht über differenzierte und ausführliche Verständigung, nicht mit dem Ziel möglicherweise Umdefinition der geltenden Beziehungen und Regeln, sondern eher
konservativ
über die Erinnerung an die gemeinsame
Grundregel
, auf deren Basis allein das Selbstbild der Familie aufrechterhalten werden kann.
|A [351]| |A [352]| |A [353]|

Anhang

  • Anhang 1
    [V44:913] Fragebogen Nr. 1 (Arbeitsplatzsituation)
  • Anhang 2
    [V44:914] Fragebogen Nr. 2 (Sozialdaten)
  • Anhang 3
    [V44:915] Dissensfragebogen
  • Anhang 4
    [V44:916] Interview-Anweisungen für
    Familienbiographie
    und
    Dissensfragebogen
  • Anhang 5
    [V44:917] Beispiel Protokoll (Fall A) eines Interviews
  • Anhang 6
    [V44:918] Variablen-Schlüssel für die Arbeitsplatz-Faktorenanalyse
  • Anhang 7
    [V44:919] Literaturverzeichnis
|A 354|

Anhang 1

Fragebogen Nr. 1 (Arbeitssituation)

  1. 1.
    [V44:920] Welche Ausbildung haben Sie? (Zutreffendes bitte ankreuzen)
    Sonderschule ( )
    Volksschule ohne Abschluß ( )
    Volksschule mit Abschluß ( )
    Mittelschule ohne Abschluß ( )
    Mittlere Reife ( )
    Lehre ( )
    Fachschule ( )
    Fachhochschule ( )
    Abitur ( )
    Universität ohne Abschluss ( )
    Universität mit Abschluss ( )
  2. 2.
    [V44:921] Welchen Beruf haben Sie gelernt?
  3. 3.
    [V44:922] Welchen Beruf üben Sie aus?
  4. 4.
    [V44:923] Beschreiben Sie Ihre Tätigkeit
  5. |A 355|
  6. 5.
    [V44:924] Wie lange sind Sie in Ihrem jetzigen Beruf tätig? (Bitte Jahre und Monate angeben. Z.B. 1 Jahr 3 Monate)
  7. 6.
    [V44:925] Wie lange sind Sie an Ihrem jetzigen Arbeitsplatz tätig? (Bitte Jahre und Monate angeben.)
  8. 7.
    [V44:926] Haben Sie vorher einen anderen Beruf ausgeübt?
    nein ( )
    ja ( )
    falls ja, welchen? _______________
  9. 8.
    [V44:927] Planen Sie einen Berufswechsel?
    nein ( )
    ja ( )
    wenn ja, welchen Beruf wollen Sie ergreifen? _______________
  10. 9.
    [V44:928] Planen Sie einen Stellenwechsel?
    nein ( )
    ja ( )
  11. 10.
    [V44:929] Nehmen Sie an Fortbildungskursen teil?
    nein ( )
    ja ( )
    wenn ja, an welchen Kursen nehmen Sie teil? _______________
  12. |A 356|
  13. 11.
    [V44:930]
      Welchen Schulabschluss hat Ihre Mutter?
      Welchen Schulabschluss hat Ihr Vater?
      Welchen Beruf übt Ihre Mutter aus?
      Welchen Beruf übt Ihr Vater aus?
      Welchen Beruf hat Ihre Mutter erlernt?
      Welchen Beruf hat Ihr Vater erlernt?
  14. 12.
    [V44:931] Sind Sie Mitglied der Gewerkschaft?
    nein ( )
    ja ( )
  15. 13.
    [V44:932] Sind Sie Mitglied einer politischen Partei?
    ja ( )
    nein ( )
  16. |A 357|
  17. 14.
    [V44:933] Sind Sie Mitglied von Vereinen?
    ja ( )
    nein ( )
  18. 15.
    [V44:934] Falls Sie gegenwärtig nicht berufstätig sind:
    waren Sie früher berufstätig ( )
    warum haben Sie aufgehört zu arbeiten? _____________________________
  19. 16.
    [V44:935] Wo befindet sich ihr Arbeitsplatz? (Bitte kreuzen Sie in der folgenden Liste das Zutreffende an)
    Großraumbüro ( )
    Kleinraumbüro (unter 10 Arb.pl. ( )
    Einzelbüro ( )
    Heimarbeit (Arbeit zu Hause) ( )
    Fließband ( )
    Montagehalle ( )
    Werkstatt ( )
    Labor ( )
    Außendienst ( )
    Falls keine von diesen Angaben für Sie zutrifft, tragen Sie bitte hier den Ort Ihres Arbeitsplatzes ein: _____________
  20. |A 358|
  21. 17.
    [V44:936] Arbeiten Sie an einer Stelle oder müssen Sie den Ort ihrer Tätigkeit im Laufe eines Arbeitstages ändern? (Bitte kreuzen Sie das für Sie am ehesten Zutreffende an).
    Ich muß den Ort meiner Tätigkeit
    nie sehr selten manchmal oft regelmäßig
    ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )
    ändern.
  22. 17a
    [V44:937] Falls Sie den Ort Ihrer Tätigkeit im Laufe eines Arbeitstages manchmal, oft oder regelmäßig wechseln, geschieht das dann
    nur am Arbeitsplatz ( )
    nur innerhalb der Abteilung, aber zu anderen Arbeitsplätzen ( )
    nur innerhalb des Betriebes, aber zu anderen Abteilungen ( )
    nach außerhalb des Betriebes ( )
    (Kreuzen Sie bitte an, was für Sie am ehesten zutrifft)
  23. 18.
    [V44:938] Welche Arbeitszeit haben Sie?
    Schichtarbeit ( )
    Feste Arbeitszeit, aber keine Schichtarbeit ( )
    Gleitende Arbeitszeit ( )
    Freie Arbeitszeit ( )
    Andere Regelung ( )
  24. 18a
    [V44:939] Falls Sie Schichtarbeit haben, wie ist das dann bei Ihnen? Haben Sie
    wechselnde Schichten ( )
    Frühschicht ( )
    Spätschicht ( )
    Nachtschicht ( )
  25. |A 359|
  26. 18b
    [V44:940] Falls Sie keine wechselnden Schichten haben, wann beginnt und wann endet Ihre Arbeitszeit in der Regel?
    Beginn _____ Uhr
    Ende _____ Uhr
  27. 19.
    [V44:941] Wieviel Wochenstunden machen Sie pro Woche in der Regel?
    ______ Stunden
  28. 20.
    [V44:942] Wieviel Überstunden machen Sie pro Woche in der Regel?
    ______ Stunden
  29. 21.
    [V44:943] Wird streng darauf geachtet, daß Sie Ihre Arbeitszeit genau einhalten?
    ja ( )
    nein ( )
  30. 21a
    [V44:944] Wird Ihre Arbeitszeit durch eine Steckuhr kontrolliert?
    ja ( )
    nein ( )
  31. 22.
    [V44:945] Können Sie während Ihrer Arbeitszeit den Arbeitsplatz verlassen?
    für kurze Kaffee- oder Zigarettenpause ( )
    für private Besorgungen außerhalb ( )
    nein, gar nicht ( )
  32. |A 360|
  33. 23.
    [V44:946] Können Sie innerhalb einer vorgegebenen Arbeit die Reihenfolge einzelner Arbeitsabschnitte selbst bestimmen?
    ja ( )
    nein ( )
  34. 24.
    [V44:947] Ist die Geschwindigkeit, mit der Sie einen Arbeitsgang erledigen müssen, eher
    von Ihnen selbst festgelegt ( )
    von der Geschwindigkeit einer Maschine festgelegt ( )
    vom Arbeitsanfall festgelegt ( )
  35. 25.
    [V44:948] In welcher Form findet Ihre Arbeitszuteilung statt? (Bitte kreuzen Sie an, welche Regelung für Sie am häufigsten zutrifft)
    laufende (Fließbandarbeit) ( )
    täglich ( )
    wöchentlich ( )
    abhängig vom Umfang des Auftrags ( )
    wie sonst? _____________
  36. 26.
    [V44:949] Gehört es zu Ihrer Tätigkeit, anderen Arbeit zuzuteilen?
    nein ( )
    ja ( )
    wenn ja, wievielen Personen ______________
  37. |A 361|
  38. 27.
    [V44:950] Wie geschieht bei Ihnen die Arbeitseinteilung?
    liegt fest (z.B. durch Maschinen) ( )
    wird mit dem Vorgesetzten ausgehandelt ( )
    wird unter den Kollegen ausgemacht ( )
    teile ich mir selbst ein ( )
    (es sind Mehrfachankreuzungen möglich)
  39. 28.
    [V44:951] Üben Sie Ihre Tätigkeit allein aus oder arbeiten Sie in einer Arbeitsgruppe?
    ich arbeite allein ( )
    ich arbeite in einer Arbeitsgruppe ( )
  40. 28a
    [V44:952] Wenn Sie in einer Arbeitsgruppe arbeiten, wird dann die Arbeit jedes einzelnen gesondert oder nur das Arbeitsergebnis der Gruppe insgesamt kontrolliert?
    Es wird nur die Einzelarbeit kontrolliert ( )
    Es wird nur das Gesamtergebnis der Gruppe kontrolliert ( )
  41. 29.
    [V44:953] Wie schätzen Sie Ihre Tätigkeit ein?
    Meine Tätigkeit ist eher leitend ( )
    Meine Tätigkeit ist eher ausführend ( )
  42. |A 362|
  43. 30.
    [V44:954]
    Für jeden Arbeitsablauf ist eine bestimmte Anzahl von Informationen erforderlich. Wie ist das bei Ihnen? In welchem Umfang erhalten Sie die notwendigen Informationen?
    (Bitte kreuzen Sie an, welche Antwort für Sie am ehesten zutrifft)
    Ich erhalte
    genauso viele Informationen wie ich brauche ( )
    weniger Informationen als ich brauche ( )
    zu wenig Informationen ( )
  44. 30a
    [V44:955] Wie wirkt sich das bei Ihnen vor allem aus, wenn Sie mal zu wenige Informationen bekommen?
  45. 31.
    [V44:956] Sind Sie in der Durchführung Ihrer Arbeit davon abhängig, daß Sie sich mit Ihren Kollegen absprechen?
    ja ( )
    nein ( )
  46. 32.
    [V44:957]
    Es gibt Arbeitsplätze, bei denen man aufpassen muß, daß man im Vergleich zu Kollegen nicht abfällt und
    den Kürzeren zieht
    ; es gibt auch andere Arbeitsplätze, bei denen das nicht so ist. Wie ist das bei Ihnen?
    Befinden Sie sich mit den Arbeitskollegen
    in sehr starkem Wettbewerb ( )
    in ziemlich starkem Wettbewerb ( )
    in nur schwachem Wettbewerb ( )
    in keinem Wettbewerb ( )
  47. |A 363|
  48. 33.
    [V44:958] Kommt es vor, daß sich Ihre Kollegen gegenseitig bei der Arbeit unterstützen? (Bitte kreuzen Sie an, was für Ihren Arbeitsplatz am ehesten zutrifft)
    kommt nie vor ( )
    kommt selten vor ( )
    kommt oft vor ( )
    ist die Regel ( )
  49. 34.
    [V44:959]
    Haben Sie die Möglichkeit, sich außerhalb der offiziellen Pausen mit Ihren Kollegen zu unterhalten?
    ja ( )
    nein ( )
    Wenn nein, warum nicht? (Bitte kreuzen Sie an, was für Sie am ehesten zutrifft)
    Lärm ( )
    Arbeitstempo ( )
    Verbot ( )
    häufiger Ortswechsel ( )
    anderes ( )
    Wenn ja, worum geht es in diesen Gesprächen im wesentlichen? (Zutreffendes bitte ankreuzen)
    Arbeit ( )
    Sport ( )
    Politik ( )
    Gewerkschaft ( )
    Urlaub ( )
    Familie ( )
    Kollegen ( )
    Fernsehen, Kino ( )
    anderes _________________
  50. |A 364-365|
  51. ø
    [V44:960] Hier ist eine Liste der Fähigkeiten, die für verschiedene Leute in Ihren Berufen wichtig sind. Kreuzen Sie bitte für jede der hier aufgezählten Fähigkeiten an, für wie wichtig Sie sie an Ihrem Arbeitsplatz halten.
    Die Fähigkeit ....... halte ich für .......
    sehr wichtig ziemlich wichtig weniger wichtig
    einen guten Eindruck auf andere machen
    ein gutes Gedächtnis haben
    viel und schnell denken können
    systematisch organisieren können
    neue Wege und Methoden ausdenken
    in die Zukunft planen
    gut mit Menschen umgehen können
    sich Anordnungen und Vorschriften fügen
    schwere körperliche Arbeit verrichten
    genau und gewissenhaft arbeiten
    sich klar und deutlich ausdrücken
    schnell reagieren können
    langjährige Erfahrung haben
    unter erschwerten Bedingungen (Lärm, Schmutz, Hitze u.ä.) arbeiten können
    gutes fachliches Können besitzen
    eine gute theoretische Ausbildung haben
    hohe nervliche Belastbarkeit bei eintöniger Arbeit
    sonstiges
  52. 36.
    [V44:961] Würden Sie anhand der folgenden Liste Ihren Arbeitsplatz beschreiben? Welche dieser Merkmale sind für Ihren Arbeitsplatz besonders typisch? (Sie können mehrere Merkmale ankreuzen)
    schwere körperliche Arbeit ( )
    Schmutz, geruchsbelästigend ( )
    Lärm ( )
    Eintönigkeit ( )
    hohe nervliche Belastung ( )
    hohe Konzentration erforderlich ( )
    Sprachgewandtheit erforderlich ( )
    Kontaktfähigkeit ( )
    Vielseitigkeit ( )
    Anderes ( )
  53. |A 366|
  54. 37.
    [V44:962] Wie hoch ist das Einkommen des Mannes?
    unter 300 DM ___________
    bis 600 DM ___________
    bis 800 DM ___________
    bis 1.000 DM ___________
    bis 1.200 DM ___________
    bis 1.400 DM ___________
    bis 1.800 DM ___________
    über 1.800 DM ___________
  55. 38.
    [V44:963] Wie hoch ist das Einkommen der Frau?
    unter 300 DM ___________
    bis 600 DM ___________
    bis 800 DM ___________
    bis 1.000 DM ___________
    bis 1.200 DM ___________
    bis 1.400 DM ___________
    bis 1.800 DM ___________
    über 1.800 DM ___________
  56. 39.
    [V44:964] Wie ergibt sich Ihr Einkommen?
    als Akkordlohn ( )
    als Zeitlohn ( )
    als Gehalt ( )
    als regelmäßiges Honorar ( )
    als unregelmäßiges Honorar ( )
    sonstige Zuwendungen ( )
  57. 39a
    [V44:965] Ist Ihr Lohn bzw. Gehalt oder Einkommen
    leistungs- oder umsatzabhängig ( )
    gleichbleibend ( )
  58. |A 367|
  59. 40.
    [V44:966]
    Nun möchten wir wir wissen, welche Stellung Sie in Ihrem Betrieb einnehmen. Bitte beantworten Sie zu diesem Zweck doch die folgenden Fragen:
      Welchen Beruf hat Ihr Vorgesetzter?
      Wieviele Untergebene hat Ihr Vorgesetzter?
      Wieviele Untergebene haben Sie selbst?
    Wie erhalten Sie Ihre Anweisungen?
    schriftlich ( )
    mündlich ( )
    Schätzen Sie bitte ein, welcher von den folgenden Sätzen für Sie am ehesten zutrifft:
    Ich erhalte mehr Arbeitsanweisungen als ich selber gebe ( )
    Ich gebe mehr Anweisungen als ich selber erhalte ( )
    Wie schätzen Sie Ihre Aufstiegschancen ein? (Kreuzen Sie bitte an, was für Sie am ehesten zutrifft)
    Meine Aufstiegschancen halte ich für
    sehr gut gut ziemlich schlecht gar keine Aufstiegschancen
    ( ) ( ) ( ) ( ) ( )
  60. |A 368|
  61. 41.
    [V44:967] Womit haben Sie in Ihrem Arbeitsgebiet vorwiegend zu tun? (Bitte kreuzen Sie das an, was für Sie am meisten zutifft).
    Umgang mit Personen (z.B. Ausbildungsbereich, Publikum, Kunden usw.) ( )
    Verarbeitung von Materialien, Herstellung von Gegenständen, Transport und Vertrieb von Gütern ( )
    Büroarbeiten (Schreiben, Registrieren etc.) ( )
    Entwicklung von Ideen und Konzepten ( )
  62. 42.
    [V44:968] Welche Kündigungsfrist haben Sie?
    ich bin noch in Probezeit ( )
    jeden Tag ( )
    jede Woche ( )
    einen Monat ( )
    drei Monate ( )
    halbes Jahr ( )
    ein Jahr ( )
    länger als ein Jahr ( )
    unkündbar ( )
  63. 43.
    [V44:969] Innerhalb welcher Frist können Sie selbst Ihre Arbeitsttelle kündigen?
    jeden Tag ( )
    eine Woche ( )
    einen Monat ( )
    drei Monate ( )
    halbes Jahr ( )
  64. 44.
    [V44:970] Werden Sie Ihrer Meinung nach an Ihrem Arbeitsplatz Ihrer Leistung entsprechend bezahlt?
    ja ( )
    nein ( )
  65. |A 369|
  66. 45.
    [V44:971] Sie wissen sicher auch, daß die Menschen sehr unterschiedlich mit ihrer Arbeit zufrieden sind. Wie ist das bei Ihnen? Sie finden hier eine Liste von Merkmalen eines Arbeitsplatzes oder einer Berufstätigkeit, mit denen man mehr oder weniger zufrieden sein kann. (Bitte kreuzen Sie an, was für sie zutreffend ist).
    Ich bin ..... sehr zufrieden ziemlich zufried. sehr unzufrieden
    damit, wie interessant die Arbeit ist
    mit meinen Arbeitskollegen
    mit der Arbeitszeit
    damit, wie anstrengend die Arbeit ist
    damit, wie hoch meine Arbeit innerhalb des Betriebes bewertet wird
    mit meinem Entscheidungsspielraum
    mit meinen Möglichkeiten, meine Fähigkeiten voll einsetzen zu können
    mit den Sozialleistungen im Betrieb
    a) tarifliche (z.B. Altersversorgung)
    b) außertarifliche (z.B. Kantine)
    mit dem Arbeitsklima
    mit dem Arbeitsschutz
    mit der Arbeitsplatzumgebung (Lärm, Hitze, Staub, Gestank usw.)
    mit den Mitbestimmungsmöglichkeiten
    mit der techn. Ausrüstung am Arbeitsplatz
  67. |A 370|
  68. 46.
    [V44:972] Wenn Sie noch einmal die Wahl hätten, würden Sie dann den gleichen Beruf wählen oder lieber einen anderen?
    den gleichen ( )
    einen anderen ( )
    ich weiß nicht ( )
  69. 46a
    [V44:973] Wenn Sie einen anderen Beruf wählen würden, aus welchem Grunde tun Sie das?
  70. 46b
    [V44:974] Wenn Sie Ihren jetzigen Beruf wieder wählen würden, aus welchem Grunde tun Sie das?
|A 371|

Anhang 2

Fragebogen Nr. 2 (Sozialdaten)

[V44:975] Familie Nr.
  1. 1.
    [V44:976] Wie lange wohnen Sie schon in dieser Wohnung?
  2. 2.
    [V44:977]
    Planen Sie einen Umzug? ja ____ nein ____
    Wenn ja, wohin wollen Sie umziehen? __________
    Welches sind Ihre Gründe für den Umzug? __________
  3. 3.
    [V44:978]
    Haben Sie irgendwann nach Ihrer Verheiratung einmal bei Ihren Eltern oder Schwiegereltern gewohnt?
      bei den Eltern ____________
      bei den Schwiegereltern ____________
      nein, beides nicht ____________
      Wielange haben Sie dort gewohnt? ____________
      Warum haben Sie dort gewohnt? ____________
      Warum sind Sie dort weggezogen? ____________
  4. 4.
    [V44:979] Wann haben Sie geheiratet? ____________
  5. 5.
    [V44:980]
    (an den Ehemann): waren Sie vorher schon einmal verheiratet? ja ____ nein ____
    Wenn ja, wie lange waren Sie verheiratet? ____________
    Sind Sie geschieden? ja ____ nein ____
    verwitwet? ja ____ nein ____
    Haben Sie Kinder aus der ersten Ehe? ja ____ nein ____
  6. |A 372|
  7. 6.
    [V44:981]
    Hat Ihr Ehepartner Kinder aus der ersten Ehe?
    ja ____ nein ____
    War eins der beide Ihrer Kinder einmal längere Zeit von Ihnen getrennt?
    ja ____ nein ____
    Wenn ja, welches Kind war das?
  8. 6a.
    [V44:982]
      Wie lange dauerte die Trennung? ____________
      Wann war das? ____________
      War das Kind bei den Großeltern? ____________
      Bei anderen Verwandten? ____________
      Bei Pflegeeltern? ____________
      Im Säuglingsheim? ____________
      Im Kinderheim? ____________
  9. 7.
    [V44:983]
    War eins oder beide Ihrer Kinder einmal längere Zeit krank?
    ja ____ nein ____
    Wenn ja, welches Kind war das? ____________
    War das Kind im Krankenhaus? ____________
  10. 7a.
    [V44:984]
    Wie alt war das Kind? ____________
    Wie lange dauerte die Krankheit? ____________
  11. 7b.
    [V44:985]
    Macht eines Ihrer Kinder Ihnen besondere Schwierigkeiten?
    ja ____ nein ____
    Wenn ja, welches Kind? ____________
    Wo entstehen die Schwierigkeiten?
    im Kindergarten? ____________ in seinem Verhalten zu den Geschwistern? ____________
    in der Schule?____________
    in Krankheiten? ____________ in seinem Verhalten zu den Eltern? ____________
  12. |A 373|
  13. 8.
    [V44:986]
    Sind diese Schwierigkeiten jetzt größer oder geringer als früher?
      größer _______
      geringer _______
      gleich _______
  14. 9.
    [V44:987] Welchen Kontakt haben Sie zu Ihren Eltern?
    Eltern d. Mannes Geschw. d. Mannes
    schreiben ihnen zu Feiertagen
    schreiben regelmäßig
    besuchen sie zu Feiertagen
    besuchen sie regelmäßig
    haben gar keinen Kontakt
    Eltern d. Frau Geschw. d. Frau
    schreiben ihnen zu Feiertagen
    schreiben regelmäßig
    besuchen sie zu Feiertagen
    besuchen sie regelmäßig
    haben gar keinen Kontakt
|A 374|

Anhang 3

Dissensfragebogen

[V44:988] Bitte beantworten Sie folgende Fragen schriftlich. Sie brauchen dabei nicht unbedingt vollständige Sätze niederzuschreiben. Stichworte genügen auch.
  1. 1.
    [V44:989] Stellen Sie sich vor, Ihr Kind würde heimlich Geld aus Ihrem Geldbeutel (aus der Haushaltskasse o.ä.) nehmen. Was würden Sie tun?
  2. 2.
    [V44:990] Stellen Sie sich vor, daß Ihr Kind aus der Schule heimkommt und erzählt, der Lehrer habe es geschlagen. Wie würden Sie sich verhalten, sowohl Ihrem Kind als auch dem Lehrer oder der Schule gegenüber?
  3. 3.
    [V44:991] Stellen Sie sich vor, daß Ihr Kind Sie im Zorn beschimpft. Wie würden Sie reagieren?
  4. 4.
    [V44:992] Stellen Sie sich vor, Sie würden erfahren, daß Ihr Kind bei Sexualspielen mit anderen Kindern oder Geschwistern beobachtet worden ist oder daß Sie selbst es dabei beobachten. Was würden Sie in solcher Situation tun?
  5. |A 375|
  6. 5.
    [V44:993] Stellen Sie sich vor, Ihre Ehemann (Ihre Ehefrau) bzw. Sie selbst bekommen Aussicht auf einen neuen Arbeitsplatz, der bessere Aufstiegsmöglichkeiten bedeuten würde. Sie müßten dann aber in einen anderen Ort umziehen. Wie würden Sie sich entscheiden und welche Gründe dafür oder dagegen wären für Sie wichtig?
  7. 6.
    [V44:994] Wer in Ihrer Familie übernimmt meist die folgenden Tätigkeiten?
    Mann Frau Kinder
    Kleine Reparaturarbeiten in der Wohnung ( ) ( ) ( )
    Einkaufen ( ) ( ) ( )
    Mülleimer ausleeren ( ) ( ) ( )
    Betten machen ( ) ( ) ( )
    Schuhe putzen ( ) ( ) ( )
    Rechnungen bezahlen ( ) ( ) ( )
    Kinder ins Bett bringen ( ) ( ) ( )
    Mit den Kindern spielen ( ) ( ) ( )
    Mit den Kindern nach draußen gehen ( ) ( ) ( )
    Den Kindern bei den Hausaufgaben helfen ( ) ( ) ( )
    Die Kinder baden ( ) ( ) ( )
    Angelegenheiten mit dem Vermieter regeln ( ) ( ) ( )
|A 376|

Anhang 4:

Interview-Anweisungen für
Familienbiographie
und
Dissensfragebogen

  1. 1.
    [V44:995] Die gesamte Aufnahmezeit für beide Teile soll nicht mehr als 90 Minuten in Anspruch nehmen.
  2. 2.
    [V44:996] Jeder der beiden Teile (Familienbiographie und Dissensfragebogen) sollte ca. 40 Minuten dauern (+, – 10 Minuten).
  3. 3.
    [V44:997] In jedem Fall sollen die Ehepartner ermuntert werden, miteinander zu sprechen.
  4. 4.
    [V44:998] In beiden Teilen werden sich innerfamiliäre Konflikte andeuten, mehr oder weniger ausgeprägt. Die Interviews sollen so geführt werden, daß solche Konflikte deutlich werden. Die Interviewer sollen sich andeutende Konflikte aber auf gar keinen Fall so verstärken (z.B. durch bohrendes Nachfragen), daß dadurch die Situation selbst problematisch wird, oder der Konflikt in der Sache sich zuspitzt: Die Interviewer dürfen keine familiären Konflikte neu schaffen!

Zur Familienbiographie

  1. 1.
    [V44:999] In den ersten 15 Minuten soll dem Ehepaar ein Erzählspielraum gelassen werden, währenddessen die Interviewer allenfalls dadurch eingreifen, daß sie zum Weitererzählen ermuntern.
  2. 2.
    [V44:1000]
    Dabei ist wichtig zu erfahren
    • wie die Ehepartner ihre gemeinsame Biographie strukturieren,
    • wie sich ihre Gewichtungen der familiengeschichtlichen Probleme unterscheiden,
    • wie sie wechselseitig mit den Lebensperspektiven des anderen umgehen.
  3. 3.
    [V44:1001]
    Nach Ablauf der ersten 15 Minuten sind thematisch orientierte Interventionen der Interviewer zulässig. Dazu dient folgender Katalog von
    Schlüsselproblemen
    :
    |A 377|
      Kennenlernen
      Wohnen
      Berufsprobleme (Mann und Frau)
      Familienfreizeit und Ferien
      Geburt der Kinder
      Generationsprobleme (Eltern, Schwiegereltern)
  4. 4.
    [V44:1002] Wird ein und mehrere von diesen Problemen vom Ehepaar nicht spontan angesprochen, soll der Bericht des Ehepaars darauf hingelenkt werden. Dabei gilt: für jedes
    Schlüsselproblem
    ist nur eine einmalige Intervention zulässig! Ist eine der Probleme im Bericht der ersten 15 Minuten nur knapp angedeutet worden, ist ebenfalls eine – nach Ablauf der 15 Minuten – Intervention zulässig.
  5. 5.
    [V44:1003] Verteilen sich die Äußerungen der Ehepartner ausgeprägt ungleichmäßig (es spricht fast nur der Mann, fast nur die Frau), soll der weniger am Gespräch beteiligte gezielt, aber nicht allzu direkt zur Beteiligung ermuntert werden. Das aber soll nicht häufiger als 2 – 3 mal geschehen.

Zum Dissens-Fragebogen

  1. 1.
    [V44:1004] Ziel des Dissens-Fragebogens ist es, zu ermitteln, in welcher Weise die Ehepartner familiäre Probleme kommunizieren, insbesondere in Fällen, in denen sich ihre Meinung oder Einstellung nicht deckt.
  2. 2.
    [V44:1005] Wird vom Interviewer eine Ungleichverteilung der Beiträge beobachtet, gilt die Anweisung zur Familienbiographie Punkt 4. Die Ermunterungen sollten möglichst vom Interviewer gleichen Geschlechts ausgehen.
  3. 3.
    [V44:1006] Erfolgen auf ein Item keine Reaktionen oder nur so knappe, daß der Eindruck entsteht, daß es sich um ein für die Familie völlig irrelevantes Problem handelt oder die Ehepartner darüber auf keinen Fall sprechen mögen, soll zum nächsten Item übergegangen werden.
  4. |A 378|
  5. 4.
    [V44:1007] Entsteht der Eindruck, daß ein Inhaltsproblem anstelle eines verdeckten Beziehungsproblems erörtert wird, soll nur der Inhaltskonflikt verstärkt werden. Das (vermutete) Problem soll allenfalls vorsichtig angedeutet werden.
  6. 5.
    [V44:1008] Der Interviewverlauf soll so strukturiert werden, daß alle Items die Chance haben, in ungefähr gleicher Ausführlichkeit diskutiert werden.
  7. 6.
    [V44:1009] Die inhaltliche Strukturierung soll dem Ehepaar überlassen bleiben. Der Interviewer also darf auf gar keinen Fall neue Items in das Gespräch einführen (z.B. vom Strafproblem in der Schule zur Bildungspolitik, vom Sexualverhalten zur Geschlechtsrolle der Frau usw.). Sinn des Dissens-Fragebogens ist es zu ermitteln, in welchen Dimensionen sich für die Ehepaare die angesprochenen Probleme spontan strukturieren.
|A 379|

Anhang 5:

Beispiel-Protokoll (Fall A) eines Interviews

  • 1.1.Interviewer:
    [V44:1010] Vielleicht erzählen Sie mal, wie Sie sich kennengelernt hatten und wie das dann so weitergegangen ist. Ganz egal was Sie sagen.
  • 2.1.Mann:
    [V44:1011] Du weißt das ja am besten, ich habe das schon wieder vergessen.
  • 3.1.Frau:
    [V44:1012] Kennengelernt hatten wir uns in einer Situation, die wohl ein bißchen ungewöhnlich ist. Mein Mann befand sich gerade inmitten der Scheidung seiner ersten Ehe. Und dann haben wir ganz schnell geheiratet, weil ein Kind unterwegs war. Und haben dann in F. neu begonnen, also Haushalt aufgebaut, Familie aufgebaut.
  • 4.2.M.:
    [V44:1013] Ohne irgendwelche Unterstützung, das ist vielleicht ganz wesentlich.
  • 5.2.F.:
    [V44:1014] Alleine, ja!
  • 6.3.M.:
    [V44:1015] Alles aus eigener Kraft, ja!
  • 7.3.F.:
    [V44:1016] Und auch absichtlich alle Verwandten ausgeschlossen. Also – wir waren auch bewußt auf uns alleine gestellt, und wir wollten das auch so haben. Haben vielleicht die lieben Eltern manchmal schockiert, aber fanden’s ganz gut und finden’s auch heute gut, daß wir das tun, was wir für richtig halten. Und – auf der anderen Seite ist’s heute meine Erkenntnis, es ist vielleicht doch manchmal ganz gut, wenn man jemand hat, bei dem man sich so Rat und Hilfe ein bißchen holen kann. Vor allem als Frau mit kleinen Kindern ohne Erfahrung und – aber |A 380|das ist dann eben die Konsequenz aus dem Verhalten.
  • 8.2.I.:
    [V44:1017] Waren sie berufstätig vorher?
  • 9.4.F.:
    [V44:1018] Ich war berufstätig vorher und war selbstständig berufstätig, hatte ein Geschäft geleitet, und das war wohl für mich ... und ist wohl für mich auch heute noch das Problem, daß ich diese Selbstständigkeit aufgegeben habe und so die Befriedigung meiner Bedürfnisse innerhalb der Familie nicht finde.
  • 10.3.I.:
    [V44:1019] Und ihre Eltern waren nicht einverstanden damit, mit der Heirat?
  • 11.5.F.:
    [V44:1020]
    Ja doch, na also, wollen wir so sagen, ich hab’ sie gar nicht gefragt, d.h. ich war damals bereits so selbstständig mit meinen Entscheidungen, daß ich das, was ich für richtig gehalten habe, immer durchgesetzt habe.
    Und das ist wohl jetzt das Problem in unserer Ehe, daß ich mich ein bißchen an die Wand gedrückt fühle.
  • 12.4.M.:
    [V44:1021] Gilt das jetzt nicht so wie bei deinen Eltern?
  • 13.6.F.:
    [V44:1022] Nein, kurzes Auflachen, das bestimmt nicht. Ich – nein – wir verstehen unter Partnerschaft beide was Gegensätzliches.
  • 14.4.I.:
    [V44:1023] Können Sie das ein bißchen erklären, – worin die Gegensätzlichkeit besteht?
  • 15.7.F.:
    [V44:1024] Ja, also mal ganz krass ausgedrückt, daß er Geld verdient, sehr hart Geld verdient, sich vom Geldverdienen ausruht, um am nächsten Tag erneut gut Geld verdienen zu können. Und das genügt mir nicht! Und nun |A 381|habe ich meine Interessen, ich – soweit es geht und soweit ich mich aufraffen kann, selbst und alleine den Interessen nachzugehen. Aber ich hab’ das meinem Mann auch gesagt, daß ich mich damit immer weiter von ihm entferne. Ich geh’ allein ins Theater, alleine ins Kino. Ich – wir lesen auch – hm
  • 16.4.M.:
    [V44:1025] Kino?
  • 17.8.F.:
    [V44:1026] Nun, hin und wieder geh’ ich auch mal allein ins Kino, – doch!
  • 18.6.M.:
    [V44:1027] murmelt etwas dazwischen
  • 19.9.F.:
    [V44:1028] Wir lesen zum Beispiel kein Buch gemeinsam, über das wir mal reden können. Und – hm, das Fernsehen allein genügt mir nicht als einziger Lebensinhalt innerhalb der Freizeit. Und das ist das Hauptproblem unserer Ehe.
  • 20.5.I.:
    [V44:1029] Hm – und wie sehen Sie diesen Aspekt innerhalb der Problematik?
  • 21.7.M.:
    [V44:1030] Ich mein’, eh, ich mein’ es liegt da – em – es liegt da etwas weiter zurück, liegt alles zurück. Wie Sie an dem ersten Fragebogen gesehen haben, habe ich nur Volksschule und – es fehlen dann natürlich dann, rein allgemeinbildend fehlt da sehr viel, eh, und wie meine Frau schon sagte, eh, tu ich allerhand für Geld, ja? Weil ich mir sage, ich möchte zumindest so leben, wie es mir behagt. Und im Laufe der Zeit hat mich natürlich dann der Beruf ausgefressen, eh, daß man die freien Kräfte, die man hat, die steckt man in den Beruf, um im Beruf an der Spitze zu stehen. Also, ich geb’ mich nicht damit ab, einfach mitzulaufen, sondern ich möchte an der Spitze stehen. Und |A 382|dann bleibt natürlich automatisch, woll’n wir mal sagen, das andere zurück, eh. Und heutzutage sind vielleicht sogar Komplexe da, daß man sagt, ja, auf der einen Seite bist du was, und auf der anderen Seite mußt du sagen, daß du das nicht weißt! Also wird das abgetan. Ja, das ist sehr wahrscheinlich die Ursache dafür.
  • 22.9.F.:
    [V44:1031] Ja, und da hak ich dann ein, daß ich sag, wir könnten – es gibt doch heute so viel Möglichkeiten, – es liegt doch an einem selbst, und man kann doch nicht 25 Jahre später oder 30 Jahre später sagen, ich hab nur Volksschule und begnüge mich damit.
  • 23.8.M.:
    [V44:1032] Nein, nein, sicherlich nicht! Aber das ist eben allmählich ....
  • 24.10.F.:
    [V44:1033] Und das dann, da setzt dann mein Vorwurf ein!
  • 25.9.M.:
    [V44:1034] Aber ist das, ist das – eh .. Allmählich ist das da hochgegangen und es ist tatsächlich heute so, ich bin vom Beruf so eingespannt, daß ich abends dann ehrlich die Schnauze voll habe, daß ich nichts hören und sehen will. – Und wenn dann meine Frau noch kommt – Komm mach mal dies, mach mal jenes, da explodiere ich sogar.
  • 26.11.F.:
    [V44:1035]
    Aber ich sage ihm eben dann, er muß dann akzeptieren, daß ich mich immer weiter von ihm entferne. Denn ich kann nicht den ganzen Tag auf ihn warten, und tu ich das, ich freu mich auf ihn, und abends, da tut sich nichts, und – ich kann micht damit nicht zufrieden geben. Und die Kinder alleine, die genügen mir jetzt im Kontakt nicht. Es ist doch ne, den ganzen Tag sehr anstrengend, ich glaub’, daß ich |A 383|mich schon mit den Kindern verantwortungsvoll beschäftige und auseinandersetze. Aber dann, dann ist einfach mal Schluß, da will man doch mal andere Ansprüche – (Pause, Ateholen) – haben dürfen.
    Ich weiß, daß ich nicht allein in dieser Situation bin.
  • 27.6.I.:
    [V44:1036]
    Hm, hm (bejahend)
    Ja, wenn Sie so im Beruf eingespannt sind, und sehr viel für Ihren Beruf tun, da gibt es doch, da gibt es doch wahrscheinlich auch Probleme und Diskussionsstoff, dan man mit nach Hause nehmen könnte, – im Beruf.
  • 28.10.M.:
    [V44:1037] Den gäb’ es auch!
  • 29.7.I.:
    [V44:1038] Den man im Beruf und in der Familie diskutieren könnte, einfach darüber reden könnte. – Oder, wenn Sie auf Reisen gehen, da haben Sie doch sicher auch bestimmte Erfahrungen gemacht, die man dann austauschen könnte. Ja man könnte auch sagen, daß diese Berufsbelastung geradezu ein Anreiz sein könnte für das Familienleben und nicht so sehr eine Belastung dafür.
  • 30.11.M.:
    [V44:1039] Ja, eh, ich finde – was soll ich meine Frau noch mit diesem Zeug belasten, was sie doch nicht begreifen kann. Da sind, das sind oft Ursachen, die eine Frau wirklich nicht begreifen kann. Und bis ich das auseinandergesetzt habe, und eh, das ist nicht drin. Das würde sie, würde sie doch gar nicht verstehen. Ich meine, das haben Ansatzpunkte gezeigt.
  • 31.12.F.:
    [V44:1040] Ich bin diesen chemischen Dingen sehr entfernt, ich habe dazu keine Beziehung.
  • |A 384|
  • 32.13.M.:
    [V44:1041] Dann kommt eben automatisch noch, daß ich mir sage, gut, sie hat mit den Kindern auch viel am Hals, was soll ich sie da noch zusätzlich belasten?
  • 33.13.F.:
    [V44:1042] Das Argument, J., habe ich nie akzeptiert! Eh, hinzu kommt eben noch, daß du im allgemeinen sehr viel in dich hineinfrißt, ehm – und die geistige Auseinandersetzung, die liegt dir überhaupt nicht, auch in privaten Dingen nicht. – Die Dinge auf uns zukommen lassen und wenn’s dann explodiert, gut, dann werden die Scherben beiseite geräumt. Aber so – ehm.
  • 34.14.M.:
    [V44:1043] Ja, das ist ungefähr so meine Einstellung, weil sie ungefähr auch mit dem Beruf zusammenhängt. Es hat doch keinen Zweck sich vorher den Kopf heiß zu machen, über irgendwelche Sachen, ein wenn und ein aber, und tagelang darüber zu diskutieren, es kommt ja doch ganz anders als man je gedacht hat.
  • 35.14.F.:
    [V44:1044] Ja, aber ich glaub’ man kann auch die ganzen Möglichkeiten erwägen, die kommen können ....
  • 36.15.M.:
    [V44:1045]
    Ich stehe lieber vor der Tatsache als solcher und reagiere dann in dem Moment.
    Eh vielleicht ein Beispiel: meine Frau hat mal sämtliche Papiere mit Geld und allem möglichen verloren. Sie dachte, ich würde sonst was vom Stapel lassen.
  • 37.15.F.:
    [V44:1046] Nein, eh --
  • 38.16.M.:
    [V44:1047] Das sind, eh, das sind, das sind, das sind Dinge, sind passiert, was soll ich jetzt darüber rumschreien oder etwas machen. Das ist passiert, jetzt schauen wir zu, wie kommen wir aus der Misere heraus. Da gibts auch keinen Vorwurf |A 385|oder dergleichen, dann später mal, daß ich sage, jetzt hast du ja ’ne Lehre raus gezogen. Dagegen in Kleinigkeiten, da kann ich schon mal eher aufbrausen, aber so in großen Dingen, noch nie gewesen, oder?
  • 39.16.F.:
    [V44:1048] Natürlich nicht, das ist jetzt auch ein Vergleich, der hinkt.
  • 40.17.M.:
    [V44:1049] Wieso hinkt der?
  • 41.17.F.:
    [V44:1050] Ich, meine Einstellung ist ja auch, daß die Dinge die geschehen sind – wo man nichts mehr daran ändern kann ...
  • 42.18.M.:
    [V44:1051] Nein auch Dinge, auch Dinge, die man in etwa absehen kann ...
  • 43.18.F.:
    [V44:1052] Daß man sich darüber nicht mehr aufregt, nein aber ...
  • 44.19.M.:
    [V44:1053] Was hast das für einen Zweck, kannst es machen oder so machen. Is doch Blödsinn! Und das ist es, was meine Frau nicht verstehen kann.
  • 45.19.F.:
    [V44:1054] So diese gewisse Planung und Voraussicht. Ich brauch’ ich muß – ich brauch’ diese Aussprache. Und ich fühl’ mich oft dadurch sehr isoliert, weil ich –
  • 46.20.M.:
    [V44:1055] Sicherlich, ich mein, ich mein das wirkt –
  • 47.20.F.:
    [V44:1056] Ich find in meinem Mann gar kein Gegenüber, der mir zuhört, der sagt, wollen wir mal sehen, wolln wir mal abwarten. Damit ist die ganze Angelegenheit erledigt. Damit finde ich mich nicht – zurecht!
  • 48.8.I.:
    [V44:1057] Können Sie mal ein Beispiel sagen, was für Themen sind das dann, wo sie dann – darüber reden wollen.
  • |A 386|
  • 49.21.F.:
    [V44:1058] Ach ja, das fängt bei den banalsten Dingen an – was wir am Wochenende machen. Und mein Mann sagt, schaun wir erst mal, wie das Wetter wird. Und ich würde halt erst mal ’nen Plan machen für Schnee und für Regen und für Sonnenschein. Und mein Mann sagt, der sagt, müssen wir mal gucken, wie das Wetter wird. Wenn der Himmel bedeckt ist, sagt er, ach machen wir doch nichts, es regnet ja. Doch heute – wenn’s Wetter schön ist, dann sagt er, ne, es wird zu heiß, können wir auch nicht machen.
  • 50.21.M.:
    [V44:1059] Und dann regnets auch!
  • 51.22.F.:
    [V44:1060] Und wenn’s Wetter schön ist ...
  • 52.22.M.:
    [V44:1061] Das stimmt nicht!
  • 53.23.F.:
    [V44:1062] Und so fühl ich mich immer so in ’ne passive Rolle gedrängt. Ich – eh, das ist jetzt das banalste Beispiel. Aber es gibt da auch größere Probleme. Eines, das mich sehr belastet ist das, daß ich eines Tages für die Altersversorgung meiner Eltern gerade stehen muß, und daß ich das schon irgendwie mal angepackt haben möchte, und – und mein Mann sagt: Och, wollen wir mal abwarten. Also so unausgesprochen, vielleicht sterben sie doch vorher, und dann haben wir uns Gedanken gemacht und brauchen gar nichts zu bezahlen. So in dem Stil findet das alles statt. Also das war jetzt ’ne große Spanne von einem zum anderen. Aber so ist das in allen Dingen. Daß wir überhaupt keine gleiche Wellenlänge haben.
  • 54.23.M.:
    [V44:1063] Oder z.B. nehmen wir, nehmen wir, nehmen wir den Urlaub. Ja? Da sagt meine Frau: Ja wo fahren wir |A 387|denn hin? Ich sag, ja das gibt sich schon. Und dann kommt sie, kommt sie nach Hause und sagt, die vermieten da Häuser in Dänemark. Ich sag, ja, können wir hinfahren, hol mal Prospekte ran. Ja und dann wird das von einer Stunde zur nächsten entschieden.
  • 55.24.F.:
    [V44:1064] Und da fehlt mir was. Also ich muß erst mal mit dem Finger um die Welt gefahren sein, und dann irgendwo hängenbleiben, aber so einfach sagen: gut, da gibt’s Häuschen, fahren wir halt hin, das ist mir zuwenig!
  • 56.24.M.:
    [V44:1065] Wieso, dann bringt se da, bringt se da irgendwelche Häuschen an, und dann sag ich: ja, wie, in so’ ne Hütte willst ziehen? Jetzt geh ich mal und guck mir das an. Ja und dann in ’ner halben Stunde haben wir den schönsten Urlaub.
  • 57.25.F.:
    [V44:1066] Womit nicht gesagt sein soll, daß wir auf meine Art nicht auch mal nen schönen Urlaub haben, nicht.
  • 58.25.M.:
    [V44:1067] Ja dann, dann mußt du mal alleine fahren, wenn das nicht deine Art ist.
  • 59.9.I.:
    [V44:1068] Sind Sie oft länger nicht zu Hause, wenn Sie so auf den Geschäftsreisen sind?
  • 60.26.M.:
    [V44:1069] Das längste so drei bis vier Wochen.
  • 61.25.F.:
    [V44:1070]
    Vier Wochen, vier Wochen.
    Es war schon mal länger, aber im letzten Jahr --
  • 62.27.M.:
    [V44:1071] Einmal, einmal war’s 6 Wochen.
  • 63.26.F.:
    [V44:1072] Aber eh, drei bis vier Wochen, des ist so die Spanne.
  • 64.28.M.:
    [V44:1073] Aber des is nicht sehr oft, also oft ist es so ’ne Woche, zwischendurch mal. So zweimal |A 388|im Jahr sind’s drei Wochen und sonst sind’s zwischendurch so eine bis anderthalb Wochen.
  • Pause
    [V44:1074]
  • 65.10.I.:
    [V44:1075] Und wenn Ihr Mann so auf diesen Reisen ist, wie ist das dann für Sie, ist das dann hier? Eine schwierige Situation als wenn ....
  • 66.27.F.:
    [V44:1076]
    (unterbricht) Es ist entsetzlich.
    Als während der Woche geht es, weil ich, die Kinder haben so ihren bestimmten Ablauf und ich richt’ mir’s dann so ein, daß ich die großen Arbeiten so im Haushalt mache, wenn er weg ist. Und dann habe’ ich ja auch noch diese kleine Nebenbeschäftigung, eh, das mach ich dann auch in der Zeit hauptsächlich.
    Entsetzlich sind die Wochenenden, wo die ganzen Familien so in sich geschlossen sind, und wo jede Familie so was für sich unternimmt und ich schlender mit meinen beiden Kindern allein durch die Gegend.
    Hinzu kommt, daß wir in unseren Unternehmungen sehr auf das Auto fixiert sind. Mein Mann nimmt das Auto ja mit. Und, eh, ich hätte es nie für möglich gehalten, daß das auch für die Kinder so eine entsetzliche Umstellung ist, wenn wir dann was unternehmen, mit der Straßenbahn fahren und zur Straßenbahn laufen, da meutert die schon auf dem Weg
    und immer so lange laufen
    , dann ist mir der ganze Tag schon verhagelt, weil sie auch mir – der ganzen Situation – oder diese Situation als außergewöhnlich und als unangenehm empfinden. Und doch den Vater sehr in ihre ganze Erlebniswelt miteinbezogen haben. Sie sind genauso |A 389|unzufrieden wie ich.
    Und eh, das wirkt sich doch aus. Und kommt dann eben doch hinzu, daß ich in meinen Erziehungs- wollen mehr sagen – Ansichten .... Ausführungen sind dann ja doch wieder ein Unterschied –, also Ausführung meiner Erziehung ist doch wohl so, daß die Kinder ständig versuchen, bei mir weiterzugehen bei mir als ich möcht.
  • 67.29.M.:
    [V44:1077] Es tun!
  • 68.28.F.:
    [V44:1078]
    Und das kommt dann speziell in dieser Zeit raus, wenn mein Mann nicht da ist.
    Und eh, da ist das dann nicht ein allzu gutes Verhältnis zwischen uns.
    Ich mein’ wir haben auch schöne Zeiten, ich möcht jetzt nicht nur das Negative sagen, – aber im großen und ganzen ist die Zeit nicht sehr schön. Der ganze Tagesablauf ist irgendwie nicht das, als wenn der Vater nach Hause kommt, und ehm, morgens mit dem Aufstehen klappt es erstens nicht (lacht), weil wir alle nicht aus den Federn kommen, und des is, so eins um andere kommt hinzu, des anders is, wenn der Vater nicht nach Hause kommt.
  • 69.30.M.:
    [V44:1079] Die feste Hand fehlt.
  • 70.29.F.:
    [V44:1080] Also jetzt mal ohne Spott, es stimmt, es stimmt! So der Orientierungspunkt.
  • 71.11.I.:
    [V44:1081] Haben Sie keine anderen Freunde, oder überhaupt ...
  • 72.30.F.:
    [V44:1082]
    Wir haben wenig – nein, wir haben Freunde!
    Aber komischerweise –
  • 73.21.M.:
    [V44:1083] Des is wieder autoabhängig.
  • |A 390|
  • 74.31.F.:
    [V44:1084] Erstens ist es autoabhängig und zweitens – am Wochenende. Ich kann das wirklich sagen, am Wochenende gehört die Familie sich selbst.
  • 75.12.I.:
    [V44:1085] Ist das Ihre Auffassung, oder die Ihrer Freunde?
  • 76.32.F.:
    [V44:1086]
    Ja, das ist, – denen fällt gar nicht ein, daß sie mal am Wochenende dann mal anrufen könnten,
    willst du mitkommen
    “ Das war an unserem früheren Wohnort anders. Und hier ist es mir noch nicht gelungen, wieder Bekannte zu finden, die dann gerade diese einsamen Wochenenden ein bißchen aufheitern.
    Die an unserem anderen Wohnort, die haben das kapiert und haben mich dann auch abends geholt, daß die Abende nicht so entsetzlich waren, oder die haben uns dann mal mit zum Baden genommen, oder mit ins Auto gepackt. Doch hier ist mir noch nicht gelungen –
  • 77.13.I.:
    [V44:1087] Wo haben Sie denn gewohnt?
  • 78.33.F.:
    [V44:1088] In ... bei ...
  • 79.14.I.:
    [V44:1089] War das Ihre erste Wohnung zusammen?
  • 80.34.F.:
    [V44:1090] Ja, ja, auch so eine Schlafstadt, da waren relativ sehr viele junge Leute, und da hatten wir einen Bekanntenkreis oder – die auch mal –
  • 81.32.M.::
    [V44:1091] Da haben wir auch ziemlich lange gewohnt, und hier wohnen wir erst anderthalb Jahre.
  • 82.35.F.:
    [V44:1092] Natürlich, das finder sich schon
  • 83.33.M.:
    [V44:1093] Und dazu kommt noch eins: Hier diese Umgebung, das sind alles Werkswohnungen.
  • 84.36.F.:
    [V44:1094] Das sind, das ist ein Akademikergetto, entsetzlich!
  • 85.34.M.:
    [V44:1095] Und ich persönlich neige dazu, ich hab’ genügend Leute, so in der Firma um mich rum. Und zu anderen kommt noch, gerade diese Akademiker –
  • |A 391|
  • 86.37.F.:
    [V44:1096] (lacht) nichts gegen Akademiker!
  • 87.35.M.::
    [V44:1097] – und sie liegen mir nicht alle. Ich sage bewußt nicht alle. Speziell bei..., sie erscheinen so hochgestochen.
  • 88.38.F.:
    [V44:1098] Na ja, die ganzen Naturwissenschaftler sind sowieso ...
  • 89.15.I.:
    [V44:1099] Sie haben viel mit denen zu tun?
  • 90.36.M.:
    [V44:1100] Ja, das auch und da ist man dann nicht allzu begeistert. Wissen Sie, Sie haben vielleicht schon gemerkt, ich bin für die Kürze, und wenn mir dann einer erzählt, wie er ein Whiskyglas vollmacht, und er braucht ’ne Viertelstunde dazu, dann geh ich an die Decke, da werd ich nervös!
  • 91.39.F.:
    [V44:1101] Das ist hier – ich empfinde dieses Wohnen hier, so gerne ich hier wohne, hier draußen und so die Stadt im Rücken zu haben – aber das Wohnen selbst ist hier sehr steril, hier in diesen Blocks. Das ist –
  • 92.37.M.:
    [V44:1102] Nein, das ist nicht nur hier so, das ist allgemein so in diesen Wohnstädten.
  • 93.40.F.:
    [V44:1103] Das ist so allgemein gehalten, daß da so eine Einkommensschicht ist, dann der gleiche Arbeitgeber, alle haben so im großen und ganzen die gleichen Sorgen. Das ist so die Kinderzahl – alles so gleich, Alter der Kinder, plus minus zwei Jahre. Das ist ein sehr steriles Wohnen.
  • 94.16.I.:
    [V44:1104] Und wäre da nicht gerade ein verbindendes Mittel, die Leute zusammenzubringen?
  • 95.41.F.:
    [V44:1105] Ich hab’s versucht am Anfang. Ich hab’s versucht, aber es ist mir nicht gelungen ...
  • |A 392|
  • 96.38.M.:
    [V44:1106] Das ist gerade das Hochgestochene, das hier zum Ausdruck kommt.
  • 97.42.F.:
    [V44:1107] Ich hab’s versucht, zum Beispiel als unser jüngster Sohn keinen Kindergartenplatz hatte und ich hier verschiedene Kinder im gleichen Alter entdeckt hatte, wollte ich hier einen Spielkreis machen. Die Wohnungen sind groß genug, ich wollte, daß jede Mutter ihren Fähigkeiten entsprechend einen Vormittag dann fünf Kinder hat. Die eine bastelt, am nächsten Tag wird musiziert, am dritten spazierengegangen, oder --- es ist mir nicht gelungen, die haben alle gedacht, ich spinn’, als ich mit dem Vorschlag herausgerückt bin. Und dann hab ich es gelassen. Ich hab’ mich dann auch zurückgezogen. Es will jeder allein sein.
  • 98.39.M.:
    [V44:1108]
    Denn man muß auch, ich mein, man könnte auch forcieren, aber wenn keine Herzlichkeit dabei ist, dann hat es keinen Zweck, man macht sich selbst und anderen etwas vor. Da läßt man’s dann sein.
    Ich meine, daß heißt nicht, daß nicht auch nette Leute hier sind, so ist das nicht –
  • 99.41.F.:
    [V44:1109] Außer uns! (lacht). Aber da bin ich dann ...
  • 100.40.M.:
    [V44:1110] Ich mein, man muß in etwa auf der gleichen Wellenlänge liegen.
  • 101.42.F.:
    [V44:1111] Auch langsam auf die zugegangen –, die wohnten schon sechs Jahre hier, die hatten noch mit niemanden Kontakt. Die holten immer die Oma von weit her, wenn die mal abends ausgingen. Wir wohnten zwei Tage hier, da hab ich gefragt, ob ich ihnen unseren Schlüssel geben kann. Die haben gedacht, ich tick nicht ganz |A 393|richtig. Einfach wildfremden Menschen den Schlüssel zu geben! Und die empfinden das heute als so angehnehm auch, da die Kinder unregelmäßig aus der Schule kommen. Allein dieser kleine Schlüsselaustausch, was der für Hilfe für einen bedeutet. Daß man nicht immer zur Zeit da sein muß, und da gäb’ es so viele Dinge, aber woran das scheitert, daß die Familien so wenig untereinander aufgeschlossen sind. Da bin ich noch nicht dahinter gestiegen.
  • 102.17.I.:
    [V44:1112] Haben Sie mit dieser Familie auch privaten Kontakt?
  • 103.43.F.:
    [V44:1113] Jetzt haben wir privaten Kontakt und es ist hier am Ort eine Singschule, von der Kirche geht das aus, sehr aktiv, ’ne richtige Musikerziehung, fängt auch mit vier Jahren mit ’ner musikalischen Früherziehung an, und da sind unsere Kinder auch alle dabei, und das ist mal so ’ne Grundlage für ’ne Verbindung. Da muß ich wirklich sagen, daß das uns viel Kontakt gebracht hat und auch den Kindern viel Freude und Kontakt gibt, diese Singschule.
  • 104.18.I.:
    [V44:1114] Sie sagten vorhin, wenn Ihr Mann nach Hause kommt, abends, dann ist da eigentlich wenig Zeit oder ist er sehr beschäftigt gewesen, sehr belastet, und hat dann nicht viel Zeit und Lust sich zu unterhalten, und dann haben Sie auch noch gesagt, daß wenn Ihr Mann mal nicht zu Hause ist, daß das ’ne große Belastung für Sie ist und dann –
  • 105.44.F.:
    [V44:1115] Ja, das ist teilweise schizophren (lacht), wenn mein Mann weg ist, dann sag’ ich mir immer, wenn er wieder kommt, dann wird alles besser, und dann kommt er wieder und dann ist genau der |A 394|gleiche sture Ablauf wie eh und je abends und – eh das ist für mich wirklich ein großes Problem und dann sag ich mir, wenn er wegfährt, wirst du aktiv, dann holst du das alles nach, was du versäumt hast. Und wenn er dann weg ist, dann sag ich mir, also wenn er kommt, wird alles wieder anders (lacht). Es ist, also für mich, ich fühl mich manchmal wie ’ne Katze, die sich in den Schwanz beißt und find da nicht raus. Und deshalb ist in mir der Wunsch so stark geworden, berufstätig zu werden, um auch einen eigenen Bereich zu haben. Aber kommt nun hinzu, daß das erstens gegen den Willen meines Mannes geschehen würde, müßte.
  • 106.43.M.:
    [V44:1116] Moment, es kommt auf die Art an, das mußt du dazu sagen.
  • 107.45.F.:
    [V44:1117] Und dann kommt noch hinzu, daß also hier, in dieser strengen Arbeitsteilung, hier Geld verdienen, hier ausgeben und Dienstleistungen, ich von vorneherein weiß, welche Belastungen auf uns zukommen. Und ich kenn’ die Grenzen meiner körperlichen Kräfte.
  • 108.19.I.:
    [V44:1118] Ja, aber ich hab eher den Eindruck, daß Sie arbeiten wollen, eher der Abwechslung halber, als aus finanziellen Gründen.
  • 109.46.F.:
    [V44:1119] Ja!
  • 110.20.I.:
    [V44:1120] Das heißt, daß Sie sich im Grunde genommen ...
  • 111.47.F.:
    [V44:1121] Nein, das möchte ich nicht, die Verantwortung für meine Kinder übernehme ich voll und ganz. Denn – die Aufgabe hab’ ich, will ich, und die will ich konsequent zu Ende führen und –, aber ich dank an die Zeit, wenn die Kinder mich also wirklich in der Betreuung, wie sie mich |A 395|heute brauchen, dann nicht mehr brauchen. Und dann ist es aber zu spät, um wieder von neuem anzufangen.
  • 112.21.I.:
    [V44:1122] Wo sehen denn Sie die Schwierigkeiten bei der Berufstätigkeit Ihrer Frau?
  • 113.44.M.:
    [V44:1123] Eh, im Spezifischen eben in der Betreuung, was absolut zu kurz kommt dann. Zumal ich der Meinung bin, sie hat’s nicht nötig, ja? Gut, ich seh ja ein, sie braucht irgendwas. Das ist ganz klar. Wir hatten uns beholfen mit kleinen Tätigkeiten, die sie so nebenher gemacht hat, das seh ich alles voll und ganz ein. – Aber dann hat meine Frau die Idee, das Abitur nachzumachen, und da muß ich sagen, da hat’s Streit gegeben, weil ich der Meinung bin, ein so hoch gestecktes Ziel ist einfach nicht zu erfüllen, so wie wir leben, mit den Kindern. Das ist einfach nicht drinn. Sie hält das ein halbes Jahr durch und dann bricht alles zusammen. Und deshalb war ich der Meinung, daß sie ein kleiner gestecktes Ziel anvisieren soll, so z.B. wie – sie war ja früher sehr viel kaufmännisch tätig, daß sie – sie geht jetzt am Freitag zum Arbeitsamt, den Kaufmannsgehilfenbrief erst mal als erstes versucht, den zu machen. Das ist ein kleines Ziel, was aber meiner Meinung nach erreichbar ist.
  • 114.48.F.:
    [V44:1124] (Sie will etwas sagen, holt Luft)
  • 115.45.M.:
    [V44:1125] Und sie hat ja auch dabei auch Abwechslung, die sie im Prinzip sucht, sagen wir mal das Gespräch, das Nachdenken, das Arbeiten, das geistige Arbeiten, das hat sie ja dabei!
  • |A 396|
  • 116.49.F.:
    [V44:1126] J., du vergißt dabei, daß mir diese käufmännische Tätigkeit, daß ich sie nie freiwillig gesucht habe. Und wenn ich das Wort
    Kaufmannsgehilfenbrief
    höre, dann kommen in mir solche Aggressionen, daß ich – ich tu es jetzt – um wirklich – also ....
  • 117.46.M.:
    [V44:1127] (Unterbricht) das kommt ja hinzu, sie will das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden!
  • 118.50.F.:
    [V44:1128] Aber ich ...
  • 119.47.M.:
    [V44:1129] Aber ich mein, ich kann – es geht auch darum, es könnte z.B. mir mal passieren oder dergleichen und sie hat keinen Berufsabschluß. Und ohne einen Abschluß ist das ja doch – ich mein – heute in der heutige Konjunktur ist es nicht mehr ganz so wild, ob ich das Papier hab’ oder nicht. Aber im Ernstfall ist es doch, hat sie das Papierchen, hat sie doch drei bis vier ..., wir sind wieder beim Geld, hat sie drei- bis vierhundert Mark mehr. Ich mein, das ist der andre Hintergrund auch dabei.
  • 120.22.I.:
    [V44:1130] Ich dachte, Sie sagten, Sie hätten früher relativ selbstständig gearbeitet?
  • 121.51.F.:
    [V44:1131] Ja, ja, das war das Geschäft meiner Eltern, und dadurch war das nicht nötig. Oder, oder, das war die Kurzsichtigkeit meiner Eltern, also keinen Abschluß irgendwie für nötig ... Und das ist eben so in mir in allen Jahren mitgewachsen, daß ich nie die Möglichkeit hatte, das, was ich selbst wollte zu verwirklichen. Und ich muß jetzt wirklich sagen, daß das ungerecht wäre, wenn mein Mann nun die Fehler meiner Eltern ausbaden müßte. Denn er kann ja nichts dafür, daß meine Eltern da nicht richtig gehandelt haben, kurzsichtig waren. Und nur aus diesem Grund mach’ ich diesen entsetzlichen Kaufmanns|A 397|gehilfenbrief, (lacht) aber ...
  • 122.48.M.:
    [V44:1132] Aber so, wie du jetzt sprichst, steht da ja scheinbar ein Zwang dahinter, und das ist dann schon wieder falsch.
  • 123.52.F.:
    [V44:1133] Ja, ich seh das als Zwang an.
  • 124.49.M.:
    [V44:1134] Und so wie das ein Zwang ist, ist das Ding schon zum Scheitern verurteilt.
  • 125.53.F.:
    [V44:1135] Mal gucken!
  • 126.50.M.:
    [V44:1136] Rein auch schon von der nervlichen Belastung, denn sie zwingt dich dann dazu.
  • 127.54.F.:
    [V44:1137] Ich zwing mich dazu!
  • 128.51.M.:
    [V44:1138] Und sofort ist die nervliche Anspannung eine viel größere, der Nervenverschleiß, ja!
  • 129.55.F.:
    [V44:1139] Wenn ich allein dran denke, daß ich dann hundertfünfzig Anschläge in der Minute und 120 Silben Steno und so ’nen Käs’ machen muß. Ach, ich schaff das!
  • 130.23.I.:
    [V44:1140] Gibt es da keine andere Möglichkeit?
  • 131.56.F.:
    [V44:1141] Das will ich am Freitag alles erfahren.
  • 132.52.M.:
    [V44:1142] Deshalb geht sie aufs Arbeitsamt.
  • 133.57.F.:
    [V44:1143] Aber die Grundlage zum Kaufmannsgehilfenbrief erfordert auch diese manuellen Grundlagen. Das ist einfach die Voraussetzung.
  • 134.53.M.:
    [V44:1144] Ich hab’ ihr schon erklärt, in der heutigen Zeit ist ja der KGB nicht mit Stenographieren oder Maschinenschreiben verbunden.
  • 135.58.F.:
    [V44:1145] Doch, der Brief als solcher schon!
  • 136.54.M.:
    [V44:1146]
    Laß mich doch mal ausreden, ja!?!
    Es geht doch heute so viele Zwischenberufe, wo das – man muß den KGB ja nicht mit, wie man so schön sagt, mit Tipse identifizieren. Es |A 398|gibt also so herrliche Frauenberufe, auch Sachbearbeiterinnen für irgendwelche Dinge, wobei sie damit sicherlich indirekt noch was zu tun haben, aber nicht dauernd da dran sitzen. Man könnte heute genau so gut sagen, – ein Reporter, Mensch, wenn der sagt, was soll ich schreiben und an die Schreibmaschine setzen, das gehört zu seinem Beruf, daß er Schreibmaschine schreibt. Deshalb ist er doch kein Tipser. Das ist ’ne Voraussetzung dazu. Aber die Voraussetzung muß er haben. Das wäre genau das Gleiche bei mir, wenn ich sagen würde: Chemie, ach um Gottes willen, ich möcht nichts von Chemie hören. Das ist ’ne Voraussetzung, selbst wenn ich sie jetzt herzlich wenig brauche. Aber das ist nun mal in vielen Fällen, wenn man irgendwo hinwill, die Voraussetzung. Ihnen wird’s genauso gehen, daß sie manche Fächer mitmachen müssen, die Ihnen überhaupt nicht behagen, und wobei sie jetzt schon wissen, daß Sie die wohl überhaupt nicht brauchen.
  • 137.59.F.:
    [V44:1147] Na also trotzdem, der Zwang, daß es für die Grundlage erforderlich ist, es bleiben nach wie vor diese ungeliebten Fächer ein Zwang.
  • 138.24.I.:
    [V44:1148] Na ja, aber das Wichtige bleibt doch das Ziel, daß man mit dem Ziel einverstanden ist.
  • 139.55.M.:
    [V44:1149]
    Das Ziel, das Ziel ist das wesentliche.
    Das ist das – ein notwendiges Übel, ja?!
  • 140.60.F.:
    [V44:1150] Ja, ja, das hab ich noch nicht, das Ziel. Ja, das hab ich ja auch nicht, denn ich habe das bei unserem ältesten Sohn gesehen, das erste Schuljahr war haarig, weil er ungern in die Schule gegangen ist. Und das erste |A 399|Schuljahr halte ich, ich mein’ ich halt’ die andern auch für wichtig, aber das erste Schuljahr für besonders wichtig. Und das möcht’ ich voll und ganz, auch bei unserem Jüngsten, eh, voll da sein. Und dann erst was unternehmen. Und dann nach wie vor auch nur in Teilzeitbeschäftigungen – und soweit ich mich informiert habe, ist die ganze Teilzeitbeschäftigung, also nichts Ganzes und nichts Halbes, weil man ja doch niemand, weil niemand Verantwortungsbewußtsein einsetzen kann, wenn er dann doch ab 2 Uhr nicht mehr zu erreichen ist.
  • 141.56.M.:
    [V44:1151] Nun, die Teilzeitbeschäftigung, des is lediglich zum nebenbei Geldverdienen, so fasse ich das auf.
  • 142.61.F.:
    [V44:1152] Und so ’ne Tätigkeit fang ich von vorneherein nicht an. Wenn, dann möchte ich wirklich ’ne Aufgabe haben, ’ne Aufgabe erfüllen können. Und da seh’ ich noch keine Möglichkeit, das mit unseren Kindern zu vereinen.
  • 143.57.M.:
    [V44:1153] Also Abschaffungskommando holen, ja?!
  • 144.62.F.:
    [V44:1154] Nein! Denn ich hab’ das jetzt so verfolgt, in der Klasse so sporadisch und auch ohne, daß das jetzt unser Sohn merkt, ich erkundige mich immer so nach den Kindern, die im Hort sind und das sind die – schlechtesten Kinder, die Hortkinder. Auch die Kinder, deren Mütter berufstätig sind aus finanziellem Zwang, die Kinder sind auch alle hinten dran.
  • 145.58.M.:
    [V44:1155] Ganz logische Folgerung. Und deshalb bin ich der Meinung, daß es ...
  • 146.63.F.:
    [V44:1156] Und dann bet’ ich mir halt immer vor, daß doch die Zukunft der Kinder mehr zählt, als – meine Ideen.
  • |A 400|
  • 147.59.M.:
    [V44:1157] Ich meine, sicherlich, man soll sich für die Kinder nicht – sagen wir mal übertrieben gesprochen – das Leben kaputt machen, ja? Keinesfalls. Aber wenn man Kinder in die Welt gesetzt hat, dann sollte man auch die Verantwortung übernehmen. Bis zu einem gewissen Punkt natürlich.
  • 148.64.F.:
    [V44:1158] Ja, eh, das wär nun ein Punkt, daß da mal der Staat eingreift und den Leuten vorher sagt, was auf sie zukommt. Denn jeder stürzt sich da ja rein, ohne im geringsten überhaupt eine Ahnung zu haben, was auf ihn zukommt. Wenn ich heute einer Mutter, die ein Kind erwartet, sage, daß sie in den nächsten sechs Jahren sich komplett selbst aufgeben muß, die guckt mich an wie ne Kuh. – Wenn dann nach den ersten Jahren die reine Betreuungstätigkeit und auch die viele Arbeit mit den kleinen Kindern, wenn das dann weniger wird, dann setzt ’ne intensive, ein intensives Leben mit den Kindern ein. Wenn dann das Fragealter beginnt, und also das ist mindestens genauso nervenaufreibend als vorher so jeden Tag Windeln waschen, oder was weiß ich, was da noch für Tätigkeiten notwendig sind.
  • 149.25.I.:
    [V44:1159] Meinen Sie, das müßte unbedingt die Mutter sein, die dann 24 Stunden am Tag mit den Kindern zusammen ist? Könnte das nicht eine andere Person sein, die sich dann intensiv mit den Kindern beschäftigt?
  • 150.65.F.:
    [V44:1160] Doch ja, aber ich seh dann gar keinen Grund mehr, Kinder in die Welt zu setzen.
  • |A 401|
  • 151.60.M.:
    [V44:1161]
    Dann soll ich’s sein lassen!
    Und ich persönlich stehe noch auf dem Standpunkt, die Frauen, die unbedingt emanzipiert sein wollen, gut, wenn sie den geeigneten Partner finden, warum nicht. Aber sie sollen nicht versuchen, eh, plötzlich irgendwie bestehende Bande ganz plötzlich durchbrechen zu wollen. Das sollen sich diese Frauen vorher überlegen.
  • 152.26.I.:
    [V44:1162] Was meinen Sie mit
    bestehende Bande brechen?
  • 153.61.M.:
    [V44:1163] Nun, daß man vorher sagt, ja wir verstehen uns prima und ich akzeptiere das, was wir allgemein geplant haben. Und jetzt plötzlich, sagen wir mal, es gibt noch krassere Fälle wie meine Frau, daß sie jetzt plötzlich sagt, die Frau: die Kinder, na ja, die werden schon groß, ich studiere jetzt, also das wäre für mich ein Scheidungsgrund, ja?
  • 154.66.F.:
    [V44:1164] Ich bin nicht ganz der Meinung.
  • 155.27.I.:
    [V44:1165] Wieso nicht?
  • 156.62.M.:
    [V44:1166] Weil ich unter diesen Voraussetzungen diese Frau nicht geheiratet hätte, dann würde ich dazu neigen, mit ihr zusammen zu leben, aber nicht zu heiraten, nicht fest sich zu binden. Dann kann jeder seinen Weg gehen, wie er will. Und man trifft sich, wenn man lustig ist.
  • 157.67.F.:
    [V44:1167]
    Eh, ich bin aus dem Grund nicht der Meinung, weil man anerkennen muß, daß jeder Mensch nicht so bleibt wie er einmal war, mit 20 oder 21. Jeder Mensch verändert sich, und bei mir hab ich das gesehen, die Zeitspanne vom 20. bis 30. Lebensjahr war meine entscheidenste Entwicklungsphase, vielleicht war ich ein Spät|A 402|entwickler, ich weiß es nicht. Aber in diesem Zeitraum habe ich völlig andere Ansichten, teilweise mit umgekehrten Vorzeichen mir angeeignet.
    Und warum soll der Partner das nicht akzeptieren können, daß jeder Mensch sich verändert? Auch du hast dich verändert in diesen Jahren.
  • 158.63.M.:
    [V44:1168] Ach, nicht wesentlich, nicht wesentlich.
  • 159.68.F.:
    [V44:1169] Und wenn man die Dinge nicht vorher weiß, wie sie sind, und sie dann nicht so akzeptieren will, wie sie sind, dann ist das doch ehrlicher, als sich hinzusetzen und Däumchen zu drehen und zu sagen, ich kann die Dinge nicht ändern und totunglücklich zu sein.
  • 160.64.M.:
    [V44:1170] Gut, da gibt es noch Versuche des Kompromisses, die selbstverständlich da sind.
  • 161.69.F.:
    [V44:1171] (Seufzt hörbar)
  • 162.65.M.:
    [V44:1172] Aber es darf nicht eben da nach einer Seite nur ausschlagen.
  • 163.70.F.:
    [V44:1173] Ein wesentlicher Punkt scheint mir, daß man als Frau oder ich wußte es nicht, ob es allgemein so ist, weiß ich nicht, aber ich nehm’ es stark an, wie groß die Aufgabe ist, Kinder zu haben, wenn man sie verantwortungsvoll lösen will. Wenn man seine Kinder nicht einfach so nebenher groß werden lassen will. Es ist – ich will es jetzt überhaupt nicht missen, ganz und gar nicht, es ist ’ne sehr reiche Zeit gewesen, und ich habe Teile meiner Bewußtseinsänderung meinen Kindern zu verdanken oder der Situation, in die ich durch meine Kinder gekommen bin.
  • |A 403|
  • 164.28.I.:
    [V44:1174] Sie sagten vorhin, man könnte Kompromisse setzen, wie würde denn so ein Kompromiß aussehen? In Bezug auf den Wunsch Ihrer Frau, wieder berufstätig zu sein?
  • 165.66.M.:
    [V44:1175] So, wie wir’s jetzt versuchen. Berufstätig braucht sie nicht zu sein, es gibt andere Wege, daß sie das – sie fühlt sich ja geistig vernachlässigt – auf anderem Wege tut. Aber nicht, daß sie von zu Hause weg ist.
  • 166.71.F.:
    [V44:1176] Diese Nebenbeschäftigung, die ich da mach’ ,ich hab’ mir am Anfang mehr davon versprochen; es ist nach wie vor nicht die Erfüllung, die ich mir gewünscht habe. Es fehlt mir doch der Kontakt, also es ist doch was ganz anderes, ob ich jetzt hier am Tisch sitze und irgendwelche Ausarbeitungen mache, oder innerhalb eines Geschäftes, wo ich weiß, wofür und warum ich das tu. – Das kann man überhaupt nicht miteinander vergleichen. Also das ist schon ein schlechter Kompromiß.
  • 167.67.M.:
    [V44:1177] Aber ich glaub, der springende Punkt ist doch der, daß sie selber ja nicht weiß, was sie will, welchen Kontakt sie sucht, was sie eigentlich braucht, das weiß sie eigentlich selber nicht. Denn sonst könnte man sich ...
  • 168.72.F.:
    [V44:1178] Ich weiß nur, was ich nicht will, das stimmt.
  • 169.68.M.:
    [V44:1179] Sie weiß nur, was sie nicht will, und da, da einen Kompromiß zu schließen, ist natürlich äußerst schwierig. Ja!
  • 170.73.F.:
    [V44:1180] Ich weiß wirklich nicht genau, was ich will, das muß ich zugeben, ich weiß nur, was ich nicht will. Und was ich nicht will ist jetzt hier in Schwanheim meinen Grabstein so mal aussuchen (lacht), und dann wissen, wo ich einst ruhen werde und weiß, wie die nächsten dreißig Jahre |A 404|verlaufen ab 17.15. Uhr wie gehabt!
  • 171.69.M.:
    [V44:1181]
    Das kommt mit Sicherheit nicht darauf an!
    Zum Beispiel, ich hätte die Gelegenheit, stationär ins Ausland zu gehen. Meine Frau sagt zu mir z.B. Amerika war jetzt eine Gelegenheit, ich lehn es ab. Einmal berufliche Gründe, zum anderen, was ausschlaggebend ist, familiäre Gründe. Meine Frau sagt: Och, bist du ein Idiot, warum gehst du nicht hin? Ich gehe sofort mit. Aber da drüben würden nämlich unsere eigentlichen Probleme noch viel mehr aufbrechen, denn da wär ich dann noch weniger zu Hause als hier. Es sei denn, daß man in eine Ausländerkolonie käme.
  • 172.74.F.:
    [V44:1182] Ja, mein Mann sieht da wohl ganz klar und deutlich, daß ich lediglich unsere Situation an einen anderen Ort verpflanzen würde.
  • 173.70.M.:
    [V44:1183] Also hier, hier muß ich mich von eben berichtigen, hier gilt das Motto, in solchen Dingen entscheide ich mich ganz klar, da gibt es nicht das Motto: jetzt lassen wir’s auf uns zukommen. In solchen Dingen nicht!
|A 405|

Anhang 6:

1. Variablen-Schlüssel für die Arbeitsplatz-Faktorenanalyse (90 Items)

  • 1. Stratum
    [V44:1184]
    1 = oberes Stratum
    2 = unteres Stratum
  • 2. Berufstätigkeit
    [V44:1185]
    1 = berufstätig
    2 = nicht berufstätig
  • 3. Untersuchungsort
    [V44:1186]
    1 = G.
    2 = F.
  • 4. Schulbildung
    [V44:1187]
    1 = Sonderschule, mit und ohne Abschluß
    2 = Mittlere Reife, Fachschule
  • 5. Berufsqualifizierender Abschluß
    [V44:1188]
    1 = kein Abschluß (d.h. nur Volksschule mit/ohne Abschluß)
    2 = Lehre, mittlere Reife, Fachschule
    3 = Abitur, Universität ohne Abschluß
    4 = Fachhochschule Univers ität mit Abschluß
  • 6. Veränderung der Qualifikation
    [V44:1189]
    1= Dequalifizierung
    2 = keine Veränderung
    3 = Höherqualifizierung
  • 7. Planung eines Berufswechsels
    [V44:1190]
    1= nein
    2 = ja
  • 8. Planung eines Stellenwechsels
    [V44:1191]
    1= nein
    2 = ja
  • 9. Teilnahme an Fortbildungskursen
    [V44:1192]
    1= nein
    2 = ja
  • |A 406|
  • 10. Schulbildung der Mutter
    [V44:1193] analog 4.
  • 11. Schulbildung des Vaters
    [V44:1194] analog 4.
  • 12. Mitgliedschaft in der Gewerkschaft
    [V44:1195]
    1 = nein
    2 = ja
  • 13. Mitgliedschaft in einer politischen Partei
    [V44:1196]
    1 = nein
    2 = ja
  • 14. Mitgliedschaft in Vereinen
    [V44:1197]
    1 = nein
    2 = ja
  • 15. Arbeitsplatz im Großraumbüro
    [V44:1198]
    1 = nein
    2 = ja
  • 16. Arbeitsplatz im Kleinraumbüro
    [V44:1199]
  • 17. A. im Einzelbüro
    [V44:1200]
  • 18. A. zu Hause (Heimarbeit)
    [V44:1201]
  • 19. A. am Fließband
    [V44:1202]
  • 20. A. in Montagehalle
    [V44:1203]
  • 21. A. in Werkstatt
    [V44:1204]
  • 22. A. im Labor
    [V44:1205]
  • 23. A. Außendienst
    [V44:1206]
  • [V44:1207]
    jeweils
    1 = nein
    2 = ja
  • 24. Änderung des Ortes der Tätigkeit im Laufe eines Arbeitstages
    [V44:1208]
    1 = nie, sehr selten
    2 = manchmal
    3 = oft
    4 = regelmäßig
  • |A 407|
  • 25. Wo bzw. wohin erfolgt der Wechsel des Ortes der Tätigkeit?
    [V44:1209]
    1 = nie, sehr selten ein Ortswechsel
    2 = nur am Arbeitsplatz
    3 = nur innerhalb der Abteilungen, aber zu anderen Arbeitsplätzen; nur innerhalb des Betriebes, aber zu anderen Abteilungen
    4 = nach außerhalb des Betriebes
  • 26. Arbeitszeit
    [V44:1210]
    1 = freie Arbeitszeit, gleitende Arbeitszeit
    2 = feste Arbeitszeit, aber keine Schichtarbeit
    3 = Frühschicht, Spätschicht
    4 = wechselnde Schichten
    5 = Nachtschicht
  • 27. Wöchentliche Arbeitszeit
    [V44:1211]
    1 = bis 42 Std. bzw. keine Überstunden
    2 = bis 44 Std. bzw. bis 2 Überstunden
    3 = bis 46 Std. bzw. bis 4 Überstunden
    4 = bis 48 Std. bzw. bis 6 Überstunden
  • 28. Wird auf die Einhaltung der Arbeitszeit genau geachtet?
    [V44:1212]
    1 = nein
    2 = ja
  • 29. Arbeitszeitkontrolle durch Steckuhr
    [V44:1213]
    1 = nein
    2 = ja
  • 30. Verlassen des Arbeitsplatzes während der Arbeitszeit möglich?
    [V44:1214]
    1 = nein
    2 = ja
  • 31. Möglichkeit der Bestimmung der Reihenfolge einzelner Arbeitsabschnitte innerhalb einer vorgegebenen Arbeit
    [V44:1215]
    1 = nein
    2 = ja
  • 32. Festlegung der Geschwindigkeit eines Arbeitsganges durch
    [V44:1216]
    1 = eine Maschine
    2 = den Vorgesetzten
    3 = den Arbeitsanfall
    4 = eigene Festlegung
  • |A 408|
  • 33. In welcher Form findet am häufigsten die Arbeitszuteilung statt?
    [V44:1217]
    1 = laufende (Fließbandarbeit)
    2 = täglich
    3 = abhängig vom Umfang des Auftrags
    4 = wöchentlich (oder länger)
  • 34. Gehört es zur Tätigkeit, anderen Arbeit zuzuteilen?
    [V44:1218]
    1 = nein
    2 = ja
  • 35. Wie geschieht die Arbeitseinteilung?
    [V44:1219]
    1 = liegt fest (z.B. durch Maschinen)
    2 = macht der Vorgesetzte
    3 = wird mit dem Vorgesetzten ausgehandelt
    4 = wird unter den Kollegen ausgemacht
    5 = eigene Einteilung
  • 36. Bei Arbeit in einer Arbeitsgruppe: Wird die Einzelarbeit oder das Gruppenergebnis kontrolliert?
    [V44:1220]
    1 = keine Arbeit in einer Arbeitsgruppe
    2 = nur Kontrolle der Einzelarbeit
    3 = beides wird kontrolliert
    4 = nur Kontrolle des Gesamtergebnisses
  • 37. Einschätzung der Tätigkeit
    [V44:1221]
    1 = Tätigkeit eher ausführend
    2 = Tätigkeit ist eher leitend
  • 38. Umfang der zur Arbeit nötigen Informationen
    [V44:1222]
    1 = weniger Informationen als benötigt werden
    2 = genauso viele Informationen wie benötigt werden
  • 39. Notwendigkeit der Absprache mit Kollegen?
    [V44:1223]
    1 = nein
    2 = ja
  • 40. Konkurrenzsituation am Arbeitsplatz
    [V44:1224]
    1 = kein Wettbewerb
    2 = schwacher Wettbewerb
    3 = ziemlich starker Wettbewerb
    4 = sehr starker Wettbewerb
  • 41. Gegenseitige Unterstützung bei der Arbeit
    [V44:1225]
    1 = kommt nie vor
    2 = kommt sehr selten vor
    3 = kommt oft vor, ist die Regel
  • |A 409|
  • 42. Möglichkeit der Unterhaltung mit Kollegen außerhalb der offiziellen Pausen
    [V44:1226]
    1 = nein, wegen Lärm
    2 = nein, wegen Verbots
    3 = nein, wegen des Arbeitstempos bzw. häufigen Ortswechsels
    4 = ja
  • 43. Vielfalt der Gesprächsthemen
    [V44:1227]
    1 = nur ein Themenkomplex wird angesprochen
    2 = zwei Themenkomplexe werden angesprochen
    3 = drei Themenkomplexe werden angesprochen
    4 = alle aufgeführten Themenkomplexe werden angesprochen
  • 44. Die Fähigkeit, einen guten Eindruck zu machen, wird gehalten für
    [V44:1228]
    1 = weniger bzw. nicht wichtig
    2 = ziemlich wichtig
    3 = sehr wichtig
  • 45. Die Fähigkeit, ein gutes Gedächtnis zu haben, ... (analog 44)
    [V44:1229]
  • 46. " ", viel und schnell denken zu können, ...
    [V44:1230]
  • 47. " ", systematisch organisieren zu können, ...
    [V44:1231]
  • 48. " ", neue Wege und Methoden ausdenken zu können, ...
    [V44:1232]
  • 49. " ", in die Zukunft planen zu können, ...
    [V44:1233]
  • 50. " ", mit Menschen gut umgehen zu können, ...
    [V44:1234]
  • 51. " ", sich Anordnungen und Vorschriften fügen zu können, ...
    [V44:1235]
  • 52. " ", schwere körperliche Arbeit leisten zu können, ...
    [V44:1236]
  • 53. " ", genau und gewissenhaft zu arbeiten
    [V44:1237]
  • 54. " ", sich klar und deutlich ausdrücken zu können, ...
    [V44:1238]
  • 55. " ", schnell reagieren zu können, ...
    [V44:1239]
  • 56. " ", langjährige Erfahrung haben, ...
    [V44:1240]
  • 57. " ", unter erschwerten Bedingungen (Lärm, Schmutz, Hitze u.ä.) arbeiten zu können, ...
    [V44:1241]
  • |A 410|
  • 58. Die Fähigkeit, gutes fachliches Können zu besitzen, ...
    [V44:1242]
  • 59. " ", eine gute theoretische Ausbildung zu haben, ...
    [V44:1243]
  • 60. " ", hohe nervliche Belastung bei eintöniger Arbeit ertragen zu können, ...
    [V44:1244]
  • [V44:1245] jeweils wie 44.
  • 61. Höhe des Familieneinkommens
    [V44:1246]
    1 = bis 1000 DM
    2 = bis 1400 DM
    3 = bis 1800 DM
    4 = bis 2200 DM
    5 = über 2200 DM
  • 62. Wie ergibt sich das Einkommen?
    [V44:1247]
    1 = Akkordlohn
    2 = als Zeitlohn
    3 = als Gehalt
  • 63. Haben Sie Untergebene?
    [V44:1248]
    1 = nein
    2 = ja
  • 64. Wie werden die Arbeitsanweisungen übermittelt?
    [V44:1249]
    1 = schriftlich
    2 = mündlich
  • 65. Einschätzung der eigenen Autonomie
    [V44:1250]
    1 = ich erhalte mehr Arbeitsanweisungen als ich selber gebe
    2 = ich gebe mehr Arbeitsanweisungen als ich selber erhalte
  • 66. Einschätzung der Aufstiegschancen
    [V44:1251]
    1 = keine Aufstiegschancen
    2 = ziemlich schlechte Aufstiegschancen
    3 = gute Aufstiegschancen
    4 = sehr gute Aufstiegschancen
  • 67. Vorwiegend Umgang mit Personen
    [V44:1252]
    1 = nein
    2 = ja
  • 68. Vorwiegend Verarbeitung von Materialien, Herstellung von Gegenständen, Transport und Vertrieb von Gütern
    [V44:1253]
    1 = nein
    2 = ja
  • |A 411|
  • 69. Vorwiegend Büroarbeiten (Schreiben, Registrieren etc.)
    [V44:1254]
    1 = nein
    2 = ja
  • 70. Vorwiegend Entwicklung von Ideen, Konzepten
    [V44:1255]
    1 = nein
    2 = ja
  • 71. Kündigungsfrist
    [V44:1256]
    1 = Probezeit
    2 = 1 Monat
    3 = 3 Monate, 1/2 Jahr
    4 = länger als 1/2 Jahr
    5 = unkündbar
  • 72. Werden Sie Ihrer Meinung nach an Ihrem Arbeitsplatz Ihrer Leistung entsprechend bezahlt?
    [V44:1257]
    1 = nein
    2 = ja
  • 73. Zufrieden damit, wie interessant die Arbeit ist
    [V44:1258]
    1 = unzufrieden
    2 = ziemlich zufrieden
    3 = sehr zufrieden
  • 74. Zufrieden mit meinem Vorgesetzten, ... (analog 73)
    [V44:1259]
  • 75. " " meinen Arbeitskollegen, ...
    [V44:1260]
  • 76. " " meiner Arbeitszeit, ...
    [V44:1261]
  • 77. " damit, wie anstrengend die Arbeit ist, ...
    [V44:1262]
  • 78. " wie hoch meine Arbeit innerhalb des Betriebes bewertet wird, ...
    [V44:1263]
  • 79. " mit meinem Entscheidungsspielraum, ...
    [V44:1264]
  • 80. " " meinen Möglichkeiten, vorwärts zu kommen, ...
    [V44:1265]
  • 81. " " den Möglichkeiten, meine Fähigkeiten voll einsetzen zu können, ...
    [V44:1266]
  • 82. " " den tariflichen Sozialleistungen im Betrieb (z.B. Altersversorgung)
    [V44:1267]
  • 83. " " den außertariflichen Sozialleistungen (z.B. Kantine)
    [V44:1268]
  • |A 412|
  • 84. Zufrieden mit dem Arbeitsklima, ...
    [V44:1269]
  • 85. " " dem Arbeitsschutz, ...
    [V44:1270]
  • 86. " " der Arbeitsplatzumgebung (z.B. Lärm, Hitze, Staub, Gestank), ...
    [V44:1271]
  • 87. " " der Bezahlung
    [V44:1272]
  • 88. " " den Mitbestimmungsmöglichkeiten, ...
    [V44:1273]
  • 89. " " der technischen Ausrüstung am Arbeitsplatz, ...
    [V44:1274]
  • [V44:1275] jeweils analog 73.
  • 90. Würden Sie den gleichen Beruf wählen oder lieber einen anderen?
    [V44:1276]
    1 = einen anderen
    2 = den gleichen

2. Variablen-Schlüssel für Over-all-Korrelation
(92 Items)

  • 1. Stratum
    [V44:1277]
    1 = berufstätig
    2 = nicht berufstätig
  • 2. Berufstätigkeit
    [V44:1278]
    1 = oberes Stratum
    2 = unteres Stratum
  • 3. Untersuchungsort
    [V44:1279]
    1 = G.
    2 = F.
  • 4. Berufsqualifizierender Abschluß
    [V44:1280]
    1 = kein Abschluß (Volksschule/mit/ohne Abschluß)
    2 = Lehre, mittlere Reife, Fachschule
    3 = Abitur, Universität ohne Abschluß
    4 = Fachhochschule, Universität mit Abschluß
  • 5. Änderung des Ortes der Tätigkeit im Laufe des Arbeitstages
    [V44:1281]
    1 = nie, sehr selten
    |A 413|
    2 = manchmal
    3 = oft
    4 = regelmäßig
  • 6. Arbeitszeittyp
    [V44:1282]
    1 = freie Arbeitszeit, gleitende Arbeitszeit
    2 = feste Arbeitszeit, aber keine Schichtarbeit
    3 = Frühschicht, Spätschicht
    4 = wechselnde Schichten
    5 = Nachtschicht
  • 7. Wöchentliche Arbeitszeit
    [V44:1283]
    1 = bis 42 Std. bzw. keine Überstunden
    2 = bis 44 Std. bzw. zwei Überstunden
    3 = bis 46 Std. bzw. bis vier Überstunden
    4 = bis 48 Std. bzw. bis sechs Überstunden
    5 = über 48 Std. bzw. über sechs Überstunden
  • 8. Wird auf die Einhaltung der Arbeitszeit genau geachtet?
    [V44:1284]
    1 = nein
    2 = ja
  • 9. Arbeitszeitkontrolle durch Steckuhr
    [V44:1285]
    1 = nein
    2 = ja
  • 10. Verlassen des Arbeitsplatzes während der Arbeitszeit möglich?
    [V44:1286]
    1 = nein
    2 = für kurze Kaffee- oder Zigarettenpausen
    3 = für private Besorgungen außerhalb
  • 11. Möglichkeit der Bestimmung der Reihenfolge einzelner Arbeitsabschnitte innerhalb einer vorgegebenen Arbeit
    [V44:1287]
    1 = nein
    2 = ja
  • 12. Festlegung der Geschwindigkeit eines Arbeitsganges durch
    [V44:1288]
    1 = eine Maschine
    2 = den Vorgesetzten
    3 = den Arbeitsanfall
    4 = eigene Festlegung
  • |A 414|
  • 13. In welcher Form findet am häufigsten die Arbeitszuteilung statt?
    [V44:1289]
    1 = laufende (Fließbandarbeit)
    2 = täglich
    3 = abhängig vom Umfang des Auftrags
    4 = wöchentlich (oder länger)
  • 14. Gehört es zur Tätigkeit, anderen Arbeit zuzuteilen?
    [V44:1290]
    1 = nein
    2 = ja
  • 15. Wie geschieht die Arbeitseinteilung?
    [V44:1291]
    1 = liegt fest (z.B. durch Maschine)
    2 = macht der Vorgesetzte
    3 = wird mit dem Vorgesetzten ausgehandelt
    4 = wird unter den Kollegen ausgemacht
    5 = eigene Einteilung
  • 16. Bei der Arbeit in einer Arbeitsgruppe: wird Einzelarbeit oder das Gruppenergebnis kontrolliert?
    [V44:1292]
    1 = keine Arbeit in einer Arbeitsgruppe
    2 = nur Kontrolle der Einzelarbeit
    3 = beides wird kontrolliert
    4 = nur Kontrolle des Gesamtergebnisses
  • 17. Einschätzung der Tätigkeit
    [V44:1293]
    1 = Tätigkeit it eher ausführend
    2 = Tätigkeit ist eher leitend
  • 18. Umfang der zur Arbeit notwendigen Informationen
    [V44:1294]
    1 = weniger Informationen als benötigt werden
    2 = genauso viele Informationen wie nötig
  • 19. Notwendigkeit der Absprache mit Kollegen
    [V44:1295]
    1 = nein
    2 = ja
  • 20. Konkurrenzsituation am Arbeitsplatz
    [V44:1296]
    1 = kein Wettbewerb
    2 = schwacher Wettbewerb
    3 = ziemlich starker Wettbewerb
    4 = sehr starker Wettbewerb
  • |A 415|
  • 21. Gegenseitige Unterstützung bei der Arbeit
    [V44:1297]
    1 = kommt nie vor
    2 = kommt selten vor
    3 = kommt oft vor, ist die Regel
  • 22. Möglichkeit der Unterhaltung mit Kollegen außerhalb der offiziellen Pausen
    [V44:1298]
    1 = nein, wegen Lärm
    2 = nein, wegen Verbot
    3 = nein, wegen des Arbeitstempos bzw. häufigen Ortswechsels
    4 = ja
  • 23. Die Fähigkeit, einen guten Eindruck auf andere zu machen, wird gehalten für
    [V44:1299]
    1 = weniger bzw. nicht wichtig
    2 = ziemlich wichtig
    3 = sehr wichtig
  • 24. Die Fähigkeit, ein gutes Gedächtnis zu haben, ... (analog 23.)
    [V44:1300]
  • 25. " ", viel und schnell denken zu können
    [V44:1301]
  • 26. " ", systematisch organisieren zu können
    [V44:1302]
  • 27. " ", neue Methoden auszudenken
    [V44:1303]
  • 28. " ", in die Zukunft zu planen
    [V44:1304]
  • 29. " ", gut mit Menschen umgehen zu können
    [V44:1305]
  • 30. " ", sich Anordnungen und Vorschriften fügen zu können
    [V44:1306]
  • 31. " ", schwere körperliche Arbeit verrichten zu können
    [V44:1307]
  • 32. " ", genau und gewissenhaft zu arbeiten
    [V44:1308]
  • 33. " ", sich klar und deutlich auszudrücken
    [V44:1309]
  • 34. " ", schnell reagieren zu können
    [V44:1310]
  • 35. " ", langjährige Erfahrung zu haben
    [V44:1311]
  • 36. " ", unter erschwerten Bedingungen (Lärm, Schmutz, Hitze u.ä.) arbeiten zu können
    [V44:1312]
  • 37. " ", gutes fachliches Können zu besitzen
    [V44:1313]
  • |A 416|
  • 38. Die Fähigkeit, eine gute theoretische Ausbildung zu haben
    [V44:1314]
  • 39. " ", hohe nervliche Belastbarkeit bei eintöniger Arbeit ertragen zu können
    [V44:1315]
  • 40. Höhe des Familieneinkommens
    [V44:1316]
    1 = bis 1000 DM
    2 = bis 1400 DM
    3 = bis 1800 DM
    4 = bis 2200 DM
    5 = über 2200 DM
  • 41. Wie ergibt sich das Einkommen?
    [V44:1317]
    1 = Akkordlohn
    2 = als Zeitlohn
    3 = als Gehalt
  • 42. Haben Sie Untergebene?
    [V44:1318]
    1 = nein
    2 = ja
  • 43. Wie werden die Arbeitsanweisungen übermittelt?
    [V44:1319]
    1 = schriftlich
    2 = mündlich
  • 44. Einschätzung der eigenen Autonomie
    [V44:1320]
    1 = ich erhalte mehr Arbeitsanweisungen als ich selber gebe
    2 = ich gebe mehr Arbeitsanweisungen als ich erhalte
  • 45. Einschätzung der Aufstiegschancen
    [V44:1321]
    1 = keine Aufstiegschancen
    2 = ziemlich schlechte Aufstiegschancen
    3 = gute Aufstiegschancen
    4 = sehr gute Aufstiegschancen
  • 46. Vorwiegend Umgang mit Personen
    [V44:1322]
    1 = nein
    2 = ja
  • 47. Vorwiegend Verarbeitung von Materialien, Herstellung von Gegenständen, Transport und Vertrieb von Gütern
    [V44:1323]
    1 = nein
    2 = ja
  • |A 417|
  • 48. Vorwiegend Büroarbeiten (Schreiben, Registrieren etc.)
    [V44:1324]
    1 = nein
    2 = ja
  • 49. Vorwiegend Entwicklung von Ideen, Konzepten
    [V44:1325]
    1 = nein
    2 = ja
  • 50. Kündigungsfrist
    [V44:1326]
    1 = Probezeit, jeden Tag, jede Woche
    2 = einen Monat
    3 = 3 Monate, 1/2 Jahr
    4 = ein Jahr, länger als ein Jahr
    5 = unkündbar
  • 51. Werden Sie Ihrer Meinung nach an Ihrem Arbeitsplatz Ihrer Leistung entsprechend bezahlt?
    [V44:1327]
    1 = nein
    2 = ja
  • 52. Zufrieden damit, wie interessant die Arbeit ist
    [V44:1328]
    1 = unzufrieden
    2 = ziemlich zufrieden
    3 = sehr zufrieden
  • 53. Zufrieden mit meinen Vorgesetzten (analog 52)
    [V44:1329]
  • 54. " " meinen Arbeitskollegen
    [V44:1330]
  • 55. " " der Arbeitszeit
    [V44:1331]
  • 56. " damit, wie anstrengend die Arbeit ist
    [V44:1332]
  • 57. " mit meinem Entscheidungsspielraum
    [V44:1333]
  • 58. " " den Möglichkeiten, meine Fähigkeiten voll einsetzen zu können
    [V44:1334]
  • 59. " " dem Arbeitsklima
    [V44:1335]
  • 60. " " dem Arbeitsschutz
    [V44:1336]
  • 61. " " der Arbeitsplatzumgebung (z.B. Lärm, Hitze, Staub, Gestank)
    [V44:1337]
  • 62. " " der Bezahlung
    [V44:1338]
  • 63. " " den Mitbestimmungsmöglichkeiten
    [V44:1339]
  • |A 418|
  • 64. Würden Sie den gleichen Beruf wählen oder lieber einen anderen?
    [V44:1340]
    1 = einen anderen
    2 = den gleichen
  • 65. Nach der Heirat bei den Schwiegereltern gewohnt
    [V44:1341]
    1 = nein
    2 = bis 6 Monate
    3 = bis 1 Jahr
    4 = mehr als 1 Jahr
  • 66. Wann geheiratet?
    [V44:1342]
    1 = vor 1960
    2 = 1960 – 1962
    3 = 1962 – 1964
    4 = 1964 und später
  • 67. Längere Trennung von den Kindern, Aufenthalt der Kinder während der Trennung
    [V44:1343]
    1 = nein
    2 = bei Verwandten
    3 = bei Pflegeeltern
    4 = im Heim
  • 68. Dauer der Trennung
    [V44:1344]
    1 = keine Trennung
    2 = bis zu 3 Monaten
    3 = bis zu 1 Jahr
    4 = länger als 1 Jahr
  • 69. Macht eines der Kinder Schwierigkeiten im Kindergarten oder in der Schule?
    [V44:1345]
    1 = nein
    2 = ja
  • 70. Macht eines der Kinder Schwierigkeiten bezüglich der anderen Geschwister oder der Eltern?
    [V44:1346]
    1 = nein
    2 = ja
  • 71. Komplexität, Familienbiographie
    [V44:1347]
  • 72.Komplexität, Dissensdiskussion
    [V44:1348]
  • 73. Reziprozität, Familienbiographie
    [V44:1349]
  • 74. Reziprozität, Dissensdiskussion
    [V44:1350]
  • |A 419|
  • 75. Dominanz Mutter, Familienbiographie
    [V44:1351]
  • 76. Dominanz Vater, Familienbiographie
    [V44:1352]
  • 77. Dominanz Mutter, Dissensdiskussion
    [V44:1353]
  • 78. Dominanz Vater, Dissensdiskussion
    [V44:1354]
  • 79. Konfliktgehalt, Familienbiographie
    [V44:1355]
  • 80. Konfliktgehalt, Dissensdiskussion
    [V44:1356]
  • 81. Problematisierung, Familienbiographie
    [V44:1357]
  • 82. Problematisierung, Dissensdiskussion
    [V44:1358]
  • Geld wegnehmen
    [V44:1359]
  • 83.
    [V44:1360] 1. externe Kontrolle., Folgen als Strafkriterien
  • 84.
    [V44:1361]
    2. interne Kontrolle, Absichten werden bestraft
    3. Erörterung von Folgen und Absichten, keine Bestrafung
  • Lehrer schlägt Kind
    [V44:1362]
  • 85.
    [V44:1363] 1. grundsätzlich befürworten
  • 86.
    [V44:1364]
    2. situationsabhängig reagieren
    3. grundsätzlich ablehnen
  • Kind schimpft die Eltern
    [V44:1365]
  • 87.
    [V44:1366]
    1. externe Kontrolle
    2. interne Kontrolle
  • 88.
    [V44:1367]
    3. keine Bestrafung, Erörterung
    4. keine Reaktion, auf Kind beruhigend einwirken
    5. situationsabhängig reagieren
    6. humorvoll reagieren
  • Sexualspiele
    [V44:1368]
  • 89.
    [V44:1369]
    1. gewähren lassen
    2. aufklären
    3. ablenken
  • 90.
    [V44:1370]
    4. bestrafen, verbieten
    5. gewähren lassen und aufklären
    6. aufklären und ablenken
    7. aufklären und bestrafen/verbieten
  • |A 420|
  • Berufs- bzw. Ortswechsel
    [V44:1371]
  • 91.
    [V44:1372]
    1. nicht weggehen, wegen materieller Gründe
    2. nicht weggehen wegen Freunden, Familie, Ausbildung und Kindern
    3. berufliche Verbesserung
  • 92.
    [V44:1373]
    4. mit Ehepartner mitgehen
    5. berufliche Verbesserung und mit Ehepartner mitgehen
    6. nicht weggehen wegen materieller Gründe und wegen Freunden, Familie, Ausbildung der Kinder
    7. nicht weggehen wegen Freunden, Familie und Ausbildung der Kinder.
|A 421|

Anhang 7:

Literaturverzeichnis

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