Interaktion und Organisation in pädagogischen Feldern [Werkkommentar]

1 Werk: Formale Beschreibung

1.1 Leittext

[1] Mollenhauer, Klaus. Interaktion und Organisation in pädagogischen Feldern (Beitrag 1977; KMG 056-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqp0&edition=a.
[2] Basierend auf:
  • [3] Mollenhauer, Klaus (1977). Interaktion und Organisation in pädagogischen Feldern. In Herwig Blankertz (Hrsg.). Interaktion und Organisation in pädagogischen Feldern. Bericht über den 5. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) vom 29.–31.03.1976 in der Gesamthochschule Duisburg (S. 39–56). Weinheim, Basel: Beltz (Zeitschrift für Pädagogik. 13. Beiheft)
[4] Bei dem Werk Interaktion und Organisation in pädagogischen Feldern handelt es sich um einen 18-seitigen Beitrag für den 1977 als 13. Beiheft der Zeitschrift für Pädagogik erschienenen Band über den 5. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) vom 29.–31.3.1976 in der Gesamthochschule Duisburg. Der Band wurde im Auftrag des Vorstandes der DGfE von deren Vorsitzenden Herwig Blankertz herausgegeben (Weinheim [u. a.]: Beltz, 1977, S. 39–56).

1.2 Weitere Fassungen

[5] Der Text wurde nach der Ersterscheinung 1977 von Klaus Mollenhauer in seine Monografie Umwege. Über Bildung, Kunst und Interaktion (1986, KMG 091-A) mit wenigen redaktionellen Korrekturen übernommen. Eine nahezu unveränderte Neuausgabe dieser Monografie erschien 2014 im Klaus Münstermann Verlag. Die sich daraus ergebenden Fassungen des Beitrags sind im Onlineportal in der textkritischen interaktiven Ansicht des Aufsatzes berücksichtigt, werden aber gemäß den Editionsrichtlinien der KMG nicht als eigenständige Ansichten abgebildet.

1.3 Übersetzungen

[6] 2012 erschien eine japanische Übersetzung des Beitrags im Rahmen der Übersetzung der Monografie Umwege (KMG 091-A).

1.4 unveröffentlichte Dokumente

[7] SUB Göttingen, Cod. Ms. K. Mollenhauer
  • [8] Uni-Lehre oD 10: Seminarreader: Grundprobleme einer Theorie pädagogischer Interaktion (Kommentierte Literaturliste zum Thema Grundprobleme einer Theorie pädagogischer Interaktion. Typoskript, 7 Seiten + dazugehörige Textauszüge in Kopie. Teils mit Unterstreichungen und Randnotizen. 94 Blatt, Dokumente z. T. in doppelter Ausführung. Zeitlich nach 1977 einzuordnen)

2 Inhalt und Kontexte

[9] Der Aufsatz beruht auf einem Vortrag Mollenhauers auf dem 5. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) in Duisburg zum Thema Interaktion und Organisation in pädagogischen Feldern. Wie der mit dem Kongressthema identische Vortragstitel andeutet, gehörte der Vortrag Mollenhauers (neben dem von Theodor Schulze) zu den beiden Hauptvorträgen des Kongresses. Die Tatsache, dass Mollenhauer mit dem von ihm in den vorvergangenen Jahren pädagogisch wie gesellschaftstheoretisch reflektierten Interaktionsbegriff (vgl. u. a. Theorien zum Erziehungsprozess, 1972, KMG 047-A1) an derart prominenter Stelle des Kongresses platziert war, zeigt die damals zentrale Stellung, die dieses Thema und Mollenhauer als Vertreter einer interaktionstheoretisch fundierten Pädagogik im disziplinären Diskurs einnahmen.
[10] Der Aufsatz ist auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung Mollenhauers mit dem interaktionstheoretischen Paradigma als Element einer sozialwissenschaftlich aufgeklärten, gesellschaftskritisch orientierten Erziehungswissenschaft entstanden. Nach einer kritischen Reflexion der damals in der erziehungstheoretischen Diskussion vorfindbaren, teils unterschiedlichen, teils gegensätzlichen Positionen zum Verhältnis von Erziehung, Interaktion und Gesellschaft (vgl. hierzu weiter unten in diesem Abschnitt) fordert er programmatisch dazu auf,
Interaktionsdimensionen zu ermitteln
, die die Analyseebenen der
Grundmuster der Interaktion
, der
in pädagogischen Feldern
institutionalisierten Interaktion und der gesellschaftlichen
Verkehrsformen
(im marxschen Verständnis) miteinander verbinden und so
die geheime
Syntax
unseres Erziehungssystems zu entschlüsseln
ermöglichen
(KMG 056-a, Abs. 056:78–96)
. Eine vergleichbare Intention findet sich bereits in dem mit Micha Brumlik und Hubert Wudtke publizierten Band Die Familienerziehung (KMG 048-A). Der Rückgriff auf die frühe Habitus-Theorie Pierre Bourdieus und den Figurationsbegriff von Norbert Elias verweist auf die zunehmende Bedeutung einer kulturtheoretischen Perspektive, die hier allerdings noch sehr stark gesellschaftstheoretisch überformt auftritt (
den Habitus nicht nur als kulturelle Form […] begreifen
,
KMG 056-a, Abs. 056:78–96
). Die argumentationsstrategisch zentrale Funktion eines Zitats von Thomas Bernhard (aus dem autobiographischen Roman Die Ursache) deutet zudem auf die zunehmende erkenntnistheoretische Bedeutung kultureller Dokumente hin, die wenig später im Werk Mollenhauers einen zentralen Stellenwert einnimmt (vgl. u. a. Vergessene Zusammenhänge, KMG 081-A). Insofern fungiert der Text werkgeschichtlich gesehen als eine Art Brücke zwischen sozialwissenschaftlicher Interaktionstheorie und erziehungswissenschaftlicher Kulturanalyse, was erklärt, warum er knapp zehn Jahre später als erstes Kapitel den Band Umwege. Über Bildung, Kunst und Interaktion einleitet:
Ich habe ihn hier aufgenommen und an den Anfang gestellt, da mir immer noch scheint, daß interaktionstheoretische Fragestellungen in das Zentrum jeder Pädagogik weisen
, heißt es im Vorwort zu den Umwegen
(KMG 091-A, Abs. 091:13-20)
.
[11] Das Thema des Kongresses, in dessen Kontext das vorliegende Werk entstanden ist, sollte nach Auffassung des Vorstandes der DGfE
einer selbstkritischen Rückfrage der Erziehungswissenschaft danach, was sie in den verschiedenen Feldern pädagogischen Handelns analysierend, aufklärend und ratend zu sagen hat
, dienen (so Blankertz im
Vorwort des Kongressbandes 1977, S. 5
). Nach einem Jahrzehnt umfangreicher bildungspolitisch gestützter Innovationen im Bildungsbereich schien es erforderlich, dass nicht nur die Politik, sondern auch die Erziehungswissenschaft sich der
wie auch immer polemisch überspitzten Frage
zu stellen habe,
ob die Bildungsreform gescheitert sei
(Blankertz, 1977, S. 5)
. Angesichts einer insoweit gegenüber den Leistungen der Erziehungswissenschaft zunehmend kritisch eingestellten Öffentlichkeit wuchs der Legitimationsdruck der Disziplin hinsichtlich des Ertrags der vergangenen Bildungsexpansion wie auch der Pädagogik als Forschungsdisziplin.
Was leistet die Erziehungswissenschaft für die Entwicklung der erzieherischen Einrichtungen, was müßte sie leisten und welche Funktionen nimmt sie faktisch in der politischen Interessenauseinandersetzung wahr?
(Blankertz, 1977, S. 5)
Mollenhauer greift in seinem Beitrag die in der Öffentlichkeit artikulierte wissenschaftsskeptische Haltung offensiv auf, indem er einleitend anhand eines autobiographischen Zitats von Thomas Bernhard auf die literarische und eben gerade nicht wissenschaftliche Darstellung eines Bildungsproblems referiert, von der es dann heißt, dass in ihr
das Thema, über das ich sprechen soll, präziser angegeben [sei], als in den Texten, die unter dem Namen von Wissenschaft sich um die Klärung der Fragen zu bemühen scheinen, von denen mit Hilfe der Stichworte
Interaktion
und
Organisation
die Rede sein soll
(KMG 056-a, Abs. 056:2)
. Gleichwohl stellen die daran anschließenden Überlegungen dann den Versuch dar, diese literarische Präzisierung pädagogisch relevanter Fragen in ein wissenschaftliches Theorie- und Forschungsprogramm zu übersetzen, das sowohl gesellschaftliche als auch pädagogische Relevanz verspricht.

3 Rezeption

[12] Das Werk findet in späteren Monografien und Werkdarstellungen (Aßmann 2015, Niemeyer 2010, Rödel 2003) zu Mollenhauer Erwähnung, ohne aber inhaltlich kommentiert zu werden.

4 Literatur

4.1 Andere hier verwendete Werke von Klaus Mollenhauer

    [13] Mollenhauer, Klaus. Theorien zum Erziehungsprozeß. Zur Einführung in erziehungswissenschaftliche Fragestellungen (Monografie 1972; KMG 047-A1). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqq8&edition=A1.
    [14] Mollenhauer, Klaus. Vergessene Zusammenhänge. Über Kultur und Erziehung (Monografie 1983; KMG 081-A). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqkc&edition=A.
    [15] Mollenhauer, Klaus. Umwege. Über Bildung, Kunst und Interaktion (Monografie 1986; KMG 091-A). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqj8&edition=A.

4.2 Weitere Literatur

    [16] Aßmann, Alex (2015). Klaus Mollenhauer. Vordenker der 68er – Begründer der emanzipatorischen Pädagogik. Eine Biografie. Paderborn: Schöningh.
    [17] Blankertz, Herwig (1977). Vorwort (S. 5–6). In Herwig Blankertz (Hrsg.), Interaktion und Organisation in pädagogischen Feldern. Bericht über den 5. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft vom 29.-31.3.1976 in der Gesamthochschule Duisburg. Weinheim und Basel: Beltz Verlag (Zeitschrift für Pädagogik, 13. Beiheft).
    [18] Niemeyer, Christian (2010). Klassiker der Sozialpädagogik. Einführung in die Theoriegeschichte einer Wissenschaft. 3., aktualisierte Auflage. Weinheim, München: Juventa.
    [19] Rödel, Bodo (2003). Klaus Mollenhauer in diskurs-philosophischer Perspektive. Universität zu Köln, http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:hbz:38-10874
[20] [Hans-Rüdiger Müller]