Erziehungswissenschaft und Sozialpädagogik/Sozialarbeit [Werkkommentar]

1 Werk: Formale Beschreibung

1.1 Leittext

[1] Mollenhauer, Klaus (099-a). Erziehungswissenschaft und Sozialpädagogik/Sozialarbeit oder
Das Pädagogische
in der Sozialarbeit/Sozialpädagogik (Zeitschriftenbeitrag 1988). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition (2024). Hrsg. von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqh7&edition=a.
[2] Basierend auf:
  • [3] Mollenhauer, Klaus (1988). Erziehungswissenschaft und Sozialpädagogik/Sozialarbeit oder
    Das Pädagogische
    in der Sozialarbeit/Sozialpädagogik. Sozialwissenschaftliche Literatur-Rundschau, 11(17), 53–58.
[4] Das Werk erschien erstmals 1988 und umfasst 6 Druckseiten.

1.2 Weitere Fassungen

[5] Mollenhauer, Klaus (099-b). Erziehungswissenschaft und Sozialpädagogik/Sozialarbeit oder:
Das Pädagogische
in der Sozialarbeit/Sozialpädagogik (Sammelbandbeitrag 1998). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition (2024). Hrsg. von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqh7&edition=b.
[6] Basierend auf:
  • [7] Mollenhauer, Klaus (1998). Erziehungswissenschaft und Sozialpädagogik/Sozialarbeit oder:
    Das Pädagogische
    in der Sozialarbeit/Sozialpädagogik. In Roland Merten (Hrsg.), Sozialarbeit—Sozialpädagogik—Soziale Arbeit. Begriffsbestimmungen in einem unübersichtlichen Feld (S. 131–138). Freiburg im Breisgau: Lambertus.
[8] Eine weitere Fassung des Textes erschien mit kleinen Änderungen 1998 mit einem leicht veränderten Titel in einem von Roland Merten herausgegebenen Sammelband Sozialarbeit – Sozialpädagogik – Soziale Arbeit. Begriffsbestimmungen in einem unübersichtlichen Feld und umfasst 8 Druckseiten. Neben diesem Text ist dort ebenfalls Mollenhauers frühes Werk Soziale Arbeit heute (erstveröffentlicht 1959, KMG 004-a) erschienen.

1.3 Übersetzungen

[9] Übersetzungen liegen unserem Kenntnisstand nach nicht vor.

1.4 Unveröffentlichte Quellen

[10] SUB Göttingen, Cod. Ms. K. Mollenhauer
  • [11] Manu. pub. 80 49: Klaus Mollenhauer (o. D.).
    Erziehungswissenschaft und Sozialpädagogik/Sozialarbeit oder
    Das Pädagogische
    in der Sozialarbeit/Sozialpädagogik
    (Typoskript des Aufsatzes, Umfang: 10 S.; inhaltlich und sprachlich deckungsgleich mit dem Aufsatz).
  • [12] Korr. All. Otto, H.-1: 22.10.1987, 22.1.1988, 2.2.1988, 3 Briefe zwischen Klaus Mollenhauer und Hans-Uwe Otto.
  • [13] Korr. All. Otto, H.-5: 17.12.1996, 21.2.1997, 15.04.1997, 11.12.1997, 4 Briefe zwischen Klaus Mollenhauer und Hans-Uwe Otto.

2 Inhalt und Kontexte

[14] Das Werk Erziehungswissenschaft und Sozialpädagogik/Sozialarbeit erschien in der Zeitschrift Sozialwissenschaftliche Literatur-Rundschau in der Rubrik Essays. In kritischer Auseinandersetzung mit aktuellen Texten von Lothar Böhnisch und Richard Münchmeier legt Mollenhauer darin Dimensionen eines Pädagogikbegriffs dar, die ihm für eine Fundierung einer Theorie der Sozialpädagogik unerlässlich schienen, seiner Meinung nach aber in der zunehmenden Überlagerung der Sozialpädagogik durch die Soziale Arbeit – und deren Referenzfelder Sozialpolitik, Sozialforschung und Psychologie – verloren zu gehen drohen. Dem entgegentretend nennt er Referenzpunkte, die für ein pädagogisches Verständnis der Sozialpädagogik/Sozialarbeit seines Erachtens elementar sind: Sozialpädagogik habe immer mit einem Bildungsvorgang (1) zu tun, der einer zeitlichen Struktur (2) folge. Dabei spielen in der jeweiligen Kultur vorgenommene Altersklassifikationen und Entwicklungsvorstellungen (3) eine konstituierende Rolle, welche wiederum in spezifische Interaktionsstrukturen (4), Themen- und Aufgabenbereiche (5) sowie gesellschaftliche Strukturen eingebettet sind. Er zeigt die Möglichkeiten und Grenzen von Verständigungsprozessen zwischen Erziehungswissenschaft und Sozialarbeit/Sozialpädagogik auf. Der wiederveröffentlichte Aufsatz dient im Sammelband von Merten als Ausgangspunkt für die Diskussion um die Begriffsbestimmungen von Sozialpädagogik und Sozialer Arbeit.
[15] Die Überlagerung von Sozialer Arbeit und Sozialpädagogik zeige sich nach Mollenhauer unter anderem darin, dass immer mehr Hochschulen, insbesondere Fachhochschulen beide Bereiche zugleich im Namen ihrer Studiengänge führten, während weite Bereiche der Sozialpädagogik, namentlich die Ausbildung zur*zum staatlich anerkannten Erzieher*in noch gar nicht akademisiert seien. Darüber hinaus geht es Mollenhauer in diesem Text aber auch um eine Rückbesinnung auf den pädagogischen Grundgedankengang innerhalb der Sozialpädagogik angesichts einer weiteren Entwicklung: Das Feld der außerschulischen Bildungsangebote erweiterte sich in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts enorm, es kamen neue Bindestrich-Pädagogiken zu den klassischen Feldern hinzu, gegenüber deren theoretischer Fundierung sich nicht nur Mollenhauer skeptisch zeigte. Institutionengeschichtlich lässt sich hier auf die Entwicklung der ehemaligen Primarstufen-Bildung an der Universität Göttingen verweisen. Als infolge des Lehrkräfte-Überschusses die auf die Grundschule vorbereitenden Studiengänge 1983 geschlossen wurden, bot die Erziehungswissenschaftliche Fakultät zwei neue Studiengänge
Familienpädagogik
und
Freizeitpädagogik
an. Mollenhauer vermutete hier eine Legitimationsstrategie um
einen Ereignistyp herum, der mit
Unterhaltung
oder
Animation
nicht schlecht beschrieben wäre
(KMG 099-b, Abs. 099:5)
.
[16] Die allgemeinpädagogische Begründungsfigur der Sozialpädagogik lässt sich an vielen Stellen in Mollenhauers Werk wiederfinden. Allerdings schwebt ihm nicht eine pädagogisch-theoretische Präskription und Begründung sozialpädagogischer Praxis vor, sondern ebenso sieht er die Theorie in der Pflicht, auf Ergebnisse sozialpädagogischer Forschung zu reagieren. 1996 schreibt er in einem Brief an Hans-Uwe Otto, dass er
[…] auf Schritt und Tritt Übergänge zwischen sozialpädagogischer Forschung und den daraus sich ergebenden Fragen der
Allgemeinen Erziehungswissenschaft
(Mollenhauer an Otto, 17.12.1996, S. 1, Korr. All. Otto, H-5)
entdecke.

3 Rezeption

[17] Die Wiederveröffentlichung (KMG 099-b) im Sammelband von Roland Merten 10 Jahre nach der Erstveröffentlichung, zeigt die von der sozialpädagogischen Community zugeschriebene Bedeutsamkeit des Textes auch in den 1990er Jahren. Merten schreibt in seinem Vorwort einen kleinen Nachruf:
Noch wenige Tage vor seinem Tod unterhielten wir uns über die notwendigen theoretischen und terminologischen Klärungsbemühungen zur Sozialarbeit/Sozialpädagogik, die unter anderem er in den beiden hier abgedruckten Texten unternommen hatte. Sie hatten als Referate seinerzeit für erhebliche Aufregung gesorgt, und er war gespannt auf die Reaktionen, die sich nunmehr einstellen würden. […] Sein jäher Tod hat die Disziplin eines ihrer anregendsten und produktivsten Denker beraubt.
(Merten, 1998, S. 8)
[18] Auch Volker Kraft bezieht sich 1999 auf die Grundlegung Mollenhauers und setzt sie in Beziehung zu Klaus Pranges Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Allgemeiner und Sozialpädagogik (Kraft, 1999, S. 532–533). Dabei führt er dann in eine systemtheoretische Diskussion (Kraft, 1999, S. 541–545) desselben hinein.
[19] Christian Niemeyer setzt sich 2012 in einem historischen Überblicksartikel, in dem er
Aspekte der Theoriegeschichte
(Niemeyer, 2012, S. 135)
aufführt, ebenfalls mit der Frage nach einem pädagogischen Grundgedankengang in der Sozialpädagogik/Sozialen Arbeit auseinander und bezieht sich dabei kritisch auf Mollenhauer. Er konstatiert, dass Mollenhauer in dem hier in Rede stehenden Text 1988 institutionell verfasste pädagogische Arbeit für Jugendliche für eher entbehrlich halte, diese seien vielmehr auf eine gute Schule und eine gute Infrastruktur für eine eigenverantwortlich gestaltete Freizeit angewiesen; später aber wohl vermisse Mollenhauer doch genau dies Pädagogische, als er seiner Zunft bescheinigte – hier bezieht sich Niemeyer auf einen Text von 1996 –
die Sozialpädagogik habe sich schwer getan,
einen genuin pädagogischen Grundgedankengang gut begründet aufrechtzuerhalten
(KMG 137-a, Abs. 137:5
, zit. n. Niemeyer, 2012, S. 135).

4 Literatur

4.1 Andere hier verwendete Werke von Klaus Mollenhauer

    [20] Mollenhauer, Klaus. Soziale Arbeit heute. Gedanken über ihre sozialen und ideologischen Voraussetzungen (Beitrag 1959; KMG 004-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqv4&edition=a.
    [21] Mollenhauer, Klaus. Über Mutmaßungen zum
    Niedergang
    der Allgemeinen Pädagogik – eine Glosse (Beitrag 1996; KMG 137-a). In Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe. Historisch-kritische Edition. (2025). Herausgegeben von Cornelie Dietrich, Klaus-Peter Horn & Hans-Rüdiger Müller. https://mollenhauer-edition.de/kmg.html?file=3qqck&edition=a.

4.2 Weitere Literatur

    [22] Kraft, Volker (1999). Erziehung im Schnittpunkt von Allgemeiner Pädagogik und Sozialpädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, 45(4), 531–547.
    [23] Merten, Roland (1998). Vorwort. In Roland Merten (Hrsg.), Sozialarbeit Sozialpädagogik Soziale Arbeit. Begriffsbestimmungen in einem unübersichtlichen Feld (S. 7–9). Freiburg im Breisgau: Lambertus.
    [24] Niemeyer, Christian (2012). Sozialpädagogik, Sozialarbeit, Soziale Arbeit –
    klassische
    Aspekte der Theoriegeschichte. In Werner Thole (Hrsg.), Grundriss Soziale Arbeit. Ein einführendes Handbuch (S. 135–150). Wiesbaden: VS Verlag.
[25] [Cornelie Dietrich]