Emanzipation
1. Die Aktualität des Problems
2. Wortbedeutung und Problemgeschichte
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(1)[087:6] Es handelte sich um eine politische oder, im weiteren Sinn, um eine gesellschaftsstrukturelle Thematik. Die bürgerliche Gesellschaft, deren Anfänge bis in die italienischen Stadtstaaten des 14. Jahrhunderts zurückreichen, war an einem Punkt angekommen, wo die absolutistischen und klerikalen Traditionen einem weiteren„Fortschritt“im Wege zu stehen schienen.„Emanzipation“heißt in diesem Zusammenhang deshalb: von nur traditional bestimmter Herrschaft frei werden und die gesellschaftlich-politischen Verhältnisse nach den bürgerlichen Regeln eines„vernünftigen“Gemeinwesens bilden. Das entscheidende Ereignis war die Französische Revolution.
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(2)[087:7] Parallel zu dieser geschichtlichen Entwicklung verlief eine„Emanzipation“des Denkens. Man kann darunter eine Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte verstehen, die Schritt für Schritt an die Stelle der Auslegung antiker, kirchengeschichtlicher und mittelalterlich-philosophischer Texte eine Argumentation setzte, die sich an den Möglichkeiten der menschlichen Vernunft und an der kontrollierten Erfahrung orientierte. Zwei hervorstechende Ereignisse waren in diesem Zusammenhang die Philosophie und – im Hinblick auf die Erfahrungswissenschaften – die„Encyclopédie“von Diderot und D’Allembert.
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(3)[087:8] Beide Entwicklungen hatten Folgen für die Pädagogik, ja verlangten sie geradezu: Wenn sowohl im Denken als auch im, politisch-ökonomischen Handeln der Bürger„emanzipiert“sein sollte, dann mußte er dazu gebildet werden. Dazu bedurfte es einer Abwendung vom„Buchwissen“und einer Hinwendung zu den„Realien“. Ferner bedurfte es einer von Vorurteilen befreiten Erkenntnis der Natur der Entwicklung des Kindes. Um den künftigen Bürger aber wirklich und effektiv instand zu setzen, sich auch an der politischen Geschichte aktiv zu beteiligen, und zwar ohne Unterschied, mußte wirklich jedes Kind in solcher Weise gebildet werden. Die wesentlichen Daten dieser pädagogischen Komponente bürgerlicher Emanzipation sind deshalb: Jean-Jacques Rousseaus Erziehungsutopie„Emile“(1762), Condorcets„ Erziehungsplan“(1792 der französischen Nationalversammlung vorgelegt)und die Vorbereitung der Einführung einer allgemeinen Schulpflicht.
3. Pädagogische Emanzipation im 20. Jahrhundert
4. Emanzipation und Jugendarbeit
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–[087:19] Jugendarbeit soll sich nicht in affirmativer Freizeitpädagogik erschöpfen, sondern ihre politischen und sozialstrukturellen Bedingungen und Funktionen bedenken, dem Jugendlichen ein Bewußtsein dieser Zusammenhänge vermitteln und ihm durch politische Aufklärung zu politischer Handlungsfähigkeit verhelfen.
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–[087:20] Sie soll dem Jugendlichen helfen, sich mit den überlieferten kulturellen und institutionellen Beständen kritisch auseinanderzusetzen und – in der Solidarität von Gleichaltrigengruppen – eigene zukunftsfähige Sinnentwürfe zu finden und auszuprobieren.
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–[087:21] Sie muß sich dabei zunächst auf die Lebenswelt des Jugendlichen einstellen, auf seine psychischen und sozialen Erfahrungen, sie muß bei den„Bedürfnissen“ansetzen.