[121:1] Der Beitrag gibt eine Antwort auf die Kritik von S.
Hellekamps und H. U. Musolff in H.
2/1993. In der Replik wird vor allem die Frage erörtert, ob
moralische und ästhetische Erfahrungen/Diskurse in Kontinuität oder in Differenz
zueinander stehen, besonders angesichts der Intersubjektivität, die auch für
ästhetische Erfahrungen und Urteile geltend gemacht werden kann. Bereits die
Beschreibung der Problemlage bereitet allerdings Schwierigkeiten. Sie lassen
sich sowohl in den konventionellen Komponenten ästhetischer Bildung wie in ihrer
Einbindung in kulturelle Formationen und schulische Curricula, als auch in ihrer
Subjektkomponente finden. Es wird vermutet, daß unsere Vokabularien uns derzeit
eine
‚dichte‘
Erörterung derartiger Fragen erschweren.
|a [673]|
„Anspruch der Differenz“
und
„Anspruch des
Universellen“
Eine Marginalie zur ästhetischen Bildung
[121:2] Die Frage, die Stephanie Hellekamps und Hans-Ulrich
Musolff in Heft 2 dieses Jahrgangs aufwerfen (Hellekamps/Musolff 1993), berührt, wie mir
scheint, den derzeit wichtigsten Klärungsbedarf im Rahmen
bildungstheoretischer Erörterungen ästhetischer Erfahrung. Da die Frage
ausdrücklich auch an mich gerichtet ist, denke ich, daß es keine
unbescheidene oder gar eitle Wortmeldung ist, wenn ich mich zu einigen
Anmerkungen entschließe. Die Frage lautet – in sinngemäßer Zusammenfassung
des Artikels von Hellekamps/Musolff:
[121:3] Akzeptiert man die Schwierigkeit, die darin liegt, daß ästhetische
Erfahrungen einerseits in Kulturreihen lokalisiert sind, die die Bedeutung
des ästhetischen Material-Repertoires formieren, und andererseits, daß diese
Erfahrungen in besonders dichter Weise je individuell-leibhaftig sind – wie
kann man dann befriedigende Antworten auf beide
Problemstellungen geben, die nicht schon die Antwortmöglichkeiten auf die je
andere erschweren oder verhindern? Hellekamps/Musolff werfen mir vor oder geben zu bedenken, daß strikte
Differenzbehauptungen vielleicht voreilig sind, insbesondere dann, wenn in
der zweiten Schwierigkeitskomponente der Aspekt
„Intersubjektivität“
nicht hinreichend bedacht wurde. Das habe Folgen
für die Konzeption einer Bildungstheorie, was besonders mit Bezug auf das
Verhältnis zwischen ästhetischer und moralischer Erfahrung erläutert wird,
u. a. unter Verwendung der Argumentationen Herbarts.
Ist nicht, so lautet nun die Zusatzfrage, schon die Annahme einer
Diskontinuität (
„Differenz“
) zwischen ästhetischer und
moralischer Erfahrung eine argumentativ nicht zu rechtfertigende Zerteilung
der Theorie der Bildung des Menschen, die weder intellektuell nötig noch
praktisch hilfreich ist?
[121:4] Sofern ich richtig referiert habe: dies scheint auch mir die
Grundfrage äs|a 674|thetischer Bildung zu sein. Ich will
auf knappstem Raum andeuten, welche Schwierigkeiten sich bei der
Beantwortung stellen.
1.Das Quint-Intervall und die Träne Adornos
[121:5] Die Aporie oder auch nur Erschwerung meiner Argumentation haben
Hellekamps/Musolff bei einer
Nebenbemerkung zum
„Quint-Intervall“
entdeckt, zu dem,
was es bedeuten könnte (Mollenhauer 1988,
S.
445, Hellekamps/Musolff
1993, S. 277
ff.). Genau von dieser Art, darin stimme ich zu, sind
die Fragen, die zu klären wären – und zwar noch ehe
Antworten gefunden werden können. Bei der Erläuterung dieser Fragen stoße
ich auf einige Schwierigkeiten – auch darin besteht Übereinstimmung –, und
zwar besonders dann, wenn ich meine eigene, individuelle Erfahrung ins Spiel
bringe, was bei diesem Thema gewiß nicht unangebracht ist. Ich könnte
indessen die Schwierigkeiten minimieren, würde ich von vornherein einer
Versöhnungshypothese folgen, nach der die argumentative Aufgabe vornehmlich
darin bestünde, die seit 200 Jahren eingespielten Diskurs-Erwartungen –
“universelle Bildung”
(Hellekamps/Musolff 1993,
S.
275)
,
“Vermittlung von Subjektivität und
Intersubjektivität”
(S. 284)
, Gemeinsamkeit in den
“beiden Verfaßtheiten des Ichs”
, nämlich der
“ästhetischen und
moralisch-praktischen”
(S. 288)
– zu bekräftigen. Ich suspendiere also diese Erwartungen für einige
Zeit und frage mit meinen skeptischen Kontrahenten,
“welchen Sinn verkörpert das
Quint-Intervall”
(S. 277)
.
[121:6] Stimmt es, wenn es heißt,
“das Quint-Intervall ist ein Produkt des
mathematischen Verstandes”
(S. 277)
? Mir scheint, daß es zumindest schwer zu entscheiden ist, ob,
musikhistorisch, Rationalitäts-Erwägungen (
„Mathematisierbarkeit“
) die Möglichkeitsbedingung bedeutungsvoller
Hörerfahrungen sind oder ob nicht umgekehrt Hörerfahrungen als
Möglichkeitsbedingungen für das Forschen nach rationalen Begründungen
genommen werden können. Ein ähnliches Problem stellte sich, 2000 Jahre nach
Pythagoras, mit der
allmählichen Ausbildung der europäischen Notenschrift. Subjekttheoretisch
ausgedrückt: wir, die Teilnehmer einer Kultur, in der die Kunst
„autonom“
geworden ist, stehen mit unserer eigenen
Bildungsbemühung immer vor einer doppelten Frage: Wie lokalisieren wir
unsere Erfahrungen in den
„Kulturreihen“
, die ihren je
eigenen und als Rationalitätsmodi eingespielten Standards folgen, und wie
beziehen wir ästhetische Ereignisse auf die Selbstempfindungen, die sich
dabei einstellen?
[121:7] Das sei an zwei Beispielen erläutert: Ich kann mir ein
musikalisches Stück vorstellen, das aus nichts anderem besteht als aus
Quint-Intervallen, in verschiedenen Klangfarben (Instrumentierung), aber
sonst in nur je gleichzeitig und langdauernd erklingenden zwei Tönen im
Quint-Abstand. Ich komme auf diese Idee, weil ich Ähnliches – wenngleich
nicht nach der Quint-Regel – schon in der Musik Luigi Nonos oder John
Cages gehört habe. Die ästhetische Erfahrung (in ihrer
modernen Variante) kommt, für mich, dadurch zustande, daß ich in gleichsam
zwei Einstellungen höre: in der Einstellung unvermittelt hervorgebrachter
Selbstempfindung und in der Einstellung des vergleichsfähigen
musikhistorisch halbwegs gebildeten Hörers. Es stellt sich mir deshalb die
|a 675|Frage, ob das Quint-Intervall nicht vielleicht
zwei verschiedene Topoi meines seelisch-geistigen Lebens erreicht. Beim
Hören von Schuberts Musik
“stürzt die Träne aus dem
Auge”
, wie Adorno sagt
(S. 281)
, nicht nur dem, der dessen geschichtsphilosophische Konstruktion
teilt, sondern auch dem, der sensibel hören kann. Die
“Chiffren der endlichen Erlösung”
, eine
“Philosophie der Hoffnung”
sind vielleicht entbehrlich, eine rhetorische Zugabe gleichsam. Die
“Träne”
also
könnte phänomenologisch bescheidener erläutert werden. Welche
bildungstheoretische Bedeutung hat also die
“Träne”
ohne jenen rhetorischen
Kontext?
[121:8] Das zweite Beispiel entnehme ich der bildenden Kunst. Der
niederländische Maler Vermeer van Delft verwendete in vielen
seiner Bilder den Drei-
„Klang“
von Blau, Gelb und Rot, in
je verschiedenartiger Akzentuierung; ich finde Ähnliches in Bildern von
Gabriel
Metsu, gelegentlich auch bei Cezanne, auch in Bildern unseres Jahrhunderts. Mich
selbst befragend finde ich, daß dieser
„Klang“
, relativ
unabhängig vom Sujet, eine Gestimmtheit meines leiblichen
„Spürens“
hervorbringt, die auf eine schwer sagbare Weise zwischen
Erregung und Ruhe liegt. Das ist dem Quint-Intervall vergleichbar, das mir
ja auch an verschiedenen Stellen der Musikgeschichte, zwischen Perotin und Cage, begegnen kann und die Frage
möglich macht, was es, jenseits oder diesseits seiner kulturtheoretisch
identifizierbaren Zeichenfunktion, für mich bedeutet.
[121:9] Die Frage ist nun, ob die
„Bedeutung für mich“
den vereinheitlichenden bildungstheoretischen Diskurs, der auf
„Intersubjektivität“
setzt, abbricht, oder ob auch sie
in ihn eingefädelt werden kann. Die Frage scheint müßig zu sein, denn sowohl
das
„Quint-Intervall“
wie der Farb-
„Klang“
aus Rot, Gelb und Blau sind bereits
„intersubjektive“
Sachverhalte, zu denen freilich die Individuen
unterschiedlich sich verhalten können. Aber – so lautet nun meine Gegenfrage
– haben wir denn die Intersubjektivitäts-Hypothese hinreichend geprüft?
Sollten wir uns nicht besser noch einige Zeit lang bei diesen Prüfungsfragen
aufhalten, ehe wir Zuordnungsentscheidungen nach Maßgabe der vertrauten
Theorie-Traditionen treffen?
2.Vokabularien
[121:10] Mein Vorschlag lautet: Abwarten und nachdenken – z. B. über die
Frage, welches Vokabular geeignet ist, über ästhetische Erfahrung zu reden.
Man kann sich dieser Frage gut konfrontieren, wenn man nach Redeweisen
sucht, die in der Lage sind, die ästhetischen Produkte von Kindern dicht zu
beschreiben, besonders im Hinblick auf die Bildungsbedeutung, die sie haben
könnten. Der Rückgriff auf die vertrauten Sprachspiele der
Kognitionstheorie, der Kunst-Didaktik, der kunsthistorischen Ikonographie,
der Entwicklungspsychologie, der modernen Bildungstheorie fällt uns in der
Regel nicht schwer. Schwierig wird es, wenn wir sagen wollen, was nicht nur
im Kulturhaushalt, dem das Individuum als Subjekt angehört, lokalisierbar
ist, sondern was im seelisch-geistigen Haushalt des Subjektes selbst
erreicht wird, wenn dieses Subjekt, und dann freilich immer als Individuum,
von ästhetischen Ereignissen erreicht wird oder gar diese selbst
hervorbringt.
|a 676|
[121:11] Wir behelfen uns dann zumeist mit Vokabeln wie
„Katharsis“
oder
„Erschütterung“
, mit
„Gefühl“
oder
„Emotion“
oder
“Affekt”
,
mit
„Innengrund“
und
„Spüren“
und Ähnlichem; aber man kann den Eindruck
haben, daß diese Vokabularien immer ein wenig an der gemeinten Sache
vorbeigehen, so zahlreich auch die Gewährsleute sein mögen, die man ins Feld
führen kann. In der Musiktheorie hat Carl Dahlhaus, in der
Kunstgeschichtsschreibung haben Gottfried Boehm und Max
Imdahl (beispielsweise) diese Schwierigkeit produktiv zu
bewältigen versucht. In der Bildungstheorie steht dies noch aus. Und wenn
man schon derartige Vokabularien verwendet, behelfsweise, dann, so kommt es
mir vor, ist es ziemlich irreführend, die ästhetisch-individuelle Erfahrung
dem Konstrukt einer
„Emotions-“
,
„Gefühls-“
oder
„Affektseite“
zuzuordnen, und zwar
in Differenz zu einer angeblichen
„Kognitions“
-Seite der
Person. Ästhetische Erfahrung – und darin ist sich, wenn ich recht sehe, die
gegenwärtige Neurophysiologie mit Kant einig – ist ein
geradezu paradigmatischer Fall zur Demonstration der Unergiebigkeit dieser
konstruierten Entgegensetzung. Ausdrücke wie
“Spüren”
oder
“Innengrund”
versuchen dieser unproduktiven Frontlinie zu entgehen, riskieren aber
neuerlich Schwerverständlichkeit
(vgl. Pothast
1988, besonders S. 434 ff.)
.
[121:12] Wie also sollen wir ästhetische Bildungserfahrungen beschreiben,
ohne sie nur zu benennen oder sie dieser oder jener Wunsch-Perspektive wie
z. B.
„Autonomie“
,
„Moralität“
oder
„Heimkehr des Menschengeschlechts“
einzuordnen? Oder
konkreter gesprochen: wie muß man reden, damit deutlich wird, was die
“Träne”
beim Hören der
Musik Schuberts bedeutet oder
„welchen
Sinn“
die Verwendung des Farb-
„Klanges“
von Rot,
Blau und Gelb in dem Bild eines 12jährigen Kindes
„verkörpert“
, und zwar so, daß die Rede nicht nur individuelles
Meinen zur Sprache bringt, in Vermutungen und Konjekturen, sondern prüfbare
Beschreibungen von Sachverhalten ästhetischer Bildung?
3.Differenz und Einheit
[121:13]
“Die Heranwachsenden können lernen, aus
ihren verschiedenen Bestimmungen herauszutreten”
(Hellekamps/Musolff 1993,
S.
291)
, also
“Diskontinuität und
Sprunghaftigkeit”
(S. 289)
zu riskieren –
“und doch bleiben sie
ganze, erlebende Menschen”
(S. 291)
.
“Trotz der Nicht-Identität von
ästhetischem und moralisch-praktischem Ich haben die beiden
Verfaßtheiten des Ichs doch etwas miteinander gemeinsam”
(S. 288)
. Das mag so sein; ich will es, in dieser unbestimmten Version, gelten
lassen, zumal dieses Vokabular eine lange Geschichte hinter sich hat.
Indessen: wo liegt der Grund für diese affirmative rhetorische Figur? Was
wäre denn verloren, wenn wir das Einheits-Vokabular aufgäben? Ich vermute,
daß in der gegenwärtigen Lage die Frage nach Differenzen
erkenntnisergiebiger ist als die Frage nach den Kontinuitäten. Die erste
Frage nötigt uns eher zu genauen Beschreibungen und zur Suche nach
angemessenen Vokabularien als die zweite. Das läßt sich an so verschiedenen
Autoren wie Karl-Heinz
Bohrer (z. B. 1987), Martin Seel (1985), Paul Ricœur
(1986) oder Ulrich Pothast (1988) studieren.
[121:14] Ein anschauliches Beispiel für solche Erkenntnis-Ergiebigkeit ist
der Streit der Interpreten über Picassos Bild
„Guernica“
:
Kontinuitäts-Theoretiker, sol|a 677|che also, die auch im
Ästhetischen noch das Praktische sehen wollen, lokalisieren es im
politisch-praktischen Diskurs; andere versuchen, es als reines ästhetisches
Objekt zu lesen; die Frage, wer recht habe, ist müßig; nicht müßig aber ist
die Frage, welche Interpretationsrichtung mehr über
„ästhetische Erfahrung“
zutage fördert. Oder
„Auschwitz“
: um das Unsägliche dieser sittlichen Verrottung zu
erkennen, bedarf es nicht der
-Behauptung
ist also eine heuristische Hypothese: sie lenkt die an Erkenntnis
interessierte Aufmerksamkeit auf die Erläuterung des besonderen
Erfahrungsmodus der ästhetischen Sphäre. Später mag sich die Einsicht
einstellen, daß, in einer allgemeineren Schicht unserer verschiedenen
Weltverhältnisse, zwischen Ästhetik und Ethik Kontinuitäten angenommen
werden dürfen. In der Zwischenzeit scheint es mir eher hilfreich zu sein,
die empirische Beschreibung ästhetischer Erfahrung und ihrer Lokalisierung
im Bildungsprozeß voranzubringen.
4.Ästhetische
„Alphabetisierung“
[121:15] Die Frage, was ästhetische Erfahrung für Kinder und Jugendliche
sei und wie sie sich dem neueuropäischen Begriff von
„Bildung“
zu- oder einordnen lasse, ist eine durchaus andere Frage
als die, ob überhaupt und wie das in den Curricula der öffentlichen
Unterrichtsanstalten situiert werden könne. Auch hier liegt mir eher an der
Differenz-Annahme, weil sie erlaubt,
„Bildung“
nicht
immer schon der
„Didaktik“
zu subsumieren. Die beiden
Fragen und Sachverhalte sind insofern verschieden, als die öffentliche
Organisation von Unterricht natürlich nicht
„Bildung“
sichern oder hervorbringen kann, sondern höchstens einige ihrer Komponenten,
die indessen nicht unerheblich sind. Das gilt besonders für die ästhetische
Dimension der Bildung, von der ich vermute, daß sie nur partiell
didaktisierbar ist. In
„Didaktik“
läßt sich nur
einfädeln, was an der ästhetischen Erfahrung konventionell ist, und wenn man
die Ansprüche nicht derart unbillig hochschraubt wie Adorno. Das liegt
an der gesellschaftlich-kulturellen Funktion von Schulen. Sie können, mehr
oder weniger zuverlässig, in kulturelle Bestände einführen, mit deren Regeln
vertraut machen, also auch mit den Zeichen-Formationen des Kunst-Sektors
unserer Kultur. Was darüber hinaus geht, mag gelegentlich gelingen; zumeist
aber sind es nur rhetorische Zugaben der Kommentatoren (vgl. dazu neuerdings Wünsche 1993). Diese nicht nur nützliche, sondern für
eine Kultur lebensnotwendige Unterrichtstätigkeit nenne ich
„ästhetische Alphabetisierung“
: Noten-Kenntnis, Informationen über
den Farbkreis, Übungen in Produktionstechniken, Instrumentenkunde, auch
historisches Wissen über die verschiedenen Künste, über die Charakteristiken
der Moderne, Formen der Gestaltung mit Linie und Fläche, mit Intervall und
Rhythmus und manches mehr und in gut durchdachter Verteilung über die
verschiedenen Altersstufen – wie beim Sprachunterricht, der Mathematik, der
Gemeinschaftskunde.
[121:16] Auch wenn es gelegentlich Höhepunkte geben mag,
„fruchtbare Momente im Bildungsprozeß“
(Copei),
Unstetigkeit, Brüche, Sprünge (Hellekamps/Musolff
1993, S.
289), scheint es mir realistischer zu sein, die
Didaktik der Künste auf die Konventionen zu beziehen und nicht auf
Vermutungen über |a 678|Autonomie, Kreativität, über
“ganze, erlebende
Menschen”
. Ästhetische Erfahrung – das unterscheidet sie von
anderen Dimensionen der Bildung – ist nicht in Curricula zweckrational
zugänglich. Diese Ansicht ist vielleicht falsch; die weitere Diskussion wird
es zeigen, sofern es uns gelingt, genau und zuverlässig zu beschreiben, was
sich für die Bildung des Menschen ereignet, wenn er ästhetische Erfahrungen
macht.
[121:17] In Barcelona kann man ungefähr dreißig Bilder Picassos sehen,
die er im Alter zwischen 10 und 18 Jahren gemalt hat: ein ästhetisches
Alphabetisierungs-Curriculum als Durchgang durch die in den letzten beiden
Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts gebräuchlichen Konventionen. Ästhetische
Erfahrungen stellen sich vermutlich erst vor solchem Hintergrund ein – aber
didaktisch unverfügbar.
Literatur
[121:18] Boehm, G.: Über
die Konsistenz ästhetischer Erfahrung. In: Zeitschrift für Pädagogik 36
(1990), S. 469-480.
[121:19] Bohrer, K.-H.:
Der romantische Brief. Die Entstehung ästhetischer Subjektivität. Mün
chen/Wien 1987.
[121:20] Hellekamps,
S./Musolff, H.-U.: Bildungstheorie
und ästhetische Bildung. In: Zeitschrift für Pädagogik 39 (1993), S.
275-292.
[121:21] Mollenhauer, K.: Ist ästhetische Bildung
möglich? In: Zeitschrift für Pädagogik 34 (1988), S.
443-461.
[121:22] Mollenhauer, K.: Die vergessene Dimension
des Ästhetischen in der Erziehungs- und Bildungstheorie. In: Kunst
und Pädagogik, hrsg. von D. Lenzen. Darmstadt 1990, S.
3-17.
[121:23] Mollenhauer, K.: Ästhetische Bildung
zwischen Kritik und Selbstgewißheit. In: Zeitschrift für Pädagogik
36 (1990), S. 481-494.
[121:24] Pothast, U.:
Philosophisches Buch. Schrift unter der aus der Entfernung leitenden
Frage, was es heißt, auf menschliche Weise lebendig zu sein. Frankfurt
a. M. 1988.
[121:25] Ricœur, P.: Die
lebendige Metapher. München 1986.
[121:26] Seel, M.: Die
Kunst der Entzweiung. Zum Begriff der ästhetischen Rationalität.
Frankfurt a. M. 1985.
[121:27] Wünsche, K.:
Tabus über dem Schülerberuf. In: Zeitschrift für Pädagogik 39 (1993), S.
369-381.
Abstract
[121:28] The article is written in answer to the critique by S. Hellekamps and H. U. Musolff, published in issue 2/1993.
The author discusses above all the question whether the relation between moral
and aesthetic experiences/discourses is one of continuity or of difference,
especially in view of the intersubjectivity which can also be claimed for
aesthetic experiences and judgements. The description of the problem itself
already leads to difficulties, some of which are due to the conventional
components of aesthetic education and to its integration into school curricula.
It seems that, at present, our vocabularies impede a