Beitrag zu einer Theorie ästhetischer Bildung
1. -Rezeption
2. ,
und die
»aktive
Bestimmbarkeit«
3. Nachahmung
4. Autonomie
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1.[138:20]»Natur«ist nicht nur das, was den Sinnen zugänglich ist, sondern auch, was»sich«innerhalb des Organismus»erzeugt«. Die Distanzierung von der vulgären, aber schon von (1788), eine Generation früher bereits für die Musiktheorie von (1754), besonders ausführlich aber von zurückgewiesenen Nachahmungsvorstellung wird also nach zwei Seiten hin vorgenommen: Nicht nur zur äußeren Natur, sondern auch zur inneren hin versagt der Nachahmungsbegriff als zuverlässige Kategorie für die Beschreibung der interessierenden Vorgänge. Auch dies ist ein Erbe der romantischen Kunsttheorien, für die Musik von eindringlich beschrieben. Diese hier dem Künstler zugeschriebene Bewegung der Distanzierung von den Beständen des (äußeren oder inneren) Materials oder»Stoffs«() ist auch eine Grundfigur des klassisch-romantischen Nachdenkens über Bildung, nämlich:
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2.[138:21] Auf gar keinen Fall»sich den Stimmungen«, und das ist etwas durchaus anderes als»Empfindungen«, überlassen und sie, die innere Natur, in quasi direktem Ausdruck abzuschildern, das ist ein wesentlich romantisches Denkmotiv. Es zeigt sich in den Athenäums-Fragmenten ebenso wie bei , der 1835 bekräftigte, daß die Kunstidee der sogenannten»Empfindsamkeit«, nannte das etwas später»verrottete Gefühlsästhetik«, aber ebenso die späteren verbürgerlichten Kompositionen des Biedermeier ( dachte z. B. an die Oper»« von ) eine Sackgasse seien19. Warum? Weil Gefühl, Stimmung, Empfindung, Innenweltliches also, nicht einfach in irgendeinem Medium, Sprache, Bild oder Musik, abgebildet werden können, um den Status von»Kunst«zu erreichen, sondern einer Brechung bedürfen. Kleist/Brentano haben das, in jener immer wieder zitierten Notiz zu Bild (1810), auf einen bildhermeneutischen Punkt gebracht, freilich wiederum in Metaphern.
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3.[138:22] Die notwendige Brechung spontaner Ausdrucks- oder Akkommodationsbedürfnisse ist, im Rahmen einer Theorie der Bildung, auch ein Problem der Bildung von»Individualität«. Das ganze historische Projekt einer Transformation der feudalen in eine republikanisch-demokratische gesellschaftliche Form hängt, wie wir heute empirisch zuverlässiger wissen als damals, u. a. an der Frage, ob es gelingt, konturierte Individualitäten mit dem kulturell oder gesellschaftlich Allgemeinen zu vermitteln. Formel dafür war,»soviel Welt als möglich zu ergreifen und so eng, als er (der Mensch) nur kann, mit sich zu verbinden«»Kräfte«»Welt«also, wie sagte,»in seinen Besitz zu bringen«ist. Der damit gemeinte Vorgang ist ohne Selbstreflexion nicht vorstellbar, besonders dann, wenn es sich um Innenweltliches handelt. Erst auf dem Wege solcher Selbstreflexion – so die Bildungstheorie , und – kann es gelingen, die kulturellen Solidaritätserwartungen mit den Individualitätsentwürfen in eine manierliche Balance zu bringen. Das Kunstprodukt oder auch die Tätigkeit des Künstlers ist der paradigmatische Fall für dieses Problem, denn, wie schreibt, das»Merkwürdige in der künstlerisch begabten Natur«»daß in ihr ein Vorgang, den wir in gewissen Ausdrucksbewegungen ganz allgemein bei allen Menschen angedeutet finden, zu einer einseitigen und das gewöhnliche Maß weit übersteigenden Entwicklung gelangt«(I, 174)
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4.[138:23] Dieser»Vorgang«, dieses»Sich-in-seinen-Besitz-Bringen«, ist nun, so Meinung, äußerst dicht mit der Leibhaftigkeit des Menschen verbunden (»was sich seinem Auge darbietet«). Eine solche Differenzierung der»Autonomie«-Figur gelang bildungstheoretisch erst zwei Generationen später. Sie zeigt, zur Außen- und Innenwelt-Seite hin, daß das Projekt»Autonomie«, als fiktiver Fluchtpunkt für Bildungsprozesse, die besondere Charakteristik der Sinne uns als bedenkenswerte Problemstellung aufgibt, jedenfalls dann, wenn wir es nicht in soziologischer Verkürzung denken. Man müsse»fortsetzen, was das Auge begonnen hat«(I, 174)»jene unberechtigte Scheidung zwischen geistigem und körperlichem Tun aufgeben«(I, 175)»in der künstlerisch bildenden Tätigkeit eine bestimmte Art der Entwicklung bewußten Lebens«(I, 176)»Bewußtsein der Wirklichkeit ..., das durch kein Denken (dasjenige, das in diskursiver Rede sich ausdrückt) jemals erreicht werden kann«(I, 180)
5. Ästhesiologische Bildungstheorie
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–[138:26] Zur Vorgeschichte seiner Argumentationen sind und vor allem zu nennen22. Die von ihnen begonnenen Beschreibungen der unhintergehbaren Leibgebundenheit von Bildungsvorgängen, der Aufsatz über die»Plastik«, die Studien über Blinde, Taube und Stumme, die Ausstellungskommentare zu den Pariser»Salons«, all dies wird von für das Feld des Sehens fortgesetzt, wenngleich ohne ausdrückliche Bezugnahmen.
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–[138:27] Er schrieb nicht über Kunst,»Kunstförmiges«und die dabei ins Spiel kommende Tätigkeit der Sinne überhaupt, sondern hielt es für geboten, eine differenzielle |a 108|Anthropologie der Sinne ins Auge zu fassen, ähnlich wie , an dieser Frage allerdings weniger interessiert, es für das Ohr versuchte und wie später es unternahm, die ästhesiologische Besonderheit der Sinne in Kontrast zu ihrer»Einheit«zu skizzieren.
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–[138:28] Schließlich beginnt in der gegenwärtigen Pädagogik, vor allem im Bereich der Erziehungsphilosophie, eine ziemlich grundlegende Neuorientierung, wenngleich eher am Rande des»mainstreams«: Die zumeist schulförmig entworfenen Theorien der Bildung, auch die Kognitionstheorie und seiner Nachfolger, werden auf die Verluste hin befragt, die sie mit sich brachten. Und diese finden wir eindeutig in jener Richtung des Nachdenkens, die sich die eigentümliche Ordnung der Sinne zum Gegenstand macht.